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Fidel Castro ist seit einem Jahr tot. Jorge Ortega kehrt auf seine Insel, nach Kuba zurück. Seine Mission lautet: Besetzung der Radiostation in Santa Rosa. Drei Tage hat er Zeit - Ortegas Agentenchef in Florida hat ihm garantiert, das Kommandounternehmen zur Befreiung Kubas mit einer Landung zu unterstützen. Der schmutzige Krieg - ob in Guatemala, in Kolumbien oder Nicaragua - überdrüssig, hat der desillusionierte Jorge Ortega längst Zweifel am Sinn dieses mörderischen Einsatzes. In den Dschungelbergen bereitet er seine siebenköpfige Guerillagruppe auf den Angriff vor. Niemand weiß mehr, wer…mehr

Produktbeschreibung
Fidel Castro ist seit einem Jahr tot. Jorge Ortega kehrt auf seine Insel, nach Kuba zurück. Seine Mission lautet: Besetzung der Radiostation in Santa Rosa. Drei Tage hat er Zeit - Ortegas Agentenchef in Florida hat ihm garantiert, das Kommandounternehmen zur Befreiung Kubas mit einer Landung zu unterstützen. Der schmutzige Krieg - ob in Guatemala, in Kolumbien oder Nicaragua - überdrüssig, hat der desillusionierte Jorge Ortega längst Zweifel am Sinn dieses mörderischen Einsatzes. In den Dschungelbergen bereitet er seine siebenköpfige Guerillagruppe auf den Angriff vor. Niemand weiß mehr, wer Anhänger und wer verräterischer Abtrünniger ist. Fiebriges Misstrauen breitet sich aus. Und die leidenschaftliche Affäre des "americano" Ortega mit der Partisanin Gloria wühlt dessen Erinnerung an eine andere allgegenwärtigen Geliebten auf. Die Mitschuld an ihrem Tod kann Jorge Ortega sich nicht vergeben. Er will seine Selbstachtung wiedergewinnen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2000

Die Gespenster in den Köpfen der Überlebenden
Die Erzählbarkeit des Krieges: James Coltrane widmet sich in "Ortegas Finale" Stewart O'Nans Lebensthema · Von Paul Ingendaay

Vor genau sechzig Jahren erschien Hemingways Roman "Wem die Stunde schlägt". Wer es heute noch einmal mit der romantisch-existenzialistischen Geschichte aus dem Spanischen Bürgerkrieg probiert, muss fingerdicken Staub von dem Buch herunterpusten. Ein archaisierendes Englisch, dessen Manierismus in Hemingways Werk einzigartig ist, bereitet dem Kampf der Guten gegen die Bösen die feierliche Bühne. Dazwischen funkelt eine zarte Liebe auf einem Bett von Fichtennadeln, was die Sache in den entrückten Stand des Bittersüßen und unbedingt Filmtauglichen erhebt. Als Hemingway den Roman veröffentlichte, wusste er um den tragischen Ausgang des spanischen Krieges; der Reporter und Dokumentarfilmer hatte genug davon gesehen. Schon im Vorwort zu seinem Theaterstück "Die fünfte Kolonne" (1938) prophezeite er: "Man wird viele Stücke und Romane brauchen, um den Adel und die Würde der Sache, für die das spanische Volk kämpft, darzustellen, und die besten werden geschrieben werden, wenn der Krieg vorüber ist."

Ein anderer Krieg an anderem Ort ist noch lange nicht vorüber, doch ist er so zäh und sektiererisch, dass er zur historischen Mythenstiftung beim besten Willen nicht taugt: Es ist der Kampf um ein Kuba ohne Castro, von Miami aus geführt, vom CIA mitfinanziert und von der krisengewohnten Welt weitgehend mit Gleichgültigkeit betrachtet. Von diesem Krieg oder einer kleinen Episode daraus, abseits der Hauptstadt Havanna, erzählt der amerikanische Schriftsteller James Coltrane in seinem Roman "Ortegas Finale". Eine einzige Sache hat Coltrane zurechtgeschminkt, um mit seinem Material besser hantieren zu können: Castro, so heißt es auf den ersten Seiten, soll im Jahr zuvor gestorben sein. Kuba ist aber noch sozialistisch oder wie immer man Castros Gesellschaftsmodell nennen möchte. Zeit also, abermals eine Invasion zu riskieren, um die widerspenstige Insel zu zähmen; es muss ja nicht gleich die Schweinebucht sein.

Mit etwas Bosheit könnte man sagen, wer Hemingway kennt, kennt auch Coltrane, denn das Handlungsskelett von "Ortegas Finale" ist dem dicken alten Buch mit pauspapierner Treue nachgeschrieben. Abermals stößt ein "Americano" zu den einheimischen Partisanen, hier José Ortega, der als Agent der Vereinigten Staaten einen Radiosender in einer kubanischen Provinzstadt besetzen soll, um die Landung der Amerikaner vorzubereiten; abermals ist der Aktion eine Frist von zweiundsiebzig Stunden gesetzt; es gibt die Liebe des Helden zu einer Partisanin nebst Seufzern unterm Sternenzelt; die wesentlichen Charakterköpfe des Personals, von der rauen Mutter der Kompanie bis zum Waschlappen und Deserteur; den Stoizismus, mit der eine Hand voll allein gelassener Leute in den Untergang marschiert; und schließlich den Tod selbst, der bei Hemingway wie auch bei Coltrane nicht nur tapfer erlitten, sondern als Erfüllung des Schicksals begriffen wird. Kurz, die beschleunigte Version einer leicht ranzigen Männergeschichte.

Die Nähe von Coltranes Buch zur Vorlage gibt allerdings Rätsel auf. Denn für ein Plagiat springen die Anleihen zu sehr ins Auge, und für eine Parodie ist der Ton zu ernst. "Seit langem kam er nun schon ohne politische Einstellung aus", heißt es von José Ortega, "und sein fanatischer, in seinem Körper zirkulierender Wille, die Kommunisten vom gesamten Kontinent zu verjagen, war mit jedem Einsatz ein wenig mehr gebrochen, mit jedem nicht ganz sauberen Auftrag feiner zermahlen worden, hatte sich in den feinen, ironischen Brisen von Macht und Ohnmacht verflüchtigt." In solchen Sätzen offenbart sich der Riss in der Mentalität des mitfühlenden Söldners: Ortega hat in Honduras und El Salvador zu viel Grausamkeit und beim CIA zu viel Zynismus gesehen, um die Unterscheidung zwischen guten Toten und schlechten Toten aufrechterhalten zu können. Das macht den Roman noch nicht zur subversiven Lektüre; ausgehöhlter Glaube, mechanische Pflichterfüllung und die Verlorenheit des Einzelnen im System gehören in der bleihaltigen Literatur längst zu den Standardmotiven.

Warum also das Ganze noch einmal? Was hatte James Coltrane im Sinn? Der Text allein würde es nicht preisgeben. Doch hinter dem Pseudonym, so wispert der Klappentext geheimnisvoll, "verbirgt sich ein bekannter amerikanischer Schriftsteller". Dem ist kaum zu widersprechen. James Coltrane heißt in Wahrheit Stewart O'Nan. Der 1961 geborene Autor, eine der originellsten Stimmen der jüngeren amerikanischen Literatur, hat auf Deutsch schon drei Romane veröffentlicht, darunter die Gangsterballade "Die Speed Queen" und zuletzt den Familienroman "Der Sommer der Züge", der glänzende Kritiken erhielt. O'Nan kennt sich mit Waffen ziemlich gut aus. Er ist ein Kinoexperte, schreibt für diese Zeitung über Fernsehen und Gegenwartskultur, liebt alte Rockmusik und alte Autos. Vor allem aber schreibt er vom Andauern des Krieges in den Köpfen der Überlebenden.

Sein jetzt veröffentlichter Roman "Ortegas Finale" mag ein Pastiche sein, das rasch dahingeworfene Nebenwerk eines Schreibbesessenen, doch er führt geradewegs ins Zentrum von O'Nans Lebensthema. Im Original heißt das Buch "A Good Day to Die" und steht in einer Reihe mit seinen (noch unübersetzten) Romanen, die den Tod im Titel tragen und stets von den Gespenstern des Krieges handeln: "The Names of the Dead" (1996) und "A Prayer for the Dying" (1999).

Als der Autor vor einigen Jahren als Literaturdozent nach einer Anthologie zum Vietnam-Krieg suchte, die seine Studenten benutzen könnten, und nichts Brauchbares fand, stellte er sich seine eigene zusammen. "The Vietnam-Reader" (1998), der Auszüge aus den klassisch gewordenen Texten von Michael Herr bis Tim O'Brien enthält, dazu Lieder, Gedichte und Essays zu Filmen wie "The Deer Hunter" und "Full Metal Jacket", dokumentiert ein brennendes Interesse an der Erzählbarkeit des Krieges.

Das alles zu wissen macht "Ortegas Finale" noch nicht zu einem großen Buch. Aber es stellt diesen durchaus spannenden Roman, den Peter Torberg in ein flüssiges, zupackendes Deutsch übersetzt hat, in einen Zusammenhang, in dem er zu sprechen beginnt: etwa von der Fixierung eines begabten Schriftstellers auf den "American way of death", auf die morbiden Details des Schießens, Sprengens und Tötens. Interessant ist, dass O'Nans Spezialkenntnissen zu Waffengattungen und Kampfhubschraubern, die hier aufgeboten werden, kein eigenes Erleben entspricht. Kürzel wie Mac-10, M-16 oder Prick-60 stammen aus dem Laptop eines Friedenskindes, das ebendeshalb auf politische Analyse und jegliche Bewältigungsgymnastik verzichten kann: Kriegsdarstellung aus dem Geist der Archive und Videotheken. Vielleicht war es nicht die beste Idee, dem Publikum dieses Buch kommentarlos vor die Füße zu werfen.

James Coltrane: "Ortegas Finale". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Peter Torberg. DuMont Buchverlag, Köln 2000. 240 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Über Hemingways Buch über den spanischen Bürgerkrieg kommt Paul Ingendaay auf diesen Roman über den Kampf um Kuba, dessen Übersetzung in "flüssiges, zupackendes Deutsch"durch Peter Torberg er ausdrücklich lobt. Jedoch: "Wer Hemingway kennt auch Coltrane" hört sich nicht sehr vielversprechend an. Spannender als diese "leicht ranzige Männergeschichte", die Ingenday kurz umreißt, ist die Tatsache, daß sich hinter James Coltrane der amerikanische Schriftsteller Steward O`Nan verbirgt. "Brennendes Interesse an der Erzählbarkeit des Krieges" spürt der Rezensent hinter O`Nans publizistischen und herausgeberischen Aktivitäten zum Thema Krieg. Vermutet, `A Good Way To Die`, so der amerikanische Titel, sei das "rasch dahingeworfene Nebenwerk eines Schreibbesessenen". Es dem Publikum "kommentarlos vor die Füße zu werfen", findet Ingendaay nicht so ideal.

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