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Eine schwarze Komödie im New York der 20er-Jahre
Scheinheiligkeit, Scheinmoral, Scheinentrüstung - das ging im Medienzirkus schon immer zusammen und tut es bis heute. Nathanael West zeigt in seiner flammenden Satire, wie dreist im modernen Pressewesen getäuscht und geheuchelt wird. Mit seiner "Miss Lonelyhearts" präsentiert er eine wunderbar ambivalente Schlüsselfigur des großen Bluffs.
"Haben Sie Sorgen? Schreiben Sie an Miss Lonelyhearts!" - Die Leserschaft des New Yorker Post-Dispatch macht regen Gebrauch von der Offerte, und die Briefe in der Redaktion stapeln sich höher und höher.
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Produktbeschreibung
Eine schwarze Komödie im New York der 20er-Jahre

Scheinheiligkeit, Scheinmoral, Scheinentrüstung - das ging im Medienzirkus schon immer zusammen und tut es bis heute. Nathanael West zeigt in seiner flammenden Satire, wie dreist im modernen Pressewesen getäuscht und geheuchelt wird. Mit seiner "Miss Lonelyhearts" präsentiert er eine wunderbar ambivalente Schlüsselfigur des großen Bluffs.

"Haben Sie Sorgen? Schreiben Sie an Miss Lonelyhearts!" - Die Leserschaft des New Yorker Post-Dispatch macht regen Gebrauch von der Offerte, und die Briefe in der Redaktion stapeln sich höher und höher. Ob es um Pubertätsnöte geht, um Inzest oder gebrochene Herzen - Miss Lonelyhearts hat garantiert die passenden Worte auf Lager. Dass die beliebte Trostspenderin in Wahrheit eine durch und durch trostlose Existenz ist, wissen nur die feixenden Kollegen.

Schonungslos deckt der Roman den faulen Zauber eines Systems auf, das auf billigsten Illusionismus setzt und Menschen vorsätzlich für dumm verkauft. "'Miss Lonelyhearts' ist aus dem Stoff, aus dem unsere Zeitungen sind - bloß dass West die Wahrheit erzählt." (Dashiell Hammett)
Autorenporträt
Nathanael West (1904-40), Sohn litauischer Juden, wurde als Nathan Weinstein in New York geboren. In den 1930er-Jahren Drehbuchschreiber in Hollywood, war er mit so namhaften Schriftstellerkollegen wie F. Scott Fitzgerald oder Dashiell Hammett befreundet. Sein schmales, aber hochkarätiges Erzählwerk weist ihn als gewitzten Kritiker neuzeitlicher Glücksideologien aus.

Dieter Eduard Zimmer, geboren 1934, ist Schriftsteller, Übersetzer und Publizist. Er studierte Literatur- und Sprachwissenschaft in Berlin, Genf und den USA. Ab 1959 lebte er in Hamburg und war dort lange Redakteur der Wochenzeitung 'Die Zeit', von 1973 bis 1977 Feuilletonchef. Seit 2000 ist Zimmer als freier Schriftsteller, Literaturkritiker, Übersetzer und Publizist in Berlin tätig. Der umfassend gebildete Autor veröffentlichte Bücher und Zeitschriftenartikel zu Fragen der Psychologie, Biologie, Anthropologie, Medizin, Linguistik, Kommunikationswissenschaft und des Bibliothekswesens. Seit 1989 ist Zimmer Herausgebe

r der deutschen Gesamtausgabe von Vladimir Nabokov. 2008 erhielt Dieter Zimmmer den Übersetzerpreis der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Simon Strauss erinnert an einen großen Roman, Nathanael Wests 1933 erschienene Protokollierung der Leidensgeschichte eines jungen Mannes mit schwerem Gemüt und Helfersyndrom, der sein Geld als Kummerkastentante einer New Yorker Zeitung verdient. Das Buch als Sammelsurium menschlicher Not findet Strauss schlicht ergreifend. Dafür dass die religiöse Dimension nicht zu stark, der Generationenroman nicht zu offensichtlich wird, steht für Strauss ein entschieden surrealistischer Zug, der den Rezensenten beim Lesen angenehm an Filme von Bunuel und Bilder von De Chirico erinnert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.08.2013

Das kalte Herz der Kummertante
Ein tiefschwarzer Medienroman aus dem Amerika der Depression: Nathanael Wests „Miss Lonelyhearts“
„Man vergesse das Epos, das Meisterwerk. Das langsame Wachstum sei den Buchrezensenten überlassen, man selbst hat Zeit nur für eine Explosion“, schrieb ein bissig-verzweifelter Nathanael West in der Literaturzeitschrift Contempo im Mai 1933. Da hatte gerade der Verlag pleite gemacht, in dem drei Wochen vorher sein neuer Roman „Miss Lonelyhearts“ erschienen war. Vier Jahre lang hatte West an ihm gearbeitet, vornehmlich frühmorgens, im Kenmore Hall, einem 600-Zimmer-Hotel zwei Blocks vom Madison Square entfernt, wo er als Nachtportier für 35 Dollar die Woche arbeitete.
  Und nun? Nichts mehr als eine kurze Explosion am blitzenden Nachthimmel der Great-Depression-Zeit. Der Drucker weigert sich die unbezahlten Exemplare auszuliefern, West bekommt keinen Cent Honorar. Freunde helfen ihm, die Rechte am Roman zurückzuergattern und an einen neuen Verlag zu vergeben, aber es werden nur wenige Exemplare verkauft, der Rest wird verramscht. Einige Jahre lang schlägt West sich von nun an als anonymer Skriptschreiber bei Columbia Pictures durch, veröffentlicht ohne großen Erfolg zwei weitere Romane, bevor er dann im Dezember 1940 – auf dem Weg zu der Beerdigung seines Freundes F. Scott Fitzgerald – an einer Straßenkreuzung zusammen mit seiner Frau tödlich verunglückt, erst 37 Jahre alt.
  Die Titelfigur in „Miss Lonelyhearts“, die Kummerkastentante einer New Yorker Lokaljournaille, ist in Wirklichkeit keine Tante, noch nicht einmal ein Onkel, sondern ein 26-jähriger Baptistensohn mit schwarzen Gedanken und krankhaftem Helfersyndrom. Täglich erreichen ihn Briefe verzweifelter Leser, „alle einander ähnlich, mit einer herzförmigen Ausstechform aus dem Teig des Leidens gestanzt“. Sie zeichnen mit den Decknamen ihrer stillen Wut: „Schnauze voll“ hat schreckliche Nierenschmerzen, aber ihr Mann ist katholisch und will noch mehr Kinder, „Verzweifelt“ hat von Geburt an keine Nase, und niemand will mit ihr tanzen gehen, ein traumatisierter Bruder fragt um Rat, weil seine taubstumme Schwester beim Spielen auf dem Dach vergewaltigt worden ist. Ein düsteres Potpourri menschlicher Not.
  Während „Miss L.“ beim Versuch, den Leidenden Trost zu spenden, an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gerät, macht sich sein Feuilletonchef – erbarmungsloser Zyniker und dauerproduzierende Witzmaschine – einen Spaß daraus, ihn als „Priester des zwanzigsten Jahrhunderts“ zu verhöhnen. Seiner sitzen gelassenen Verlobten gesteht er einen „Christus Komplex“, er träume davon, „zur Rechten des Lammes zu sitzen“.
  Der eigentlich ganz und gar ungläubige Nathanel West zeichnet einen unwirklichen Heiligen, der an seinem Sendungsbewusstsein schrecklich scheitert, denn die Briefeschreiber werden bald zu Peinigern, die ihn in eine tiefe Lebenskrise stürzen. Eines Abends trifft er auf einer öffentlichen Toilette einen alten Homosexuellen. Aus scheinbar beruflichem Leidensinteresse fragt er ihn nach seiner Lebensgeschichte. Als der Alte nicht gleich antworten will, bricht aus der Kummertante eine lang aufgestaute Aggression hervor: Er verdreht dem schreienden Alten den Arm, „und damit allen Kranken und Elenden, allen Gebrochenen und Betrogenen, allen Sprachlosen und Impotenten“. Kein Ausflug aufs Land, kein Sex mit der Frau des Chefs hilft ihm mehr, sich aus seinen Projektionen zu befreien, sein Herz bleibt nur noch „ein erstarrter Klumpen eisigen Fettes“. Am Ende erschießt ihn der verkrüppelte Ehemann einer Leserin, mit der er einmal aus Mitleid geschlafen hatte. Das Martyrium des einsamen Jünglings ist vollzogen.
  Nathanael Wests so ergreifender wie schockierender Roman, der dem Leser in kurzen Kapiteln mehr entgegengeschleudert als langatmig erzählt wird, beruht auf echten Kummerbriefen (zwei Briefeschreiberinnen versuchten später sogar, ihn deswegen zu verklagen). Er hat eine seltsame und schwer fassbare religiöse Dimension. Es ist die Leidensgeschichte eines jungen Mannes, der sich um jeden Preis einen Heiligenschein verdienen will, aber am Übel der Welt und seiner eigenen inneren Kälte zugrunde geht. Aber während man zuweilen das Gefühl hat, einen defätistischen Generationenroman der – von der Großen Depression traumatisierten – „Lost Generation“ in den Händen zu halten, biegt die Erzählstimme im nächsten Moment plötzlich in eine surrealistische Traumbeschreibung ab, deren metaphysische Semiotik an ein De-Chirico-Bild oder einen Luis- Buñuel-Film erinnert.
  „Ein Romanschreiber kann sich alles leisten, nur keine stumpfsinnige Langeweile.“ Diesem im Jahr 1933 selbstgeprägten Vorsatz hat sich West in „Miss Lonelyhearts“ erfolgreich verschrieben. Mal mit aggressiver Wucht, dann wieder mit trauriger Resignation lässt er seine Hauptfigur im Labyrinth menschlicher Behauptungssucht und emotionaler Insuffizienz herumirren. Ein Passagenwerk der verlorenen Nächstenliebe, das schon einige Male – seltsam harmlos – verfilmt wurde.
  Dem Dichter William Carlos Williams, einem engen Freund von West, fuhr 1938 beim Lesen von „Miss Lonelyheart“ ein gewaltiger Schock durch die Glieder: „Mein Gott! Hier verstehen wir, zu was für Schurken wir in diesem Jahrhundert geworden sind.“ Dass es vergleichbare Schurken (und Opfer) auch im 21.Jahrhundert gibt, ist nicht zuletzt die große Qualität dieses „Medienromans“ der ganz besonderen Art.
SIMON STRAUSS
Der Held hat einen „Christus-
Komplex“, er träumt davon, „an
der Seite des Lammes zu sitzen“
Der ganz und gar ungläubige
Nathanael West zeichnet die
Figur eines unwirklichen Heiligen
  
  
  
  
Nathanael West: Miss
Lonelyhearts. Roman. Aus dem Englischen von Dieter E. Zimmer. Manesse Verlag, Zürich 2012. 176 Seiten, 19,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Ein bedrückendes Porträt eines Mannes am Rande des psychischen Zusammenbruchs und eine bitterböse Schilderung der amerikanischen 20er-Jahre in all ihrer Scheinheiligkeit, Phrasenhaftigkeit und Bigotterie." dpa, 18.09.2012