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Beschreibt Harrison einen Schneesturm, kann man die Kälte spüren. Beschwört er ein Gewitter, steht der Himmel in Flammen. San Francisco Chronicle
In Schuld erzählt der große amerikanische Schriftsteller Jim Harrison eine Geschichte von alttestamentarischer Wucht. Es ist die Geschichte der Familie Burkett, die in Michigan auf der Upper Peninsula im großen Stil Holzwirtschaft betreibt, die Wälder rodet und sich damit seit Generationen an der Natur vergeht. Das Oberhaupt dieser Familie ist ein Vater, der seinem Unternehmen und seinen Kindern wie ein Fürst vorsteht, dessen Willkür und Gier…mehr

Produktbeschreibung
Beschreibt Harrison einen Schneesturm, kann man die Kälte spüren. Beschwört er ein Gewitter, steht der Himmel in Flammen.
San Francisco Chronicle

In Schuld erzählt der große amerikanische Schriftsteller Jim Harrison eine Geschichte von alttestamentarischer Wucht. Es ist die Geschichte der Familie Burkett, die in Michigan auf der Upper Peninsula im großen Stil Holzwirtschaft betreibt, die Wälder rodet und sich damit seit Generationen an der Natur vergeht. Das Oberhaupt dieser Familie ist ein Vater, der seinem Unternehmen und seinen Kindern wie ein Fürst vorsteht, dessen Willkür und Gier keine Grenzen kennt. Sein Sohn David muss dessen Treiben über Jahrzehnte hilflos mit ansehen. Bis er schließlich die Kraft findet, sich dem Bösen zu stellen, das tief im Herzen seiner Familie nistet.

Jim Harrison erzählt mit Schuld die uralte Geschichte vom Kampf des Guten gegen das Böse und zeigt in einer Saga von Verbrechen, Vergebung und Verdammnis mit literarischer Brillanz, wie zwei Menschen im Guten wie im Schlechten über sich hinauswachsen - und schließlich wie Urgewalten aufeinanderprallen.
Autorenporträt
Jim Harrison, Jahrgang 1937, ist einer der größten amerikanischen Erzähler der Gegenwart. Er begann seine Karriere als Lyriker; nachdem er bei der Vogeljagd eine Klippe hinabstürzte, vertrieb er sich im Krankenhaus die Zeit mit dem Schreiben seines ersten Romans. Es folgten zahlreiche weitere Werke, darunter seine Novelle Legenden der Leidenschaft, die mit Brad Pitt und Anthony Hopkins verfilmt wurde, sowie der Roman Dalva, der heute zu den modernen Klassikern der amerikanischen Literatur zählt. Seine Bücher sind in 22 Sprachen übersetzt. Jim Harrison lebt in Arizona und Montana.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2010

Das Scheckheft des Ödipus
Heilt Geld alle Komplexe? Jim Harrison hat Zweifel

Es gibt zu wenig männliche Vorbilder für heranwachsende Jungs: Die Mütter übernehmen die Säuglingspflege, in Krippen gibt es kaum einen Kindergartenonkel, Grundschullehrkräfte sind fast ausnahmslos weiblich, und auch an den weiterführenden Schulen überwiegt der Anteil der Lehrerinnen. Kein Wunder also, dass Bundesfamilienministerin Kristina Köhler erwägt, die zwei Vätermonate, die die derzeitige Elternzeit vorsieht, aufzustocken. Doch so einfach ist es nicht mit den väterlichen Idolen: Bereits in Jim Harrisons Novelle "Legenden der Leidenschaft" aus dem Jahr 1979, 1994 mit Brad Pitt und Anthony Hopkins verfilmt, steht das problematische Verhältnis von Vätern und Söhnen im Zentrum. Harrisons aktueller Roman "Schuld" widmet derselben Thematik 462 Seiten und wirkt wie die amerikanische Antwort auf die Romantrilogie des Engländers Edward St Aubyn aus dem Jahr 1992 - nur fehlt Harrisons Hauptfigur das britische Understatement und die Selbstironie von St Aubyns Figuren.

David Burkett III. entstammt einer Familie amerikanischer Großgrundbesitzer, die ihren Reichtum der systematischen Ausbeutung des Holzbestandes und der Rohstoffreserven der Upper Peninsula verdankt. Obwohl er dafür selbst keine Verantwortung trägt und sich gerne am Forellenfischen und an der Naturschönheit des Lake Michigan erfreut, fühlt sich der Ich-Erzähler dennoch schuldig. Unschuldig schuldig sozusagen, und tatsächlich greift Harrison auf einen der größten literarischen Intertexte zum Thema Schuld zurück: Wie Sophokles' König Ödipus wird David mehr oder minder unfreiwillig zum Mörder seines Vaters, und auch wenn er nicht mit ihr schläft, erscheint ihm seine Mutter sexuell begehrenswert. Der Säugling Ödipus war von seinem Vater mit gebrochenen Fußgelenken in der Wildnis ausgesetzt worden - und so ist es wohl kein Zufall, dass David Burkett III. sich jahrzehntelang mit einer schlecht verheilten Knöchelfraktur herumschlägt.

So dramatisch wie die attische Tragödie des Ödipus ist "Schuld" allerdings nicht, und trotz zahlreicher Anspielungen auf das Alte Testament kann man auch nicht gerade von biblischer Wucht sprechen. Laut Moses verfolgen die Sünden der Väter die Söhne bis ins vierte und fünfte Glied - aber die Verfehlungen der männlichen Burketts werden dabei immer banaler. Davids Vater hat schon lange nichts mehr mit den Massenrodungen seiner Vorväter zu tun. Er verprasst lediglich das von ihnen angehäufte Geld, säuft teuren Whisky und hat eine Vorliebe für minderjährige Mädchen, der er weitgehend unbehelligt nachgehen kann, da er sich von gegen ihn angestrebten Gerichtsverfahren freikauft.

Wie der Vater, so der Sohn: Zwar singt David Burkett III. gern das Lob der körperlichen Arbeit und preist den "Zusammenhang von Arbeit und Essen, wenn man sehr hungrig ist" - aber auch für ihn ist physische Ertüchtigung eher die Ausnahme als die Regel und dient lediglich als besondere Art der Selbsterfahrung. Ansonsten teilt er die Schwächen seines Vaters, mit dem er endgültig bricht, als dieser sich über ein junges Mädchen hermacht, auf das er es ebenfalls abgesehen hatte. Und wo sein Vater die Familie einer Minderjährigen mit großzügigen Geldzahlungen zum Stillhalten bringt, erwirbt sich David Burkett Jr. die Gunst seiner Gespielinnen, indem er ihnen großzügige Schecks ausstellt, damit sie zum Beispiel der brotlosen Kunst des Dichtens frönen können.

Das Problem der Erbsünde ist eng verwoben mit der neutestamentarischen Thematik von Schuldbekenntnis und Vergebung. David Burkett III. hat sich vorgenommen, "den Wurzeln des Bösen nachzuspüren". Er will für die Verbrechen seiner Vorfahren Abbitte tun, indem er darüber detaillierte Nachforschungen anstellt und seine Ergebnisse sorgfältig dokumentiert. Obwohl er für den daraus resultierenden neunzehnseitigen Zeitschriftenartikel ganze dreißig Jahre braucht, wird ihm an keiner Stelle bewusst, wie sehr sein Trieb zur Inventarisierung dem räuberischen Kolonialismus seiner Großväter ähnelt. Sein sogenanntes "Projekt" ist voyeuristisch und exhibitionistisch zugleich, denn es bezieht seine Daseinsberechtigung aus just jener familiären Vergangenheit, die der Erzähler eigentlich hinter sich lassen will.

Die Ironie seiner Anstrengungen liegt für Davids Angehörige und Freunde auf der Hand. Dennoch zieht sich die Sache über 450 Seiten, und jedes Mal, wenn Burkett III. sein Unterfangen endlich begraben zu haben scheint, fängt er ohne ersichtlichen Grund wieder an, gerodete Waldstücke zu vermessen und Baumstümpfe zu zählen. Zum Glück wirken die meisten Nebenfiguren vielschichtiger als der zwanghafte Ich-Erzähler: seine Schwester Cynthia zum Beispiel, die im Alter von sechzehn mit einem Indianerjungen durchbrennt, oder Davids alkoholabhängiger Theologenonkel Fred; und schließlich Davids schurkischer Vater.

Die Schilderung des Todes jener verabscheuungswürdigen Vaterfigur beginnt und beschließt Jim Harrisons "Schuld". Die tragische Katastrophe sozusagen, nur dass dieses Ende den Leser völlig unvermittelt trifft, während die Unausweichlichkeit, mit der ein Ereignis aus dem anderen hervorgeht, als Hauptkriterium der Tragödie gilt. Harrisons Buch hat große Ähnlichkeit mit dem ziel- und endlosen Dauerprojekt der Hauptfigur: Genauso wenig wie der knöchelkranke Ich-Erzähler, dem am Schluss auch noch ein Daumen fehlt, hat weder das eine noch das andere Hand und Fuß. Obwohl er seinen Vater überlebt und zu überwinden trachtet, ist David Burkett III. niemals mehr als dessen mickriges Abziehbild.

MARGRET FETZER

Jim Harrison: "Schuld". Roman. Aus dem Englischen von Christel Dormagen. Arche Verlag, Hamburg/Zürich 2009. 464 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht wirklich erwärmen kann sich Rezensentin Margret Fetzer für Jim Harrisons Roman um eine Familie rücksichtsloser amerikanischer Großgrundbesitzer, die ihr Geld mit der Ausbeutung der Natur gemacht hat. Sie findet in dem Buch eine Reihe von Anspielungen auf das Alte Testament und vor allem auf Sophokles' Ödipus-Tragödie. Doch macht das die Sache ihres Erachtens nicht besser. Die Bemühungen des sich schuldig fühlende Sohns David Burkett III., die üblen Machenschaften und Verbrechen seiner Vorfahren und insbesondere seines Vaters aufzudecken und zu dokumentieren, um Abbitte zu leisten, ziehen sich für Fetzers Gefühl allzu sehr in die Länge. Auch scheint sie der Ich-Erzähler nicht so recht zu interessieren. Insgesamt konstatiert die Rezensentin zwischen David Burketts "ziel- und endlosem Dauerprojekt" und dem Roman eine "große Ähnlichkeit": beide haben weder Hand noch Fuß.

© Perlentaucher Medien GmbH