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"HERMANN IST TOT, jetzt weiß sie es wieder ganz genau."Mariannes Mann ist über die Treppe gestürzt und hat sich das Genick gebrochen - ein Unfall. Sie weiß genau, wann das war: Sie hat es sich auf einem Zettel notiert, um es nicht zu vergessen, wie sie manchmal auf das Mittagessen vergisst oder den Namen der Nachbarin oder ihre Tabletten. Marianne hat Alzheimer, sie verliert ihr Gedächtnis, nun hat sie auch noch ihren Mann verloren. "Sieweint, weil sie weiß, dass es zu spät ist, obwohl er tot ist." Ein Unfall? Friederike, Mariannes Tochter, hat Zweifel. Ist ihre Mutter zur Mörderin geworden,…mehr

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Produktbeschreibung
"HERMANN IST TOT, jetzt weiß sie es wieder ganz genau."Mariannes Mann ist über die Treppe gestürzt und hat sich das Genick gebrochen - ein Unfall. Sie weiß genau, wann das war: Sie hat es sich auf einem Zettel notiert, um es nicht zu vergessen, wie sie manchmal auf das Mittagessen vergisst oder den Namen der Nachbarin oder ihre Tabletten. Marianne hat Alzheimer, sie verliert ihr Gedächtnis, nun hat sie auch noch ihren Mann verloren. "Sieweint, weil sie weiß, dass es zu spät ist, obwohl er tot ist." Ein Unfall? Friederike, Mariannes Tochter, hat Zweifel. Ist ihre Mutter zur Mörderin geworden, um sich zu befreien?Während sich Friederike durch den Tod ihres Vaters dazu gezwungen sieht, sich ihrer Mutter zu stellen, weicht diese immer weiter zurück: in eine Vergangenheit, in der sie noch Kind war und noch keine Taschen und Zettel brauchte, um nicht zu vergessen."Die Kinder haben noch keine Taschen" ist Gudrun Seidenauerszweiter Roman: behutsam, berührend und mit einer Einfühlsamkeit,die nie auf Kosten der sprachlichen Genauigkeit geht.
Autorenporträt
Gudrun Seidenauer, geboren 1965 in Salzburg, absolvierte Studien der Germanistik und Romanistik. Sie ist Lehrerin für Deutsch, Literatur und kreatives Schreiben und lebt in Adnet bei Salzburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.2010

Unlösbare Verknotung
Gudrun Seidenauers Roman "Aufgetrennte Tage"

Ob Hermann unter der Last eines Nachtschränkchens die Treppe hinuntergestürzt ist oder ob seine Frau Marianne ihn mit lange unterdrückter Wut gestoßen hat - Friederike, die Tochter, wird die Wahrheit nicht erfahren. Der Vater hat sich das Genick gebrochen, und die zeitweise verwirrte Mutter ist eine Meisterin der Verdrängung und verweigert jedes Eingeständnis. Marianne wird den Rest ihres Lebens im Pflegeheim verbringen.

Während die Tochter das verlassene Haus, in dem sie aufwuchs, ausräumt, hat sie viel Zeit, sich an ihre freudlose Kindheit zu erinnern. Aber sie kommt auch an das Leben ihrer Eltern so nah heran wie nie zuvor. Hinter der glatten Fassade bürgerlicher Gediegenheit verbargen sich Enttäuschung, Kälte und das Unvermögen, miteinander zu reden. Auf den ersten vierzig Seiten beschreibt Gudrun Seidenauer mit der Distanz einer Chronistin Mariannes allmähliches Abgleiten in die Demenz: Bruchstücke der Vergangenheit lassen sich nicht mehr zusammenfügen, und das Vergessen alltäglicher Dinge ist auch mit den vielen beschriebenen Zetteln nicht aufzuhalten. Das Kindheitstrauma, Außenseiter in Südtirol zu sein, später die Umsiedlung in den "Reichsgau Ostsudeten" und auch da wieder ein Fremdling, schließlich von dort aus die Flucht im letzten Kriegsjahr - das alles wird wieder quälend gegenwärtig. Gegen den sozialen Abstieg und den Ehemann, der ihren Ansprüchen nicht genügte, aber ein Haus zu bauen verstand, hat Marianne ihre fanatische Ordnungsliebe und ihre kunstfertigen Handarbeiten gesetzt. Sie hat ihren Mann verachtet, doch sie hat ihn ausgehalten all die Jahre.

Aber dann lässt Gudrun Seidenauer in einem langen, durch Erinnerungsfetzen der Mutter unterbrochenen Monolog Friederike sprechen. Es ist eine Selbsterforschung und zugleich der verspätete Versuch, den Eltern gerecht zu werden. Miteinander gelebt haben die beiden niemals, stellt die Tochter rückblickend fest. Zu groß war offenbar das Gefälle zwischen dem tüchtigen Handwerker und seiner nach Zärtlichkeit suchenden Frau. Mutter und Tochter sind sich fremd geblieben. Jetzt, da es zu spät ist, ist eine Annäherung kaum noch möglich, aber es kommt doch so etwas wie Mitleid auf. Das meiste Verständnis bringt der sanfte Jakob für seine Schwiegermutter und schließlich auch für Friederike auf. Ihm, dem Musiker und toleranten Ehemann, ist es zu verdanken, dass diese Familiengeschichte nicht mit einer gnadenlosen Abrechnung endet. Behutsam beschreibt Gudrun Seidenauer das komplizierte Geflecht familiärer Beziehungen. Diese "Aufgetrennten Tage", in denen der Lebensfaden abgespult wird, ist mehr als die Talentprobe einer jungen Schriftstellerin, die mit ihrem virtuosen Debüt "Der Kunstmann" überzeugte.

MARIA FRISÉ

Gudrun Seidenauer: "Aufgetrennte Tage". Roman. Residenz Verlag, St. Pölten, Salzburg 2009. 264 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Maria Frise ist diese Familiengeschichte mehr als eine Talentprobe. Wie die junge Autorin Gudrun Seidenauer das komplizierte Geflecht familiärer Beziehungen beschreibt, als Selbsterforschung, Sprachlosigkeit, Mitleid schließlich mit der eigenen Mutter und ihrer unglücklichen Ehe, mit der Distanz einer Chronistin zunächst und dann in monologischer Form durch die Figur der Tochter, das hat die Rezensentin schwer beeindruckt. Um so mehr, als über die von Freudlosigkeit bestimmten Lebensgeschichten in diesem Buch nicht abgerechnet wird.

© Perlentaucher Medien GmbH