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Eine streng katholische Mutter - Zahnärztin mit eigener Praxis neben einer Stiftskirche in Wien und einem fanatischen Glauben, der die Bibel gefährlich wörtlich nimmt. Was macht das mit dem Sohn? Mit einem jungen Mann, der sich nach einem Vater sehnt und allerlei Begierden entwickelt, je älter er wird? Er wird zu einem Suchenden, vor allem nach dem Tod der Mutter. Zu einem Fahrenden in Sachen Gott, den er in Gotland zu finden hofft, jenem fernen Sehnsuchtsort der Mutter, die immer behauptete, dort hätte sie seinen Vater kennengelernt. Ein unheimlicher, heiliger, jedoch auch wahnsinniger…mehr

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Produktbeschreibung
Eine streng katholische Mutter - Zahnärztin mit eigener Praxis neben einer Stiftskirche in Wien und einem fanatischen Glauben, der die Bibel gefährlich wörtlich nimmt. Was macht das mit dem Sohn? Mit einem jungen Mann, der sich nach einem Vater sehnt und allerlei Begierden entwickelt, je älter er wird? Er wird zu einem Suchenden, vor allem nach dem Tod der Mutter. Zu einem Fahrenden in Sachen Gott, den er in Gotland zu finden hofft, jenem fernen Sehnsuchtsort der Mutter, die immer behauptete, dort hätte sie seinen Vater kennengelernt. Ein unheimlicher, heiliger, jedoch auch wahnsinniger Ort...

Es gibt ihn, diesen Gott, der im Wasser schwimmt, der auf dem Wasser treibt und niemals untergeht, der allen, die am Ufer verharren, nachsieht und zuwinkt, es muss ihn einfach geben. Er scheint nah und zugleich fern, ein Schatten am Plafond, wie dunkel doch heut der Himmel ist, viel dunkler noch als die gekräuselte See, stumm die Fische darin und schwer sind ihre Bäuche.
Autorenporträt
Stavaric, MichaelMichael Stavaric wurde 1972 in Brno (Tschechoslowakei) geboren. Er lebt als freier Schriftsteller, Übersetzer und Dozent in Wien. Studierte an der Universität Wien Bohemistik und Publizistik/Kommunikationswissenschaften. Über 10 Jahre lang tätig an der Sportuniversität Wien - als Lehrbeauftragter fürs Inline-Skating. Zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, zuletzt: Adelbert-Chamisso-Preis, Österreichischer Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur. Lehraufträge zuletzt: Stefan Zweig Poetikdozentur an der Universität Salzburg, Literaturseminar an der Universität Bamberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.2017

Warten auf Gotland
Eine Schöpfungsgeschichte von Michael Stavaric

Gotland gilt seit Astrid Lindgren als Synonym für Pippi Langstrumpf und die Villa Kunterbunt. Doch das "Gotland" von Michael Stavaric ist ein Ort voller Dunkelheit; entsprungen der Phantasie eines jungen Mannes. Eine katholisch geprägte Kindheit hat ihn verformt. Vorleselektüre der Mutter war die Bibel; ein Vater abwesend. Das permanente Falschverstehen des nur halb Erklärten ist Ausgangspunkt seines ausgeprägten Irrsinns. Die eingetrichterte Moral, schwer umsetzbar, tut das Ihrige. Von den feuchten Mundhöhlen, die die als Zahnärztin arbeitende Mutter täglich traktiert, ist es nur ein kleiner Schritt zu den Sumpfgebieten des Unbewussten, die Stavaric hier beschreitet. Und so ist der Weg des Jungen mit seinem ausgeprägten Erkundungsdrang vorgebahnt: hinein in den Wahn und in eine divergente Prosa, die unbedingt ironiebegabte Leser braucht.

Wer nach hinten blättert, stößt auf das Krankheitsgutachten eines schizoaffektiven Patienten. Doch auch so weiß man schnell, dass der manische Erzähler unter den unzuverlässigen einer der unzuverlässigsten ist. Angeblich schrieb er selbst einen Roman namens "Gotland", flüssig und ohne Hindernisse, der bald auf 20 000 Seiten anschwoll. Begeisterte Lektorin und Verlegerin starben während der Lektüre. Die Wirkkraft frei flotierender Buchstaben war ihm selbst unheimlich. Und so ließ er das Projekt in Flammen aufgehen, um Platz zu machen für den ersten Großteil des Romans, in dem er seine eigene Geschichte erzählt.

"Genesis" heißt der Teil. Das ist schon stark und wenig bescheiden, obwohl es harmlos beginnt, mit der "Schöpfung", einem kleinen Kapitel über eine Bastelarbeit, erkennbar Gottes Erde, aus Lehm und Strohhalmen, ein ganzes System, zur Freude der Mutter, die im Leben des Jungen eine große Rolle spielt als mächtige Instanz, von der es sich zu befreien gilt. Man ahnt: Das selbstgebastelte Sonnensystem ist als Waffe zu harmlos. Doch auch am Glauben als womöglich mächtigere Rüstung einer zarten Seele hegt der Junge Zweifel. Den Gottesbeweis forderte er mit Feuerzeug und einer eingefangenen Amsel heraus. Wie Abraham seinen Sohn Isaak als Opfer darbrachte, will der Junge Lebendiges opfern und hofft auf die Gnade Gottes. Doch der Himmel schweigt. Und er erzählt sich um Kopf und Kragen.

Seit dem Amselopfer ist dem Jungen die Welt eine zutiefst seltsame. Er entdeckt Mädchen und die eigene Geschlechtlichkeit und dass Haareföhnen im Hallenbad unter gemeinsamer Haube seinen Reiz hat. Die Chronologie der Erfahrungen wird durchbrochen von Szenen, die auf Gotland spielen, dem Sehnsuchtsland der Mutter, von der sich zu befreien, um im küchenpsychologischen Jargon zu bleiben, wohl nur über alle Formen des Eindringens funktioniert. Hinein etwa in Steinbrüche. Hier waltet eine mephistophelische Figur namens Charles seines Amts, aufmüpfig und revolutionär, der einen metallenen Drachen zum Leben erweckt. Er ist ein Widersacher Gottes, den es auf Gotland (der Name sagt es schon) auch geben soll. Charles ist so etwas wie das Schatten-Ich des stimmenhörenden Erzählers, von dem im Laufe des Romans die Ahnung aufkommt, dass er wohl ein Gewaltverbrechen übelster Sorte begangen hat.

Michael Stavaric, 1972 im tschechischen Brno geboren, ist Autor, Dozent, Übersetzer und lebt in Wien. Selbst atheistisch aufgewachsen, habe er die Bibel paraphrasieren wollen, sagt er. "Gotland" ist ein chaotisches Buch, gespickt mit Anspielungen auf Bibelstellen. Kleinere Spinnereien wachsen zu ungeheueren Welten heran, in denen man unversehens von Landasseln oder anderem Getier überwuchert wird. Spätromantisch aufgeladene Motivwelten durchziehen diesen Roman mit seinen diabolischen Phantasien: "Hätte er doch nur mein Herz hervorgeholt, es aufgeschnitten und in sein Innerstes geschaut, er hätte den Rauch gesehen, der nach wie vor von dem brennenden Karton aufstieg."

Wie Rauch geistert auch dieser Roman nach der Lektüre in einem herum. Schwer fass- und teilbar, fern und nah wie die eigene Kindheit, ein Erkundungsrausch, der das eigene Kopfkino antreibt, mit furiosen Bildern von "Gotland" als mysteriösem Ort, irgendwas zwischen Paradies und Zombieland. Trotzdem passt das alles zuletzt nicht wirklich zusammen: der klassische Entwicklungsroman und die Gotland-Saga, die Vielstimmigkeit der Bibel und des Schizophrenen, das Herumstochern in Träumen und die analytische Lust des Protagonisten an der Selbsterkenntnis. Manche Teile wären entbehrlich, weil sie Gesagtes nur verdoppeln. Andererseits hört man Stavaric gerne zu in seiner bohrenden, trocken-selbstironisch gebrochenen Wahrnehmung, der die existentielle Grundverzweiflung durchaus anzumerken ist. Man fragt sich nur, was nun an die Stelle alter paraphrasierter Schöpfungsgeschichten getreten ist.

ANJA HIRSCH

Michael Stavaric: "Gotland". Roman.

Luchterhand Literaturverlag, München 2017. 350 S., geb., 20,- [Euro].

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»Kafka und Popzitat, Coming-of-Age-Geschichte und Endzeitvision sind die Zutaten dieses erstaunlichen, formidabel geschriebenen Genre-Cocktails.« Julia Schröder / Deutschlandfunk