Marktplatzangebote
7 Angebote ab € 1,79 €
  • Gebundenes Buch

Die malerische Kulisse Portugals. Das Dröhnen der Boliden auf der Rennstrecke von Estoril. Und eine Frau, die mit einer männerdominierten Wirtschaftswelt kollidiert.
Als erfolgreiche Fernsehmoderatorin wird sie häufig für Marketing-Events gebucht. Diesmal soll sie gleich einen ganzen Monat für die Präsentation eines luxuriösen Sportwagens zur Verfügung stehen. Autos haben sie nie interessiert, doch die Aussicht ist verlockend: Das neue Modell wird auf der ehemaligen Formel 1-Rennstrecke im portugiesischen Estoril den Vertragshändlern aus der ganzen Welt vorgeführt. Sie akzeptiert. Und damit…mehr

Produktbeschreibung
Die malerische Kulisse Portugals. Das Dröhnen der Boliden auf der Rennstrecke von Estoril. Und eine Frau, die mit einer männerdominierten Wirtschaftswelt kollidiert.

Als erfolgreiche Fernsehmoderatorin wird sie häufig für Marketing-Events gebucht. Diesmal soll sie gleich einen ganzen Monat für die Präsentation eines luxuriösen Sportwagens zur Verfügung stehen. Autos haben sie nie interessiert, doch die Aussicht ist verlockend: Das neue Modell wird auf der ehemaligen Formel 1-Rennstrecke im portugiesischen Estoril den Vertragshändlern aus der ganzen Welt vorgeführt. Sie akzeptiert. Und damit beginnt ein Sturz in die Katakomben des Big Business - dorthin, wo sich die Grenzen von Geld, Gier, echten Gefühlen und glitzernden Oberflächen verwischen. Denn im Zentrum wirtschaftlicher Macht gelten eigene Gesetze.

Christiane Neudecker, für ihre klare, atmosphärische Prosa vielfach ausgezeichnet, gelingt mit "Boxenstopp" ein literarischer Trip in die Abgründe der Wirtschaftswelt, ins marode Innere unserer Gesellschaft: poetisch, zornig, hochaktuell.
Autorenporträt
Christiane Neudecker, geb. 1974, studierte Theaterregie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und lebt als freie Schriftstellerin und Diplom-Regisseurin in Berlin. Seit 2001 arbeitet sie mit dem Künstlerkollektiv phase7 zusammen, u.a. am Forum Neues Musiktheater, bei den Internationalen Festspielen Bergen oder dem New Vision Arts Festival Hongkong. Für die Deutsche Oper Berlin verfasste sie das Libretto zu »Himmelsmechanik - eine Entortung«. Christiane Neudecker wurde für ihre Romane und Kurzgeschichten mit zahlreichen Literaturpreisen gewürdigt, stand auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und erhielt ein begeistertes Presseecho.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2013

Ein Löwenhaupt kann man nicht stürzen
Reißerisches Thema, kunstvolle Sprache: Christiane Neudeckers Roman „Boxenstopp“ erzählt von Machtmissbrauch im Reich der Boliden
Wie ein Drache, der sich „mit rückwärts gerecktem Haupt in den eigenen Schwanz beißen will“, liegt die Rennstrecke von Estoril in der felsigen Landschaft der Estremadura. Deutliche Höhenunterschiede, zwei Spitzkehren und eine überlange Zielgerade sind das Markenzeichen des Autódromo Fernanda Pires da Silva. Dort spielt der neue Roman von Christiane Neudecker, und die Streckenführung bildet auch seinen dramaturgischen Bauplan. Wie man es von der 1974 in Erlangen geborenen, in Berlin lebenden Schriftstellerin gewohnt ist, reizt sie auch in „Boxenstopp“ eine Vielzahl literarischer Mittel aus, bis hin zu Anleihen bei der deutschen und angelsächsischen Schauerromantik und der gleißenden Ästhetik eines Don DeLillo.
  Dabei geht es um ein Thema, das leicht in Kolportage abgleiten könnte. Nach zwei Erzählungsbänden und ihrem Burma-Roman „Nirgendwo sonst“ erzählt die auch als Regisseurin arbeitende Autorin von männlichem Machtmissbrauch. Unter dem etwas reißerisch klingenden Titel „Boxenstopp“ verbirgt sich ein kluger und raffinierter Gegenwartsroman, der literarisch plausibel macht, was oft unwahrscheinlich klingt, wenn trivialere Medien davon erzählen: wie eine erfolgreiche und selbstbewusste junge Frau, die in diesem Fall sogar die Kampfkünste der Mixed-Martial-Arts beherrscht, durch die sexuellen Übergriffe eines mächtigen Mannes völlig aus der Bahn geworfen wird.
  Zu Beginn des Romans ist der Missbrauch schon geschehen. Was genau passiert ist, erfahren wir erst auf der langen Zielgeraden. Ein dreiviertel Jahr ist das Ereignis her, doch die Ich-Erzählerin, eine Fernsehmoderatorin, hat noch immer keinen Boden unter den Füßen. Sie erhält keine Aufträge mehr. Und vor allem kann sie sich selbst nicht verzeihen, dass sie einem fremden Mann so viel Macht über ihr Leben eingeräumt hat. Der Auslöser der schwindel erregenden Erosion ihres Selbstbewusstseins ist ein Mann, der schon seines Namens wegen zum CEO prädestiniert scheint. Dr. Kilian Kaysert ist der Vorsitzende der Holding eines Autokonzerns namens Schneyder Motors, ein Mittfünfziger mit silbernem Löwenhaupt, einer, nach dem sich alle ausrichten, sobald er einen Raum betritt. Er ist ein typischer „Sonnenkönig“, daran gewöhnt, zu bekommen, was er haben will. „Man kann alles kaufen und ich bin soweit: sag mir deinen Preis“, sagte er zu ihr, als sie noch stolz darauf war, eine Ausnahme zu sein.
  In einer Woche soll er in München vor Gericht stehen, allerdings nur als Zeuge. Die Verantwortung für einen Fall von Wirtschaftskriminalität, der an den VW-Skandal von 2005 erinnert, hat er auf einen Mitarbeiter abgewälzt. Dass solche Männer nicht zu stürzen sind, weiß die Erzählerin. Mit tückischer Manipulation der Medien hat er ihre Glaubwürdigkeit untergraben. Ein nachträglich bearbeiteter Schnappschuss, der sie als Furie mit hassverzerrtem Gesicht zeigt, erschien in allen Zeitungen. Und doch ist ihr erster Gedanke, als sie morgens aufwacht: „Er muss stürzen.“ Mit diesem Satz beginnt der Roman.
  Noch einmal reist sie von Berlin nach Estoril, wo sie rekapituliert, was damals geschah. Zufällig trifft sie Ben wieder, einen Fahrer, den Kaysert gefeuert hatte, weil er ihr gefiel. Ihre zarte Liebesgeschichte entwickelt sich parallel zu den flashartigen Rückblickszenen. Sehr rasch switcht Neudecker zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Die Technik des Driftens hat sie sich beim Motorsport abgeschaut. Mit Rasanz und Dynamik lenkt sie die beiden Zeitebenen wie Vorder- und Hinterachse durch den Roman.
  Drei Wochen lang war die Erzählerin als Moderatorin gebucht, um Autohändlern aus aller Welt den neuen „P7“ nahe zu bringen. In sieben „Wellen" wurden sie durchgeschleust, tagsüber auf dem Autodrom, wo unter ausgeklügelter Lichtregie der Prototyp auf die Formation der Tänzerinnen zubrauste, um knapp vor ihnen zum Stehen zu kommen, und nachts im „Club 7“, wo ausgesuchte Händler in den Katakomben eines ehemaligen Klosters volltrunken zugreifen durften.
  Das Motiv des Sturzes regiert den Roman von Anfang an. Als die Erzählerin zum ersten Mal das Autodrom betritt, geht ein riesiges Metallgerüst unter den Böen des Atlantik taumelnd zu Boden, sprachlich eingefangen durch eine Syntax, die Verben und Substantive der Bewegung kreiselnd vor sich her treibt. Äußere und innere Bewegung, Phänomene der Beschleunigung und des Abbremsens kann Christiane Neudecker so exzellent beschreiben wie die Faszination von Boliden, das Spiel von Licht und Schatten oder die Atmosphäre in einer Bar, den Reiz von Musik, Tanz und Alkohol, dem sich auch die Erzählerin nicht entziehen kann. Kunstvoll agiert der Roman auf allen Ebenen der Sprache.
  Was aber am meisten besticht, ist die unbeirrbare Genauigkeit, mit der er die Ambivalenz von Macht einfängt: ihre ekelhafte Selbstgefälligkeit ebenso wie die Energie, die sie zu haben scheint, weil sich alle nach ihr richten. Die Überlagerung der beiden Zeitschleifen macht die Haltlosigkeit der Erzählerin sinnlich erfahrbar, ohne dass sie ständig darüber reflektieren müsste. Das Wort Opfer kommt kein einziges Mal vor. Und erst am Ende erfahren wir ihren Namen. Es ist nur ihr Vorname: ein Zeichen, dass sie wieder zur Privatperson geworden ist.
MEIKE FESSMANN
Christiane Neudecker: Boxenstopp. Roman. Luchterhand Verlag, München 2013. 256 Seiten, 18,99 Euro.
In den Klosterkatakomben
dürfen die Autohändler zugreifen
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Titel von Christiane Neudeckers neuem Roman "Boxenstopp" mag etwas reißerisch klingen, erklärt Meike Fessmann, aber dahinter verbirgt sich ein überaus gelungenes Buch über ein ernstes Thema, das viel Feingefühls bedarf: männlicher Machtmissbrauch. Die junge Ich-Erzählerin ist Moderatorin, zu Beginn des Romans ist der Missbrauch schon geschehen, berichtet die Rezensentin, sie hat aber noch immer "keinen Boden unter den Füßen". Der Vorsitzende eines Autokonzerns hatte sich die Erzählerin kaufen wollen, sie hat dankend abgelehnt und prompt ihre berufliche Existenz verloren, fasst Fessmann zusammen. Auch wenn die Rezensentin reichlich Gründe findet, Neudeckers Stil zu loben, am meisten hat sie ihre Fähigkeit beeindruckt, die Ambivalenz von Macht darzustellen, die "ekelhafte Selbstgefälligkeit ebenso wie die Energie, die sie zu haben scheint, weil sich alle nach ihr richten", erklärt sie.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Sehr raffiniert erzählt sie über die ganz spezielle Form des Machtmissbrauchs von mächtigen Männern gegenüber weniger mächtigen Frauen." Meike Feßmann / Deutschlandfunk zu "Boxenstopp"