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In einem Elendsviertel von Lissabon treffen sie aufeinander: eine Jugendgang, die hauptsächlich aus Schwarzen, Farbigen und Osteuropäern besteht, die Polizei, die der kriminellen Jugendlichen nicht mehr Herr wird, die Bewohner des Slums. In seinem neuen Roman fängt Lobo Antunes die sozialen Verwerfungen einer globalisierten Moderne ein und verleiht den Menschen am Rande der Gesellschaft starke, unverwechselbare Stimmen.
Kurz vor der Pensionierung verfasst ein Polizist einen Bericht über die kriminellen Taten einer Jugendgang, die in einem heruntergekommenen Viertel am Rande von Lissabon ihr
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Produktbeschreibung
In einem Elendsviertel von Lissabon treffen sie aufeinander: eine Jugendgang, die hauptsächlich aus Schwarzen, Farbigen und Osteuropäern besteht, die Polizei, die der kriminellen Jugendlichen nicht mehr Herr wird, die Bewohner des Slums. In seinem neuen Roman fängt Lobo Antunes die sozialen Verwerfungen einer globalisierten Moderne ein und verleiht den Menschen am Rande der Gesellschaft starke, unverwechselbare Stimmen.

Kurz vor der Pensionierung verfasst ein Polizist einen Bericht über die kriminellen Taten einer Jugendgang, die in einem heruntergekommenen Viertel am Rande von Lissabon ihr Unwesen treibt. Zugleich erinnert er sich an seine Kindheit in der Provinz, seine gescheiterte Ehe, seine entfernt lebende Tochter. Allmählich mischen sich andere Stimmen ein, verschiedene Bewohner des Elendsviertels, die unter den polizeilichen Maßnahmen mindestens ebenso leiden wie unter den Jugendlichen, die Tankstellen und Supermärkte brutal überfallen und mit Drogen handeln. Und auch dieMitglieder der Gang selbst kommen zu Wort. Hautnah erleben wir die Wut und die Verzweiflung von Menschen, die im Schatten der Welt existieren, deren Leben von den Konflikten zwischen Mann und Frau, Reich und Arm, Schwarz und Weiß bestimmt ist und die sich dennoch zu behaupten versuchen. Wie unter einem Brennglas fängt Lobo Antunes in seinem neuesten Roman die sozialen Probleme der Moderne ein, zeigt, was Migration, Entfremdung und der Zusammenprall verschiedener Kulturen für den Einzelnen bedeuten und findet eindringliche, poetische Stimmen für die Zukurzgekommenen, die überall durch das Raster fallen, nicht nur in Portugal.

Autorenporträt
António Lobo Antunes, geb. 1942 in Lissabon, studierte Medizin, war während des Kolonialkrieges 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile zwanzig Titel umfasst und in über dreißig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den 'Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes', den 'Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur', den 'Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft' und zuletzt 2007 den Camões-Preis.

Maralde Meyer-Minnemann, geboren 1943 in Hamburg, lebt heute als Übersetzerin in Hamburg. 1997 erhielt sie den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen, 1997 den Preis Portugal-Frankfurt, 1998 den Helmut-M.-Braem-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.12.2010

Hassen und irren
In seinem neuen Roman „Mein Name ist Legion“ schickt
António Lobo Antunes einen Polizisten in die Hölle
António Lobo Antunes schreibt und schreibt und gräbt sich mit jedem Buch tiefer in die Hölle hinab. Die Hölle heißt Portugal, und dieses Land ist im gewaltigen Romanwerk des 1942 geborenen Psychiaters und Autors immer eine Hölle, egal ob er von der faschistischen Ära, von den Jahren nach der Nelkenrevolution von 1974 oder von heute erzählt. Alles, was dieser Nation je zugestoßen ist, bleibt in seinen bildmächtig wuchernden Romanen gegenwärtig, und was immer die Geschichte den Portugiesen an Hass und Irrsinn beschert hat, für Lobo Antunes wird es nie vergehen und historisch werden. Es ist ein Reigen ohne Ende, Gewalt, die sich fortzeugt, und oft zwingt der Autor das Vergangene und das Heutige daher in ein und denselben Satz.
Der Form nach sind seine Romane meist wirr mäandrierende Reden, Bekenntnisse, Protokolle, die kunstvoll und kompliziert als Chorstücke für anonyme Stimmen angeordnet werden, raue, verzweifelte, hysterische Stimmen, die nacheinander aus dem Chor hervortreten und dann wieder von ihm verschlungen werden. Auch der neue Roman – betitelt nach den Teufeln im Lukas-Evangelium, die einen Mann beherrschen und quälen – ist barock überladen und in seinem anschwellenden, vom Heute ins Gestern, von äußeren zu inneren Tragödien wechselnden Gesang eine einzige Zumutung: Bestehen kann diese Herausforderung von Roman nur, wer sich höchste Lesekonzentration auferlegt.
Ein Polizist, kurz vor der Pensionierung, erstattet Bericht von einem Einsatz, den er in einem Armenviertel von Lissabon geleitet hat. Am Ende der Aktion war ein junger Gangster tot, Mitglied einer Bande von acht Jugendlichen, über die der Protokollant penibel vermerkt, dass einer ein „Neger“, ein anderer ein „Weißer“ ist, die anderen aber als „Mischlinge“ zu gelten haben. Die schlagbereiten Jugendlichen waren aus dem Slum abends aufgebrochen, hatten eine Tankstelle überfallen, den Angestellten niedergeschossen und sich auf dem Heimweg noch ein zufällig vorbeikommendes Liebespaar vorgenommen – was bedeutet, dass dem Mann zum Zeitvertreib das Gesicht zu Brei geschlagen, die Frau hingegen von den Burschen nacheinander „benutzt“ wurde.
Der Polizist vermerkt zwar die unwichtigsten Details, doch ist bald klar, dass ihm nicht zu trauen ist. Unmerklich wird aus seinem bürokratisch exakten Protokoll ein innerer Monolog, mit unvollständigen Sätzen, gedanklichen Sprüngen, in dem der Polizist bald von seinem grausamen Stiefvater berichtet, bald von seiner treulosen Frau oder von der Tochter, der er sich verzweifelt fremd fühlt. In diesem mächtig dahinziehenden Bewusstseinsstrom entblößt sich ein Rassist, der gerne rücksichtslos dreinhaut, von wahren Massakern träumt, aber dennoch überzeugt ist, dass es die „Neger und Halbafrikaner sind, die zu sinnloser Grausamkeit und Gewalt neigen“.
Indem er sein Protokoll einer Amtshandlung verfertigt, legt der Polizist zugleich eine erschreckende Konfession ab, ein monomanisch in seinen Wunden und Demütigungen wühlendes Bekenntnis, das zur Bilanz eines verpfuschten Lebens gerät. Damit ihm dieses nicht gänzlich zerfällt, benötigt er eine Reihe von Obsessionen, die ein wenig Ordnung in sein inneres Chaos bringen. Zum Beispiel kann er sich in Raststätten nur beruhigen, wenn er sich mit der Frage beschäftigt, „wie viele Zahnstocher insgesamt in allen Zahnstocherbehältern des Restaurants“ enthalten seien, 1100 oder doch 2000?
Der zwischen Orten und Zeiten, innen und außen, Beobachtungen und Erinnerungen oszillierende Bewusstseinsstrom ergießt sich sturzbachartig stets über mehrere Seiten, ein Verfahren, das bisweilen unstrukturiert anmutet, sich bei genauer Betrachtung aber als geradezu methodisch konstruiert erweist. Der Umriss des äußeren Geschehens ist bald klar: Die Jugendlichen, verwahrlost, ungebildet, Abschaum der Gesellschaft, gehen mit äußerster Brutalität vor, um sich ihre teils noch durchaus kindlichen Wünsche zu erfüllen. Die Polizei, im Slum genauso gefürchtet und verhasst wie die Banden, steht diesen an Brutalität nicht nach. Die Ordnungshüter des demokratischen Portugal, wie Lobo Antunes sie zeigt, frönen nicht nur dem alten faschistischen Obrigkeitsrausch, sondern auch einem Rassismus, der auf die neue, die globalisierte Wirklichkeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts bezogen ist.
Im Protokoll und in der Generalbeichte des Polizisten werden zunehmend andere Stimmen hörbar. Eine weiße Prostituierte, die einst von ihrem jungen schwarzen Liebhaber in den Slum gebracht wurde, erzählt von ihrem Weg in die Gosse. Der omnipräsente Rassismus erweist sich auch als sozial bestimmte Kategorie, denn nach Jahren als Ehefrau eines Schwarzen sagt sie von sich selbst: „ich bin eine alte Negerin.“ Verstörend sind die Tiraden eines weißen Arbeitslosen, der von seiner Frau, der „Negerin“, und ihrer beider „Mischlingssohn“ berichtet, aus dem ein „streunender Hund“ geworden sei, der am Ende, als Mitglied der Gangsterbande, sein wohlverdientes Ende denn auch darin findet, wie ein räudiger Hund abgeknallt zu werden.
Lobo Antunes verwebt viele Stimmen in diesen großen Gesang, der ohne jede Hoffnung ist, ein infernalischer Gesang, der schrill und dissonant von einer Zukunft kündet, die schon verspielt ist. Lobo Antunes ist ein Apokalyptiker, und wie er das Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen schildert, befinden wir uns gerade erst im Vorspiel zu einem alltäglichen Bürgerkrieg. Das ist überwältigend gut erzählt (und großartig übersetzt), aber nicht eben ermutigend und geradezu versessen auf die düsteren Seiten der Globalisierung.
KARL-MARKUS GAUSS
António Lobo Antunes
Mein Name ist Legion
Roman. Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann. Luchterhand Literaturverlag, München 2010. 445 Seiten, 24,99 Euro.
In den Romanen von Lobo
Antunes ist die Geschichte
Portugals ein Reigen der Gewalt
Wie viele Zahnstocher sind
insgesamt in den
Zahnstocherbehältern enthalten?
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2011

Der Dämon liegt noch im kleinsten Detail

Lesen als Folter: António Lobo Antunes ergründet in einem beeindruckenden, polyphonen Stimmengewirr das Erbe des portugiesischen Kolonialismus.

Mit seinem ersten literarischen Welterfolg schickte António Lobo Antunes 1979 seine Leser an den "Arsch des Judas" - "Os cus de judas". So nannten portugiesische Wehrpflichtige das ferne Angola, in dem sie, oft fast noch Kinder, Anfang der siebziger Jahre für die greise Diktatur in Lissabon einen ebenso sinn- wie aussichtslosen Kolonialkrieg ausfechten mussten. Unter ihnen der Autor selbst. Als "melancholischer Erbe eines plumpen und siechen Landes, eines Europa voller Furunkel von Palästen und Blasensteinen kranker Kathedralen" verarbeitete er brillant sein eigenes Trauma zu einer schonungslosen Abrechnung. Ein Tabubruch im damaligen Portugal. Und offenkundig auch in Deutschland. Der Roman erschien hierzulande unter dem kurios prüden Titel "Der Judaskuss".

Noch mehr als dreieinhalb Jahrzehnte nach der "Nelkenrevolution" lässt den wohl bedeutendsten lebenden Romancier seines Landes das finstere Erbe des Salazar-Regimes nicht los. Eindrucksvoll präsentiert uns Lobo Antunes in seinem Roman "Mein Name ist Legion", wie die Kolonialkriege noch heute ihre späten Opfer fordern. Der Autor führt uns in ein Universum der Verzweiflung am Rande von Lissabon, erschüttert durch Gewaltakte bewaffneter Gangs. Deren minderjährige Anführer heißen "Hyäne", "Hund" oder "Galan" - sie sind Waisen ohne Heimat, aufgewachsen fern von Afrika und in Europa verbannt in ein Elendsviertel namens "1 de Maio", was allein schon eine bittere Ironie ist. Denn wo Überfälle fast die einzige mögliche Einkommensquelle sind, gibt es am 1. Mai keinen Tag der Arbeit zu feiern.

Alternative zur Kriminalität ist dort allein die Prostitution. Das erfahren wir durch die Figur einer fünfzig Jahre alten Frau, die als einzige Weiße in einem fast durchgehend von "Negern" - dem leitmotivischen, von der Übersetzerin gerade in seiner Verpöntheit bewusst und richtig gewählten zentralen Wort des Buches - bewohnten Viertel ums Überleben kämpft. Von ihrer Familie ausgestoßen, ist sie inzwischen mit dem Komplex behaftet, durch den täglichen Körperkontakt selbst zur "Negerin" geworden zu sein. Hoffnung bietet allein die Heirat mit einem Mann aus den besseren Vierteln. Auf diesem Weg versucht eine weitere Frau, sich aus dem Getto abzusetzen. Ohne Erfolg. Durch ihren Bruder, selbst Gangmitglied, zum Bestehlen ihres greisen Ehemannes gezwungen, wird sie rasch in das Labyrinth des Elendsviertels zurückgezogen und bald von der Polizei verhaftet.

Doch wie ihr Mann klarmacht, als er von der Polizei vernommen wird, ist ihre Sehnsucht nach Normalität von vornherein zum Scheitern verurteilt. Er will ihr nicht aus Liebe zu einem neuen Leben verhelfen, sondern sucht lediglich auf seine greisen Tage eine Krankenschwester und Sexdienerin, die er in seinem Alter unter Frauen der eigenen Gesellschaftsschicht nicht fände. Aber auch wer versucht, ehrlich zu leben, wie ein alternder Weißer in der Mitte des Buches, kann sich Gewalt und Rassismus nicht entziehen. Von der Familie durch seine Heirat mit einer Mulattin geächtet, muss er schließlich erkennen, dass sein eigener Sohn ebenfalls den Gangs angehört. Das Viertel wird von der Polizei geräumt, der Sohn kommt ums Leben.

Keiner ist unverdächtig: Über weite Strecken ist der Roman ein Defilee von Verhören gefasster Verbrecher. Was das Werk dabei aus dem Gros der Romane über Gewalt, Elend und Sex der Großstadtslums heraushebt, ist der unverwechselbare Stil des Autors. An die Stelle einer effekthascherischen Wirklichkeitsabbildung tritt ein Gewirr aus Einzelstimmen, welches das Knüpfen eines traditionellen Handlungsfadens unmöglich macht. Ohne Punkte oder sonst erkennbar abgeschlossene Satzperioden wird in Form von inneren Monologen die Gedankenwelt der Figuren ins erzählerische Licht gerückt; immer wieder durchbrechen Gedankenfetzen und Erinnerungen die Passagen aus Dialogfetzen und Momenteindrücken.

Angelegt ist die Erzählsituation dabei zunächst vermeintlich traditionell: Ein 63 Jahre alter Polizeioffizier verbringt die letzten Tage vor seiner Rente damit, einen mit rassistischen Anmerkungen gespickten Bericht über die Untaten besagter Jugendgangs zu verfassen. Bereits auf den ersten Seiten wird jedoch verständlich, dass diese Urform des Romanerzählens - der "wahrhaftige Bericht" - eine falsche Fährte ist. Bald nämlich schweift der Polizist in Assoziationen ab, die nichts in einem amtlichen Dokument zu suchen haben. Wir erfahren von seinem Nierenleiden, vom komplizierten Verhältnis zu seiner Tochter, werden mit seinen zweifelhaften Gesellschaftsanalysen traktiert. Bis seine Stimme sich immer mehr verfremdet und klar wird, dass der Polizist Gestalt und Geschlecht getauscht hat. Schließlich spricht an seiner Stelle die besagte Prostituierte. In zahlreichen Metamorphosen tauscht der Erzähler immer wieder seine Identität. Der Text wird zu einem Kontinuum, in dem die Einzelfiguren weder durch Namen oder Kapitelüberschriften kenntlich gemacht sind, sondern sich einzig und allein durch den Kontext und für jede Person charakteristische, refrainartig wiederkehrende Leitsätze erschließt. So erweist sich der Text als eine Art polyphones Musikstück, bei dem immer wieder eine andere Solostimme die Führung übernimmt.

Auch wenn eine ähnliche Polyphonie bereits die vorigen Romane des Autors kennzeichnet, nimmt sie in "Mein Name ist Legion" eine Sonderrolle ein. Darauf weist schon der Titel hin, Zitat einer Passage aus dem Lukasevangelium, die dem Roman auch als Vorwort vorangestellt ist. Jesus treibt darin einem Besessenen seinen Dämon aus. Der erwidert Jesus auf die Frage nach seinem Namen den titelgebenden Satz. Die stets sich wandelnde Identität des Erzählers erweist sich als Ausdruck der in ihm hausenden Teufel. Der Akt des Schreibens wird zum Versuch eines Exorzismus.

Ein hehrer Anspruch. Auch für einen Leser, der dies sperrige Erzählen über mehr als vierhundert Seiten durchhalten soll. Weitgehend ohne Orientierungshilfen, wird die Lektüre zu einer Konzentrationsübung, die auch bei größter Anstrengung immer wieder in Attacken der hilflosen Verzweiflung führt. Ein eher schwacher Trost ist, dass dies dem Autor durchaus bewusst ist. Am Schluss kehrt die Erzählsituation wieder in die Ausgangsposition des Protokolls zurück, nun gewandelt in ein Schuldiktat eines der jugendlichen Kriminellen. Darin kündet der Erzähler an, dass die von ihm verursachten Folterqualen und "die dabei auftretenden Redundanzen" in wenigen Minuten ihr Ende gefunden haben werden.

Lesen als Tortur. Der Roman als Strafkolonie. Nicht gerade eine verlockende Perspektive für eine erbauliche Feierabendlektüre, und insofern vermutlich schwer verkäuflich. Wer sich allerdings, bezwungen durch die Virtuosität und musikalische Meisterschaft des Textes, gefügig den Strafen des Folterknechts Lobo Antunes aussetzt, wird am Ende durch den glücklichmachenden Endorphinausschuss belohnt, der Masochisten immer wieder aufs Neue freiwillig unter die Peitsche treibt.

FLORIAN BORCHMEYER

António Lobo Antunes: "Mein Name ist Legion". Roman.

Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann. Luchterhand Literaturverlag, München 2010. 448 S., geb., 24,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit der Wut und dem Mut eines Masochisten stürzt sich Florian Borchmeyer in eine Lektüre, die ihm eher einer Folter zu gleichen scheint als erbaulicher Feierabendbeschäftigung. Dass den Autor das Erbe des Salazar-Regimes nicht loslässt, weiß er schon. Dass Antonio Lobo Antunes derart stilistisch auf die Pauke haut, um seine Geschichte von Gewalt und Rassismus und Prostitution zu erzählen, überrascht ihn dann allerdings doch. Als wollte Antunes das Chaos der Lissaboner Armenviertel in den Text überführen, tritt dem Rezensenten beim Lesen sehr bald ein Reigen kaum unterscheidbarer in inneren Monologen raunender Stimmen entgegen, die allein kontextuell und leitmotivisch als einzelne kenntlich gemacht sind. Für Borchmeyer eine Übung in Konzentration und Ausdauer, die ihn doch immer wieder, wenn auch seltsam glücklich, verzweifeln lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH