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Ein Palästinenser und ein Israeli, in einem Buch vereint.Zwei der bekanntesten jüngeren Autoren aus dem Nahen Osten, ein Israeli und ein Palästinenser, setzen ein Zeichen. Sie sind der Überzeugung, dass ihre Geschichten hervorragend nebeneinander existieren können, und schreiben gemeinsam ein Buch: 13 Kurzgeschichten von Etgar Keret und eine längere Geschichte von Samir El-youssef. Sie erzählen von den Träumen und Alpträumen der jüngeren Generation in Israel und im Libanon, Geschichten voller Witz und Phantasie, voller Verzweiflung und Sehnsucht Geschichten über das ganz normale Leben unter ganz unnormalen Bedingungen.…mehr

Produktbeschreibung
Ein Palästinenser und ein Israeli, in einem Buch vereint.Zwei der bekanntesten jüngeren Autoren aus dem Nahen Osten, ein Israeli und ein Palästinenser, setzen ein Zeichen. Sie sind der Überzeugung, dass ihre Geschichten hervorragend nebeneinander existieren können, und schreiben gemeinsam ein Buch: 13 Kurzgeschichten von Etgar Keret und eine längere Geschichte von Samir El-youssef. Sie erzählen von den Träumen und Alpträumen der jüngeren Generation in Israel und im Libanon, Geschichten voller Witz und Phantasie, voller Verzweiflung und Sehnsucht Geschichten über das ganz normale Leben unter ganz unnormalen Bedingungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2006

Joints in Gaza
Etgar Keret und Samir el-Youssef über den israelischen Alltag

Kann man reale Verhältnisse in 150 Zeilen wiedergeben? Etgar Keret kann das. Kurze Sätze in kurzen Geschichten, die endlich einmal nicht von den ganz großen Fragen, sondern einfach nur vom Alltag in Israel zu handeln schienen, das war - seit den neunziger Jahren - sein lakonischer Protest gegen die erdrückende Schwergewichtigkeit israelischer Großschriftsteller. "Meine Generation wuchs mit Büchern auf, mit denen wir uns nicht identifizieren konnten. Immer ging es um die Existenz Israels, doch niemand schrieb, wie es ist, wenn deine Freundin mit einem anderen durchgebrannt ist." Er tat es. Alle wollten es lesen.

Nun ist die Lakonik des Alltags auch längst gar kein Protest mehr, sondern das Keret-Prinzip. Der 39jährige Autor und Filmemacher, gerade Vater geworden und mit der Schwester des Popstars Aviv Geffen verheiratet, ist das, was man Kult nennt. "Ich suche nicht nach Ideen", sagt er. "Die Eingebungen kommen von alleine: im Supermarkt, im Café, auf dem Weg zur Uni in Tel Aviv", wo er Drehbuch-Kurse gibt. Also essen die Slacker, Studenten und Rekruten in seinen Erzählungen Schawarma, rauchen Joints und starren den Mädchen hinterher, als gäbe es keinen Krieg im Nahen Osten. Daß er ein Feigling sei, hat Abraham B. Jehoschua Keret einmal vorgeworfen, weil er angeblich politisch nicht Stellung beziehe und andere, wie Amos Oz, das in seinem Alter längst getan hätten. Keret aber wollte kein politischer Prophet sein. Er will es auch jetzt nicht, was nicht heißt, daß er sich in Interviews oder Zeitungstexten nicht über sein Land, über die Wahlen, über den Terror äußern würde. Er macht das. Doch ist das eigentlich Politische eben doch in seinen Geschichten zu suchen; wenn das vermeintlich Banale ins Unglaubliche, Brutale zu kippen droht. Wahrscheinlich sind die scheinbar unpolitischen Bücher sowieso immer die politischsten.

Jetzt jedenfalls ist ein neuer Erzählband erschienen: "Alles Gaza". Keret hat ihn zusammen mit Samir el-Youssef herausgegeben, einem in London lebenden libanesischen Schriftsteller, seinem Freund, den er auf einer Podiumsdiskussion in Zürich kennenlernte. Ein paar von Kerets Geschichten darin kennt man schon, "Gaza Blues", "Schuhe" und "Menstruationsbeschwerden" aus "Missing Kissinger" oder aus "Der Busfahrer, der Gott sein wollte" die Erzählung vom "Sohn des Chefs vom Mossad", der nicht einmal weiß, daß er der Sohn des Chefs vom Mossad ist, sondern denkt, sein Vater sei ein Erdreichabfuhrunternehmer - was erst mal, keretartig, sehr lustig ist, schon bald aber dann gar nicht mehr. Es sind auch neue Erzählungen in "Alles Gaza": "Überraschungsei" zum Beispiel, die Geschichte einer Frau, die bei einem Selbstmordanschlag an einer Bushaltestelle ums Leben kommt und die man, seltsamerweise, wie alle bei Terroranschlägen getöteten Menschen ins pathologische Institut nach Abu-Kabir bringt, obwohl man bei diesen Obduktionen eigentlich immer nur Eisenstückchen und Nägel findet. Bei dieser Toten allerdings finden sie auch Dutzende Tumore im Gehirn. Nur wenige Wochen hätte sie noch zu leben gehabt. Verändert das in irgendeiner Weise die Trauer?

"Der Tag, an dem die Bestie Durst bekam", nennt Samir el-Youssef seine Erzählung, die den Band beschließt und - ganze siebzig Seiten lang - mit Kerets Lakonik nur scheinbar bricht. Auch bei ihm geht es, in kurzen Dialogen, um das ganz normale Leben unter unnormalen Bedingungen - und um dieses wiederkehrende Gefühl, daß man eines Tages möglicherweise verrückt werden könnte, wenn man die Region nicht verläßt. Aber die Panik ist immer nur kurz. Im nächsten Moment wird im Café schon wieder ein Joint geraucht.

JULIA ENCKE

Etgar Keret / Samir el-Youssef: "Alles Gaza. Geteilte Geschichten". Luchterhand-Verlag. 120 Seiten, 8 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Lewis Gropp erzählt die ganze Geschichte der bemerkenswerten Zusammenarbeit des Palästinensers Samir El-Youssef und des Israelis Etgar Keret zu diesem Buch, die durch die politische Lage neue Aktualität erlangt hat. Das Bewundernswerte der versammelten Geschichten sieht Gropp dagegen gerade im Fiktiven und Privaten, nicht in irgendeinem Kommentar zum Kriegsgeschehen. Respektvoll beschreibt Gropp die Weigerung der Autoren, ihrer Figuren und Geschichten, sich der Politisierung ihrer Gesellschaften und einer kollektiven Identität zu unterwerfen. Mit ihren Antihelden und -geschichten, schreibt er, setzten sie ein "starkes symbolisches Zeichen" für die Komplexität der Realität und gegen die Reduktion der (eigenen) Geschichte. Die dazu aufgefahrene "herbe" Sprache und den "reflektierten" Humor erkennt Gropp als adäquates Mittel der Konterkarierung und Entlarvung einer Politisierung des Privaten.

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