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PABLO TUSSET (Barcelona, 1965) ist bekannt geworden durch sein Debüt "Das Beste was einem Croissant passieren kann", ein unverschämt guter und erheiternder Roman , der lange die spanischen Bestsellerlisten angeführt hat und über den Elke Heidenreich urteilte: Ein Krimi, eine Satire, ein Unterhaltungsroman. Pablo Tusset hat uns Lesern einen sehr vergnüglichen Roman beschert, der frech und flott erzählt ist. Pablo Tusset (1965), arbeitete seit seinem dreizehnten Lebensjahr als Maurergehilfe, Möbelpacker, Straßenverkäufer, Nachtwächter, Graphiker, Tankwart, Blumenverkäufer und Programmierer. In…mehr

Produktbeschreibung
PABLO TUSSET (Barcelona, 1965) ist bekannt geworden durch sein Debüt "Das Beste was einem Croissant passieren kann", ein unverschämt guter und erheiternder Roman , der lange die spanischen Bestsellerlisten angeführt hat und über den Elke Heidenreich urteilte: Ein Krimi, eine Satire, ein Unterhaltungsroman. Pablo Tusset hat uns Lesern einen sehr vergnüglichen Roman beschert, der frech und flott erzählt ist. Pablo Tusset (1965), arbeitete seit seinem dreizehnten Lebensjahr als Maurergehilfe, Möbelpacker, Straßenverkäufer, Nachtwächter, Graphiker, Tankwart, Blumenverkäufer und Programmierer. In Spanien war Im Namen des Schweins wochenlang die Nummer eins der Bestsellerliste.
Hauptkommissar Pujol und sein Assistent Varela werden in ein abgelegenes Bergdorf vor den Toren Barcelonas gerufen. In einem Schlachthof wurde die fachgerecht zerteilte Leiche einer übergewichtigen Frau gefunden, in ihrem Mund ein Zettel mit der Aufschrift »Im Namen des Schweins«.Pujol stößt bald auf eine heiße Spur: Schlüssel scheint die Interpretation eines Gedichts zu sein. Der Verdächtige jedoch, Besitzer eines Porsches mit goldenen Felgen, ist ein einflussreicher Mann, und die Dorfbewohner, merkwürdige Randexistenzen in einem Tal am Ende der Welt, schweigen hartnäckig. T, Pujols Ziehsohn, wird als verdeckter Ermittler in das Dorf eingeschleust und bring sich dadurch selbst in größte Gefahr.rzählerischen Geschick zwischen seinen Seiten gefangen zu halten.
Autorenporträt
Pablo Tusset, geboren 1965 in Barcelona, arbeitete seit seinem dreizehnten Lebensjahr als Maurergehilfe, Möbelpacker, Straßenverkäufer, Nachtwächter, Graphiker, Tankwart, Blumenverkäufer und Programmierer. Als Schriftsteller schreibt er unter Pseudonym. Durch sein Bestsellerdebüt »Das Beste, was einem Croissant passieren kann« (FVA 2003) wurde er mit einem Schlag berühmt. Seit dem Erscheinen seines zweiten Romans »Im Namen des Schweins« (FVA 2008), der in Spanien wochenlang die Nummer eins auf den Bestsellerlisten war, hat sich der Autor selbst wie in Luft aufgelöst. Nach »Sakamura, Corrales und die lachenden Leichen« (FVA 2010), legte er 2013 den Roman »Oxford 7« in der FVA vor.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Maike Albath ist sehr angetan von diesem Krimi, der sich für die Aufklärung des Verbrechens nur am Rande interessiert, aber dafür anschaulich demonstriert, dass man "der Wirklichkeit nur noch mit der Groteske auf die Schliche kommen kann." Ihr gefällt, wie der Autor Pablo Tusset "falsche Fährten" in seine enigmatische Geschichte einbaut und sich dabei filmischer Mittel bedient. Das Ergebnis ist für Albath deutlich mehr als ein "typischer Krimi in postmoderner Manier". Allerdings gibt die Rezensentin potenziellen Lesern eine Warnung mit auf den Weg: Für die Lektüre braucht man ihrer Meinung nach "eine widerstandsfähige Psyche", angesichts mancher Gewaltexzesse.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2008

Gefährliche Verse
In seinem Roman „Im Namen des Schweins” lädt Pablo Tusset zum Schlachtfest
Für dieses Buch braucht es eine widerstandsfähige Psyche. Die ein oder andere Erfahrung mit Splatter-Movies könnte helfen, zumindest an Tarantino-Filme sollte man gewöhnt sein. Zwar fehlt bei Pablo Tusset, 1965 in Barcelona geboren, Verfasser der Krimi-Persiflage „Das Beste, was einem Croissant passieren kann”, Kultautor und renitenter Öffentlichkeitsverweigerer, jede Spur von Gewaltverherrlichung, aber die Szenen, in denen Oberkiefern splittern, Keilbeine brechen, blutiger Schleim auf den Boden tropft und schließlich Schädeldecken zerbersten, haben es in sich. Das Unheimlichste daran ist, dass der Täter seine Ausbrüche völlig abgekoppelt von der eigenen Person erlebt, so als vollziehe sich die Aggression im luftleeren Raum. Genau das wird man nach der Lektüre von „Im Namen des Schweins” nicht mehr los: den vollständigen Mangel an Schuld und Entsetzen angesichts von Gewalt. Die Tat beschert einen Augenblick lang sogar Lust. Danach ist sie weg, ausradiert, so als sei sie niemals geschehen.
Zuerst wirkt das Ganze wie ein typischer Krimi in postmoderner Manier, mit ironischen Anklängen an Vásquez Montalbáns Pepe-Carvalho-Serie. Hauptkommissar Pujol, ein freundlicher alter Staatsdiener kurz vor der Pensionierung, wird an einem Sonntagmorgen in ein kleines Bergdorf gerufen. Im dortigen Schlachthof hat sich unter fachgerecht zerlegten Schweinehälften eine nicht minder fachgerecht zerlegte Frauenleiche angefunden, so grausig anzusehen, dass sie den menschlichen Ursprung nur noch ahnen lässt. Pujols Assistent Varela würgt seinen Morgenkaffee wieder hoch. Der Kommissar selbst ist fasziniert von einem Detail: im Mund des Leichenkopfes steckt ein Zettel, und auf diesem Zettel steht: „Im Namen des Schweins”. Alles scheint auf einen Ritualmord hinzudeuten, doch wer, um Himmels willen, ist in dieser Gegend zu so etwas fähig und vor allem: aus welchem Grund?
Die Atmosphäre im Dorf ist feindselig, und der Schlachthof changiert in seiner Ausstattung zwischen Hightech-Unternehmen und archaischer Tötungsstätte. Der Besitzer Juan de Horlá mimt den kultivierten Bildungsbürger, fährt einen Sportwagen mit Goldfelgen und verfasst für die Wochenendbeilage der Lokalzeitung Gedichte. Pujol kehrt nach der Besichtigung des Tatortes nach Barcelona zurück. Der Fall wird einem Kollegen übergeben, aber der Kommissar beschäftigt sich noch eine Weile mit dem mysteriösen Zettel und kommt zu überraschenden Ergebnissen. Außerdem beginnt er, sich für Psychopathen zu interessieren.
Parallel dazu tritt der zweite Protagonist in Aktion. Er heißt Tomas, genannt T, ist Anfang vierzig, freundschaftlich mit Pujol verbandelt und hält sich gerade in New York auf. T hat seinen Job als verdeckter Ermittler bei der Polizei von Barcelona satt und sehnt sich nach einem anderen Leben, weshalb ihm die Bekanntschaft mit der geheimnisvollen Suzanne Ortega gerade recht kommt. Außerdem ähnelt die junge Frau Giovanni Bellinis „Madonna mit Kind vor einer Landschaft”, einem Gemälde, von dem T besessen ist. Schon nach wenigen Seiten beschleicht den Leser angesichts der generalstabsmäßigen Systematik des Verliebten leichtes Unwohlsein.
Immer auf der falschen Fährte
Und in der Tat: Es ist dieser T, dem überfallsartig Gewaltdelikte unterlaufen. Die angebetete Suzanne jedenfalls scheint etwas zu spüren und weist den Galan entschieden zurück. Den gesamten Roman hindurch fürchtet man um ihr Leben. Sollte T sie auf dem Gewissen haben? Eine typische falsche Fährte, wie es von typischen falschen Fährten in diesem Roman nur so wimmelt. Tusset versteht sein Handwerk, zieht das Tempo über Dialoge an, kontrastiert die Großstadt mit der spanischen Provinz, lässt Genrebilder vom Ehe-Idyll des alternden Kommissars einfließen.
Doppelte Böden zählen zu seinen Spezialitäten, gern bedient er sich aus dem Repertoire des Films und der bildenden Kunst. Neben dem Bellini-Gemälde kommt Hieronymus Boschs „Im Garten der Lüste” vor – das Standardwerk des zuständigen Polizei-Psychologen. Die dreiteilige Struktur des Bildes liefert dem Autor die Kapitelüberschriften „Im Paradies”, „In der Welt” und „In der Hölle”. Der Leser weiß mehr als die Figuren, und schließlich wird er sogar zum eigentlichen Detektiv. Wie in Carlo Emilio Gaddas „Die grässliche Bescherung in der Via Merulana” scheint die Realität unter der Beweisführung des Kommissars immer stärker zu zerfransen.
Der nachdenkliche Pujol ist ein genialer Interpret, aber er bleibt blind für das Irrationale in seiner unmittelbaren Umgebung. Tusset, der selbst unter einem Pseudonym veröffentlicht und die Frage nach seinen Lieblingsschriftstellern mit „The Beatles und Led Zeppelin” beantwortet, treibt das Spiel mit falschen Identitäten auf die Spitze und mogelt ein alter ego unter die Figuren: Pujol bekommt Besuch von einem unter Pseudonym publizierenden Schriftsteller, der sich Quique Aribau nennt und – inspiriert von der Zeitungsnotiz über den Mord im Schlachthof – für einen Krimi recherchieren möchte.
Seine Vorgehensweise wird die Polizei dazu anregen, dem verdeckten Ermittler Tomas, der schließlich in das Bergdorf geschickt wird, eine (erfundene) Biographie als verdeckt recherchierendem Schriftsteller zu verleihen. Aber Pablo Tusset wäre nicht Pablo Tusset, wenn er diese Spiegelung nicht noch einmal übersteigern würde. Ausgerechnet Pujol und Quique können die Herkunft des Spruches „Im Namen des Schweins” aufdecken: es ist der letzte Vers einer Romance endecha, eines Gedichtes, das der Schlachthofbesitzer noch vor dem Mord in unvollständiger Form veröffentlichte. Weiterhelfen kann das freilich niemandem, überhaupt gerät die Aufklärung dieses Mordfalls gänzlich aus dem Blick. Am Ende sind sämtliche Wirklichkeitsdeutungen demontiert, und alle Übeltäter laufen frei herum. „Im Namen des Schweins” ist fesselnd und rätselhaft zugleich. Ein Beispiel dafür, wie man der Wirklichkeit – nicht nur der spanischen – nur noch mit der Groteske auf die Schliche kommen kann. MAIKE ALBATH
PABLO TUSSET: Im Namen des Schweins. Roman. Aus dem Spanischen von Ralph Amann. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2008, 565 Seiten, 19,80 Euro.
Auch in kleinen katalanischen Bergdörfern gedeiht die Aggression. Foto: Selbach/laif
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2008

Schlachthaus Welt

Ein Epos für unsere Zeit: Pablo Tusset renoviert "Im Namen des Schweins" die Hölle. Ein Meisterwerk des vielfachen Schriftsinns, ganz ohne Dante.

Von Oliver Jungen

Finten statt Fährten: Pablo Tusset, jener unter einem Pseudonym schreibende, mit selten sicherem Griff zupackende Autor aus Barcelona, der nach der Veröffentlichung seines in Spanien höchst erfolgreichen und nun vorzüglich ins Deutsche übertragenen Buches "Im Namen des Schweins" untergetaucht ist, Pablo Tusset liebt das Kokettieren mit Untertreibungen. Finten führen in einer Welt ohne prästabilierte Harmonie tatsächlich weiter. Der Fährtenleser dagegen kommt immer nur da hin, wo andere schon sind oder waren, im Idealfall zu Gott.

Bereits die Textgattung: bewusste Irritation. Ein Kriminalroman nämlich ist Pablo Tussets schiefrundes Epos mitnichten, zumindest nicht in dem Sinne, dass das Genre der Form oder dem Inhalt Regeln aufzuerlegen befugt wäre. Man sollte sich daher nicht davon täuschen lassen, dass am Beginn ein Kriminalfall steht: eine im Schlachthaus fachgerecht zerlegte Frauenleiche, im Mund ein Bekennerschreiben: "Im Namen des Schweins".

Für einen Detektivroman spricht auch noch nicht, dass die beiden Hauptfiguren der ins Jahr 2001 versetzten Geschichte Polizisten sind, die an der Aufklärung dieses Verbrechens arbeiten: der höchst sympathische, kurz vor der Pensionierung stehende Hauptkommissar José María Pujol und der liebenswerte, dreiundvierzig Jahre alte verdeckte Ermittler T (für Tomas), der allerdings eine Jekyll-und-Hyde-Natur besitzt und im Psychopathen-Modus zu irrsinnigen Grausamkeiten fähig ist.

Den Abgrund von Opfer und Strafe überwölbt bei Tusset zunächst das Leben. Pujols Verjüngung via Typberatung, seine sich steigernde Verliebtheit in die eigene Gattin, all das ist mit einer solchen Eleganz und Weitschweifigkeit erzählt, dass der Leser die ungeheure Tat schon zu vergessen beginnt - ein Irrtum, eine Finte. Ergreifend tragikomisch, wie der Kommissar, nachdem er im Autoradio "Me gustas tú" gehört hat, zum Manu-Chao-Fan wird, wie er in der CD-Abteilung fragt, ob es das Album auch als Kassette gibt, und wie er schließlich - aufblühend - mit einem CD-Player nach Hause kommt. Damit aber beginnt eine Transformation, eine liebesblinde Öffnung zur Welt, die nicht gut ausgehen wird.

Ebenfalls im Glück schwimmt anfangs Kollege T, der sich, während er eine Auszeit in New York verbringt, unrettbar in Suzanne, die Mitarbeiterin eines Sprachinstituts, verliebt. Dass die zauberhafte Liebesgeschichte dem Leser nicht zu lang wird, liegt an ihrer Wahrheit und am grazilen Tonfall: "T bringt zweifelsohne einen gewissen Sinn für Humor mit, setzt ihn allerdings gewöhnlich nicht ein. Bei näherer Betrachtung ist das so, wie wenn man in Geld schwimmt, ohne es auszugeben. Vielleicht ließe sich sagen, dass er mit Humor geizt." Natürlich geizt er überhaupt nicht mit Humor. Wie immer plötzlich erfolgt dann die Vertreibung aus dem Paradies: Suzanne lässt sich am Telefon verleugnen. Die ihm selbst unbekannte Hyde-Persönlichkeit in T muss wieder zugeschlagen haben. Psychopathen hält er indes für Nihilisten, die "nicht einmal an den Teufel" glauben. Was folgt, ist die Konversion des Nihilisten zur negativen Religion.

Ein Gedicht bringt Pujol inzwischen auf die richtige Spur. Es stammt von dem nur als Silhouette in Erscheinung tretenden, einen schwarzen Porsche mit goldenen Felgen fahrenden Schlachthofbetreiber: Der Antichrist geht mit der Zeit. Als "Berg der Perversionen" erscheint in dem Poem der Monte Horlá, jener Berg, auf dem der Ort mit dem Schlachthof liegt. Fortan verlagert sich die Handlung in dieses aus der Zeit gefallene Dorf ohne Handyempfang und voller misstrauischer Bewohner, das "selbst im schönsten Frühling wie ein Purgatorium" wirkt: "Jeder, der hier ankommt, tut Buße. Ungewiss ist nur, für wie lang."

T wird als verdeckter Ermittler dort eingeschleust, heißt nunmehr P. Seine Identität ist dabei doppelt verschleiert, weil er einen sich nicht zu erkennen gebenden Schriftsteller zu mimen hat, oder auch doppelt verdoppelt (ein Saulus-Paulus-Saulus). Über viele Seiten wird die Akklimatisierung des Helden an das Purgatorium nachgezeichnet, die P auffällig gut gelingt, bis ihm jedoch ein Fehler unterläuft.

So geschieht schließlich, was geschehen musste, während Schnee den Ort von der Außenwelt abschneidet. T und P treten auseinander: Nur einer kann hier überleben, der löst en passant auch den Kriminalfall. Derweil steht das Paradies in Flammen, so zeigen es die Fernseher im Dorf. Es scheint niemanden zu interessieren, dass Flugzeuge in die beiden Türme gerauscht sind. Das Problem, so weiß es der prophetische Alkoholiker im Bergdorf, waren seit je die Guten: jene fünf Prozent Selbstlosen, die es verhindern, dass die fünf Prozent grausamen Egoisten die restliche Menschheit in Ruhe und Frieden versklaven. Ein entscheidendes Ungleichgewicht nämlich besteht: Die Guten sind gut, weil sie die Bösen bekämpfen, aber die Bösen sind einfach böse. In dieser Theologie vom Wärmetod des Universums, der Entropie des Bösen, darf das Grundkonzept des Romans gesehen werden.

Phantastisch oder grotesk aber ist daran nichts. Tusset modelliert vielmehr plastisch: Jedes Detail ist stimmig an dem infernalischen Bergdorf und seinen Bewohnern (bis hin zum Iron-Maiden-T-Shirt des Lokalschurken), ebenso an der ausbrechenden Psychose des Helden. Auf ein stilistisches Vorbild macht der Autor selbst aufmerksam: "Es sind diese Zufälle, die es nur in der Wirklichkeit und in den Büchern Paul Austers gibt, die ihn dann auch noch zu dem Geschäft führen, das er gesucht hat." Es ist Tusset um einen metaphysisch aufgeladenen Realismus zu tun, der auch für sich genommen lebensfähig sein muss: gestochen scharfe Diesseitigkeit. Wie es den besten Dichtungen eigen ist, decken die Stillagen dieses Romans das gesamte Spektrum von Komik bis Tragik, von Zärtlichkeit bis Grausamkeit ab.

Das Hieronymus-Bosch-Gemälde "Garten der Lüste", in dessen äußerster Ecke ein scheinheiliges Schwein im Nonnenhabit einen Schreibenden bedrängt (und was wird der schreiben, wenn nicht den Titel dieses Buches?), fungiert als subtextuelles Tableau der Erzählung. Wir befinden uns also schließlich in Boschs Lustgartenhölle und haben, so glänzend unterhalten von dieser gottlosen Komödie, kaum gemerkt, wie wir hineingeraten sind.

Hellhörig hätten wir werden müssen bei der permanenten musikalischen Untermalung der Handlung. Auch bei Bosch hängt der Unterweltshimmel schließlich voller Teufelsgeigen, sind Musik- und Folterinstrumente ein und dasselbe. Und noch eine Parallele gibt es: Wie in kaum einem zweiten Gemälde - deshalb ja ergreift es den Betrachter mit einer solchen Wucht - überlagern sich in Boschs Höllenszenario absolute Transzendenz und absolute Lebensnähe, Mythos und Gegenwart.

Es gibt bei Bosch eine Finte, die Fährte ist: Wir lesen sein Triptychon von links nach rechts, vom Paradies zur Hölle. Doch hatte der Maler keine Teleologie der Verdammnis im Sinn, sondern einen Aufruf zu ihrer Durchkreuzung. Die Lektürerichtung des Bildes ist umkehrbar. Der Mittelteil - das Liebesnest im Namen des Seins - und erst recht der Gegenflügel - das etwas langweilige Märchengarten-Schöpfungsparadies im Namen des Scheins - stehen den Bekehrten offen: Wieder-Geburt.

Bei Tusset wird daraus eine Fährte, die Finte ist. Zwar orientiert sich der Roman eng am Bild: "Im Paradies", "In der Welt", "In der Hölle" lauten die Überschriften. Doch genau damit schreibt er die absteigende Leseweise fest. Im Textuellen ist keine Rückkehr möglich. So führt die exakte Rekonstruktion der vergegenwärtigten Heilsgeschichte zu ihrer Destruktion: zur Auslöschung des Guten. - Ein Meisterwerk, das sich zudem so vergnüglich und spannend liest wie der Krimi, der es nicht ist.

- Pablo Tusset: "Im Namen des Schweins". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Ralph Amann. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2008. 575 S., geb., 19,90 [Euro].

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