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Produktdetails
  • Verlag: Frankfurter Verlagsanstalt
  • Originaltitel: Beatriz y los cuerpos celestes
  • Seitenzahl: 347
  • Deutsch
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 506g
  • ISBN-13: 9783627000790
  • ISBN-10: 362700079X
  • Artikelnr.: 08835661
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2001

Im Strom der Testosterone
Lucía Etxebarría am Rande des Nervenzusammenbruchs

Die hübsche Beatriz de Haya steht kurz vor dem anstrengenden Eintritt in die Erwachsenenwelt und hat noch ziemlich starke Akne auf der Seele. Ihre epileptische Gluckenmutter will sie noch nicht freigeben, ihr Vater interessiert sich schon seit Jahren nicht mehr für die hysterischen Frauen seiner Familie. Die revoltierende Nestflüchterin stutzt sich ihre Frisur, färbt die Reste lila, schnürt ihre Springerstiefel und sucht Unterschlupf bei ihrer besten Freundin Monica, einem Feger, der alles daransetzt, auf dem heißen Pflaster des nächtlichen Madrids zu verglühen.

Beatriz ist in Monica verliebt und macht alles mit, was dem Riot-Girl durch das drogengetränkte Hirn donnert: Zusammen mit dem Kleindealer Coco verticken die beiden Kapseln, Faustfeuerwaffen und Pülverchen in allen Spektralfarben. Heroin heißt in diesen Kreisen einfach nur H, sprich "eitsch". Läßt die Kondition etwas nach, verschwindet das Romanpersonal kurz auf dem Frauenklo, schnupft eine Line "beschissenes Kokain" vom geschlossenen Klodeckel, küßt sich auf den halb geöffneten Mund, und weiter geht's im existenzverzweifelten Text. An die Nachtschwärmer werden Drogen verkauft, an den Leser zusammengeklitterte Klischees vom tobenden Leben der jungen Wilden im Mittelmeerraum.

Die spanischen Machos tragen ihren bitteren Speichel in der Backentasche und trachten nur danach, ihn mit Beas zu vermengen. Die Bande treibt es immer toller, Blut fließt, so eine kleinkriminelle Ménage à trois ist überaus anstrengend. Als Coco mit einer Überdosis über dem Bidet in einem Stundenhotel zusammenklappt, zieht sich Monica zu einem ihrer zivilisierteren Verehrer, Sparte BWL, zurück, und Beatriz verfällt in tränenreiche Depression - Fräuleinwunder am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Beatriz' Vater lagert das Familienproblem ins Literaturdepartement einer schottischen Universität aus. Die Erweiterung der Sprachkenntnisse hatte schon immer eine sedative Wirkung auf die überspannte Jugend. Beatriz verzweifelt fast am meteorologischen Gefälle Edinburgh-Madrid, beginnt aber bald eine trostspendende Beziehung mit Cat, deren Name allein schon Kuschel- und Schnurr-Appeal ausstrahlt. Sporadisch erweitert Beatriz ihr lesbisches Idyll durch animalischen Heterosex mit einem blasierten Sproß des schottischen Hochadels, der in dem Roman die Rolle des desillusionierten Dandys gibt. Der würzig riechende Seelenverwandte lockt sirenengleich: "Plötzlich hatte ich das dringende Bedürfnis, ihn zu spüren, im Takt dieser wohlklingenden Stimme zu tanzen, mich von seiner testosteronhaltigen Strömung mitreißen zu lassen."

Doch das Leben ist ein disharmonisch pfeifender Dudelsack, und Mr. Ralph Scott-Foreman sieht sich veranlaßt, aus der Weisheit seiner jahrhundertealten Familientradition ziemlich torfige Sentenzen zu destillieren: "Wir sind alle einsam, sagte er. Je eher du dich daran gewöhnst, um so besser." Beatriz fährt schließlich zurück nach Madrid, wo sie Monica aufgrund des kruden Weltenlaufs in einem landwirtschaftlich orientierten Therapieprojekt für Heroinabhängige besuchen muß. Beatriz hat den Blues. Und in dieser Stimmung verklingt der Roman: "Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund."

Die überreizte Erzählerin Beatriz schaukelt in einem Whirlpool der postpubertären Verstimmungen und läßt den Leser an jedem Wellenkräuseln teilhaben. Doch nicht jeder muß das Bedürfnis verspüren, sich in solchen hormonellen Strömungen treiben zu lassen, zumal Etxebarría einen psychologischen Gemeinplatz an den anderen reiht. Schwafelnd lullt er den Leser mit Banalitäten und abgegriffenen Bildern ein. Locker eingeworfene Fragmente aus einem populärwissenschaftlichen Lehrbuch für Astronomie sollen all das menschliche Leid in eine kosmische Perspektive rücken und müssen nebenbei noch für den einzigen sprachlichen Mehrwert des Textes sorgen. Hin und wieder schüttelt sich Beatriz also ein paar pseudolyrische Sterntaler aus ihrem Minikleidchen, unbeirrt plappernd und darauf pfeifend, daß diese "himmlischen Körper" der höchsten literarischen Inflationsrate unterliegen: "Wie ein Stern in der Morgendämmerung erlosch meine Identität in einem helleren Licht." Der Nachsommer der Pubertät ist die Zeit des Phrasendreschens. Entspannend auf den überanstrengten Gähnmuskel des Lesers könnten vielleicht noch phonetische Eigenversuche wirken, den Nachnamen der Autorin fehlerfrei über die verblüffte deutsche Zunge zu bekommen.

STEPHAN MAUS

Lucía Etxebarría: "Beatriz und die himmlischen Körper". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Catalina Rojas Hauser. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2000. 348 S., geb., 44,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stephan Maus ist ziemlich genervt von Lucia Etxebarrias Erzählung über das wilde, drogengeschwängerte Leben eines jungen Lesbenpaars in Spanien. Mehr als "zusammengeklitterte Klischees vom tobenden Leben der jungen Wilden im Mittelmeerraum" kommen bei diesem Buch seiner Ansicht nach nicht heraus. Die Autorin lässt den Leser an "einem Whirlpool der postpubertären Verstimmungen" teilhaben, und benutzt dazu auch noch vergleichsweise banale Bilder. Mehr als eben das und ein paar "psychologische Gemeinplätze" gibt es an diesem Roman nicht zu entdecken, so das negative Fazit des Rezensenten.

© Perlentaucher Medien GmbH