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Depression - Der Schatten von Tempo und Erfolg Was macht Manager, Politiker, Studenten depressiv? Was lässt Weltklassesportler an ihrer Seele leiden? Ines Geipel zeigt, wie ständiger Erfolgszwang und Eigendrill in unserer Gesellschaft krankmachende Bedingungen schaffen und zu einer rasant wachsenden Zahl an Depressionen führen.
Wie ein Blitz trifft uns die Nachricht,wenn einer der Erfolgreichen und Berühmten das Leben plötzlich nicht mehr erträgt. Der Suizid als letzte Konsequenz quälender Depressionen beleuchtet für einen grellen Augenblick die Widersprüche zwischen glänzender Oberfl äche
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Produktbeschreibung
Depression - Der Schatten von Tempo und Erfolg Was macht Manager, Politiker, Studenten depressiv? Was lässt Weltklassesportler an ihrer Seele leiden? Ines Geipel zeigt, wie ständiger Erfolgszwang und Eigendrill in unserer Gesellschaft krankmachende Bedingungen schaffen und zu einer rasant wachsenden Zahl an Depressionen führen.
Wie ein Blitz trifft uns die Nachricht,wenn einer der Erfolgreichen und Berühmten das Leben plötzlich nicht mehr erträgt. Der Suizid als letzte Konsequenz quälender Depressionen beleuchtet für einen grellen Augenblick die Widersprüche zwischen glänzender Oberfl äche und innerer Verzweifl ung.

Die ihr gut bekannte Welt des Leistungssports ist für Ines Geipel jedoch nur Bild und Inbegriff unserer enorm beschleunigten Erfolgsgesellschaft. Denn der Zwang zu unbegrenzter Leistungssteigerung, Flexibiliät und Selbstvermarktung macht nicht nur Sportler krank und depressiv. Letzten Endes - so bezeugen es ihre Gespräche mit führenden Psychologen und Seelenexperten - sind wir alle dem Wirbelsturm eines neuen Welttempos ausgesetzt und so in Gefahr, mit olympischer Rasanz unser inneres Gleichgewicht zu verlieren.
Autorenporträt
Ines Geipel, geboren 1960, ist Schriftstellerin und Professorin für Verssprache an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«. Die ehemalige Weltklasse-Sprinterin floh 1989 nach ihrem Germanistik-Studium aus Jena nach Westdeutschland und studierte in Darmstadt Philosophie und Soziologie. 2000 war sie Nebenklägerin im Prozess gegen die Drahtzieher des DDR-Zwangsdopings. Ihr Buch »Verlorene Spiele« (2001) hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Bundesregierung einen Entschädigungs-Fonds für DDR-Dopinggeschädigte einrichtete. 2005 gab Ines Geipel ihren Staffelweltrekord zurück, weil er unter unfreiwilliger Einbindung ins DDR-Zwangsdoping zustande gekommen war.Ines Geipel hat neben Doping auch vielfach zu anderen gesellschaftlichen Themen wie Amok, der Geschichte des Ostens und auch zu Nachwendethemen publiziert. 2020 erhielt sie den Lessingpreis für Kritik, 2021 den Marieluise-Fleißer-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2010

Nur Selbstvorwürfe

Die literarische Auseinandersetzung mit dem Tod des Torhüters Robert Enke hat zu zwei Ergebnissen geführt: Neben dem Profifußball muss auch mancher Deuter umdenken.

Von Thomas Klemm

Seit sich die anfängliche Fassungslosigkeit nach Robert Enkes Selbstmord am 10. November 2009 gelegt hat, führen die Erklärer das Wort. Dabei handelt es sich nicht um eine einheitliche Gruppe, die sich und der Öffentlichkeit die Hintergründe für das tragische Ende des depressiven Nationaltorhüters zu verdeutlichen versucht, sondern um zwei Lager. Sie stehen sich aus Überzeugung gegenüber. Zu dem einen Lager gehören jene, die das Thema Depression im Sport und darüber hinaus wachhalten, die Verdrängung und Verdunkelung im Profifußball verhindern und die Machos in den Mannschaften zum Umdenken bewegen wollen. Ihre Devise ist: es muss sich etwas ändern!" Zum anderen Lager zählen diejenigen, die sich illusionslos geben, weil sie das öffentliche Bemühen um sensibleren Umgang mit der Krankheit als einen Kampf gegen Windmühlen ansehen, weil der Fußball ein Abbild der Leistungsgesellschaft sei und Schwäche niemals im System anerkannt werden könne: "Nichts wird sich ändern!", lautet das Credo derer, die in der Öffentlichkeit gut ankommen, weil ihre Haltung mehr Schlagzeilen verspricht als jeder gutgemeinte Appell eines vermeintlichen Idealisten.

Die beiden Sichtweisen manifestieren sich nun in zwei Büchern, deren Ansätze, sich mit Leben, Krankheit und Tod Robert Enkes zu beschäftigen, verschiedener nicht sein könnten. Das eine Buch hat der vierzig Jahre alte Journalist Ronald Reng, geboren in Frankfurt am Main, verfasst. Der jahrelange Wegbegleiter des Torwarts hat in der Biographie "Robert Enke. Ein allzu kurzes Leben" Höhen und Tiefen des Nationaltorhüters auf mehr als 400 Seiten ausgeleuchtet. Aufgrund des Wesens des Profifußballs halte er "eine Pauschaländerung" zwar für unmöglich, sagt Reng, "aber es gibt kleine, rührende Veränderungen im Umgang miteinander". Auf der anderen Seite steht die fünfzig Jahre alte Autorin Ines Geipel, in Dresden geboren und ehemals Leistungssportlerin in der DDR. In ihrem Buch "Seelenriss. Depression und Leistungsdruck" analysiert die in Berlin lehrende Professorin für Verssprache den Fall Enke auf fünfzig Seiten. Dabei spricht sie dem "Machtkoloss Fußball" die Bereitschaft zum Umdenken ab, sei es doch dessen Anliegen, "den Uraltmythos vom unfehlbaren Helden mit kaltem Blut und breiter Siegerstirn, die alte Achill- oder Siegfried-Saga, als Endlosschleife variantenreich immer wieder neu auszuspielen". Hier der Journalist Reng, der sich Enkes Leben chronologisch annähert; dort die Publizistin Geipel, die die Tragödie des in Jena geborenen Enke aus der Distanz deutet, vor allem vor dem Hintergrund eines "Gesellschaftspanoramas" der DDR. Was ist von den Erklärern und ihren Äußerungen zu halten?

Tagebuchnotizen und Gedichte aus dem "Depri-Ordner"

Ronald Reng musste ein Buch schreiben, das er mit Robert Enke einige Jahre zuvor unter anderen Voraussetzungen geplant hatte. Obwohl er den Torhüter 2002 in Lissabon kennengelernt und in regem Kontakt zu ihm gestanden hatte, erfuhr Reng erst nach dessen Tod, dass es Enke weniger um eine gewöhnliche Biographie gegangen war, sondern dass er anderes im Sinn hatte: Nach dem Ende seiner Laufbahn wollte sich der Fußballprofi "outen". Er wollte sein Schweigen brechen und über die Depression erzählen, an der er 2003 nach seinem Karriereknick beim FC Barcelona und der Flucht zu Fenerbahce Istanbul monatelang gelitten hatte. Nach Enkes zweiter Depression, die im August 2009 ausbrach und ihn drei Monate später in den Tod trieb, musste Reng das gemeinsam geplante Projekt allein bewältigen: Er sprach mit Enkes Frau Teresa, der Familie, dem Berater, ehemaligen Trainern, Mannschaftskollegen und Gegenspielern. Vor allem aber konnte Reng zugreifen auf Gedichte, Kurzmitteilungen und jene Tagebücher, die Robert Enke als seinen "Depri-Ordner" bezeichnet hatte. Aus den vielen Facetten formt sich letztlich das Bild eines Torhüters, der trotz aller Erfolge unter wiederkehrenden Selbstzweifeln litt, und eines Mannes, der anderen stets beistand, seine eigenen Probleme aber oft mit sich selbst ausmachte. Immer wieder lief Enke davon: Nachdem sein Vater mitgeteilt hatte, die Familie zu verlassen, nahm er als Sechzehnjähriger ebenso Reißaus wie 1999 am Vorabend seines Wechsels zu Benfica Lissabon. Die letzte seiner Fluchten endete bekanntlich nach einer achtstündigen Autofahrt unweit seines niedersächsischen Wohnorts Empede am Bahnübergang in Eilvese.

Rengs Biographie ist ein Buch darüber, wie Torhüter ticken, wie gute Fußballmannschaften durch großen Teamgeist entstehen, wie Spiele in Spanien manipuliert werden, wie skrupellos türkische Vereinsmanager verhandeln. Sie bietet Einblicke in die Arbeitsweisen und Umgangsformen von Trainern wie Christoph Daum, Ewald Lienen und Louis van Gaal, der als Coach des FC Barcelona von Enke forderte, sich als Torwart ins Spiel einzuschalten wie es der Niederländer Edwin van der Sar vormachte: Weil der Deutsche seine Art nicht auf die Schnelle ändern konnte, war seine Karriere bei Barça beendet, ehe sie richtig begonnen hatte. Das Buch handelt auch davon, dass ein Konkurrenzkampf wie zwischen Robert Enke und René Adler auf freundschaftliche Weise vonstattengehen kann.

Doch kommt man bei der Lektüre nie umhin, die Biographie vom Ende her zu lesen. Schon früh auf Robert Enkes Karriereweg wird erkennbar, wie kleine Rückschläge eine unheilvolle Dynamik entwickeln: Weil sich Enke Fehler nicht verzeihen konnte und weil er als junger Torwart meinte, wenn er nicht der Beste sei, wäre er der Schlechteste, verstrickte sich Enke phasenweise in Selbstzweifeln, Grübeleien, Ängste. Lange Jahre meinte er, ein Torwart-Krieger wie Oliver Kahn oder Uwe Kamps sein zu müssen, einer, der Druck macht und Druck aushält. Fehlte ihm dazu die Anerkennung von außen oder wurde er gar von den eigenen Fans in Mönchengladbach, Barcelona oder Istanbul übel beschimpft, dann brach alles über ihm zusammen. In seinen beiden depressiven Phasen 2003 und 2009 war Enke gefangen in seiner eigenen Welt dunkler Gedanken: Er verurteilte sich für kleine, folgenlose Unachtsamkeiten, die sonst niemand bemerkte. Zu seiner Frau Teresa sagte er einmal: "Wenn du nur einmal eine halbe Stunde meinen Kopf hättest, dann würdest zu verstehen, warum ich wahnsinnig werde."

Fünf gute Jahre, zwischen 2004 und 2008, hatte Enke mit den Herausforderungen umgehen können. Nachdem er sich in Barcelona erstmals einem Therapeuten geöffnet und anschließend in Teneriffa seinen Torwartstil gefunden hatte, zeigte er bei Hannover 96 sein Ausnahmekönnen, das ihn zum Nationaltorhüter werden ließ. Selbst der private Schicksalsschlag, als seine kleine Tochter Lara im Alter von zwei Jahren starb, verkraftete er. Nachdem Enke aber wegen eines Kahnbeinbruchs hatte pausieren müssen und Adler als sein Vertreter im DFB-Team gefeiert worden war, kehrten Erschöpfung und Schwermut schleichend zurück. Zu einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik konnte sich der Torwart immer noch nicht durchringen. Der Fall Sebastian Deislers, der 2003 seine Depressionen öffentlich machte, hatte ihn entmutigt, fand der damalige Bayern-Spieler doch nie wieder in den Fußball zurück. Acht Tage vor seinem Tod notierte Robert Enke in sein schwarzes Tagebuch, das Dokument zunehmender Verzweiflung: "Nur Selbstvorwürfe."

Eine Beziehung, frei von jeglichem Ossi/Wessi-Denken

Reng hat in seiner Biographie erzählerisch nachgezeichnet, wie sehr eine Depression den Kranken im Griff hat und wie wenig Familie und Freunde helfen können. Ines Geipel dagegen lässt in ihrem Buchkapitel einen Film ablaufen, in dem sie vieles über die DDR und einiges über die Übergänge und Brüche im Leben des gebürtigen Jenaers Enke beleuchtet. Dabei wirft sie Fragen über Fragen auf - die passenden Antworten werden mit nur scheinbarer Zurückhaltung nahegelegt: nämlich dass die düstere DDR-Vergangenheit samt Staatsdoping bei Jenapharm, staatlich gelenkter Psychologie, Stasi sowie letztlich dem Schock des Zusammenbruchs 1989 unheilschwangere Voraussetzungen boten für ein Fußballerleben, das tragisch endete. Oder gar enden musste, weil der im Osten aufgewachsene Enke dem unerbittlichen Leistungssystem im Profifußball nicht gewachsen war?

Geipel setzt sich nicht mit der Krankheitsgeschichte Enkes auseinander, sondern hat eine Streitschrift verfasst, die sich gegen die DDR und gegen den Profifußball richtet. Kann sie sich bei der Einschätzung der ostdeutschen Verhältnisse noch auf ihre eigene Erfahrung berufen, so muss sie sich bei ihrer Generalkritik am Fußballgeschäft Hilfe bei Soziologen holen. Dass es ihrem Verständnis dennoch an Tiefe mangelt, legen nicht nur überspitzte Formulierungen nahe, sondern auch Plattitüden wie "Fußball ist eine Gaga-, aber keine Bussi-Welt".

Es überrascht nicht, dass Ines Geipel wenig mit der Herangehensweise des Enke-Biographen Reng anfangen kann. Ohne dessen Buch zuvor gekannt zu haben, beurteilt sie die Nähe des Autoren zu dem verstorbenen Torwart herablassend. Als Beleg dienen ihr Zitate aus einem Zeitschriftenartikel, den Reng einige Woche nach Enkes Tod verfasst hatte und in denen er die Vertrautheit des Ehepaars Teresa und Robert Enke unter anderem damit beschreibt, dass die Beziehung der Fränkin und des Thüringers frei gewesen sei von jeglichem Ossi/Wessi-Denken. So viel Innigkeit erscheint Geipel verdächtig. In Rengs Schilderungen meint sie "das Wohlfeile" zu erkennen: "Man driftet so hinein in die Übung der Harmonie und hört auf zu denken, ist eher am Wünschen, dass alles gut gehen möge." Bei aller Deutungshoheit, die Geipel beansprucht, tut sie so, als hätte es den anrührenden wie aufwühlenden Auftritt Teresa Enkes bei der Pressekonferenz am Tag nach dem Selbstmord ihres Mannes nicht gegeben.

Geipels Vorgehen, Enkes Ende aus der DDR-Vergangenheit heraus zu erklären, hat sich Reng bei der öffentlichen Vorstellung seines Buches widersetzt: "Jeder, der solche Schlüsse zieht, läuft Gefahr, sich lächerlich zu machen", sagt Reng in einer Schärfe, die weder seinem gewöhnlichen Auftreten noch dem Tonfall seines Buches entspricht: "Die DDR hatte für Robert wenig Bedeutung, für seine Depression gar keine. Seine Kindheit war geprägt vom Fußballspielen in seinem Viertel."

Der Streit, der nicht nötig ist, wird weitergehen, sich womöglich in einem Monat, am ersten Jahrestag von Enkes Tod, abermals zuspitzen. Vielleicht wird bis dahin aber auch deutlich, dass nicht nur im Profifußball ein weiteres Umdenken nötig scheint, sondern auch bei manchen seiner Erklärer.

Ronald Reng: Robert Enke. Ein allzu kurzes Leben, Piper Verlag, München 2010, 427 Seiten, 19,95 Euro.

Ines Geipel: Seelenriss. Depression und Leistungsdruck, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2010, 238 Seiten, 18,95 Euro.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wie die ehemalige DDR-Leistungssportlerin Ines Geipel in ihrem Buch den Fall des Torwarts Robert Enke aufrollt, ganz ohne wichtigtuerisches und abgedroschenes Journalistengefasel, dafür biografisch, subjektiv, mit Milieukenntnis und Gesellschaftskritik, hat Christian Geyer schwer beeindruckt. Der Rezensent erhält Einblicke in den Kadergeist und das Dopingkartell der DDR sowie in die Therapieansätze der klinischen Psychiatrie. Entstanden ist laut Geyer ein heterogener "Depressionsreport", der dennoch nie gestückelt wirkt und der ans Herz geht, weil er die Bruchstellen im Leben Enkes und seinen selbstregulierenden Umgang mit der Depression fair und unverstellt herausarbeitet.

© Perlentaucher Medien GmbH
Wie die ehemalige DDR-Leistungssportlerin Ines Geipel in ihrem Buch den Fall des Torwarts Robert Enke aufrollt, ganz ohne wichtigtuerisches und abgedroschenes Journalistengefasel, dafür biografisch, subjektiv, mit Milieukenntnis und Gesellschaftskritik, hat Christian Geyer schwer beeindruckt. Der Rezensent erhält Einblicke in den Kadergeist und das Dopingkartell der DDR sowie in die Therapieansätze der klinischen Psychiatrie. Entstanden ist laut Geyer ein heterogener "Depressionsreport", der dennoch nie gestückelt wirkt und der ans Herz geht, weil er die Bruchstellen im Leben Enkes und seinen selbstregulierenden Umgang mit der Depression fair und unverstellt herausarbeitet.

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