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Keiner ist ein besserer Führer durch Derridas Werk als er selbst. Im letzten langen Interview, das er vor seinem Tod gab, spricht der scharfsinnige, witzige Denker über Themen, die sein gesamtes Werk durchziehen: sein Verhältnis zu Philosophen wie Heidegger und Foucault, welche Rolle Marx noch für uns spielen kann, warum wir Freud nicht vergessen dürfen. Zugleich wendet er sich aktuellen Problemen wie der Genforschung, der Gewalt gegen Tiere, der Zukunft der Familie oder neuen Formen des Antisemitismus zu.
In diesem Dialog mit der bekannten französischen Psychoanalytikerin und
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Produktbeschreibung
Keiner ist ein besserer Führer durch Derridas Werk als er selbst. Im letzten langen Interview, das er vor seinem Tod gab, spricht der scharfsinnige, witzige Denker über Themen, die sein gesamtes Werk durchziehen: sein Verhältnis zu Philosophen wie Heidegger und Foucault, welche Rolle Marx noch für uns spielen kann, warum wir Freud nicht vergessen dürfen. Zugleich wendet er sich aktuellen Problemen wie der Genforschung, der Gewalt gegen Tiere, der Zukunft der Familie oder neuen Formen des Antisemitismus zu.

In diesem Dialog mit der bekannten französischen Psychoanalytikerin und Intellektuellen Elisabeth Roudinesco erklärt der Meisterdenker noch einmal viele seiner umstrittenen Gedanken und Theorien. Er umreißt das französische Geistesleben der letzten 40 Jahre und gibt einen Ausblick auf Fragen der Gegenwart. Derrida und Roudinesco öffnen im Gespräch einen Horizont, geben erste Antworten auf anstehende und kommende Fragen und verweisen auf die Dämmerung, in der sich abzeichnet,"woraus ... Morgen gemacht sein"wird.
Autorenporträt
Elisabeth Roudinesco ist Historikerin, lehrt an der Universität Paris und ist Vizepräsidentin der Societe internationale d histoire de la psychiatrie et de la psychanalyse. Bekannt wurde sie durch ihre "Geschichte der Psychoanalyse in Frankreich" und ihre Biographie über Jacques Lacan.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.05.2006

Jet-Set-Philosoph der Menschenrechte
Jacques Derrida im Gespräch mit Elisabeth Roudinesco
Jacques Derrida war bereits schwer von Krankheit gezeichnet, als er seinem einstigen Kontrahenten Jürgen Habermas in einem Zeitungsartikel zum 75. Geburtstag gratulierte. Darin erzählte er, wie sich beide, nach Jahren verbissener akademischer Grabenkriege, wieder die Hand reichten. Auf einer Party im amerikanischen Evanston, so Derrida, sei Habermas auf ihn zugekommen und habe ihm eine „Diskussion” angeboten. Sein französischer Rivale entgegnete darauf: „Das wäre an der Zeit, warten wir nicht, bis es zu spät ist.” Die weitere Geschichte ist bekannt. Die beiden Philosophen trafen sich zu Veranstaltungen in Frankfurt und Paris, sie verfassten gemeinsam Manifeste über das neue Europa, über Menschenrechte und bekannten sich gegen Todesstrafe wie Irak-Krieg.
In dem Buch „Woraus wird Morgen gemacht sein?” erinnert Derrida nochmals an diese Zusammenkünfte und an die politische Nähe, die er zu Habermas empfand. Der befremdliche Titel ist die etwas prosaische Übersetzung von Victor Hugos Frage „De quoi demain sera-t-il fait?”, die seinen „Chants de crépuscule” entnommen ist. Das Buch, das leider nicht durchgehend mit der nötigen Sorgfalt übersetzt wurde, vereint neun Gespräche, die Jacques Derrida und die Psychoanalytikerin Elisabeth Roudinesco zwischen Herbst 2000 und Frühjahr 2001 miteinander führten. Es geht um „Antisemitismus”, „Todesstrafen” und das „Lob der Psychoanalyse”.
Hin und wieder verschwimmen die Grenzen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, besonders dann, wenn Derridas Antworten wie regelrechte Abhandlungen anmuten. Derrida war offensichtlich in seinen letzten Lebensjahren vermehrt daran interessiert, sich einem breiteren Publikum verständlich zu machen. Dies belegen etwa Themen wie „Gewalt gegen Tiere”, die dennoch die genuin philosophischen Motive des Pariser Chefdekonstruktivisten verdeutlichen.
Überhaupt ist in den Veröffentlichungen Derridas seit den achtziger Jahren eine „politische Wende” zu erkennen, die sich deutlich in den Gesprächen mit Roudinesco niederschlägt. Davon zeugt seine hartnäckige Beschäftigung mit der Todesstrafe. So erzählt er von seinem Manifest, das er für den zum Tode verurteilten Black-Panther-Aktivisten Mumia Abu Jamal schrieb, er berichtet von dreizehn Gefangenen, die zu Unrecht in den Todeszellen von Illinois sitzen, und von den 98 Gefangenen, die 1999 in der ältesten Demokratie der Welt hingerichtet wurden.
Derrida war ein Jet-Set-Philosoph in Sachen Todesstrafe und Menschenrechten, und so brach der in Paris, Irvine, Chicago und New York lehrende Philosoph im Sommer 2001 zu einer ausgedehnten Vortragsreise in die Volksrepublik China auf, um auch im Land mit den meisten Hinrichtungen für demokratische Prinzipien zu streiten. Victor Hugo, der für die unbedingte Abschaffung der Todesstrafe eingetreten war, hätte gut als Kronzeuge gegen China auftreten können, denn die Todesstrafe - davon war er überzeugt - „ist der einzige Baum, den die Revolutionen nicht entwurzelten.”
Unterbrechung des Schlummers
In der langen Gesprächssequenz „Über den künftigen Antisemitismus” erzählen Jacques Derrida und Elisabeth Roudinesco, wie sie durch das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen und Religionen geprägt wurden. Roudinesco von ihrem Vater, einem aus Rumänien immigrierten Aschkenasim, der das Kainsmal des jüdischen Selbsthasses nicht überwand, schließlich die Tochter taufen ließ, um sie in der „wahren katholischen Religion” zu erziehen; Derrida von seinem „gedemütigten Vater”, einem jüdischen Handelsvertreter in der französischen Kolonialstadt Algier. Er schildert den von oben dekretierten Antisemitismus: den vorauseilenden Gehorsam der französischen „Pieds-noirs”, die noch antisemitischer als die Nationalsozialisten sein wollten und 1942 alle Juden der staatlichen Schule verwiesen. Als sich daraufhin eine Lerngemeinschaft aller jüdischen „Parias” bildete, fühlte sich der junge Jacques dort gänzlich unwohl. Die homogene Gemeinschaft der Ausgestoßenen leitete die von außen zugefügte Gewalt nach innen weiter.
Die „,jüdische‘ Verschmelzungswut”, die Abschottung gegenüber allem Fremden, erkennt Derrida später in der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern wieder. Jacques Derrida, der sich immer wieder mit dem jüdischen Philosophen Emmanuel Lévinas beschäftigte, bekennt sein schwieriges Verhältnis zum Judentum. Diese Unberechenbarkeit, diese innere Teilung sei verantwortlich für seine Philosophie: „Sie unterbricht jeden dogmatischen Schlummer.”
Im selben Atemzug sagt Derrida: „Nichts zählt für mich mehr als mein Jüdischsein, das dennoch in so vieler Hinsicht so wenig zählt in meinem Leben.” Er nennt dies seine „unberechenbare innere Mannigfaltigkeit.” Am Ende des Gesprächs, als Derrida die metaphysischen und revolutionären Tendenzen, die „großen Maschinen” und kleinen Einsichten Sigmund Freuds beurteilt, resümiert er auch seine eigene Philosophie: „Da kein Text jemals homogen ist, kann es legitim sein, ist es sogar stets notwendig, eine geteilte, differenzierte, ja scheinbar widersprüchliche Lektüre durchzuführen.”
KLAUS ENGLERT
JACQUES DERRIDA, ELISABETH ROUDINESCO: Woraus wird Morgen gemacht sein? Ein Dialog. Überbesetzt von Hans-Dieter Gondek. Klett-Cotta, Stuttgart 2006. 383 Seiten, 29,50Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Angetan zeigt sich Rezensent Klaus Englert von diesem Band mit neun Gesprächen, die der Philosoph Jacques Derrida und die Psychoanalytikerin Elisabeth Roudinesco über Themen wie Psychoanalyse, Judentum, Antisemitismus und Todesstrafe zwischen Herbst 2000 und Frühjahr 2001 miteinander führten. Die Gespräche belegen für Englert nicht nur das in seinen letzten Lebensjahren zunehmende Interesse Derridas, sich einem breiteren Publikum mitzuteilen. Sie spiegeln für ihn auch das zunehmende politische Interesse des Philosophen, das in seinen Veröffentlichungen seit den achtziger Jahren deutlich wurde. In diesem Kontext hebt Englert das weltweite Engagement Derridas gegen die Todesstrafe hervor und würdigt ihn als "Jet-Set-Philosoph" der Menschenrechte. Nur die Übersetzung findet er stellenweise etwas nachlässig

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