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"Wollte Gott, daß niemand uns jemals um etwas bittet oder auch nur fragt, weder um einen Rat noch um einen Gefallen ...", so beginnt "Tanz und Traum", der zweite Band von "Dein Gesicht morgen ", in dem wir die weitere Geschichte von Jaime Deza erfahren, jenes Spaniers, der für den englischen Geheimdienst oder dessen Sondereinheit MI6 arbeitet und dessen Aufgabe darin besteht, vorherzusehen, wie sich jemand in Zukunft verhalten wird oder auch zu erkennen, wie sein Gesicht morgen sein wird.
"Tanz und Traum" läßt uns abermals in die betörende Prosa seines Autors eintauchen und bringt uns zum
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Produktbeschreibung
"Wollte Gott, daß niemand uns jemals um etwas bittet oder auch nur fragt, weder um einen Rat noch um einen Gefallen ...", so beginnt "Tanz und Traum", der zweite Band von "Dein Gesicht morgen ", in dem wir die weitere Geschichte von Jaime Deza erfahren, jenes Spaniers, der für den englischen Geheimdienst oder dessen Sondereinheit MI6 arbeitet und dessen Aufgabe darin besteht, vorherzusehen, wie sich jemand in Zukunft verhalten wird oder auch zu erkennen, wie sein Gesicht morgen sein wird.

"Tanz und Traum" läßt uns abermals in die betörende Prosa seines Autors eintauchen und bringt uns zum Nachdenken über viele Dinge, von denen wir glauben, daß wir sie "ungewollt" tun, bis hin zu den gewalttätigsten, und von denen wir am Ende überzeugt sind, daß sie "kaum zählen", und sogar, daß sie niemals getan wurden.
Autorenporträt
Javier Marías, 1951 als Sohn eines vom Franco-Regime verfolgten Philosophen geboren, veröffentlichte seinen ersten Roman mit neunzehn Jahren. Seit seinem Bestseller "Mein Herz so weiß" gilt er weltweit als interessantester Erzähler Spaniens. Sein umfangreiches Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Nelly-Sachs-Preis sowie dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Seine Bücher wurden in über vierzig Sprachen übersetzt.

Elke Wehr, 1946 in Bautzen geboren, studierte Französisch und Italienisch in Paris und Heidelberg und ist literarische Übersetzerin Spanisch schreibender Autoren wie Manuel Rivas, Javier Marias oder des Nobelpreisträgers Octavio Paz. 2006 erhielt sie den Paul-Celan-Preis für ihr Gesamtwerk.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.04.2010

Die Gabe
Javier Marías schließt sein dreiteiliges Opus magnum ab
Wenn „Dein Gesicht morgen”, Javier Marías’ Opus magnum, zwar schon 1600 Seiten umfasst, so ist es damit längst noch nicht getan. Der Roman reicht weit über seine eigenen Grenzen hinaus und steht in enger Verbindung mit anderen Marías-Romanen: Der Erzähler von „Dein Gesicht morgen”, Jaime Deza, taucht beispielsweise schon in „Alle Seelen” auf, einem frühen Oxford-Roman Marías’, „Morgen in der Schlacht denk an mich”, der titelgebende Shakespeare-Vers eines Marías-Romans von 1994 wird nicht nur wortwörtlich zitiert, mehrere Figuren dieses Romans spielen im aktuellen Werk ebenfalls eine Rolle, und das auch in „Dein Gesicht morgen” anklingende Motiv des öffentlichen Selbstmords scheint direkt aus Marías’ Bestseller „Mein Herz so weiß” übernommen zu sein.
Mehr noch: Auch der schönen Tradition, berühmte Menschen in seine Werke zu integrieren, ihnen am besten ein ganzes Kapitel zu widmen, bleibt Marías dankenswerterweise treu. In seinen ansonsten gerne die ganz großen Themen behandelnden Erzähllabyrinthen nämlich bilden sie stets den humoristischen Höhepunkt. Ob es in „Mein Herz so weiß” Margret Thatcher und Felipe González sind, die auf eitle, aber nicht unsympathische Weise einen aufgezwungenen Dialog miteinander führen, oder ob in „Morgen in der Schlacht denk an mich” der spanische König Juan Carlos selbst auf etwas herablassende, aber doch nicht ganz blöde Art monologisiert – fast scheint es, als wolle der Autor Marías sich und den Lesern eine Auszeit gönnen von den sonst so ernsten Themen seiner Werke.
In „Dein Gesicht morgen” nun hat ein nicht ganz so berühmter Spanier, in Spanien aber durchaus bekannter Philologe, Francisco Rico, einen Kurzauftritt (wobei bei Marías zehn Seiten immer noch als „kurz” gelten müssen). Rico sitzt im Büro des spanischen Kulturattachés in London, als der Erzähler den Raum betritt. Augenblicklich versteinert der Attaché, De la Garza sein Name, ein vulgärer und arroganter Idiot, ein sprücheklopfender Macho mit Pferdeschwanz und ohne Manieren.
Wie der Leser aus dem zweiten Band von Marías’ Roman – insgesamt sind es drei Bände, die keinesfalls unabhängig voneinander zu lesen sind und darum auch keine Trilogie, sondern ein geschlossenes Werk bilden – wie der Leser aus diesem zweiten Teil von „Dein Gesicht morgen” weiß, war Jaime Deza nämlich anwesend, als De la Garza eine unvergessliche und sehr gewalttätige Lektion erteilt wurde. Nur knapp der Enthauptung durch Dezas Chef entgangen, führt Dezas Auftauchen in De la Garzas Büro bei diesem nun zu blanker Panik. Er vergisst seinen prominenten Gast, krümmt sich zusammen und wünscht sich nichts anderes, als dass Deza verschwindet.
Francisco Rico, der Philologe, ein hochgebildeter und mit seiner Bildung gerne prunkender Mann, einer der, wie es heißt, nie aufhören kann zu denken, und dem es schwer fällt, einmal nicht zu reden, selbst Rico hält angesichts dieser von Panik und Aggression geprägten, ihm zwangsläufig unverständlichen Szene irgendwann still; doch das auf geradezu majestätische Art: „Rico steckte sich noch eine Zigarette an, er hatte begriffen, daß der undurchdringliche Konflikt sich exklusiv und in vielleicht pathologischer Weise zwischen De la Garza und mir abspielte und er daraus nicht schlau werden würde. Er machte eine Handbewegung, die besagte, daß er davon nicht mehr wissen wollte, daß er seine Versuche ohne Bedauern aufgegeben hatte, und brummte eine weitere seiner vielfältigen Lautmalereien in sich hinein: ,Esh‘, sagte er. Das klang für mich genau nach: Na gut, vergessen wir diese zwei Idioten, ich denke über meine eigenen Angelegenheiten nach, ich habe nicht noch mehr Zeit zu verschwenden.”
Hier zeigt sich nicht nur, welch ein großer Humorist Javier Marías sein kann, es weist ihn auch als klugen Psychologen aus. Und die Psychologie, sie ist ein tragendes Thema der 1600 Seiten, von denen die letzten 700 nun unter dem Titel „Gift und Schatten und Abschied” erschienen sind: Eine nicht immer so kurzweilige Lektüre, wie es die zitierte Szene nahelegen mag, aber doch eine, die beherrscht wird vom für viele so unwiderstehlichen Marías-Sound, seinen raunenden, beschwörerisch-elliptischen Satzgebilden. Dem muss man sich ausliefern. Was man auch als Geschwätzigkeit empfinden kann, hat hier nämlich durchaus seinen Sinn.
Doch erst einmal zurück zur Psychologie: Jaime Deza, Madrilene, arbeitet aufgrund einer speziellen Gabe in London, und zwar in einer namenlosen Gruppe, die dem Geheimdienst MI6 unterstellt ist. Diese Gruppe ist damit beauftragt, Menschen zu deuten und zu „übersetzen”; mit ihrer Hilfe soll herausgefunden werden, wie jemand in Extremsituationen reagiert, ob ihm zu trauen ist oder ob er zu bestimmten Taten in der Lage wäre. Kurz: Jaime Deza und seine Kollegen sollen durch genaue Beobachtung versuchen herauszufinden, wie ein „Gesicht morgen” aussehen wird.
Und so wie Deza, wenn es darum, geht jemanden zu deuten, in einer Art Kreisbewegung – maximal unvoreingenommen – die Persönlichkeit der jeweiligen Person einzugrenzen bemüht ist, so zieht auch der Erzähler Marías erst einmal alles in Betracht und arbeitet sich über unzählige Klammern und Einschränkungen immer weiter vor, bis er den Kern einer Sache meint, erfasst zu haben: „Ich bemerkte an ihm nie eine Spur von Bitterkeit oder Sarkasmus sich selbst gegenüber oder von Groll meiner Ferne wegen, aber doch so etwas wie die Mischung auf Betrübnis und Stolz oder aus gedämpfter Reue und verhaltener Genugtuung, von der die Beschützer manchmal befallen werden, wenn ihre Schützlinge sich emanzipieren, oder die Lehrer, wenn sie sich von ihren Schülern an Kühnheit, Talent oder Berühmtheit übertroffen sehen.”
Es scheint, als würde die Welt geradewegs auf diesen Erzähler einstürzen und er sei genötigt, angesichts unendlicher Möglichkeiten – in einem Akt des erzählerischen Aussortierens – nach und nach all das zu verwerfen, was ihm fragwürdig oder falsch vorkommt. Deza – und mit ihm sein Schöpfer Javier Marías – ist ein Hermeneut, einer, der die Welt als Ansammlung von Interpretationen und Fiktionen begreift. Für einen Übersetzer wie für einen Schriftsteller liegt diese Sichtweise nahe, doch birgt sie ein großes Problem: Sollte die Welt tatsächlich so eingerichtet sein, dass es keinen letzten Grund gibt, dann befindet sich auch der eigene Standpunkt innerhalb dieses spekulativen Chaos. Es gibt kein „Draußen”, von dem aus man mit Sicherheit sagen könnte, dass die Welt unsicher ist.
Dieser Zweifel nagt an „Dein Gesicht morgen”, an dieser bohrenden Frage muss der Roman zwangsläufig scheitern.
Doch auch andere Marías-Themen klingen in „Dein Gesicht morgen” an, allen voran der Verrat. Der Erzähler trägt den Verrat schon im Namen: Jaime Deza ist kein heiliger Jakob, sondern ein Iago, ein Jago mithin, der seinen eigenen Einflüsterungen erliegt. Als Zeuge der Szene in der Behindertentoilette – als De la Garza von Dezas Chef zwar nicht der Kopf, aber immerhin der Zopf abgetrennt wird – glaubt Deza, dass er selbst über die Fähigkeit verfüge, einem anderen Menschen unendlichen Schrecken einzuflößen, und dass er zweitens das Recht dazu habe.
Als er seine Ex-Frau in Madrid besucht und sieht, dass ihr neuer Liebhaber sie schlägt, ergreift er gleich die Gelegenheit, sich selbst seine neue Fähigkeit unter Beweis zu stellen. Nur klappt das erstens nicht so gut wie bei De la Garza (auch der Schläger-Liebhaber seiner Frau trägt einen Zopf und wird diesen bis zum Ende behalten). Außerdem muss oder müsste Deza einsehen, dass er nun einer von jenen ist, die meinen, Gewalt ausüben zu dürfen, die sich selbst dazu ermächtigen, anderen Leid zuzufügen – ein Anblick, den er vor seiner eigenen Tat nicht zu ertragen können meinte. Doch ist das untertitelgebende „Gift” bei einer nächtlichen Sitzung, während der ihm sein Chef auf DVD die abgründigsten Taten vorspielte, gegen jeden Widerstand in ihn eingedrungen. Er ist infiziert von Selbstüberschätzung, verführt von der Möglichkeit, sich und seine Prinzipien auch selbst zu verraten
„Es ist erstaunlich, wie wir die am meisten geliebten Gesichter weder heute noch gestern kennen, und von morgen wollen wir erst gar nicht reden.” So heißt es an einer Stelle, und das eigene Gesicht ist in diese Einsicht mit einbegriffen. Es bedeutet natürlich keinesfalls ewige Verdammnis für Deza, dass er sein Opfer als „Schatten” verfolgt und ihm schließlich eine Pistole an die Schläfe hält, „Ewigkeit” ist im Reich ständiger Spekulation ein sehr relativer Begriff. Tatsächlich ist Deza am Ende durchaus mit sich und seiner Ex-Frau im Reinen; seinen Job hat er nicht zuletzt wegen des „Gifts”, das man ihm verabreicht hat, aufgegeben. Darum vielleicht ist ihm das Erinnern so wichtig, das minutiöse Wiedererzählen des Erlebten und Gedachten: Wenigstens der Vergangenheit will er sich sicher sein.
Er erinnert sich im Stil eines Gesellschaftsromans aus dem 19. Jahrhundert. Unendlich viel wird hier miteinander und vor allem übereinander geredet, jeder Wortbeitrag gleicht einem Monolog, jeder Abschnitt zeugt von einer Erzählbesessenheit, die in ihrem noch auf die feinste Nuance zielenden Ehrgeiz schon wieder an Marcel Proust oder mehr noch vielleicht an Michel Butor erinnert. Die Kraft dieser Erzähler ist Javier Marías durchaus zu eigen, doch geht ihm ihre Kühnheit ab.
Im Grunde bleibt er ein konventioneller Erzähler, ein ausufernder Eklektiker, und – was ihn so sympathisch macht – ein gegen dieses Ausufern ständig ankämpfender, ein das eigene Erzählen unter ständige Beobachtung stellender Erzähler. Und auch wenn Marías angeblich nie wieder einen Roman schreiben will, wenn wir uns einen so langen auch nicht ernsthaft wieder von ihm wünschen, so sei ihm, dem unermüdlichen Shakespeare-Leser und -zitierer, aus der Ferne doch wenigstens das eine zugerufen: „Träume, träume weiter, von Tod und blutigen Taten”. TOBIAS LEHMKUHL
JAVIER MARÍAS: Dein Gesicht morgen. 3. Gift und Schatten und Abschied. Übersetzt von Elke Wehr und Luis Ruby. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2010. 726 Seiten, 29,90 Euro.
Der bohrende Zweifel seines Protagonisten lässt den Roman zwangsläufig scheitern
Marías zeigt sich hier nicht nur als großer Humorist, sondern auch als kluger Psychologe
Die Kraft ist durchaus da, allein es fehlt die Kühnheit des großen Gesellschaftsromans
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Andreas Kilb wähnt sich im Märchen, wo einem gereiften Autor noch einmal die Veränderung seines Schreibens glückt. Endlich gebe das Erzählen wieder den Blick frei auf das Erzählte. So kann der Rezensent dieses Mittelstück einer Trilogie mit seinen aus früheren Büchern von Javier Marias bekannten Figuren in vollen Zügen genießen. Und erkennen, dass er es nur vordergründig mit einer Agentenstory zu tun hat, eigentlich jedoch mit einem Buch über das Gedächtnis, "den Prozess der mündlichen Überlieferung, der aus Geschehenem Geschichte macht". Das scheint dunkel und spannend. So sehr, dass Kilb auf die eingestreuten Gelehrtheiten, den "intellektuellen Flitter", gern verzichtet hätte. Die Kunst jenseits des Virtuosen, freut er sich, beherrsche Marias nach wie vor, und ruft nach Fortsetzung.

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Steckt in allen Romanen von Marías Autobiographisches, so nimmt er in "Tanz und Traum" ein Thema auf, das in Spanien seit geraumer Zeit groß in Mode ist, das aber nur wenige - wie Jorge Semprún - mit solch großer Virtuosität wiederzugeben vermögen: den Bürgerkrieg. Seine Folgen bis in unsere Tage verbindet Marías mit seinem alten, weiterentwickelten Leitmotiv: Hören müssen - um dann schwiegen zu können. Nichts erzählen, nichts weitersagen. Denn gefragt, gebeten, angebettelt zu werden, etwas erzählen zu bekommen ist unvermeidlich.
Stefanie Bolzen, Die Welt, 10.6.2006

"Marías hetzt seine Leser nicht, er schenkt ihnen auf altmodische Art Muse, eine literarische Pause vom Alltag. Einmal mehr beweist der Spanier, dass er zu den lesenswertesten zeitgenössischen Autoren gehört. Teil 3 wird demnächst in Spanien erscheinen. Man darf sich schon jetzt darauf freuen."
Joachim Knapp, Rhein-Zeitung, 5.5.2006

"Dann blickt man durch das Sprachgewebe in eine Welt, in der die organisierte Unvernunft regiert, Gier und Betrug, Grausamkeit, Rachsucht, Selbsttäuschung, verletzte Eitelkeit. ... Dies ist ein Buch, das ohne Gelehrtheiten auskommt. Es gibt eine Kunst jenseits des Virtuosen, die Marías zuletzt verlernt hatte. Nun zeigt er, daß er sie noch beherrscht. ... Wir bitten um einen Schluß der Trilogie, der das Niveau dieses Mittelstücks hält."
Andreas Kilb, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.3.2006

"Auch er lässt die Dinge, oder besser: die Sätze einfach laufen, bald hierhin, bald dorthin wehen, auf dass sie die verschiedensten Muster und Figuren bilden. Und so ist auch die Verbindung zum ersten Teil der Trilogie bestenfalls eine lockere. Eine Fortsetzung im klassischen Sinn ist das nicht. Doch sollte den Leser das stören? Die Geschichte, der Plot hat bei Marías ohnehin ausgedient. Dafür nehmen seine wunderbar leichten Sätze noch den bedrückendsten Themen die Schwere. Marías ist ein feinsinniger Chronist der Gegenwart."
Kersten Knipp, Neue Zürcher Zeitung, 14.3.2006
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