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Dieser Roman beschwört die Erinnerung an eine Jugend, an ein turbulentes jüdisches Familienleben in Los Angeles, New York, Wien und Berlin. Gustav, der diese Geschichte erzählt, der Historiker werden wollte und sich nun als Pelzhändler betätigt, erinnert sich vor allem an seinen Vater, Ludwig Rubin, der Naturwissenschaftler und rund um den Erdball gefragter Publizist war, ein Monstrum an Vitalität. Marcuse, Adorno und Canetti waren in Gustavs Elternhaus zu Gast, Fritz Lang ebenso wie Charlie Chaplin. Ausgelaugt, am Rand des Geschehens: Gustav.
Ein tatkräftiger, berühmter Mann und sein Sohn
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Produktbeschreibung
Dieser Roman beschwört die Erinnerung an eine Jugend, an ein turbulentes jüdisches Familienleben in Los Angeles, New York, Wien und Berlin. Gustav, der diese Geschichte erzählt, der Historiker werden wollte und sich nun als Pelzhändler betätigt, erinnert sich vor allem an seinen Vater, Ludwig Rubin, der Naturwissenschaftler und rund um den Erdball gefragter Publizist war, ein Monstrum an Vitalität. Marcuse, Adorno und Canetti waren in Gustavs Elternhaus zu Gast, Fritz Lang ebenso wie Charlie Chaplin. Ausgelaugt, am Rand des Geschehens: Gustav.

Ein tatkräftiger, berühmter Mann und sein Sohn - kaum je ist diese schwierige Konstellation mit größerer Offenheit, Zuneigung und literarischer Sensibilität dargestellt worden. Für immer mitgerissen, geprägt und auch geschwächt, findet der Sohn eine Sprache für ein Buch, das wohl einzigartig dasteht in der Literatur unserer Tage.
Autorenporträt
Peter St. Jungk, geb. 1952 in Santa Monica/Kalifornien, wuchs in Wien und Berlin auf, studierte von 1974-76 am 'American Film Institute' in Los Angeles und lebt seit 1977 als freier Autor in Paris. Neben Romanen und Erzählungen hat er eine Franz-Werfel-Biographie und zahlreiche Drehbücher und Hörspiele verfaßt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.04.2006

Manche Brücken muss man abbrechen
Mit Mutter im Stau, den Vater im Nacken: Peter Stephan Jungk erzählt in seinem Roman „Die Reise über den Hudson” von einem Monstrum
Seit ein paar Jahren kennt man in der deutschen Literatur diesen Ton: die nachgeborenen jüdischen Kinder erinnern sich an die Generation ihrer Väter, an die ihnen nur vom Hörensagen bekannte Verfolgung und Flucht vor den Nazis, meistens in die USA, und vorgetragen wird dies in einem tragisch-ironischen Slapstick, mit dem man das Leiden auf Distanz halten möchte. Auch das neue Buch von Peter Stephan Jungk, der 1952 in Kalifornien als Sohn des Zukunftsforschers Robert Jungk geboren wurde, scheint anfangs so daher zu kommen: wir erleben die typische „jüdische Mamme”, die ihr Kind nicht loslässt und förmlich zu erdrücken scheint. Doch allmählich tritt immer deutlicher ein ungewohnter Unterton hervor. Die Sätze fließen zwar leicht dahin, aber so richtig wegschmökern wie viele Texte dieses Genres lassen sie sich nicht mehr.
Die Familie Rubin stammt eigentlich aus Wien, aber dann ging es kreuz und quer über den Globus; wir streifen neben Wien auch Los Angeles, New York oder Berlin. Gustav, der die Geschichte erzählt, wollte eigentlich an einer amerikanischen Universität Karriere machen und Historiker werden, hat sich dann jedoch mit dem Pelzhandel bei einem alten Schulfreund in Wien zufrieden gegeben. Er kommt auf dem Flughafen in New York an, wo ihn seine Mutter erwartet, nimmt sich mit ihr einen Leihwagen und gerät auf der langen Tappan Zee-Brücke über den Hudson in einen riesigen Stau. Die 82-jährige Mutter ist eine unglaubliche Nervensäge - besserwisserisch, launisch, dumm und belehrend, und Jungk zeigt mit wenigen Strichen, wie sich ihr Typus zielstrebig durchs bürgerliche Leben schlagen kann: „Gustav verzweifelte als Kind an Mutters Ahnungslosigkeit. Und doch gelang es ihr auf wundersame Weise, fast immer so zu tun, als wisse sie Bescheid, als sei ihr nichts fremd. Ihre Einfältigkeit war mit Raffinesse gepaart, ihre Unbildung mit äußerster Schlauheit.” Wie sich Gustav neben ihr in sein Schicksal ergibt, zeigt ein ums andere Mal, dass er sein eigenes Leben verfehlt hat. Doch die Mutter ist nur die Vorhölle in diesem Familienszenario. Während sie Gustav im Auto mit ihren widersprüchlichen Wünschen quält, taucht in langen Erinnerungsschüben immer wieder der Vater auf: Ludwig Rubin, berühmter Naturwissenschaftler, gefragter Interviewpartner aller Medien, ständig unterwegs, und in Gustavs Wahrnehmung ein Monstrum an Vitalität.
Marcuse, Adorno und Canetti verkehrten in Gustavs Elternhaus. Der Vater war nicht nur im Beruf ein Ass, sondern auch im Liebesleben: ständig schob er „Nummern”, von denen er seinem schwachen und antriebslosen Sohn wie nebenbei erzählte. Einmal, der an seinen Geschichtsstudien laborierende Gustav geht neben dem Vater her, schildert dieser, was er in der vergangenen Woche gemacht hat: zuerst war da eine Tagung des Lions-Club in Berlin, am selben Abend noch kam er in einem Hotel bei Grosseto an, das Sophia Loren gehört, um einen Vortrag zu halten, danach machte er sich noch ein paar schöne Tage in Rom, bevor die nächste Konferenz in Davos stattfand. Der Vater schließt mit der tückischen Frage: „Und was hast du erlebt? Etwas Interessantes?”
Der überlebensgroße Vater - dies ist ein alter Mythos, der in der jüdischen Überlieferung bei Kafka seinen Höhepunkt erreichte. Peter Stephan Jungks „Die Reise über den Hudson” ist offenkundig seine Version des „Briefs an den Vater”. Jenseits aller autobiographischen Lesarten schafft er in seinem Roman ein eindringliches, literarisches Symbol dafür. Im Stau auf der Brücke kommt es zu einem visionären Schub, zu einer an Kafka erinnernden Zuspitzung: resigniert schaut Gustav in die Schlucht hinunter und erblickt unten im Flussbett den riesenhaften Körper seines vor elf Monaten verstorbenen Vaters - einen Golem. Trauma und Faszination werden konkret, werden zum Phantasma des kraftstrotzenden, lebenshungrigen Vaters, den der Sohn niemals wird einholen können. Jungk gelingt es, das Monument des Vaters über den gesamten Text hinweg in der Schwebe zu halten: Ist es nur ein Wahnvorstellung? Oder gibt es unten im Hudson reale Anzeichen einer solchen Großskulptur?
Die Fahrt über den Hudson, der Stau über dem Hudson ist die Zeitstrecke des Romans. Leichthändig macht Peter Stephan Jungk daraus eine Studie über den psychoanalytischen Prozess des „Durcharbeitens”: am Ende der Brücke, wenn er am Kopf des riesenhaften Vaters angelangt sein wird, hat Gustav nach etlichen grausig-komischen Dialogen mit der Mutter, nach skurrilen Erlebnissen mit anderen Autofahrern und immer bedrängenderen Erinnerungsfetzen Klarheit über sein Leben gewonnen, sich vielleicht gar zu einer neuen Freiheit durchgerungen. Zum Schluss taucht dann noch ein rothaariger Julia-Roberts-Verschnitt auf, der ein Happy-End zitiert - ein Tribut an die drehbuchartige Anlage des Textes. Es könnte einer der besseren Woody-Allen-Filme sein. Der Witz dieses Buches bewegt sich immer nah am Abgrund. Doch das Kafka-Monstrum, den Golem im Fluss - das kann man nicht bebildern. Das Glück auf der „Reise über den Hudson” liegt jenseits, und man weiß nicht, ob es mit dem Ende der Brücke erreicht ist. HELMUT BÖTTIGER
PETER STEPHAN JUNGK: Die Reise über den Hudson. Roman. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2005. 226 Seiten, 19,50 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Peter Stephan Jungks Roman zu beschreiben, damit tut sich der höchst zufriedene Jochen Jung schwer, denn die hier beschriebenen Konstellationen und Beziehungen passen einfach "in keine Kiste, sprengen sie vielmehr". Der amerikanische Jude Gustav wird, als er mit seiner Mutter in einem riesigen Stau steht, von der Erinnerung an den verstorbenen Vater übermannt, einen erfolgreichen Wissenschaftler und Autor. Das geschieht mit einer solchen Wucht, "wie wir es in noch keinem der zahllosen Vaterbeschwörungsbücher je gelesen haben", beteuert der Rezensent. Jung "schlottert" mit Gustav, als der sich auf die mentale Spurensuche nach seinem Vater gemacht, der nur nach seinen eigenen Regeln gelebt hat und damit offensichtlich eine schwere Bürde für seine Umgebung war. Alles in allem ist dies wohl eine "pathetische" Geschichte, gesteht der Rezensent, der aber der Literatur überhaupt ein gewisses Maß an Pathos zusprechen möchte, gerade dann, wenn sie so "gut erzählt" ist wie hier.

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