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Feiner, kalter Nebel bedeckt die kahlen Bäume, die erstarrte Landschaft, unter Schnee und Reif verborgen, leuchtet klar und hell - dieser Winter des Jahres 1936 ist wie immer: Nur etwas ist anders in jenem Winter. Unbeleuchtete Lastwagen und endlose Karawanen von Maultieren transportieren des Nachts Munition und Waffen. Wie Todesboten ziehen diese langsamen Prozessionen vorbei - der Beginn eines Krieges. Die Menschen sind auf der Flucht und schleppen ihr wertvollstes Gut mit sich: ihr Leben. Und so dringt der Schmerz allmählich in jeden Winkel und in jedes Dorf, in jedes Haus und in das Leben…mehr

Produktbeschreibung
Feiner, kalter Nebel bedeckt die kahlen Bäume, die erstarrte Landschaft, unter Schnee und Reif verborgen, leuchtet klar und hell - dieser Winter des Jahres 1936 ist wie immer: Nur etwas ist anders in jenem Winter. Unbeleuchtete Lastwagen und endlose Karawanen von Maultieren transportieren des Nachts Munition und Waffen. Wie Todesboten ziehen diese langsamen Prozessionen vorbei - der Beginn eines Krieges. Die Menschen sind auf der Flucht und schleppen ihr wertvollstes Gut mit sich: ihr Leben.
Und so dringt der Schmerz allmählich in jeden Winkel und in jedes Dorf, in jedes Haus und in das Leben jedes einzelnen. Aber doch geschehen noch ganz andere Dinge. Wichtige Dinge, die ihre Bedeutung unter den dräuenden Schatten des Krieges verlieren, um erst viel später einen Platz in der Erinnerung zu bekommen. Wie die Vergewaltigung der María Antonia Etxarri oder die sonderbare Komplizenschaft des hinkenden Arztes Castro.
Als der Wahnsinn des Krieges den Alltag auslöschte, herrschte Dunkelheit. Eine, zwei oder drei Generationen später tauchen die Erinnerungen wieder auf.
Autorenporträt
Manuel de Lope, 1949 in Burgos geboren, lebte von 1969 bis 1993 in England, der Schweiz und Frankreich, wo er seine ersten Romane publizierte. Seit 1993 wohnt er wieder in Madrid. "Die unsichtbare Schöne" nimmt ihren Ausgang von den Erzählungen seiner Literatenfreunde, die damals zu dem Dichterkreis zählten.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.06.2004

Der Rhythmus des Krieges
Manuel de Lopes großer Roman „Fremdes Blut”
Irgendwo gegen Ende des Buches liest man den schönen, obgleich ein wenig abgegriffenen Satz „Der Krieg war wie ein Wirbelsturm, der immer weiter zog”. Und tatsächlich erinnert der Ton mancher Szenen an jene kurze Spanne der Ruhe, die sich einstellt, nachdem die Kolonnen aus Gefangenen und Soldaten durch die Straßen gezogen sind und nur noch Trümmer den Blick halten. Eine leere Schwebe zwischen Himmel und Erde, während im Radio die Kriegsberichte knistern, knappe, gleichförmige Meldungen, die gegen das Vergessen arbeiten.
Es ist der Spanische Bürgerkrieg, der im Hintergrund dieses Romans rumort, eine Hand voll kleinerer Gefechte an jenem schmalen Streifen der baskischen Atlantikküste, wo des Nachts die Lichter der französischen Seebäder zu sehen sind. Noch heute will die offene Landschaft mit all ihren Spiegelungen und kleinen Blickscharten ein wenig wie der Schauplatz einer früheren Schlacht erscheinen. Doch der spanische Autor Manuel de Lope hat nichts weniger als ein reales Kriegsbuch geschrieben, dem es auf die genaue Datierung der Ereignisse ankäme. Sein Roman „Fremdes Blut” ähnelt einem großen Erinnerungsgemälde, das dem Krieg eine elementare Qualität zuschreibt, vergleichbar dem Rhythmus des Meeres oder der Jahreszeiten. Bisweilen gemahnen seine Sätze an die geometrische Klarheit flämischer Tafelbilder, dann wieder scheinen die Dinge wie von einem blassen Firnis überzogen.
Unglück und Einsamkeit sind die beiden Konstanten, die das Gedächtnis der alten María Antonia Etxarri durchziehen. Einst, als Mädchen von 16 Jahren, hatte sie noch die Kraft, sich dem elterlichen Bannkreis einer Bar für Lastwagenfahrer mit all den abgewetzten Tischen und Kitschtrophäen zu entziehen. Doch eine Vergewaltigung zu Beginn des Krieges ließ schon früh jene Mischung aus Misstrauen und Nüchternheit entstehen, die ihren Charakter im Lauf der Jahre formen sollte. Im Alter ist sie zu einer stämmigen Haushälterin mit schwarzem Haarnetz geworden, ganz der Erinnerung verhaftet, unnahbar wie die Landschaft oder die Interieurs der Gebäude, die durch eine überraschende testamentarische Fügung zu María Antonias Besitz geworden sind: „Auf den Porträts und Bildern an den Wänden, die im Dämmerlicht des Raums sichtbar wurden, lastete eine seltsame Trübnis.”
Das marmorierte Gedächtnis
Als eines Tages ein Enkel der verstorbenen Hausherrin für einige Wochen in María Antonias Haus zieht, scheinen sich die Relikte des Anwesens ebenso neu zu ordnen wie die Erinnerungen im Kopf der alten Frau. Miguel Goitia ist von der Vergangenheit unbelastet, zugleich richtet sich sein juristisch geprägter Verstand ganz an den Dingen aus. Trotzdem ist es allein seiner Gegenwart zu verdanken, dass nach und nach die kleinen Risse in den Erinnerungsbauten sichtbar werden und der Leser einen Blick auf jene Gedächtnisschichten erhaschen kann, deren Muster dem Regenschaden in einem der Zimmer gleichen mag: „Das Wasser sickerte durch eine prachtvolle Aureole, die an Regentagen in astronomisch exakten Abständen Tropfen absonderte, in einen Nachttopf, der genau lotrecht unter den Kreis gestellt worden war. Auf der blütenreinen Zimmerdecke entstanden zart marmorierte, konzentrische Zeichnungen, ähnlich der Maserung eines Achats.”
All die Erinnerungstropfen, die sich über Jahrzehnte in María Antonias Kopf angesammelt haben, leitet Manuel de Lopes Erzähler in ein Netz kleiner Kanäle um, die so geschickt miteinander verbunden sind, dass die Sätze jederzeit von der Gegenwart in die Vergangenheit wechseln können. Und ein ums andere Mal verweist er auf die feinen Verschiebungen und Lücken im Gedächtnis.
Man mag es zwar ein wenig bedauern, dass Manuel de Lope sich manchmal allzu schnell seinem großen Vorbild Marcel Proust an den Hals wirft. Hinter jeder Erinnerung lauert hier die verlorene Zeit, und vor jedem emphatischen Augenblick eine in Tee getunkte Madeleine. Auch wären seine Sätze wohl noch geschmeidiger ausgefallen, hätte er darauf verzichtet, allerlei Embleme und allegorische Kleinigkeiten in den Roman einzuschleusen. Andererseits will es zu diesen Verrätselungen passen, dass de Lope ein Geheimnis in seinem Roman versteckt hat.
Gedächtnisarbeit und die Szenerie der nordspanischen Küste, eine kauzige alte Frau und ein junger Nachkomme, vor dem sich die Vergangenheit auffaltet - so einiges findet sich in Manuel de Lopes Buch, das der 1949 geborene Autor schon in seinem Roman „Die unsichtbare Schöne” zu gestalten wusste. Doch wo dort die schicksalhaften Verwicklungen erst ihren Lauf nehmen werden, liegen sie in „Fremdes Blut” bereits Jahrzehnte zurück. Das Geheimnis der Geschichte, jenes „Rätsel, das Auswirkungen auf sein Blut hatte, auf seine roten Blutkörperchen, und vielleicht auch auf die Art und Weise, wie der junge Goitia auf sein Leben blickte”, wird nach und nach von den Erinnerungen María Antonias aufgelöst. Auch Miguel Goitias Großmutter und ein benachbarter Arzt spielen darin eine nicht unbedeutende Rolle. Es macht die eigentümliche Spannung dieses Buches aus, dass der junge Besucher, anders als der Leser, des Rätsels Lösung nicht erfahren wird.
NICO BLEUTGE
MANUEL DE LOPE: Fremdes Blut. Roman. Aus dem Spanischen von Stefanie Gerhold. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2003. 270 Seiten, 20 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nico Bleutge zeigt sich von diesem Roman des spanischen Autors Manuel de Lope beeindruckt. Er spielt vor dem Hintergrund des spanischen Bürgerkriegs und ist dennoch kein Kriegsbuch, das sich für exakte historischen Daten interessiert, stellt der Rezensent klar. Vielmehr geht es um die alte Maria Antonia Etxarri, die in einem Haus voller Gemälde ihren Erinnerungen nachhängt, die durch den Enkel der früheren, verstorbenen Hausbesitzerin Miguel Goitia eine Verschiebung erleben, fasst Bleutge zusammen. Er findet es ein bisschen schade, dass der Autor sich in seiner literarischen Erinnerungsarbeit mitunter allzu stark Marcel Proust "an den Hals wirft" und ebenfalls etwas ermüdend findet er die vielen "Embleme und allegorischen Kleinigkeiten", mit denen De Lope seinen Roman verrätselt hat. Andererseits räumt der Rezensent ein, dass dieses Verfahren vielleicht ganz gut zu dem "Geheimnis" passt, dass in diesem Buch steckt. Auf jeden Fall lobt Bleutge die "eigentümliche Spannung", die der Roman aufbaut und die seiner Ansicht nach vor allem darin liegt, dass der junge Enkel die Lösung dieses Rätsels, die den Lesern irgendwann aufgeht, nicht erfährt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.04.2004

Leeren Venen des Lebens
Manuel de Lope enthüllt die Wunden des Spanischen Bürgerkriegs

Den jungen Anwalt kümmern keine Kriege. Wenn Miguel Goitia aus Madrid in jenes baskische Landhaus unfern der französischen Grenze zurückkehrt, in dem einst seine Mutter kurz nach dem Einmarsch Francos aufwuchs, so leitet ihn kaum die Suche nach der verlorenen Zeit: Im Dezember möchte er als Notar zugelassen werden. Nichts kann sein Interesse erwecken als ein wenig ländliche Ruhe, um seine Prüfungen vorzubereiten; nicht einmal der Nachbar Dr. Castro, ein Bekannter bereits seiner verstorbenen Großmutter Isabel, obgleich der Arzt den wiederholten Versuch unternimmt, dem historischen Gedächtnis neues Leben einzuhauchen. An Goitias Unbeteiligtheit ändert sich wenig, bis er schließlich nach ein paar Wochen seine juristischen Fachbücher zuschlägt, um zurück nach Madrid zu reisen, und noch auf der Türschwelle die beharrliche Einladung der Hausherrin Maria Antonia Etxarri ausschlägt, ihm einen Stockfisch zum Abendessen zu bereiten.

Für einen Romanstoff mag das mager klingen. Dennoch liegen fast dreihundert Seiten zwischen dem Betreten und dem Verlassen des Landhauses "Las Cruces" ("Die Kreuze"), wo sich, ganz seinem Namen entsprechend, die Schicksale ebenso wie Gegenwart und Vergangenheit kreuzen. Eine verborgene Geschichte über vier Generationen hinweg kommt hier ans Licht, die Spaniens Geschichte des vergangenen Jahrhunderts en miniature abbildet. Zielpunkt und Zentralfigur ist dabei der junge Goitia, und zwar ohne davon auch nur eine Spur zu erahnen oder vielleicht auch einfach: erahnen zu wollen. Im scharfen Kontrast zur studiösen Eintönigkeit dieses langweiligsten aller möglichen Helden dagegen zieht uns der Roman mit einer des titelgebenden Blutes nicht entbehrenden, ja zuweilen fast animalischen Brutalität von der ersten Seite an in die Erinnerungen der Bewohner des baskischen Hondarribia - ein Strudel, dessen Mittelpunkt der Spanische Bürgerkrieg bildet.

Am Anfang steht eine mit geradezu bürokratischem Gleichmut geplante Vergewaltigung. Zu seinem Hochzeitstag erhält, kurz nach Kriegsausbruch, ein Feldwebel von seinem Oberleutnant das Geschenk, "wie ein Pferd" die von ihren Eltern verlassene sechzehnjährige Maria Antonia Etxarri besteigen zu dürfen. Von Francos Truppen wird zur selben Zeit der republikanische Hauptmann Herraíz erschossen, Miguel Goitias Großvater, soeben erst von der Hochzeitsreise mit seiner Frau Isabel zurückgekehrt. Den Höhepunkt des Romans bildet eine Fehlgeburt. Mit ebenso aufopferungsvoller wie hilfloser Mühe kämpft Dr. Castro gegen die Ausstoßung von Fruchtwasser, Blut, Plazentastücken und einem violetten Fötus mit Fischaugen, der das späte und einzige Produkt jener gewaltsam abgebrochenen Liebe Isabels darstellen sollte. Die Zusammenhänge zwischen diesen Ereignissen kann der Leser schließlich trotz ihrer kruden Darstellung durch die Augen Castros und Maria Antonias Etxarris überblicken - ganz im Gegensatz zum ebenso ahnungs- wie interesselos abreisenden Goitia.

Lope verzichtet sowohl auf künstlich erzeugte Spannungseffekte und forcierte narrative Experimente als auch auf eine politische Agitation und Positionsnahme, die angesichts seiner Biographie nur zu verständlich wäre - 1949 geboren, wurde er als Zwanzigjähriger von Francos Diktatur ins französische Exil gedrängt. Aus der subtilen Faszinationskraft seiner Charaktere und den sich stets verdichtenden Fragen gewinnt der Roman seine Stimmigkeit und Kraft. Da es der Autor mit Hilfe einer sehr natürlichen und gelungenen Parallelmontage erreicht, sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart als Handlungsstränge zu entwickeln, ist "Fremdes Blut" nicht einfach nur ein weiteres Erzählwerk über den Spanischen Bürgerkrieg, sondern auch eine subtile Reflexion über die Welt, die er hinterlassen hat.

Es wirft ein melancholisches Licht auf eine junge Generation, die wie Goitia kein Bewußtsein für ihr "Fremdes Blut" besitzt und so, wie es das dem Roman vorangestellte Zitat aus Wilfred Owens "War Poems" andeutet, nicht in der Lage ist, "wieder mit Jugend die leeren Venen des Lebens" derjenigen zu füllen, denen der Krieg die wichtigsten Jahre geraubt hat. Träger dieser dennoch keineswegs bitter wirkenden Trauer ist besonders der alte Dr. Castro, auf den auch der resignierte letzte Satz des Romans gemünzt ist: "Aber der dort droben gibt den Alten nun mal nicht die Chance auf eine neue Jugend."

FLORIAN BORCHMEYER

Manuel de Lope: "Fremdes Blut". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Stefanie Gerhold. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2003. 269 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein wahrhaft unvergeßlicher Roman!" - "Krieg, Liebe und ein Geheimnis bestimmen das Leben dieser Menschen. Es gibt Szenen von großer Brutalität, bewegende Stellen und Seiten, die reine Poesie sind." (Isabel Allende)