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Kurztext:
Derzeit werden die Allgemeinbildung und die Ausbildung in den Naturwissenschaften heftig diskutiert. Etliche Defizite sind schon längere Zeit bekannt. Schlägt die Bildungskrise in eine pädagogische Katastrophe - besonders der naturwissenschaftlichen Disziplinen - um? Die Hintergründe der Behauptungen wurden bislang nicht dargelegt.
Historischer Kernpunkt der überfälligen Erörterung ist, daß sich die zwei Kulturen der Natur- und Geisteswissenschaften nicht mehr wechselseitig beeinflussen, befruchten und verändern. Geisteswissenschaften drohen ohne objektive Kriterien beliebig,
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Produktbeschreibung
Kurztext:
Derzeit werden die Allgemeinbildung und die Ausbildung in den Naturwissenschaften heftig diskutiert. Etliche Defizite sind schon längere Zeit bekannt. Schlägt die Bildungskrise in eine pädagogische Katastrophe - besonders der naturwissenschaftlichen Disziplinen - um? Die Hintergründe der Behauptungen wurden bislang nicht dargelegt.

Historischer Kernpunkt der überfälligen Erörterung ist, daß sich die zwei Kulturen der Natur- und Geisteswissenschaften nicht mehr wechselseitig beeinflussen, befruchten und verändern. Geisteswissenschaften drohen ohne objektive Kriterien beliebig, Naturwissenschaften ohne Auslegung durch den Menschen gefährlich zu werden. Die Ausgrenzung der Subjektivität aus den Naturwissenschaften ließ deren technische Anwendung zu einer Gefährdung von Mensch und Natur werden.Warum sind humanistische und naturwissenschaftliche Bildung füreinander unverzichtbar? Welche Rolle spielt menschliche Subjektivität bei der Forschung? Was vermittelt eine zukunftsorientierte Pädagogik der Naturwissenschaften Schülern, Studenten und Laien? Werner Kutschmann entwirft Umrisse einer neuen wissenschaftlichen Bildung in seiner Studie zwischen Pädagogik, Geistes- und Wissenschaftsgeschichte. Das Verständnis für die sozialen, ökologischen und moralischen Grenzen muß die zukünftige naturwissenschaftliche Forschung und deren Didaktik charakterisieren. Darin eingeschlossen ist die Bereitschaft, die Folgen wissenschaftlichen Forschens überhaupt und die Folgen vor ihrer technischen Anwendung zu bedenken und zu verantworten.

Zum Autor/Herausgeber: Werner Kutschmann geb. 1948, Studium Mathematik, Physik, Philosophie und Wissenschaftsgeschichte an den Universitäten Freiburg und München; Promotion 1985 TH Darmstadt; Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Philosophie an der TH Darmstadt. Tätig als Studienrat an einem Frankfurter Gymnasium und als Übersetzer. Habilitation 1997 am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Johann-Wolfgang-Goethe- Universität Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Auch Einstein ist ein verstorbener Klassiker
Was lernten wir eigentlich in der Schule? Werner Kutschmann möchte, dass die Kinder sich mit Physik beschäftigen

Naturwissenschaftler haben es bei Abendeinladungen nicht leicht. Zur Globalisierung, dem Ende der Kleinfamilie oder dem Einfluss des Fernsehens auf die Lesekultur reden alle mit. Aber warum Schiffe eigentlich schwimmen oder was die da in der Genetik überhaupt machen, das hat kaum Erfolg. Keine Fachgespräche, bitte. Allenfalls für ungesättigte Fettsäuren werden gelegentlich Ausnahmen gemacht. Anders als bei weltanschaulichen Fragen lässt sich hier die Unkenntnis so schlecht kaschieren. Und die Erinnerung, dass vom eigenen Physikleistungskurs aber auch so rein gar nichts hängen blieb, ist doch allzu peinlich.

Werner Kutschmann trägt in seiner erziehungswissenschaftlichen Habilitation eine erbauliche Liste von naturwissenschaftsfeindlichen Aussprüchen aus Philosophie und Bildungspolitik zusammen. Wenn er diese Feindschaft dann allerdings auf den fortdauernden Streit der Snow'schen "Zwei Kulturen" zurückführt und in aller Ausführlichkeit nachweist, dass die Natur zur Grundlage des menschlichen Daseins gehört, wächst die Ungeduld des Lesers: Noch fünfzig Seiten, ob da noch 'was Substantielles kommt? Und wenn die Schüler am Vergleich von Newtons und Einsteins Haltung zur Gravitationstheorie oder von Einsteins und Bohrs Haltung zur Quantentheorie - "Ähnliche Beispiele ließen sich viele finden" - gleichsam spielerisch die Einsicht in den Entwurfs- und Konstruktionscharakter naturwissenschaftlicher Erkenntnis erwerben sollen, mag man dem Klappentext kaum glauben, dass der Autor an einem Frankfurter Gymnasium unterrichtet.

Das Problem vieler, gewiss nicht aller Fachdidaktiker ist, dass sie, sei es, weil sie in der Fachwissenschaft selber keinen Platz fanden, sei es, weil sie gelegentlich von der Schule in die Universität wechseln, meinen, sich fachwissenschaftlich ausweisen zu müssen, um dann nur den Schnee von gestern umzuwälzen. Dabei hat Kutschmann durchaus etwas am Wickel: Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer gelten nicht als Teil der allgemein menschlichen Bildung, sondern als Vorbereitung auf Beruf oder Studium. Sie werden nicht um ihrer selbst, sondern um ihres Nutzens willen gelehrt. Mathematicus non est collega. So fragt deren Didaktik anders als etwa die Deutschdidaktik auch nicht, was den Schüler jetzt in seinem Alltag beschäftigt oder beschäftigen könnte, sondern versucht, möglichst viel von dem durch den Stand von Wissenschaft und Technik Vorgegebenen in die Köpfe hineinzubringen. Während alle der Meinung sind, der Deutschunterricht sollte die Lust am Lesen befördern, hat die Lust am Forschen und Experimentieren keine Lobby.

Nun vervielfacht sich aber das Fachwissen laufend, und die TIMSS-Studie hat die Besorgnis geweckt, wir Deutschen könnten nicht mehr mithalten: Also muss sehr viel gelernt werden. Das Gegenteil ist natürlich richtig. Vom Schulunterricht haben schon wir nichts behalten, nicht weil dort nur wenig, sondern weil zu viel behandelt wurde. Und nicht weil in der zerstörten Kleinfamilie unter dem Tannenbaum kein Chemiebaukasten mehr steht, werden zunehmend die Naturwissenschaften abgewählt, sondern weil die Bereitschaft gesunken ist, auf die bloße Versicherung hin, in der Oberstufenphysik werde man es brauchen, im Mathematikunterricht der neunten Klasse unverstandene Gleichungen zu üben. Die Gravamina der Wirtschaft und die Verweigerung der Schüler aber wären gute Hebel für eine Unterrichtsreform. An ihr jedoch ist kaum jemand interessiert, eben weil die Naturwissenschaften seit Humboldt nicht zum Bildungsgut zählen. Nur hätte Kutschmann das große Wort Bildung mit didaktischem Kleingeld auszahlen sollen.

GUSTAV FALKE

Werner Kutschmann: "Naturwissenschaft und Bildung". Der Streit der "Zwei Kulturen". Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1999. 351 S., geb., 68,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gustav Falke lobt zwar Kutschmann Ansinnen, die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer von dem Stigmata des ?lediglich für die Schule, aber nicht für das Leben?-Nützlichen befreien zu wollen, allerdings dignostiziert er beim Autoren eine Schwäche in didaktischer Hinsicht. Die Auflistung von ?naturwissenschaftsfeindlichen Aussprüchen aus Philosophie und Bildungspolitik? scheint beim Rezensenten noch auf Interesse zu stoßen, doch hätte er auch gern etwas über die Ursachen dieser Feindschaft gelesen. Das Problem, meint Falke, liegt im Desinteresse der Schüler, zumal Naturwissenschaften als Bildungsgut heute von geringem gesellschaftlichen Stellenwert seien. Er bezweifelt auch, dass Kutschmann bei Schülern mit dem ?Vergleich von Newtons und Einsteins Haltung zur Gravitationstheorie? ein eigenständiges naturwissenschaftliches Interesse wecken kann, etwa in der Art, wie Deutschunterricht möglicherweise die Lust am Lesen fördere.

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