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Für die einen ist es »Isar-Athen«, für die anderen »das reine Buxtehude«.
Wenn Paul Heyse und Frank Wedekind München derart titulieren, zeugt dies von der Vielseitigkeit, die München eigen ist. Seit dem Mittelalter dokumentieren Münchner Schriftsteller und Künstler ebenso wie Gäste der Stadt in Briefen und Tagebüchern ihre Erlebnisse, lassen Eindrücke und Empfindungen in ihre Romane einfließen und geben so ein vielgestaltiges Bild vom Leben und Treiben in der bayerischen Metropole. Diese Anthologie versammelte Texte von Charles de Montesquieu, Giacomo Casanova, Caroline Schelling, Franziska…mehr

Produktbeschreibung
Für die einen ist es »Isar-Athen«, für die anderen »das reine Buxtehude«.

Wenn Paul Heyse und Frank Wedekind München derart titulieren, zeugt dies von der Vielseitigkeit, die München eigen ist. Seit dem Mittelalter dokumentieren Münchner Schriftsteller und Künstler ebenso wie Gäste der Stadt in Briefen und Tagebüchern ihre Erlebnisse, lassen Eindrücke und Empfindungen in ihre Romane einfließen und geben so ein vielgestaltiges Bild vom Leben und Treiben in der bayerischen Metropole.
Diese Anthologie versammelte Texte von Charles de Montesquieu, Giacomo Casanova, Caroline Schelling, Franziska zu Reventlow, Joachim Ringelnatz, Thomas Mann, Annette Kolb und anderen, in denen sie vom kurzweiligen Leben in der Stadt an der Isar erzählen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.07.2010

Fernweh nach Heimat
Eine Anthologie beschwört den
Glanz des alten Münchens
München ist reich und schön, doch diese Stadt war auch einmal inspirierend und aufregend. Der Reiz, der einst ausging von München, hat sich verflüchtigt. Oder würde heute noch ein Künstler behaupten, es sei „die individualistischste Stadt der Welt“, wie die Schriftstellerin Annette Kolb? „Der Boden“, stellte sie 1954 im Rückblick auf ihre Münchner Jugend fest, „war für das Ausgefallene weit aufnahmebereiter als andernorts.“ Dieses Urteil klingt umso überzeugender, als Annette Kolb während ihrer Emigration New York und Paris gesehen hatte.
Der Auszug aus ihrem Erinnerungsroman „Die Schaukel“ ist nur eines von vielen Zeugnissen für Münchens Glanzepoche, die in einer Anthologie der Buchreihe „Lese-Verführungen“ kompiliert sind. Lokalpatrioten kommen daran nicht vorbei, und alle, die diese Stadt anzieht, werden es mit Freuden lesen. Das Buch bietet einen Querschnitt der prägnantesten Beobachtungen und Schilderungen, die Ida Karl zusammengetragen hat. Wer die Spuren des alten Münchens sucht – hier wird er sie finden.
Es schadet den Texten keineswegs, dass sie aus ihrem Kontext gerissen sind, wie etwa der Trambahnhaltestellen-Tagtraum des Gustav Aschenbach aus Thomas Manns „Tod in Venedig“, in dem den Protagonisten bei einem Frühlingsspaziergangs vom Englischen Garten zum Nordfriedhof Fernwehphantasien überkommen. Diese Partikel ergeben zusammen das prächtige, farbige Gemälde einer Bilderbuchstadt. Nach einer Hochrechnung Max Halbes war zur Wende ins 20. Jahrhundert jeder siebzigste Münchner Maler, Zeichner oder Bildhauer. Wobei die Musiker nicht zu vergessen sind.
Wo und wie München Kunstschaffende aller Sparten inspirierte, glaubte Rainer Maria Rilke erfasst zu haben. Er stellte in seinem Münchner Brief „Der Monopteros“ fest, „etwas Leichtes und Befreiendes“ komme allein wegen des Klimas über die Pinsel der Maler und die Federn der Schriftsteller. Je nach Wetter gleiche das Licht dieser Stadt leuchtenden Landschaften der Hochrenaissance. Als München-Vedute wäre der kleine Band allerdings ziemlich fahl, fußten alle 64 Texte allein auf Schwärmerei. Das Kapitel „Impressionen einer Stadt“ enthält Beiträge aus der Zeit Hitlers in München. Daneben sind vor allem die Münchner selbst oft als kurioses Völkchen dargestellt, mal mit Thomas Mannscher Ironie wie in der Hofbräuhaus-Episode aus den „Buddenbrooks“, mal offen despektierlich. Friedrich Hebbel hielt den Münchner als solchen für einen arbeitsscheuen Säufer, das Bier gehöre zu ihm wie seine Seele. Hebbel konnte nicht begreifen, wie die Münchnerinnen solche Männer heiraten konnten. Die Münchnerinnen wiederum verehrte Hebbel, er liebte sie wegen ihrer eigentümlichen Charaktermischung aus Frömmigkeit und Temperament.
Eine Reihe von Texten ist bekannt, weil sie wie Franziska zu Reventlows „Das Leben der Bohème“ immer wieder zitiert werden. Andere haben es verdient, durch dieses Buch in Erinnerung gerufen zu werden. Viktor Manns Text „Schwabing“ zum Beispiel. Der jüngere Bruder von Thomas und Heinrich Mann, ein Agraringenieur, schildert die Frühzeit dieser Kommune vom Dorf zum Stadtteil. Immobilienspekulanten machten ein gigantisches Geschäft, die Bauern, die ihre Grundstücke verkauften, wurden zu Großbürgern; wer es sich leisten konnte, zog hinaus. Und mittendrin waren die Literaten, Musiker, Maler und Schauspieler. München muss wirklich einmal aufregend gewesen sein. RUDOLF NEUMAIER
IDA KARL: München – Eine Lese-Verführung. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2010. 272 Seiten, 8 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Rudolf Neumaier ist fasziniert von dieser von Ida Karl kompilierten München-Anthologie mit ausgewählten Beobachtungen und Schilderungen der Stadt. Sie zeige, was heute aus Neumaiers Sicht oft gänzlich vergessen werden kann: dass die bayrische Hauptstadt nicht nur "reich und schön" ist, sondern "auch einmal inspirierend und aufregend" war, ein Experimentierfeld für Künstler. Dass die Texte für diese Anthologie oft aus ihrem Kontext gerissen wurden, schadet ihnen keineswegs, meint der Rezensent großmütig, der mit diesem Kaleidoskop das "prächtige, farbige Gemälde einer Bilderbuchstadt" entstehen sehe. Neumaier gefällt schließlich aber auch, dass nicht nur geschwärmt wird, sondern auch die dunklen Schatten der Vergangenheit zur Sprache kommen, dass etwa Hitlers Präsenz in der Stadt thematisiert wird.

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