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"Die Wissenschaftsgeschichte könnte ein prominenter Ort werden, an dem die strikte Trennung der Denk- und Forschungshorizonte in Geistes- und Naturwissenschaften aufgehoben wird." Michael Hagner
Mit Beiträgen von Soraya de Chadarevian, Lorraine Daston, Peter Galison, Michael Hagner, Donna Haraway, Christoph Hoffmann, Lily E. Kay, Bruno Latour, Hans-Jörg Rheinberger, Simon Schaffer, Londa Schiebinger, Steven Shapin.
Eine Einführung in die neuere Wissenschaftsgeschichte an Hand von exemplarischen Studien zu den Naturwissenschaften von der frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert.
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Produktbeschreibung
"Die Wissenschaftsgeschichte könnte ein prominenter Ort werden, an dem die strikte Trennung der Denk- und Forschungshorizonte in Geistes- und Naturwissenschaften aufgehoben wird."
Michael Hagner

Mit Beiträgen von Soraya de Chadarevian, Lorraine Daston, Peter Galison, Michael Hagner, Donna Haraway, Christoph Hoffmann, Lily E. Kay, Bruno Latour, Hans-Jörg Rheinberger, Simon Schaffer, Londa Schiebinger, Steven Shapin.
Eine Einführung in die neuere Wissenschaftsgeschichte an Hand von exemplarischen Studien zu den Naturwissenschaften von der frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert. Einleitung, Kommentare und Literaturhinweise ergänzen diesen Reader. Beiträge von Lorraine Daston, Peter Galison, Lily Kay, Bruno Latour, Hans-Jörg Rheinberger, Simon Schaffer u. a.
Autorenporträt
Michael Hagner, geb. 1960, ist Professor für Wissenschaftsforschung an der ETH Zürich.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2002

Auch Pflanzen haben Sex
Enthusiasmus und Wehmut: Der Wissenschaftsgeschichte wird der Geist ausgetrieben
Orientierung heißt eines der Zauberworte unserer Zeit. Das gilt auch für die Wissenschaft, wo es zu den Leitwissenschaften auch die passenden Orientierungswissenschaften gibt. Wie auf dem Markt geht es unter nüchternen Wissenschaftlern gelegentlich zu. Wer am lautesten schreit, überlebt am längsten, denkt sich mancher.
Gar nicht nötig, sich auf dem Wissenschaftsmarkte feilzubieten hat es eine neue Sammlung zur Wissenschaftsgeschichte, die genau die Kriterien erfüllt, die man in der angelsächsischen Welt an einen „Reader” stellt: Solide, informative, mitunter innovative Beiträge einer im Wachsen begriffenen Disziplin. Da derzeit viel von den „Lebenswissenschaften” und deren kaum noch überschaubaren Forschungsergebnissen die Rede ist, weist der Herausgeber dennoch listig daraufhin, daß die Wissenschaftsgeschichte die Wissenschaft überblickt und den entdeckungslustigen Leser hilfreich bei der Hand nimmt.
Eine vielseitige Zusammenschau wird ihm geboten, „Ansichten”, wie der Titel verheißt, der Wissenschaftsgeschichte. Statt verstaubter Klassiker will man das Neue ausstellen. Tatsächlich verfolgt man gespannt die unterschiedlichen Perspektiven und Ansätze, die hier vertreten werden, von mikroskopischem close reading der „Entstehungsherde” wissenschaftlicher Erkenntnisse bis zur feministischen Primatenanalyse. Und alles vergnüglich aufbereitet in einem Werk, das sich gezielt ans „allgemeinere akademische Publikum” richtet – oder wie man neuerdings wieder sagt: an die gebildeten Stände – und nicht an die Forschergemeinde.
Die meisten der Beiträge entstammen dem kosmopolitischen Umfeld des Berliner Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte. Da sage nun keiner, die deutsche Wissenschaft habe nichts mehr zu bieten. Natürlich kommen darin auch, seien sie nun Wahlberliner oder nicht, die großen anglo- und frankophonen Vertreter der Zunft zu Wort. Manche der Artikel kennt man bereits – fast alle wurde in den vergangenen Jahren in prominenten Werken publiziert –, was dem Gefühl, auch bei der neuerlichen Lektüre die eigene Neugier gestillt und etwas Neues dazugelernt zu haben, jedoch keinesfalls abträglich ist.
Veritable Juwelen funkeln neben bodenständigeren Stücken. Kuriositäten werden ins Kabinett gestellt: Was Sie schon immer über Sex bei Pflanzen wissen wollten – zumindest so, wie Linné die Welt sah. Bruno Latour, der französische Doyen der Wissenschaftsgeschichte, erklärt uns anhand des Milchsäureferments, daß auch die Objekte der Natur eine eigene Geschichte haben und die Wissenschaftler nicht alles mit sich anstellen lassen. Ein Teil der Nobelpreisgelder, denkt sich der Leser, müßte folglich ihnen gestiftet werden. Steven Shapin spürt dem Geflecht von antiker Naturphilosophie und neuen Entdeckungen im 17. Jahrhundert nach. Nur weil manche Forscher so lauthals alles Alte zu Gerümpel erklärten, glauben wir heute noch, wissenschaftliche Revolutionen seien ohne Verwendung des bisherigen Wissens möglich.
Wer zu diesem Band greift, kann nichts falsch machen. Er ist gut geschrieben, breit gefächert, informativ und repräsentativ. Will man dennoch etwas bemängeln, dann ist es sein kurzes Gedächtnis. Ihrem Ursprung und ihrer Methode nach ist die Wissenschaftsgeschichte eine geisteswissenschaftliche Disziplin. Die Geschichte einer Geistes- oder Kulturwissenschaft sucht man in dieser „Kulturgeschichte der Wissenschaften” allerdings vergebens. Hat die harte science mit kantigen Ellenbogen ihre zarten geistigen Geschwister namens scholarship bereits aus dem Nest geworfen? Neben der Freude an diesen Band müßte man dann zugleich die Trauer über eine kostbare deutsche Erbschaft ausdrücken: Die Wissenschaft.
Und so läßt sich der in gewohnter Klarheit verfaßte Beitrag von Lorraine Daston gegen den Strich bürsten und als pièce de résistance lesen. Warum im Frankreich des 18. Jahrhunderts und im England des 19. Jahrhunderts die Naturwissenschaften und die Geisteswissenschaften auseinanderdrifteten, ist noch ungeschriebene Geschichte. Im deutschsprachigen Raum dürfen beide bis heute unter dem Dach der ein und selben Akademie der Wissenschaften wohnen. Das Denken in Gegensätzen dagegen verdeckt „wichtige Ähnlichkeiten in den Begründungs- und Argumentationsstandards”. Denn auch kollektiver Empirismus und Objektivität sind kulturelle Phänomene. Lorraine Daston hat noch etwas gerettet aus dieser alten Welt vor der Kontinentalverschiebung der Wissenschaft, vor der „Balkanisierung des Wissens”.
TIM B. MÜLLER
MICHAEL HAGNER (Hrsg.): Ansichten der Wissenschaftsgeschichte. Fischer Verlag, Frankfurt 2001. 534 Seiten, 26,90 Euro.
Der Säulenkaktus Cereus curtisi erfreute sich im viktorianischen England besonderer Beliebtheit. Wir entnehmen sein Bild dem wundervollen Bildband „Flora. Der Duft der Ferne” von Brent Elliott. Verlag Geo/ Frederking&Thaler, 336 S., 50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Rezensent Tim B. Müller zeigt sich recht angetan, von dem von Michael Hagner herausgegebenen Reader "Ansichten der Wissenschaftsgeschichte", der eine ganze Reihe "solide, informative, mitunter innovative" Beiträge aus dem Umfeld des Berliner Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte versammelt. "Gespannt" folgt Müller den diversen "vergnüglich" geschriebenen Artikeln und freut sich besonders über "veritable Juwelen", die neben etwas "bodenständigeren Stücken" in diesem Band zu finden sind. Alles in allem eine runde Sache, befindet der Rezensent: "Wer zu diesem Band greift, kann nichts falsch machen. Er ist gutgeschrieben, breit gefächert, informativ und repräsentativ." Was Müller dem Werk bei allem Lob aber dann doch negativ ankreidet, ist sein "kurzes Gedächtnis". Gemeint ist die systematische Ausblendung einer Geschichte der Geistes- und Kulturwissenschaften. Für Müller umso unverständlicher, als die Wissenschaftsgeschichte ihrem Ursprung wie ihrer Methode nach eine geisteswissenschaftliche Disziplin ist.

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