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Autoren schreiben übers Schreiben. Darüber, wie man zum Dichter wurde, obwohl man genau das nie werden wollte. Und darüber, was dann passierte. Wie es wirklich war und wie es gewesen sein könnte. Über die unvermeidlichen Fragen nach jeder Lesung und darüber, wie man sein erstes Buch übersteht. Über die Angst vor dem ersten und dem letzten Wort und über das Glück, überhaupt noch Worte zu finden. Über Schreibtische und Schreiborte, die wahren und die erfunden-wahren. Hier haben nicht die "Sachbearbeiter der Literatur "(Klaus Modick) aus dem germanistischen Seminar das Wort, sondern die…mehr

Produktbeschreibung
Autoren schreiben übers Schreiben. Darüber, wie man zum Dichter wurde, obwohl man genau das nie werden wollte. Und darüber, was dann passierte. Wie es wirklich war und wie es gewesen sein könnte. Über die unvermeidlichen Fragen nach jeder Lesung und darüber, wie man sein erstes Buch übersteht. Über die Angst vor dem ersten und dem letzten Wort und über das Glück, überhaupt noch Worte zu finden. Über Schreibtische und Schreiborte, die wahren und die erfunden-wahren. Hier haben nicht die "Sachbearbeiter der Literatur "(Klaus Modick) aus dem germanistischen Seminar das Wort, sondern die poetischen Praktiker selbst. Erzählen von eigenen Erfahrungen oder erfinden Erzähler, die vom Erzählen erzählen. Werfen beim Wandern durch die Wörterwelt einen höchst unterhaltsamen, humorvoll-selbstironischen Facettenblick auf die eigene Profession und entwerfen zugleich ein Panorama dessen, was Schreiben heute bedeutet -in Geschichten, Gedichten und Berichten. Die poetische Werkstatt öffnet ihre Türe n. Treten Sie ein!
Mit Originalbeiträgen von: Martin Ahrends, Christoph Bauer, Katja Behrens, Klaus Böldl, Volker Braun, Bernd Cailloux., F. C. Delius, Hugo Dittberner, Hella Eckert, Adolf Endler, Walter Helmut Fritz, Zsuzanna Gahse, Ludwig Harig, Elke Heidenreich, Norbert Hummelt, Silvio Huonder, Steffen Jacobs, Hanna Johansen, Hermann Kinder, Ursula Krechel, Brigitte Kronauer, Dieter Kühn, Dirk Kurbjuweit, Ulrike Längle, Dagmar Leupold, Friederike Mayröcker, Klaus Modick, Kathrin Röggla, Herbert Rosendorfer, Hansjörg Schertenleib, Burckhard Spinnen, Barbara Strohschein, Hannelies Taschau, Dirk von Petersdorff, Richard Wagner, Johanna Walser, Michael Wildenhain und Jochen Wint.
Autorenporträt
Prof. Heinz Ludwig Arnold, geb. 1940, ist weit über die Grenzen Deutschlands hinaus als einer der besten Kenner der Gegenwartsliteratur bekannt. Er ist Herausgeber der Zeitschrift 'TEXT + KRITIK', des 'Kritischen Lexikons zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur' (KLG) und des 'Kritischen Lexikons zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur' (KLfG).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.2001

Was tun, wenn Gott nicht haucht?
Heinz Ludwig Arnold sammelt Werkstattberichte deutscher Poeten

Die idealistische Tradition ist mächtig: Immer noch sind deutsche Dichter und Dichterinnen wie Eremiten, die der Welt hochgemut den Rücken kehren, herausspringen wollen aus den Verwertungszusammenhängen und schreiben wollen um ihrer selbst oder um des Gedichteten willen. Jedenfalls nicht für Geld, nicht für Publikum, nicht für Zwecke und Tendenzen, sondern für die Klosterzucht des interesselosen Wohlgefallens und des Scheins der Absichtslosigkeit. Daß sie sich heimlich verzehren nach Geld und Anerkennung, steht auf einem anderen Blatt. Am Narrenseil der Ruhmsucht geführt, tanzen sie vor, wo immer man nach ihnen verlangt. Danach sitzen sie in den einsamen Hotelzimmern, voll Scham, Haß und Verzweiflung.

Ein junger Autor ist - jedenfalls nach Auskunft von Heinz Ludwig Arnolds Textsammlung, die Werkstattberichte deutscher Poeten bündelt - ein bemitleidenswertes Wesen. "In Kassel zum Beispiel kam kein Mensch zu meiner Lesung. Selbst der veranstaltende Buchhändler hatte sie vergessen." (Hansjörg Schertenleib) Im Gefängnis des Narzißmus zwischen Depression und Euphorie hin- und hergerissen, findet der Weltlose kein stabiles Selbstgefühl. Und behauptet auch, dessen gar nicht zu bedürfen, hätschelt er doch seine Labilität, weil sie sensibel macht - stabil sein ist Sache der Philister.

Vor ein paar Jahrzehnten noch war es Mode, sich nicht als Dichter, sondern als Textarbeiter, Sprachmonteur oder Stückeschreiber zu präsentieren, als lässiger Verfertiger, der sein Metier beherrscht. Inzwischen sitzen die meisten wieder in der Inspirationsfalle. Sie warten auf Offenbarungen, lauern ihnen geradezu auf. Ein winziger Einfall, und der Tag ist gerettet! Hinter dem müden Blick der Kassiererin könnte eine Erzader liegen! Hat jemand, fragte Friedrich Nietzsche in "Ecce Homo", noch einen Begriff davon, was Dichter starker Zeiten Inspiration nannten? "Man hört, man sucht nicht; man nimmt, man fragt nicht, wer da gibt; wie ein Blitz leuchtet ein Gedanke auf, mit Notwendigkeit, in der Form ohne Zögern . . . Eine Entzückung, deren ungeheure Spannung sich mitunter in einen Tränenstrom auslöst . . . ein vollkommnes Außer-sich-sein . . . eine Glückstiefe . . . Alles geschieht im höchsten Grade unfreiwillig, aber wie in einem Sturme von Freiheits-Gefühl, von Unbedingtsein, von Macht, von Göttlichkeit . . ." Hinter dem Ofen der Welt sitzend (heute ist es oft ein Reiseofen) hascht hingegen der Dichter dekadenter Zeiten nach Mücken. Ein Einfällchen: schnapp! Hauptsache, es ist nicht gemacht, gerechnet, künstlich, kein Artefakt (um noch einmal Nietzsche zu zitieren). Hauptsache, es kam frei geflogen, um von mir und nur von mir ausgedrückt zu werden.

Wer sich auf das Inspirationsparadigma einläßt, kommt ohne Religion nicht aus, denn wer ist der Geber des Einfalls? "Spira" ist der Atem, mit dem Gott dem Lehmkloß Adam die Seele einhauchte, die Inspiration also, die Beatmung oder Beseelung, ihr Wesen das Geschenktsein, Begnadetsein, die Dichtung also eine Art von Offenbarung. Man kann sie nicht herstellen. Man kann nur auf sie warten, ihr günstige Bedingungen schaffen, sich gezielt Erlebnissen aussetzen, stets sein Notizbuch mitführen. Aber was tun, wenn Gott nicht haucht?

Offenbar haucht er heute dann am lebendigsten, wenn man die Schreiber nach dem Schreiben fragt. Gleich werden sie munter. Das Buch ist voll von Material über die Psychologie der Schreibhemmung. Sie sind ja alle klug, die sich hier äußern. Ironisch wissen sie, daß nichts zu schreiben hat, wer über das Schreiben schreibt. Sie erzählen von Geschichten, die sie hätten erzählen wollen. Flott und kokett schreiben sie darüber, warum sie nicht schreiben. Hanna Johansen eröffnet mit einem hübschen Text über Heinz Ludwig Arnolds Bitte um einen Text über die poetische Werkstatt, den sie dann mit den Sätzen enden läßt: "Dann also nicht, sage ich entschlossen. Keinen Text über die poetische Werkstatt." Und hat doch eben einen geschrieben.

Sie lamentieren virtuos über das dumme oder nervtötend gebildete Publikum, über die Verleger, von denen sie als Gänse eingeschätzt werden, aus deren Leber man die Pastete macht, über das Strohfeuer der Rezensionen, das nicht wärmt, und über das heimliche Verachtetwerden noch im ach so vergänglichen Erfolg. Die wenigen, die eine Botschaft haben, wie Volker Braun, der immer auf irgendeine Weise den Untergang der DDR betrauert, klagen, daß ihnen niemand zuhören will. "Wie viele Possen muß ich reißen für einen Moment des Erschreckens."

Die Selbstironie, der melancholische Witz, die komische Gekonntheit machen diesen Band trotz allem lesenswert. Die Leere, der vollgefressene Nihilismus, der sich selbst zum Ekel geworden ist, die Welt- und Botschaftslosigkeit einer verzweifelten Literatur wurden bisher nirgends so abwechslungsreich zum Ausdruck gebracht. Heinz Ludwig Arnold hat ein aussagekräftiges Porträt einer Dichtergeneration zusammengestellt. Freilich ist die Nabelschau beängstigend, die Abwesenheit großer Themen bestürzend.

Den 43 Beiträgen des Bandes werden diese allgemeinen Bemerkungen zweifellos nicht gleichmäßig gerecht - nicht dem alterslosen Avantgardismus der Friederike Mayröcker, nicht den Sonetten des Ludwig Harig, nicht Dieter Kühns Projektskizze über Schillers Schreibtisch, von dem in Buchenwald 1943 ein Sicherheitsreplikat gefertigt wurde. Auch nicht dem Inspirationsprotokoll von Ulrike Längle, die ihre Erfahrungen notiert hat, während sie die Erzählung "Bachs Biß" schrieb. Wer einmal einen großen, über längere Strecken tragenden Einfall hat, geht von da an wie ein Treibnetz durch die Welt, in dem sich von selbst alles Brauchbare fängt. Wo die Kunst aber nur sich selbst als Gegenstand kennt und die Welt verloren hat, verstrickt sie sich im eigenen Netz. Wer keinen wirklich großen, keinen ungesuchten Antrieb hat, sollte sich hüten vor dem Inspirationsparadigma, sollte lieber arbeiten, die Welt erforschen, das Publikum studieren, um wenn nicht inspirierte, so doch brauchbare Bücher zu schreiben.

HERRMANN KURZKE.

Heinz Ludwig Arnold (Hg.): "Da schwimmen manchmal ein paar gute Sätze vorbei". Aus der poetischen Werkstatt. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2001. 288 S., br., 24.- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Meike Fessmann schwankt bei der Lektüre des Bandes, der Einblick in den literarischen Schaffensprozess verschiedener Autoren durch sie selbst bieten will, zwischen Staunen und Enttäuschung. Wundern muss sie sich darüber, wie wenig die Autoren fähig und Willens sind, der Aufforderung des Herausgebers nach Auskunft nachzukommen. Am "aufschlussreichsten" scheinen ihr die Beschreibungen der "Verletzungen" durch den Literaturbetrieb, von denen die Autoren berichten. Dass das Buch also "dennoch interessant" ist, liegt nach Meinung der Rezensentin daran, dass es über die "Nachtseiten des heutigen Autorenkults" aufklärt. Fessmann bedauert allerdings nachdrücklich, dass der Herausgeber weder mit einem Vor- oder Nachwort, noch mit einer Bibliografie aufwartet.

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