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Wie viele Menschen tatsächlich Mitglied der NSDAP waren, ist weitgehend unbekannt. War die NSDAP eine "Arbeiterpartei " oder doch, wie heute noch viele meinen, eine Mittelschichtbewegung? Wie sah es mit den Frauen in der NSDAP aus, einer kleinen, aber wachsenden Minderheit, die gegen Kriegsende immerhin fast 40 Prozent der Neueintretenden ausmachte? Wer schaffte es, ihr in den Jahren beizutreten, in denen die Partei für die Allgemeinheit geschlossen war? Und wer waren die Menschen, rund eine Dreiviertelmillion (!), die zwischen 1925 und 1945 die NSDAP wieder verlassen haben? Auf diese und…mehr

Produktbeschreibung
Wie viele Menschen tatsächlich Mitglied der NSDAP waren, ist weitgehend unbekannt. War die NSDAP eine "Arbeiterpartei " oder doch, wie heute noch viele meinen, eine Mittelschichtbewegung? Wie sah es mit den Frauen in der NSDAP aus, einer kleinen, aber wachsenden Minderheit, die gegen Kriegsende immerhin fast 40 Prozent der Neueintretenden ausmachte? Wer schaffte es, ihr in den Jahren beizutreten, in denen die Partei für die Allgemeinheit geschlossen war? Und wer waren die Menschen, rund eine Dreiviertelmillion (!), die zwischen 1925 und 1945 die NSDAP wieder verlassen haben? Auf diese und viele weitere Fragen gibt dieses Buch - zum Teil verblüffend neue - Antworten. Seine Analysen entstanden im Rahmen des langjährigen Mainzer Forschungsprojekts "Die Mitglieder der NSDAP 1925 - 1945", das auf dem mit weitem Abstand größten Datensatz aus der Zentralen NSDAP-Mitgliederkartei fußt: einer Stichprobe von fast 50 000 Personen der Jahre 1925 bis 1945, die das gesamte Deutsche Reich samt den angeschlossenen und annektierten Gebieten umfasst, sowie einer Stichprobe früher NSDAP-Mitglieder für die Jahre 1919 bis 1922.
Autorenporträt
Jürgen W. Falter ist seit 2012 Senior Research Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mainz. Er war dort von 1993 bis 2012 Inhaber des Lehrstuhls für Innenpolitik und Empirische Politikforschung. Seit 2001 ist er Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Carsten Kretschmann findet den von Jürgen W. Falter herausgegebenen Sammelband hoch instruktiv. Falters hier präsentiertes Projekt einer Untersuchung der NSDAP-Mitglieder zwischen 1925 und 1945 bietet Kretschmann neue Erkenntnisse: Etwa die Tatsache, dass bis Kriegsende über 750.000 Mitglieder aus der Partei austraten, die These, dass die NSDAP nach 1933 durch "alte Opportunisten" zur Massenpartei wurde, oder die Feststellung, dass der Arbeiteranteil unter den neuen Mitgliedern in der Weimarer Republik bei rund 40 Prozent lag. Dass der statistisch vorgehende Band die Menschen hinter den Mitgliedsnummern und ihre Motive nicht wirklich zu zeigen vermag, schmälert den Ertrag der Lektüre für Kretschmann nicht. Selbst das mangelhafte Lektorat kann dem Rezensenten nicht die Erwartung an die von Falter angekündigte Gesamtdarstellung zum Thema schmälern.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2017

Davon ging die Welt fast unter . . .
Die Mitglieder der NSDAP: Immerhin traten 750 000 "Parteigenossen" bis zum Kriegsende 1945 sogar wieder aus

Dass Opa kein Nazi gewesen sei, gehörte nach 1945 zu den wenigen Gewissheiten, die landauf, landab an deutschen Küchentischen zu hören waren. Die Familiengeschichten, die häufig von Krieg und Entbehrung, nicht selten von Flucht und Vertreibung, bisweilen von Opposition und Widerstand, aber kaum je von Irrtum und Opportunismus handelten, schufen eine eigene Wirklichkeit. Und Kinder wie Enkelkinder hatten - aus den verschiedensten Gründen - oftmals nur geringes Interesse, die entsprechenden Sagbarkeitsregeln zu durchbrechen. Zur Realität gehörten freilich auch die vielen Hitler-Anhänger, die dem "Führer" selbst nach Stalingrad unbeirrt die Treue hielten. Zur Realität gehörte die individuelle Verstrickung in die nationalsozialistischen Verbrechen und nicht zuletzt der Umstand, dass die NSDAP bei Kriegsende rund 8,8 Millionen Mitglieder zählte.

Wenn man über die Struktur dieser Partei, die nicht allein der deutschen Geschichte ihren düsteren Stempel aufgedrückt hat, beinahe ebenso wenig weiß wie von Opa, der partout kein Nazi gewesen sein wollte, so muss das geradezu für Irritationen sorgen - unter Historikern ebenso wie beim großen Publikum. An Geschichten herrschte dabei, ähnlich wie beim Familiengespräch am Küchentisch, bereits seit den 1950er Jahren kein Mangel: Die einen sahen in der NSDAP ein Instrument der "Bourgeoisie", die anderen wollten in ihr eine Partei der kleinen Leute erkennen, wieder andere interpretierten sie als ein Phänomen des Mittelstands. Schlüssig belegen ließ sich indes keine dieser Deutungen - in der Regel blieb es bei Mutmaßungen.

Umso bedeutender sind die Befunde dieses Sammelbands, der die Ergebnisse eines von Jürgen W. Falter geleiteten Projekts präsentiert, das die Mitglieder der NSDAP zwischen 1925 und 1945 untersucht. Gemessen an dem unheimlichen Erfolg, den die NSDAP - personell im Schnitt zehnmal stärker als CDU oder SPD zu ihren besten Zeiten - ohne Zweifel hatte, wusste man bislang erstaunlich wenig über diese Partei. Nun treten auf der Basis mehrerer Stichproben, die Falter und sein Team aus den 12 Millionen Mitgliedskarten der NSDAP-Zentralkartei gezogen haben, hochinteressante Phänomene zutage. Zu ihnen zählt beispielsweise die Tatsache, dass rund 60 Prozent der Mitglieder, die zwischen 1925 und 1929 der NSDAP beigetreten waren, sie anschließend wieder verließen und bis Kriegsende insgesamt über 750 000 Mitglieder aus der Partei austraten.

Wenn die NSDAP im Jahr 1934 sogar einen effektiven Mitgliederschwund zu verzeichnen hatte, so hing dies mit der ebenfalls nicht sonderlich bekannten Tatsache zusammen, dass die Partei - nach dem gewaltigen Ansturm neuer Mitglieder seit dem 30. Januar 1933, der die Zentrale völlig überforderte und die Struktur der NSDAP drastisch zu verändern drohte - zum 1. Mai 1933 eine regelrechte Aufnahmesperre verhängte. Für jedermann, will sagen: für "unbescholtene" Deutsche "arischer Abstammung" war die NSDAP nach der Machtübernahme ausschließlich zwischen 1939 und 1942 geöffnet. Insgesamt wurde die Partei - so die klare These des Buchs - nach 1933 aus einer Bewegung "junger Kämpfer" zu einer Massen- und Staatspartei, die vornehmlich aus "alten Opportunisten" bestand.

Jürgen Falter und sein Team beschäftigen sich freilich nicht nur mit dem Mitgliederboom nach Hitlers Regierungsantritt. Sie wenden sich etwa auch den weiblichen NSDAP-Mitgliedern zu, unter denen ledige Frauen zwischen 25 und 39 Jahren besonders ins Gewicht fielen. Sie analysieren die Bedeutung von Parteiausschlussverfahren, betrachten den Alterungsprozess der Mitglieder und heben insgesamt den heterogenen Charakter der Partei hervor - der Arbeiteranteil unter den Neumitgliedern lag während der Weimarer Republik bei durchschnittlich 40 Prozent. "Extremismus des Mittelstandes"? Fehlanzeige.

Ob jedes NSDAP-Mitglied ein überzeugter Nazi war, lässt sich mit den Methoden der Politikwissenschaft gewiss nicht entscheiden. Zu Recht erinnert Falter daran, dass es glühende Nationalsozialisten auch außerhalb der NSDAP gab, beispielsweise unter Wehrmachtsangehörigen, und die individuellen Beitritts- oder Austrittsmotive anhand von Mitgliedskarten ohnehin nicht zu ermitteln sind. "Typische NSDAP-Mitglieder", so resümiert Falter denn auch vorsichtig, "dürften folglich eher die opportunistischen Mitläufer als die weltanschaulich 150-prozentig Überzeugten gewesen sein."

Die Menschen aber, die sich hinter den Mitgliedsnummern verbergen, bleiben in diesem Buch notgedrungen blass. Ihre Motive, ihre Erwartungen und Enttäuschungen, ihre Sorgen und Ängste sind durch statistische Verfahren schlechterdings nicht zu entschlüsseln. Das ist auch den Autoren bewusst, die ihre Daten punktuell mit persönlichen Zeugnissen zu korrelieren versuchen - insbesondere mit Theodore Abels Auswertung von 700 Lebensschilderungen "alter Kämpfer" aus dem Jahre 1937. Über die Erkenntnis, dass gerade diese Parteigenossen durch die vielen neuen Mitglieder eine "Verbonzung" befürchteten und den Markenkern der NSDAP bedroht sahen, gelangen sie dabei freilich kaum hinaus.

Eine solche Einschränkung schmälert nicht den Ertrag dieses ungemein instruktiven, allerdings nachlässig lektorierten Sammelbands. Er macht Appetit auf Falters bereits angekündigte Gesamtdarstellung, in der die Mosaiksteinchen, die die Autoren hier präsentieren, in einem größeren Kontext zu betrachten sein werden. Vor allem aber verweist er auf jene Fragen und Probleme, die mit quantifizierenden Verfahren nicht zu klären sind. Insofern darf dieser Band auch und gerade als eine Steilvorlage für die historische Zunft gelten. Eine Kulturgeschichte des Politischen, für die die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bisweilen noch immer wie eine Fahrt auf hoher See wirkt, findet in ihm einen soliden Anker.

CARSTEN KRETSCHMANN

Jürgen W. Falter (Herausgeber): Junge Kämpfer, alte Opportunisten. Die Mitglieder der NSDAP 1919-1945. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2016. 499 S. 39,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Jürgen Falter ist der Erste, der sich nicht auf die Parteigenossen einer bestimmten Region zu einer bestimmten Zeit beschränkt. Falter nimmt alle in den Blick, die je der Partei beigetreten sind, von der Neugründung der NSDAP 1925 bis zum Ende des 'Dritten Reichs'.« Matthias Gafke, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 04.12.2016»Die Untersuchungen legen ein neues Fundament für die quantitative Beschäftigung mit der NSDAP. Und eröffnen damit ein überaus spannendes, bislang nicht untersuchtes Feld.« Sven Felix Kellerhoff, Die Welt, 16.09.2016»Jürgen W. Falter ist nicht nur einer der bekanntesten deutschen Politikwissenschaftler [...], sondern auch einer der Pioniere in der Erforschung des Nationalsozialismus.«, Rhein-Neckar-Zeitung, 15.11.2016»Dieser Band darf auch und gerade als eine Steilvorlage für die historische Zunft gelten. Eine Kulturgeschichte des Politischen, für die die Auseinandersetzung mit dem Nationalismus bisweilen noch immer wie eine Fahrt auf hoher See wirkt, findet in ihm einen soliden Anker.« Carsten Kretschmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.04.2017»Sehr erhellend.«, P.M. History, 09.02.2017»Der Band erweist sich [...] als hervorragendes Überblickswerk, das bisherige Studien um quantitative Erkenntnisse erweitert und hinlänglich bekannte Fakten anhand zahlreicher Grafiken und Tabellen statistisch verifiziert. In der Gesamtschau bleibt zu konstatieren, dass der von Falter und seinem Team vorgelegte Sammelband ein neues Fundament für die soziografische Beschäftigung mit der NSDAP legt, auf dem künftige Studien aufbauen können.« Martin Göllnitz, Das Historisch-Politische Buch»Die Studie leistet einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis des ungeheuren und ursprünglich so nicht zu erwartenden Erfolgs der Partei.« Ernst Piper, Der Tagesspiegel, 20.10.2016»Die hat.NSDAP überraschend viele Aus- und Eintritte gehabt. [...] Das ist ein erstaunlicher Befund, den wir dem Mainzer Politologen Jürgen W. Falter und seiner Forschungsgruppe verdanken.« Werner Birkenmaier, Stuttgarter Zeitung, 30.12.2016…mehr