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Geschichte des Natur und Umweltschutzes Herausgegeben von Franz-Josef Brüggemeier, Joachim Radkau, Hans-Werner Frohn und Thomas Neiss
Nicht erst mit der Anti-Atomkraftbewegung der 70er Jahre und der Gründung der Grünen gelangte der Umweltschutz als Thema in diebreite Öffentlichkeit. Die Autoren des Bandes bieten erstmals einen umfassenden Überblick über die Geschichte des Umweltschutzes nach1945 in der Bundesrepublik, aber auch der DDR und anderen Ländern Europas. Von Naturschutz und Landschaftsgestaltung über Kernkraft, Luftverschmutzung und Kunststoffherstellung bis hin zur Umweltbilanz…mehr

Produktbeschreibung
Geschichte des Natur und Umweltschutzes
Herausgegeben von Franz-Josef Brüggemeier, Joachim Radkau, Hans-Werner Frohn und Thomas Neiss

Nicht erst mit der Anti-Atomkraftbewegung der 70er Jahre und der Gründung der Grünen gelangte der Umweltschutz als Thema in diebreite Öffentlichkeit. Die Autoren des Bandes bieten erstmals einen umfassenden Überblick über die Geschichte des Umweltschutzes nach1945 in der Bundesrepublik, aber auch der DDR und anderen Ländern Europas. Von Naturschutz und Landschaftsgestaltung über Kernkraft, Luftverschmutzung und Kunststoffherstellung bis hin zur Umweltbilanz der Bahn schildern sie sowohl Beispiele lokalen Widerstands als auch "großer Politik". Sie führen vor Augen, wie sehr die Debatten bis heute vom Spannungsfeld zwischen Emotionalität und technischen Lösungen geprägt sind.
Autorenporträt
Beiträge: Behrens, Hermann / Brüggemeier, Franz-Josef / Dannenbaum, Thomas / Ditt, Karl / Engels, Jens Ivo / Fuchsloch, Norman / Gensichen, Hans-Peter / Heymann, Mathias / Höfer, Wolfram / Hünemörder, Kai F. / Körner, Stefan / Kopper, Christopher
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.07.2005

Apokalypseangst und Risikowahrnehmung
Die rapide Karriere des Umweltschutzes als nationales wie als globales Thema nach 1945
Der Titel verspricht akademische Langeweile, doch es kommt anders. Versammelt sind 19 Studien und Essays zu sehr verschiedenen Themen aus der Umweltdiskussion von 1930 bis heute, entstanden aus Vorträgen auf einer Tagung im Jahre 2002 in Freiburg. Der Herausgeber Franz-Josef Brüggemeier (Mediziner, Soziologe, Historiker auf dem Freiburger Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte) fragt eingangs, ob die Umweltgeschichte als Zeitgeschichte etabliert sei; sie werde in den großen Überblicksdarstellungen und Standardwerken allenfalls gestreift, sei offenbar im „zeithistorischen Kanon” noch nicht angekommen. Der Band lässt das Gegenteil vermuten. Denn mehrere Beiträge erörtern die Frage, ob um das Jahr 1970 herum die Umweltpolitik einen Umbruch erlebt, eine Wende vollführt habe. Wenn Historiker in der Geschichte irgendeiner Erscheinung (der Technik, der Druckkunst, der Landwirtschaft oder was sonst alles eine Geschichte hat) über Wenden und Umbrüche, gar eine „Achsenzeit” (Jaspers) zu diskutieren beginnen, dann ist die betreffende Geschichte lang genug und kann als etabliert bezeichnet werden. Auch wenn Geschichte älter ist als jene, die über sie schreiben, spricht das für Etabliertheit. Von den 19 Autoren des Bandes sind acht zwischen 1969 und 1971 geboren. Da war „die Umwelt” schon ein halbes Jahrhundert alt (Jakob von Uexküll, 1921).
Die große Wende soll (nach Kai F. Hünemörder, Umwelthistoriker an der Universität Göttingen) darin bestanden haben, dass der bis Anfang der siebziger Jahre herrschende Zukunftsoptimismus durch Untergangsszenarien abgelöst wurde. Dem widerspricht Frank Uekötter (Historiker an der Universität Bielefeld): Es habe bereits seit 1940 Protestaktionen gegen Umweltzerstörungen gegeben, Zeichen von Pessimismus. Dem älteren Beobachter der Umweltdiskussion fällt bei der Lektüre dieses Buches - nimmt er es als repräsentativ - allerdings auf, dass die Zeit vor 1970 von der Forschung vernachlässigt wird, zum Beispiel die frühe Umweltpublizistik der sechziger Jahre.
Lokale Zeitungen suchten damals oft noch recht unbeholfen nach den Ursachen von Fischsterben und Schaumbergen. Private Initiativen schlossen sich zum Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz unter dem „Bürgerschreck” Hans-Helmuth Wüstenhagen (in keinem der Beiträge erwähnt) zusammen. Dieser ein Jahrzehnt dauernde Vorlauf der Bewusstseinsbildung musste sich gegen große Widerstände der sofort alarmierten Interessenten durchsetzen; diese befürchteten, dass die Kosten innerbetrieblicher Abfälle, die sie bisher in die Umwelt abgeschoben hatten, künftig nach dem Verursacherprinzip „internalisiert” würden. Doch die frühe Bewusstseinsbildung führte schließlich zum ersten - vorzüglichen - Umweltprogramm der Bundesregierung (1971) und zur ersten UN-Umweltkonferenz von 1972.
Vom langen Vorlauf ist in dem Sammelband zu wenig die Rede, vielleicht, weil die Quellen verstreut sind, weil es noch wenig amtliche Dokumente und Akten (Lieblingslektüre der Historiker) gab, weil die „Zeitzeugen” verblasst oder ganz verblichen sind und die gern zitierten „Leitmedien” Fernsehen und Spiegel das damals scheinbar vergängliche Modethema Umwelt noch mit spitzen Fingern anfassten.
Wie entschlossen es aber angepackt wurde, nachdem der Zeitgeist um 1970 das Umweltbewusstsein wachgeküsst hatte, wird an der Spannweite und Eindringtiefe der Beiträge sichtbar. Wie hat die Umweltpolitik den europäischen Institutionen Inhalte und Kompetenz verschafft? Was lehrte der Streit um die Atomenergie über Technikvertrauen, Apokalypseangst, Risikowahrnehmung und politische Emotionalität? Wie und warum wurden konkrete Arbeitsunfälle zum Auslöser industriekritischer Bewegungen? Welche Rolle spielte in der praktischen Umweltpolitik die bequeme technische „end-of-the-pipe-Lösung”, wenn es darum ging, ungeliebten, politisch schwer durchsetzbaren Verhaltensänderungen auszuweichen? Wie wirken sich unterschiedliche Traditionen und Mentalitäten im Umgang mit Natur und Umwelt in Deutschland, Frankreich und Großbritannien aus? Und vieles andere mehr.
Ein besonders interessanter Beitrag handelt von der Ideologie in Naturschutz und Landschaftsplanung zwischen 1930 und 1970. Schon während der Weimarer Republik sollte der „wurzellos gewordene städtische Arbeiter (. . .) in weihevoller Natur” wieder an Werte gebunden werden. Nach 1933 schwoll das Tremolo an, die gesamte Landschaft wurde „volkstumspolitisch” gestaltet; die „Straßen des Führers”, vulgo Autobahnen, sollten den Autofahrer durch deutsche „Heimatwelten” führen und ihn dabei völkisch prägen. Aber bald fielen KdF-Kolonnen singend in den Wald ein, und der Reichsarbeitsdienst verwüstete im Rahmen der „Erzeugungsschlacht” zur Kriegsvorbereitung die Naturschutzgebiete und machte sie zu Torfstichen oder Kartoffelackern. Nach 1945 wurde die Landschaft entnazifiziert, nicht ohne begleitende Klagegesänge von Naturschutzveteranen, die an das „zeitlose Wesen des stammes- und kulturräumlich differenzierten Volkstums” erinnerten.
Die Vielfalt der spezialisierten Beiträge dokumentiert die erstaunliche, geradezu rapide Karriere der Umwelt als nationales wie globales Thema, sowohl als Überlebensfrage wie als Katalysator der internationalen Verständigung. (So wäre es eine Untersuchung wert, bei wie vielen ergebnislosen und spannungsgeladenen Abrüstungs- und Gipfelkonferenzen während des Kalten Krieges der katastrophale Ausgang vermieden wurde, weil im Schlusscommuniqué stand: Einige Abkommen zum Umweltschutz wurden unterzeichnet.) Zutreffend heißt es im letzten Beitrag: „Die Umweltfrage hat unzweifelhaft eine kollektive Bedeutung, deren Ausdehnung all jene Maßstäbe bei weitem überschreitet, welche die Sozialwissenschaften bislang an die Gesellschaft anlegten.”
Deshalb ist der Band mit dem einschläfernden Titel letztlich doch recht spannend.
CHRISTIAN SCHÜTZE
FRANZ-JOSEF BRÜGGEMEIER / JENS IVO ENGELS (Hrsg.): Natur- und Umweltschutz nach 1945. Konzepte, Konflikte, Kompetenzen. Campus Verlag Frankfurt 2005. 379 Seiten, 34,90 Euro.
Natur und Technik - das Idyll ist trügerisch, weniger wegen der Wasserdampfwolken als wegen der CO2-Emissionen des Braunkohlekraftwerks.
Foto: AP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Christian Schütz versichert, dass der Sammelband trotz seines "akademische Langeweile" versprechenden Titel durchaus fesselnd ist. Die 19 Studien und Essays über den Umweltschutz seit Ende des Zweiten Weltkriegs sind aus einer Tagung entstanden, die 2002 in Freiburg stattfand, erklärt der Rezensent. Während er kritische anmerkt, dass die Umweltdiskussion vor 1970 in dem Band zu kurz kommt und der Leiter der in den 60er Jahren gegründeten Bürgerinitiative Umweltschutz, Hans-Helmuth Wüstenhagen, mit keinem Wort erwähnt wird, bewundert er die "Spannweite und Eindringtiefe", mit der die verschiedenen Beiträge sich des Themas seit den 70er Jahren annehmen. Nicht zuletzt wegen dieses Mangels ist ihm wahrscheinlich dann auch der Beitrag zu "Naturschutz und Landschaftsplanung zwischen 1930 und 1970" als "besonders interessant" aufgefallen.

© Perlentaucher Medien GmbH
Apokalypseangst und Risikowahrnehmung
"Die Vielfalt der spezialisierten Beiträge dokumentiert die erstaunliche Karriere der Umwelt als nationales wie globales Thema." (Süddeutsche Zeitung, 11.07.2005)