Marktplatzangebote
21 Angebote ab € 2,30 €
  • Gebundenes Buch

»Erkenne dich selbst!«, forderte einst das Orakel von Delphi. Und so sind wir auch heute noch unaufhörlich damit beschäftigt, unser wahres Selbst zu suchen. Doch die neuesten Erkenntnisse der Neurowissenschaft zeigen: Das »Ich« ist eine bloße Konstruktion. Erst unser Ich-Bewusstsein versetzt uns in die Lage, die Welt wahrzunehmen und in ihr zu handeln. Werner Siefer und Christian Weber stellen in ihrem Buch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Bewusstseinsforschung vor und zeigen, wie jetzt ein völlig neues Bild des Menschen entsteht. Eines, das uns frei macht von biografischen…mehr

Produktbeschreibung
»Erkenne dich selbst!«, forderte einst das Orakel von Delphi. Und so sind wir auch heute noch unaufhörlich damit beschäftigt, unser wahres Selbst zu suchen. Doch die neuesten Erkenntnisse der Neurowissenschaft zeigen: Das »Ich« ist eine bloße Konstruktion.
Erst unser Ich-Bewusstsein versetzt uns in die Lage, die Welt wahrzunehmen und in ihr zu handeln. Werner Siefer und Christian Weber stellen in ihrem Buch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Bewusstseinsforschung vor und zeigen, wie jetzt ein völlig neues Bild des Menschen entsteht. Eines, das uns frei macht von biografischen Zwängen und uns ermöglicht, unser Ich zu wechseln, uns ständig zu wandeln. Die hoffnungsvolle Botschaft des Buches lautet: Jeder kann sich ändern – wann immer er will!
Autorenporträt
Werner Siefer, Diplom-Biologe, ist Redakteur im Ressort Forschung und Technik des "Focus". Eines seiner Spezialgebiete ist die Hirnforschung.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Was ist das Ich im Innersten? Die Antwort der beiden Autoren Werner Siefer und Christian Weber und ihrer Gewährsdisziplin, der Neurologie, ist dem Rezensenten nicht neu, "auch wenn die Autoren sich bemühen, sie als grundstürzend hinzustellen". Das Ich also ist wandelbar, offen und fragil. So weit so gut, findet Helmut Mayer, und begnügt sich mit diesem Band als einem "Streifzug durch die Disziplinen", der von der Anthropologie bis zur Philosophie des Geistes "eingängig von Methoden und Ergebnissen" berichtet. Dass dabei der rote Faden nicht immer sichtbar ist, hält Mayer mitunter für einen Vorteil: So geht es über "vielfältiges Terrain", erklärt er, wobei die "rhetorische Bevorzugung der Neurowissenschaft" die Darstellung nicht übermäßig eintrübt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2006

Frühlingserwachen - mit mir oder ohne mich?
Kein Ich, nirgends: Drei Bücher fragen, wie das Gefühl zustande kommt, ein Jemand zu sein

Wir haben keine Schwierigkeiten zu verstehen, was Menschen meinen, wenn sie "ich" sagen. Heikler wird es, wenn von ihrem "Ich" die Rede ist. Da kann es zu eher merkwürdig klingenden Fragen kommen. Im ersten Kapitel von Werner Siefers und Christian Webers Buch lauten sie so: "Was ist der harte Kern des Ich? Aus welchem Stoff besteht er? Und wo genau sitzt er?" Fragen, von denen die beiden Wissenschaftsredakteure der Zeitschrift "Focus" meinen, daß sie die nachdenklichen Menschen der westlichen Welt fast dreitausend Jahre lang umgetrieben hätten. Um sie zu beantworten, haben die beiden Autoren Wissenschaftler aus einer ganzen Reihe von Disziplinen befragt "und natürlich und vor allem die Neurowissenschaftler".

Die besondere Neigung zu den Neurowissenschaften errät man an der Formulierung der Fragen. Schließlich käme kein Entwicklungspsychologe, Soziologe oder Anthropologe auf die Idee, nach Stoff und Lokalisierung des "Ich" zu fragen. Aber die Hirnforschung wird mit Vorliebe bemüht, um "Illusionen" zu zerstören. Der Effekt ist gut erprobt, und die Antwort auf die Frage nach dem harten Kern ist leicht zu erraten: Es gibt keinen. Oder im Stil des Buches: Am Ende der "Reise zum Mittelpunkt des Menschen, zu unserem Selbst" stellt sich heraus: "kein Ich, nirgends". Was natürlich nur heißen soll, daß das "Ich" nicht irgendwo fertig und als fester Bezugspunkt vorzufinden ist, sondern sich als Form des bewußten Selbstbezugs herausbildet, die in ihren konkreten Vollzügen wandelbar, offen und nicht selten fragil ist. Das ist keine grundstürzende Einsicht, auch wenn Siefers und Weber sich nach Kräften bemühen, sie als solche hinzustellen.

Spuren im Gedächtnis

Läßt man diesen Hang zur effektvollen Inszenierung einmal beiseite, bleibt ein Streifzug durch Disziplinen, die sich auf unterschiedliche Weise mit den evolutionären, organischen, psychologischen und sozialen Dispositionen zur Herausbildung und Stabilisierung eines "Selbst" befassen. Auf eingängige Weise wird dabei von Methoden und Ergebnissen der einzelnen Forschungsrichtungen berichtet: von der evolutionären Anthropologie über Entwicklungspsychologie und Gedächtnisforschung bis zur Philosophie des Geistes.

Über Zusammenhang und Stellenwert dieser verschiedenen Perspektiven zerbrechen sich die Autoren nicht übermäßig den Kopf, und das ist gar nicht ohne Vorteil. Zum einen führt der Weg auf diese Weise über interessantes und vielfältiges Terrain, und zum anderen wird damit verhindert, daß die rhetorische Bevorzugung der Neurowissenschaft allzusehr auf die Darstellung durchschlägt. Denn zur Erklärung der Prozesse, die der Herausbildung eines "Ich" zugrunde liegen, können die Neurowissenschaften allein nicht sehr viel beibringen.

Man kann die Beziehung zwischen den Befunden der Hirnforscher und einem so hochstufigen Phänomen wie dem Selbstbezug eines "Ich" gut am Beispiel der Erforschung des Gedächtnisses ermessen. Sie bietet viele Aufschlüsse, von den evolutionär früh verankerten molekularbiologischen Mechanismen bis hin zum kreativen Umgang der Menschen mit Inhalten ihrer eigenen Lebensgeschichten. Einfache Formen des "Erinnerns" teilen wir mit Tieren, aber selbst Primaten fehlt das episodisch-autobiographische Gedächtnis: Es ermöglicht dem Subjekt allererst, sich in einem Raum-Zeit-Kontinuum zu situieren und auf eine eigene Vergangenheit und Zukunft Bezug zu nehmen. Ohne diese Form des Gedächtnisses käme unsere Praxis des "Ich"-Sagens nicht zustande.

Der Neurowissenschaftler Hans Markowitsch und der Sozialpsychologe Harald Welzer zeichnen in ihrem Buch "Das autobiographische Gedächtnis" die Entwicklungsschritte nach, die zu diesem Gedächtnis führen. Der evolutionäre Vorteil seiner phylogenetischen Herausbildung basiert auf der Möglichkeit, einfache Reiz-Reaktions-Schemata durch ein Handeln zu ersetzen, das auf bessere Gelegenheiten zur Umsetzung effizienter Problemlösungen warten kann. Möglich wird damit auch, Gedächtnisinhalte zu externalisieren - von einfachen Markierungen bis hin zu Sprache -, wodurch die noch viel effizienteren Mechanismen kultureller Weitergabe des Gelernten entstehen.

Ontogenetisch zeigt sich die enge Verflechtung des autobiographischen Gedächtnisses mit Formen sozialer Interaktion und der in sie eingebetteten Sprachentwicklung. Die Hirnforschung kann ein detailreiches Bild der für diese Entwicklungsschritte notwendigen Reifungsprozesse des Gehirns geben. Zumal die Ausformung des autobiographischen Gedächtnisses ein langer, bis in die Adoleszenz reichender Prozeß ist. Gleichzeitig machen die Autoren aber auch klar, daß die Hirnforschung durch ihre methodisch unumgehbare Fokussierung auf das einzelne Gehirn an eine harte disziplinäre Grenze stößt. Denn die Naturgeschichte des sich herausbildenden menschlichen Individuums (und seines Gehirns) ist von Beginn an eine der Interaktion mit anderen (und deren Gehirnen). Sie ist auch eine Geschichte der Wechselwirkung mit einer kulturell durchsetzten koevolutiven Umwelt: Natur- und Kulturgeschichte sind in diesem Prozeß nicht aufzutrennen, organische Reifungsvorgänge und psychische Entwicklung sind nicht von sozialer Interaktion und kulturellem Kontext loszulösen. Vor diesem Hintergrund wird die methodische Maxime der Autoren einsichtig, auf Konvergenzen der verschiedenen disziplinären Ansätzen der Gedächtnisforschung zu setzen. Diese Maxime klammert monistische Hintergrundannahmen der Neurowissenschaften ein. Obwohl Hirnforscher strikter Observanz vermutlich darauf hinweisen werden, daß zuletzt eben doch alles auf die sich selbst organisierende Synapsentätigkeit hinauslaufe, die gleichsam hinter dem Rücken des Subjekts ihre Konstitutionsarbeit leiste.

Veränderungen in den Mustern autobiographischer Selbstkonstitution hat der Soziologe Jean-Claude Kaufmann mit der "Erfindung des Ich" im Blick. Der Untertitel "Eine Theorie der Identität" klingt etwas gefährlich. Aber Kaufmann ist die unscharfe und inflationäre Verwendung des Begriffs "Identität" durchaus nicht entgangen. Ganz im Gegenteil, gerade diese inflationäre Omnipräsenz von "Identität" ist der Ausgangspunkt für seinen Versuch, den Begriff zu einem tauglichen Instrument soziologischer Analyse zu schärfen.

Personen im Balanceakt

Im Hintergrund steht Kaufmanns These, daß in den westlichen Gesellschaften im Zuge der zweiten Moderne die subjektive Arbeit an der biographischen Identität des eigenen Ich zum entscheidenden Faktor wurde. Doch diese historische Wende ändert nichts an der grundlegenden Einsicht, daß die Subjekte objektiv durch und durch sozial bestimmt sind. Beides auf folgerichtige Weise zusammenzubringen, das ist Kaufmanns Anliegen. Dieser Ansatz verlangt, die Vermittlung des "objektiv" Gegebenen mit dem "subjektiv" Konstruierten so konsequent festzuhalten, daß diese Entgegensetzung letztlich eingeklammert wird und sich trotzdem nicht in Beliebigkeit auflöst. Kaufmann bewältigt diesen Balanceakt auf recht überzeugende Weise, und die von ihm im Schlußteil entworfene Typologie von Identitätsprozessen zeigt, was sich daraus für die Analyse subjektiver Befindlichkeiten und ihrer Rolle in gesellschaftlichen Entwicklungen gewinnen läßt.

HELMUT MAYER

Werner Siefer/Christian Weber: "Ich". Wie wir uns selbst erfinden. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006. 307 S., geb., 19,90 [Euro].

Hans J. Markowitsch/Harald Welzer: "Das autobiographische Gedächtnis". Hirnorganische Grundlagen und biosoziale Entwicklung. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2005. 301 S., geb., 29,50 [Euro].

Jean-Claude Kaufmann: "Die Erfindung des Ich". Eine Theorie der Identität. Aus dem Französischen von Anke Beck. UVK, Konstanz 2005. 334 S., br., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr