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Eine Fortführung und Alternative zu einer »Theologie des Neuen Testaments«
Die Dynamik des urchristlichen Glaubens ist in der Dynamik des Lebens verwurzelt. In diesem Buch zeigt Gerd Theißen, was die ersten Christen in ihrem Innersten bewegte. Sein Werk ist eine religionswissenschaftliche Beschreibung und Analyse des urchristlichen Glaubens. Es will weder rein deskriptiv die Theologie des Neuen Testaments beschreiben, noch konfessorisch ihren Glauben durch Wiederholung beschwören, sondern die Kraft dieses Glaubens verständlich machen. Theißen verfolgt dabei zwei Ziele: Einerseits untersucht…mehr

Produktbeschreibung
Eine Fortführung und Alternative zu einer »Theologie des Neuen Testaments«

Die Dynamik des urchristlichen Glaubens ist in der Dynamik des Lebens verwurzelt. In diesem Buch zeigt Gerd Theißen, was die ersten Christen in ihrem Innersten bewegte. Sein Werk ist eine religionswissenschaftliche Beschreibung und Analyse des urchristlichen Glaubens. Es will weder rein deskriptiv die Theologie des Neuen Testaments beschreiben, noch konfessorisch ihren Glauben durch Wiederholung beschwören, sondern die Kraft dieses Glaubens verständlich machen. Theißen verfolgt dabei zwei Ziele: Einerseits untersucht er das Leben der Urchristen und stellt ihre theologischen Aussagen in semiotische, psychische und historische Zusammenhänge. Auf diese Weise werden mit religionswissenschaftlichen Kategorien der Glaube, der Kult und das Ethos der frühen Kirche sichtbar. Andererseits zeigt er, wie sich das frühe Christentum vom Judentum fortentwickelte und eine autonome religiöse Zeichensprache schuf, die eine ungewöhnliche gemeinschaftsbildende Kraft hatte und die Geschichte umgestaltete.

Mit dieser neuartigen Annäherung überschreitet Gerd Theißen den nur innerkirchlichen Diskurs über die Theologie des Neuen Testamentes und macht urchristliches Leben und Denken auch denen zugänglich, die selbst der christlichen Weltdeutung fernstehen.
Autorenporträt
Dr. Gerd Theißen, geboren 1943, ist Professor em. für Neutestamentliche Theologie in Heidelberg. Er gilt als einer der kreativsten Exegeten der Gegenwart und entwickelte eine Theorie des Urchristentums, indem er die biblische Überlieferung mit Hilfe soziologischer und religionspsychologischer Fragestellungen untersuchte. Sein Buch »Der Schatten des Galiläers« ist seit mehr als 30 Jahren ein unübertroffenes Werk erzählender Jesusliteratur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2000

Es sieht so aus, als hätte ich den Fall gelöst
Gerd Theißens geheimnisloses Christentum / Von Hermut Löhr

Unaufgeräumte Ecken, staubige Dachböden oder feucht-finstere Kellerräume gibt es in diesem Gebäude nicht. Gerd Theißen, Professor für Neues Testament in Heidelberg und einem breiteren Publikum durch seinen Jesus-Roman "Der Schatten des Galiläers" bekannt, stellt uns in seinem neuen Buch das Urchristentum als eine "semiotische Kathedrale" vor, ein objektives Zeichensystem, das es in seiner Architektur zu beschreiben und in seiner Entstehung zu schildern gilt. Das Licht der Vernunft leuchtet die Winkel aus; die urchristliche Religion wird als durch und durch verstehbare Angelegenheit besonders den "Gebildeten unter ihren Verächtern" nahegebracht. Ein nüchterner Kirchenbau nicht ohne Eleganz. Ein im strengen Sinne offenbarungstheologischer Anspruch ist nicht nur sistiert, sondern ausdrücklich abgewiesen; Religion entspricht den apriorischen Möglichkeiten des menschlichen Geistes.

Theißen grenzt sich mit diesem Ansatz zu einer Theorie des Urchristentums gegen andere Zugangsweisen zum Neuen Testament ab. Weder geht es um eine "Theologie des Neuen Testaments", die ihren Gegenstand auf dogmatische Lehrstücke reduziert oder existential deutet, noch um eine den historisch-geographischen und motivlichen Verästelungen der Traditionsbildung nachspürende "Theologiegeschichte des Urchristentums". Zwar bildet den zweiten Teil auch dieses Buches eine knappe "Geschichte der urchristlichen Religion", doch dient diese allein dazu, die im ersten Teil herausgearbeiteten Elemente in ihrer Dynamik, ihrem Zusammenspiel beim Entstehen des eigenständigen Zeichensystems der urchristlichen Religion sowie bei seiner Bewährung in drei großen Krisen des ersten und zweiten Jahrhunderts zu zeigen.

Obwohl es zum Anspruch des Entwurfes gehört, die in der kirchlichen Tradition mit dem Kanon gesetzte Grenze zu überschreiten, wird das reiche Material, welches die sogenannten neutestamentlichen Apokryphen zu unserem Wissen über Glaubensvorstellungen und -praxis des frühen Christentums beitragen, enig genutzt; archäologische Quellen werden gar nicht herangezogen. Auch insofern bleibt der Kanon bestimmend, als seine Ausbildung, die bei Irenäus von Lyon in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts gut faßbar ist, die zeitliche Grenze der Betrachtung markiert.

Dem historisch oder theologisch Vorgebildeten ermöglicht die Bearbeitung und Neuordnung des bekannten Stoffes gewiß eine Distanznahme von gewohnten Blickweisen und eingeschliffenen Sprachmustern. Ob hingegen demjenigen, der dem Wahrheitsanspruch des Christentums bereits distanziert gegenübersteht und zudem in dieser Welt nicht zu Hause ist, beim Eindringen in den Glauben der ersten Christen dadurch wirklich geholfen ist, daß ihm das Geheimnisvolle und Irrationale, das "Mysterium" der Religion, genommen wird, unterliegt doch Zweifeln.

Im Zeichensystem der Religion findet der Autor drei Ausdrucksformen kombiniert: Mythos als Erzählung davon, "was Welt und Leben grundlegend bestimmt", Ritus als Verhaltensmuster zur wiederholten Darstellung des im Mythos Gemeinten sowie Ethos als "Bedeutung des Mythos in der Sprache des (alltäglichen) Verhaltens". Die Geschichte der untersuchten Zeichensprache sieht er durch zwei spannungsvolle Grundrelationen geprägt, einerseits das Gegenüber von Judentum und entstehendem Christentum, andererseits die Beziehung von vorösterlicher Jesus-Bewegung und nachösterlichem Christus-Glauben.

Vergleicht man die Ausdrucksformen von Judentum und entstehendem Christentum, so entdeckt man eine Grundspannung auf den drei Feldern von Mythos, Ritus und Ethos. Einerseits "eine Bewegung hin zur Geschichte, zur Realität des Menschen, zur Alltäglichkeit - und auf der anderen Seite eine gegenläufige Bewegung zum Mythos, zur ethischen Radikalität und zu einer Gegenalltäglichkeit aus grausam anmutenden Phantasien". Ist schon die religiöse Grunderzählung des frühen Judentums durch die Verbindung von mythischer Urgeschichte und einer auf Israel konzentrierten Heilsgeschichte bis in die Gegenwart hinein gekennzeichnet, so erfährt dieser Mythos im Christentum durch die Fokussierung auf eine konkrete geschichtliche Gestalt, Jesus eine noch weiter gehende Historisierung. Zugleich ist jedoch von einer Remythologisierung zu sprechen, die gerade am zuhöchst historischen Punkt ansetzt: Jesus "wurde nach seinem Tod in kürzester Zeit zur Gottheit erhoben. Er wurde als Sohn Gottes, erhöhter Kyrios und Erlöser verehrt."

Für das Ethos läßt sich im Urchristentum eine Tendenz zur Radikalisierung der überkommenen, religiös motivierten Vorschriften des Judentums konstatieren; etwa in der Bergpredigt ist eine Normierung "bis ins Innerste hinein und auch jenseits des sozial Kontrollierbaren" zu beobachten. Gegenläufig dazu werden nicht nur ganze Bereiche des jüdischen Ethos entschärft, sondern mit der Radikalisierung von Geboten wächst zugleich die Einsicht in die Unmöglichkeit ihrer Erfüllung. Der Autor spricht in diesem Zusammenhang von einer geradezu "entmoralisierenden Vergebungs- und Versöhnungsbereitschaft". Rituell innovativ wird das Christentum durch die Schaffung der Sakramente Taufe und Abendmahl, einerseits ein unblutiger Ersatz für den auf Sühne und Sündenvergebung konzentrierten jüdischen Opferkult, auf der Deutungsebene ihrerseits jedoch aufgeladen mit Blut und Gewalt.

Obwohl man das partielle Recht solcher Gegenüberstellungen nicht bestreiten mag, tritt die Problematik einer auf Schematismen angewiesenen, die historische Vielfalt notwendig vernachlässigenden "Theorie" einer konkreten Religion im Vergleich zu einer anderen tritt deutlich zutage. Denn die angesprochenen Aussagen und Motive haben jeweils zahlreiche Konnotationen, die sich den angestellten Vergleichen kaum fügen. So hat etwa das Judentum des Zweiten Tempels sehr viel und Tiefes über die Sündenvergebung zu sagen und korreliert dies mit der Vorstellung der Umkehr. Oder die für Theißen ganz wesentliche Interpretation der christlichen Taufe auf Todesübernahme und symbolisches Begräbnis repräsentiert eine eher minoritäre Deutungstradition der christlichen Symbolhandlung, ist aber auch so mit einer theologisch tiefgehenden Interpretation des jüdischen Opferrituals kaum zur Konvergenz zu bringen. Der Autor vertraut in seiner Darstellung zu sehr der Allmacht der Analogie.

Wollte Rudolf Bultmann die geschichtliche Person mit ihrer Botschaft insgesamt in die Vorgeschichte christlicher Theologie verweisen, so steht Theißen eher in der Kontinuität und Konsequenz neuerer, korrigierender Rückbesinnungen auf den historischen Jesus, da er ihn in einen Gesamtentwurf des frühen Christentums zu integrieren sucht. So ist Jesus von Nazareth nicht einfach Geschichte und der erhöhte Christus nicht einfach Mythos. Jesus lebte selbst im jüdischen Mythos von der hereinbrechenden Gottesherrschaft und sah sich als ihren Repräsentanten, gestaltete diesen Mythos gleichzeitig jedoch um. Und der in den Schriften des Neuen Testaments gezeichnete und verkündigte Christus ist nicht einfach eine mythische Phantasmagorie; vielmehr ist das Bemühen um historische Erinnerung - nicht einmal so sehr in den frühen paulinischen Briefen als in den später entstandenen Evangelien - deutlich zu greifen.

Wenn auch Theißen die säuberliche Trennung zwischen historischem Jesus und kerygmatischem Christus ablehnt, so kennzeichnen auch für ihn die Ostererscheinungen, an deren "subjektiv authentischem Erlebnisgehalt" kein Zweifel bestehe, eine entscheidende Etappe auf dem Weg zum urchristlichen Zeichensystem. Er bemüht die Macht der Analogie, wenn er hier Dynamismen am Werke sieht, die bereits bei der Entwicklung von der Alleinverehrung (Monolatrie) zum Monotheismus im Israel des sechsten Jahrhunderts prägend gewesen seien. Im Glauben an die Erhöhung Christi zur Rechten Gottes werden die Diskrepanz zwischen dem charismatischen Auftreten Jesu und seinem kläglichen Scheitern am Kreuz verarbeitet, die monotheistische Grundüberzeugung universalisiert und durch den Glauben an die Auferweckung von den Toten intensiviert, konkurrierende politische oder religiöse Ansprüche durch Macht- und Heilsüberbietung ausgespielt. Als Einwand wird man nicht nur den enormen historischen Abstand zwischen den analogisierten Epochen anführen, sondern mehr noch die etwas gezwungene Dialektik, mit welcher Theißen die größte Anfrage an den jüdischen Monotheismus, den Glauben an Jesus Christus als Gottessohn und "Herrn", in die dynamische Kontinuität dieses Monotheismus zu rücken sucht.

"Mit der Form des Evangeliums gibt sich das Urchristentum eine eigene Grunderzählung und scheidet aus der Erzählgemeinschaft des Judentums aus." Den Kulminationspunkt der Transformation der jüdischen Zeichensprache sieht der Autor im Johannes-Evangelium erreicht, das er zu Recht nach Matthäus, Markus und Lukas datiert. Der Schlüssel zum Verständnis dieser Schrift sei im "neuen Gebot", dem Liebesgebot zu sehen, gefaßt nicht als Aufforderung zur Nächsten- und Feindesliebe, sondern, stärker integrierend und schroffer abgrenzend, als Gebot der Bruderliebe.

Zum Schluß die Nagelprobe: Geht es in einer "Theorie des Urchristentums" nicht um Offenbarungsanspruch und die Frage nach einer transzendenten Wahrheit, so kann weltimmanent nach Evidenz und Plausibilität gefragt werden. Als Evidenzquellen werden benannt: die Übereinstimmung mit der Welt (Korrespondenz), dem Selbst (Kohärenz) und anderen Menschen (Konsens). Das Zeichensystem besteht natürlich den Test, den sein Apologet Theißen ihm auferlegt: Die Grundaxiome des Urchristentums, Monotheismus und Erlöserglaube, entsprechen einer apriorischen Offenheit des Menschen für "Ewiges, Unbedingtes und Verantwortung". Es ergibt sich eine "evolutionäre" Sicht des urchristlichen Glaubens: In den Basismotiven des Urchristentums sieht der Autor "Übereinstimmungserfahrungen mit einer sich ,prozeßhaft' oder ,evolutionär verändernden Welt' (das heißt ihrer Konstruktion) ausgedrückt, in welcher "die bisherige Grundlage aller Evolution, das Selektionsprinzip, durch Solidarität überformt und partiell außer Kraft gesetzt wird".

Nicht recht deutlich wird, in welcher Weise Theißen den von ihm selbst wahrgenommenen "antiselektionistischen Protest", der sich in der Ausgestaltung etwa von Gerichts-, Wunder- oder Stellvertretungsmotiv ausdrückt, auf die tatsächliche Welterfahrung bezogen denkt. Ist nicht dieser Protest das ganz und gar Unevidente, mutig Unplausible, das, als "sub contrario" verborgen, zu glauben zugemutet wurde? Auch eine so aufgeräumte, klare und luzide formulierende "Theorie des Urchristentums" steht zuletzt staunend vor der aller Plausibilität widersprechenden Grundaussage des Urchristentums, daß Gott zu bestimmter Zeit in Jesus Christus Mensch wurde.

Gerd Theißen: "Die Religion der ersten Christen". Eine Theorie des Urchristentums. Chr. Kaiser / Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2000. 455 S., geb., 78,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Licht der Vernunft durchstrahlt diese Theorie des Urchristentums, stellt der Rezensent Hermut Löhr fest. So recht glücklich ist er darüber aber nicht. Was versucht werde, sei eine semiotische Rekonstruktion, die Reduktion auf ein "objektives Zeichensystem", das es darzustellen gelte. Im einzelnen spart der Rezensent nicht mit Lob: das alles sei "nicht ohne Eleganz", ermögliche "eine Distanznahme von gewohnten Blickweisen". Theißens Entwicklung dreier Ausdrucksformen, von Mythos, Ritus und Ethos und ihrer Entwicklung in Christentum in Absetzung vom Judentum vollzieht die Rezension referierend nach. Der Rezensent möchte diese Ausführungen auch nicht gänzlich in Frage stellen, kritisiert nur einen gewissen "Schematismus". Mitunter beuge sich Theißen zu stark der "Allmacht der Analogie", was zu "etwas gezwungener Dialektik" führe. Zum Schluss dann Löhrs grundsätzlichster Einwand. Die evolutionäre Plausibilisierung reiche nur bis zu einem gewissen Punkt. Darüber hinaus aber muss die rein immanente, vernünftige Erklärung versagen. Es bleibt, zuletzt, doch nur das Staunen.

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