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Rosina ist jung, sie kommt vom Land, immer schon hat sie vom aufregenden Leben in der Stadt geträumt. Tatsächlich schafft sie es, in kurzer Zeit zur rechten Hand von Herrn Fellner zu werden, dem Chef der kleinen Firma, bei der sie arbeitet, und auch außerhalb der Arbeitszeit greift Fellner gern auf ihre Dienste zurück. Doch nach einem Unfall wird der jungen Frau die schreckliche Enge ihres Daseins bewusst. In "Rosina", erstmals 1978 erschienen, setzt sich der Büchner-Preisträger Walter Kappacher mit der Anpassung des Menschen an scheinbar vorgezeichnete Lebensmuster auseinander.

Produktbeschreibung
Rosina ist jung, sie kommt vom Land, immer schon hat sie vom aufregenden Leben in der Stadt geträumt. Tatsächlich schafft sie es, in kurzer Zeit zur rechten Hand von Herrn Fellner zu werden, dem Chef der kleinen Firma, bei der sie arbeitet, und auch außerhalb der Arbeitszeit greift Fellner gern auf ihre Dienste zurück. Doch nach einem Unfall wird der jungen Frau die schreckliche Enge ihres Daseins bewusst. In "Rosina", erstmals 1978 erschienen, setzt sich der Büchner-Preisträger Walter Kappacher mit der Anpassung des Menschen an scheinbar vorgezeichnete Lebensmuster auseinander.
Autorenporträt
Walter Kappacher, geboren 1938 in Salzburg, verließ mit 15 Jahren die Schule und war in verschiedenen Berufen tätig, 1964 Beginn der literarischen Tätigkeit, seit 1967 Veröffentlichungen, seit 1978 freiberuflicher Schriftsteller. Lebt in Obertrum bei Salzburg. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen, Hermann-Lenz-Preis 2004, Georg-Büchner-Preis 2009. Bei Deuticke erschienen zuletzt Selina (2005), Der lange Brief (überarbeitete Neuauflage 2007) und Rosina (Erzählung, Neuauflage 2010).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.09.2010

Das Kostüm
Wieder da, nicht gealtert: Walter
Kappachers Erzählung „Rosina“
Manchen Hauptfiguren in Romanen und Erzählungen traut man zu, dass sie Bücher lesen wie das, in dem sie vorkommen. Rosina nicht. Wenn sie Bücher kauft, dann Taschenbücher, und zum Romanlesen abends zieht sie die handlichen Heftchen den steifen Hardcovern vor. Sie trägt nicht von ungefähr einen Namen, der nach Schlager klingt. Sie liest Quick oder Revue. Als sie das 1978 zum ersten Mal auftauchte, fiel sie, als wäre ihr Leben nicht schon unglücklich genug, einem Ungeschick in der Buch-Auslieferung zum Opfer. Inzwischen hat ihr Autor den Georg Büchner-Preis erhalten, und nun versucht sie es, vom Autor nur ganz leicht in eine neue Form gebracht, noch einmal.
Es ist ihr alles Glück bei den Lesern zu wünschen. Modezeichnerin hätte sie werden wollen, als sie vom Land in die Stadt kommt, die als Salzburg leicht zu erkennen ist. Aber Festspiele gibt es in diesem Salzburg nicht, nur Angestellte. Ihr Kostüm ist in überaus haltbarer Prosa aus dem Stoff sanfter Trostlosigkeit geschnitten. Sie trägt es durch ein Reisebüro, wird darin zur Geliebten des Chefs im Autogeschäft und streicht es schließlich in einer Versicherungsgesellschaft glatt.
Dass es ein Zeitkostüm ist, tritt nun, gut dreißig Jahre später, markant hervor. In den Zeitungen gibt es Kreisky und Terroristen, der Chef raucht Menthol-Zigaretten, sie selbst Ernte 23. Ihr Ford Cortina hat die gleiche Südsehnsucht im Namen wie sie selbst und der Ford Capri. Ihr Herz schlägt im Rhythmus ihrer lauten Olivetti-Schreibmaschine. Sie gleitet in die Erfolgsspur, die Chef-Affäre, den Alkohol hinein und heraus. Dieses Gleiten versperrt ihr den Weg in die edle Form der Novelle. Darin müsste der Unfall, den sie mit ihrem Cortina gebaut hat, eine unerhörte Begebenheit sein. Hier findet er zwischen den Zeilen statt. Aber er fordert sein Opfer.
LOTHAR MÜLLER
WALTER KAPPACHER: Rosina. Erzählung. Mit einem Nachwort von Armin Ayren. Deuticke Verlag, Wien 2010. 128 Seiten, 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2010

Held seines eigenen Romans

Prüfung einer Lebensart: Die ersten drei Bände der Werkausgabe Walter Kappachers zeigen die Anfänge eines Schriftstellers, der nie ein Anfänger war.

Von Paul Ingendaay

Wir lesen, so könnte man sagen, hundert Seiten über das Dasein einer Sekretärin, die aufsteigt, weil sie mit dem Chef schläft, innerlich aber traurig und unerfüllt bleibt, sich überfordert, sich als Rädchen in der Maschinerie der Arbeitswelt empfindet und am Ende zum Whisky greift, um die Nerven zu beruhigen, was naturgemäß nicht weiterhilft, sondern alles nur schlimmer macht.

Das wären die Stichpunkte zum Leben von Rosina, der Heldin von Walter Kappachers gleichnamiger Erzählung aus dem Jahr 1978, die der Deuticke Verlag im vergangenen Jahr nach der Verleihung des Büchner-Preises an den lange Zeit wenig gelesenen österreichischen Schriftsteller neu aufgelegt hat.

Es ist eine ältere Welt, die uns in diesem kleinen Buch entgegentritt, alt in den Büromaschinen, den Kommunikationsformen und den Spielarten der Einsamkeit. Um sich zu zerstreuen, kauft Rosina zum Beispiel "Quick" und "Revue", und samstags studiert sie in der Zeitung die Heiratsannoncen, weil sie nicht als spätes Mädchen enden will. Männer, sofern sie einen nicht im Büro belästigen, lernt man im "Tanzlokal" kennen, vielleicht sogar im Italienurlaub, der so freudlos bleibt wie alles andere, und wirkliche Gefahr droht auf dem Betriebsausflug, wenn mit steigendem Alkoholpegel auch die Hemmungen über Bord gehen.

Die Szenerie von "Rosina" wäre trist genug, um den Leser zu bedrücken. Doch das Buch zieht uns nicht hinunter, sondern hinauf, zu den Lichtungen seiner schlackenlosen, hochverdichteten Sprache. Denn Walter Kappacher verwandelt eine graue, gruselige Existenz voller Sackgassen in ein funkelndes Rätsel, weil seine Heldin zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr, durch eine wie feiner Staub herabrieselnde Entzauberung, zum Innehalten, zu tastenden Reflexionen geführt wird. Fragen zu stellen, sich selbst und dem Leben, das gehört genauso zu Kappachers Figuren wie ihr wortkarges Auftreten, die Menschenscheu und das Verlierergesicht. Und manche ihrer Beobachtungen - etwa Rosinas Gedanke beim Blick in den Spiegel, ihre Zähne "seien älter als sie" - trifft uns ins Mark.

Aus den kurzen Abschnitten, in die der Autor seine Geschichte unterteilt und die manchmal die Geschliffenheit von Aphorismen haben, blitzen Erkenntnisse nur am Wegrand auf, eher erahnt als gewusst. "Was war das für eine Schule, durch die man ging, um ein Chef zu werden?" Solche Sätze verraten uns nicht nur, wo in diesem Buch oben und unten ist, sondern auch, dass Rosina die Macht, von der sie zerrieben zu werden droht, zumindest verstehen will. "War das ihr Leben? Hatte sie es alles gewollt, wie es verlaufen war? Hätte sie ein anderes Leben haben können?"

Das ist die große Kappacher-Frage: Wie sähe ein gelungenes Leben aus? Und weil "Gelingen" in der Renommier- und Verbrauchsgesellschaft am beruflichen Aufstieg und der Anschaffung entsprechender Statussymbole abgelesen wird, geraten Kappachers frühe Figuren stets in Widerspruch zu den Normen der Arbeitswelt: Sie drängeln sich nicht vor, sie schleimen nicht, sie sind nicht annähernd hart genug, um sich dem Konkurrenzkampf im Büro zu stellen. Ihr (liebesloses, eheloses) Privatleben kann unter solchen Umständen nur ein karger Rest sein, und dieser Rest besteht vor allem aus routinierter Betäubung. Rosina, so wird uns gesagt, "hatte auch einmal versucht, ein Tagebuch zu führen, aber es war ihr nichts eingefallen, was sie hätte niederschreiben können; es war einfach nichts gewesen, was zu notieren sich gelohnt hätte".

Der jetzt erschienenen Neuausgabe ist die frühe Prosaskizze "Kommen und Gehen" beigegeben, eine fünfseitige Vorstufe des Rosina-Stoffs. Darin schildert Kappacher das Schicksal der Sekretärin Helga nicht in der personalen Erzählform, wie er es in "Rosina" tut, sondern aus der subjektiven Sicht eines am Geschehen Beteiligten. Das hat seinen Reiz, weil es außerordentlich straff erzählt wird, erreicht aber nicht die schwebende Qualität des späteren Textes, der sich ausschließlich im Inneren der Figur bewegt.

Seit der Autor im vergangenen Jahr durch den Büchner-Preis zu plötzlichem Ruhm kam, ist die Geschichte seines ersten Buches schon öfter erzählt worden. Der Roman "Morgen" erschien 1975 im Alfred Winter Verlag und erntete eine enthusiastische Rezension von Martin Walser. Kappachers Arbeitsprogramm sei "das echte Roman-Arbeitsprogramm: Prüfung einer Lebensart", schrieb Walser. "Unsere Lebensart hat jetzt einen ernsthaften Feind mehr." Wie Rosina betrachtet der junge Ich-Erzähler dieses Buches die Ereignisse vom Rand aus, verweigert die erwarteten Gesten und geht oft befremdet durch seine kleine Welt aus Familien- oder Berufsbeziehungen. Ebendieser Abstand zu den Ritualen der Gesellschaft, die den Helden umgibt, ein eingeborenes Misstrauen gegen die Üblichkeiten des Lebens, mag Walser seinerzeit fasziniert haben. Heute, beim Wiederlesen, springt dem Rezensenten vor allem die Komik dieses wunderbaren kleinen Buches ins Auge, sein sanfter Slapstick und der leicht schnodderige, nie übertriebene Tonfall der Hauptfigur.

Natürlich kann man sich fragen, was diese Stellvertreter in der Fiktion mit dem Autor zu tun haben, aus welchem Winkel der Seele er sie hervorholt und welcher chemischen Verwandlung er sie unterwirft - auch Kappacher selbst ist ja ausgestiegen und hat die Büros zugunsten des prekären "freien" Schriftstellerdaseins für immer hinter sich gelassen. Die Antwort darauf wird länger, je mehr Titel die Werkliste umfasst, erst recht seit dem letzten Roman "Der Fliegenpalast" (2009), in dem mit Hugo von Hofmannsthal zum ersten Mal ein Künstler im Mittelpunkt steht. Doch schon vorher hatten die Romane in der Kunst den Gegenentwurf zum stumpfsinnigen Einerlei der Erwerbswelt ausgemacht, und vollständig ausbuchstabiert wird dieser Konflikt in "Ein Amateur" aus dem Jahr 1993, autobiographisch wohl das aufschlussreichste Buch in Kappachers Gesamtwerk.

"Ein Amateur" zeichnet den Werdegang des jungen Simon nach, die jugendliche Begeisterung für Motorräder, die Schauspielschule, die Verlockung durch das Reisebüro, die Entdeckung der Literatur. Kappachers Helden sind arm und weitgehend vaterlos; bürgerlicher Kunstgenuss gehört einer anderen Sphäre an. Der Weg also verläuft nicht gerade, und niemand kann Simon irgendetwas versprechen, geschweige denn das Terrain ebnen. Er selbst ist der Held des Bildungsromans, den er, wie er dunkel ahnt, irgendwann aus eigener Kraft schreiben muss, doch bis es so weit ist, braucht es ein halbes Dutzend Erweckungserlebnisse, und von ihnen handelt dieses Buch. Eines ist die rauschhafte Lektüre von Dostojewskis "Verbrechen und Strafe". Dem Schauspielschüler öffnet sich das fiebrige Universum der russischen Literatur und damit der tragischen Exaltation - "die Figuren des Romans zogen ihn stärker in ihren Bann als wirkliche Menschen" -, und irgendwann begreift Simon, wo seine Berufung liegt. Als er in der Zeitung die Kurzgeschichte eines ihm unbekannten Autors liest, sagt er sich: "Das kannst du auch."

Trotz der spürbaren autobiographischen Nähe zwischen dem Autor und seinen Figuren hat es Walter Kappacher geschafft, sich hinter seine Bücher zurückzuziehen und nur sein hochdifferenziertes, sich immer weiter verzweigendes Werk sprechen zu lassen. Nach acht Romanen wird man wohl sagen können: Dieser kapitale Schriftsteller ist mehrere. Und wie immer, wenn ein literarisches Werk seiner eigenen Logik gemäß in die Tiefe und in die Breite wächst, bietet sich dem Autor die schöne Gelegenheit, dahinter unsichtbar zu werden.

Walter Kappacher: "Rosina". Erzählung. Mit einem Nachwort von Armin Ayren. Deuticke Verlag, Wien 2010. 128 S., geb., 14,90 [Euro].

Ders.: "Morgen". Roman. Deuticke Verlag, Wien 2009. 126 S., geb., 15,90 [Euro].

Ders.: "Ein Amateur". Roman. Deuticke Verlag, Wien 2009. 271 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Jörg Plath kann bei der nun erscheinenden, leicht überarbeiteten Fassung von Walter Kappachers Erzählung "Rosina" von 1978 feststellen, dass der Autor gemessen an seinen Schriftstellerkollegen jener Zeit eine vergleichsweise "bescheidene Utopie" anbietet. Seine Geschichte um die in der Krise steckenden Rosina ist nämlich nicht einfach als negative Emanzipationsgeschichte, Kapitalismuskritik oder scheiternde Befreiung von der Herkunft zu lesen, findet der Rezensent. Dagegen stehen die sehr vielschichtig dargestellten Figuren, die in einer gleichermaßen ambitionierten wie "gediegenen" Erzählweise dargeboten werden, so Plath angetan. Und mit einer gewissen Überraschung nimmt er zur Kenntnis, dass mit dem melancholischen Grundton bereits der Stil zu erkennen ist, der dem österreichischen Autor 2009 den Erfolg von "Fliegenpalast" und kurz darauf den Büchner-Preis bescherte.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Der österreichische Georg-Büchner-Preisträger setzt sich in diesem Werk überzeugend mit der Anpassung des Menschen an vorgezeichnete Lebensmuster auseinander." dpa, 20.10.2010

"Eine hochgenaue, beobachtungs- und gegenstandsversessene Prosa, die nicht werten, nicht urteilen, nirgends den Zeigefinger erheben möchte - über dieses Glied scheint Kappacher gar nicht zu verfügen." Dieter Borchmeyer, DIE ZEIT, 04.11.2010

"Kappacher spricht nicht von modernen Phänomenen wie Burn-out, das gab es damals weder in der Diagnostik der Psychologen noch im allgemeinen Sprachschatz. Aber genau diese Themen, diese Befindlichkeiten eines Angestelltenalltags, diese Ungerechtigkeiten der modernen Arbeitswelt, die beschreibt Walter Kappacher seherisch genau, als nähme er die Entwicklung der kommenden dreißig Jahre durch seine Erzählung vorweg. Das ist das Aktuelle und zugleich Berührende an der Geschichte von Rosina." Bernd Schuchter, Vorarlberger Nachrichten, 10.11.2010

"Die Szenerie von 'Rosina' wäre trist genug, um den Leser zu bedrücken. Doch das Buch zieht uns nicht hinunter, sondern hinauf, zu den Lichtungen seiner schlackenlosen, hochverdichteten Sprache. Denn Walter Kappacher verwandelt eine graue, gruslige Existenz voller Sackgassen in ein funkelndes Rätsel, weil seine Heldin durch eine wie feiner Staub herabrieselnde Entzauberung zum Innehalten, zu tastenden Reflexionen geführt wird." Paul Ingendaay, FAZ, 27.11.2010