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Albin, Albona, Alfred, Alban und ihr Vater Dzevat Zogaj werden im Herbst 2007 aus Österreich in den Kosovo abgeschoben. Die fünfzehnjährige Arigona, ihre Schwester bzw. Tochter, taucht unter, um der Abschiebung zu entgehen, droht mit Selbstmord; nach ihrem Auftauchen gewähren ihr und ihrer psychisch kranken Mutter der Pfarrer von Ungenach, dann der Baron von Frein Unterkunft. Politiker schalten sich ein, der Fall spaltet Österreich: Pfarrer Friedl sieht sich mit Kirchenaustritten konfrontiert, dem Baron werden tote Katzen vor die Tür geworfen. Auf der anderen Seite ergreifen Nachbarn und…mehr

Produktbeschreibung
Albin, Albona, Alfred, Alban und ihr Vater Dzevat Zogaj werden im Herbst 2007 aus Österreich in den Kosovo abgeschoben. Die fünfzehnjährige Arigona, ihre Schwester bzw. Tochter, taucht unter, um der Abschiebung zu entgehen, droht mit Selbstmord; nach ihrem Auftauchen gewähren ihr und ihrer psychisch kranken Mutter der Pfarrer von Ungenach, dann der Baron von Frein Unterkunft. Politiker schalten sich ein, der Fall spaltet Österreich: Pfarrer Friedl sieht sich mit Kirchenaustritten konfrontiert, dem Baron werden tote Katzen vor die Tür geworfen. Auf der anderen Seite ergreifen Nachbarn und Freunde die Initiative. Eine wahre Geschichte, kein Märchen: Franzobel hat gründlich recherchiert. Nun legt er einen sachlichen, gleichwohl persönlichen Essay zum Thema Migration und Asyl vor sowie das Theaterstück "A Hetz oder Die letzten Tage der Menschlichkeit", in dem der vielfach ausgezeichnete Dichter den Menschen aufs Maul schaut wie einst Karl Kraus.
Autorenporträt
Franzobel, geboren 1967 in Vöcklabruck, erhielt u. a. den Ingeborg-Bachmann-Preis (1995), den Arthur-Schnitzler-Preis (2002), den Nicolas-Born-Preis (2017) und den Bayerischer Buchpreis (2017). Bei Zsolnay erschienen zuletzt der Krimi Rechtswalzer (2019) sowie die in zahlreiche Sprachen übersetzten historischen Romane Das Floß der Medusa (2017), Die Eroberung Amerikas (2021) und Einsteins Hirn (2023).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2009

Hetz und Hatz
Gerechter Zorn, schlechtes Buch: Franzobels Märchen

Hetz, das ist in Ostösterreich das gängige Wort für Spaß. Der Begriff wird von der Hatz, dem Zu-Tode-Hetzen von Tieren, hergeleitet. Bis 1796 bei Wien ein dieser Volks-, aber auch Adelsbelustigung gewidmetes Amphitheater in Flammen aufging, fanden hier regelmäßig Tierhatzen vor Publikum statt, danach wurden sie vom Kaiser wegen Brandgefahr verboten. "A Hetz oder: Die letzten Tage der Menschlichkeit" nennt Stefan Griebl alias Franzobel in dieser Tradition der derben Späße, bei denen immer garantiert jemand zu Schaden kommt, sein Stück über Migrantenschicksale in Österreich. Denn: "Österreich ist schön. Ist das schön. So schön ist Österreich, dass schon die Schulkinder es aufschreiben müssen." Das freilich ist ein Märchen, wie der Untertitel des neuen Franzobel-Bandes lautet. Hierin versammelt findet man den Essay "Der Fall Arigona Zogaj", besagten dramatischen Text "A Hetz" sowie einen Epilog, der sich in Variationen auf Peter Hammerschlags "Ungarische Schöpfungsgeschichte" erschöpft.

Aufsatz und szenische Collage sind aus ohnmächtiger Wut heraus geschrieben worden. Der Asylantrag der aus dem Kosovo stammenden Familie Zogaj war abgelehnt worden, die Menschen konnten aber vorerst aufgrund der Lage in ihrer alten Heimat nicht aus Österreich dorthin abgeschoben werden. Mehrere Jahre zogen ins Land, die Kinder gingen zur Schule, galten als integriert. Eines Tages aber rückte die Fremdenpolizei doch an und verfrachtete Vater und Söhne nach Pristina. Mutter Nurie und Tochter Arigona entgingen der Abschiebung durch Zufall. Das Mädchen versteckte sich, sprach von Selbstmord, durfte nach längerem Tauziehen und aufgeregtem Mediengeschnatter bis zum Ende ihrer Schulzeit bleiben. Die Behörden aber starteten mit Hilfe der in Österreich übermächtigen Boulevardpresse eine Verleumdungskampagne gegen die Zogajs. Die zurückhaltend positive Stimmung in der Bevölkerung schlug in Hass und Paranoia gegen die Asylbewerber um. So zumindest dokumentiert es Franzobel in seiner Schrift. Das anschließende Stück, als Stationendrama mit Autobussen fürs Publikum konzipiert, wurde im Sommer, stets ausverkauft, vom Hausrucktheater in Franzobels und Arigonas oberösterreichischer Heimat aufgeführt.

Gerechter Zorn aber schreibt noch keine guten Bücher. Weder im ersten noch im zweiten Teil verzichtet Franzobel auch nur einmal auf seine mittlerweile berüchtigten billigen Pointen und Kalauer. Bodensatz reimt sich auf Bodenschatz, und Regieanweisungen sehen auch mal so aus: "Das Publikum wird wie Vieh von mit Klingelbeutel bewaffneten Cowboys in die Sitzreihen geleitet. Es gibt mit Aktienkursen bedruckte Gebetbücher." Er schreckt weder vor einem Ludwig-Thoma-Zitat - "Halleluja! Lluja sag i!" - noch vor fast schon gefährlichen Entgleisungen zurück, wenn er Menschen ohne Pass mit Juden im Dritten Reich gleichsetzt. "Aber wollen wir nicht alle manchmal Nazi sein?", fragt er an anderer Stelle.

Dabei kann er auch anders, er hätte so viele bessere Bilder parat. Franzobel stellt sich vor, dass Hautfarbe und Nationalität vor der Geburt von Briefträgerzwergen wie Träume zugeteilt werden; oder dass ein Zusammenhang zwischen seinem operativ entfernten Testikel und dem verstorbenen Landeshauptmann Haider besteht. Diese boshaften Ideen bilden einen Rest Vergnügen gegen die halblustige, larmoyante Angelegenheit, die er abgeliefert hat, und bleiben leider Episode.

MARTIN LHOTZKY

Franzobel: "Österreich ist schön". Ein Märchen. Zsolnay Verlag, Wien 2009. 189 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Aus diesem Band tönen neben ein paar hübsch boshaften Ideen viel Larmoyanz und ohnmächtige Wut, meint Martin Lhotzky bedauernd. Dass Franzobel zu mehr befähigt ist, als zu dem hier abgedrucketen Essay, der angehängten szenischen Collage (über Migrantenschicksale im schönen Österreich) samt Epilog, weiß Lhotzky allerdings. Um so größer seine Enttäuschung angesichts der "billigen Pointen und Kalauer", ja "gefährlichen Entgleisungen" (so findet Lhotzky Vergleich von Menschen ohne Pass mit Juden im Nationalsozialismu) zu denen sich der Autor hinreißen lässt. Zorn, auch ein gerechter, findet Lhotzky, macht eben noch lange kein gutes Buch.

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