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Im Juli 1934 wird der autoritär regierende österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß von Nationalsozialisten ermordet, knapp vier Jahre später kommt es zum "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich. Die Zeit dazwischen schildert Albert Drach in ""Z.Z." das ist die Zwischenzeit". Am Schicksal des dreißigjährigen Sohnes - einen Namen erhält er nicht - werden allmähliche Entmündigung, Demütigung, Denunziation und Beraubung der Juden gezeigt. Dem heillosen Zustand der Welt begegnet Drach, dessen eigenes Schicksal sich in dem des Protagonisten spiegelt, weder mit Resignation noch mit…mehr

Produktbeschreibung
Im Juli 1934 wird der autoritär regierende österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß von Nationalsozialisten ermordet, knapp vier Jahre später kommt es zum "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich. Die Zeit dazwischen schildert Albert Drach in ""Z.Z." das ist die Zwischenzeit". Am Schicksal des dreißigjährigen Sohnes - einen Namen erhält er nicht - werden allmähliche Entmündigung, Demütigung, Denunziation und Beraubung der Juden gezeigt. Dem heillosen Zustand der Welt begegnet Drach, dessen eigenes Schicksal sich in dem des Protagonisten spiegelt, weder mit Resignation noch mit erhobenem Zeigefinger. Es ist der ihm eigene zynische Humor, der seinen Stil so unverwechselbar macht.
Autorenporträt
Albert Drach, 1902 in Wien geboren, promovierte in Rechtswissenschaften. 1988 erhielt er den Georg-Büchner-Preis. Sein Werk umfasst alle literarischen Gattungen. Albert Drach starb 1995 in Mödling. Zuletzt erschienen: Unsentimentale Reise (2004), Das Beileid (2006), Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum (2008), Gedichte (2009), Das Goggelbuch (2011), Amtshandlung gegen einen Unsterblichen (2013), Die Erzählungen (2014), O Catilina / Kudruns Tagebuch (2018), Das Kasperspiel vom Meister Siebentot. Dramen I Band 8/1 und Gottes Tod ein Unfall. Dramen II. Band 8/II (2022).

Wendelin Schmidt-Dengler, 1942 in Zagreb geboren, studierte klassische Philologie und Germanistik in Wien, habilitierte sich 1974 und war Ordinarius am Institut für Germanistik in Wien sowie Leiter des Österreichischen Literaturarchivs. Er war Herausgeber der Werke von Heimito von Doderer und Fritz von Herzmansovsky-Orlando und veröffentlichte zahlreiche Bücher, u.a. Der übertreibungskünstler - Studien zu Thomas Bernhard (1986), Bruchlinien - Vorlesungen zur österreichischen Literatur 1945 bis 1990 (1998).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.10.2003

Keine Tränen für den Vater
Zum Dritten: Albert Drachs „,Z.Z.‘ – das ist die Zwischenzeit”
Komplexer Satzbau pflegt hohen Stil zu verkünden. Er dient als Vehikel und Ausweis von Gedankenfülle, von erzählerischer Breite und Nuance: so liest man, seufzend oder respektvoll, die ausschwingenden Perioden bei Cicero und Thomas Mann. Auch Albert Drach macht davon regen Gebrauch; aber bei ihm steckt etwas anderes dahinter. Es liest sich so: „Der schlechte Bauzustand des Hauses samt dem darauf angehäuften Kontokorrentkredit zu Zwecken unzureichender bereits durchgeführter Reparaturen, welcher vor dem Tode des Erblassers noch zur Bezahlung kostspieliger ärztlicher Gutachten für diesen und noch teurerer, wenn auch nutzlos gewordener Medikamente zweckwidrig in Anspruch genommen war, die Notwendigkeit einer Ergänzung der Witwenrente seiner Mutter, die für sie allein nicht ausreichen würde, geschweige denn für seine Miterhaltung, konnten nicht ausbalanciert werden durch den zu gewärtigenden Verdienst aus der angewandten Rechtskunde, den er bisher bestenfalls zur Ausführung bescheidener kleiner Mädchen oder zum Erstehen von im Preis herabgesetzten Büchern, die nichts mit seiner Berufssphäre zu tun hatten, zu verwenden pflegte.”
Das geht an die äußersten Grenzen dessen, was das Gehirn noch als simultane Einheit aufzunehmen vermag. Es fasst mehrere Sachverhalte, ja eine ganze Lebenslage in eine einzige syntaktische Struktur. Ließe sich das nicht auch einfacher und nacheinander sagen? Erstens, der Vater ist gestorben. Zweitens, es bestehen beträchtliche Schulden. Drittens, die Mutter kommt finanziell nicht allein zurecht und braucht Unterstützung vom Sohn. Viertens, der Sohn arbeitet als Rechtsanwalt, wenngleich die Praxis nicht floriert. Fünftens, dessen Interessen gehen in andere Richtung, nämlich sechstens erotischer und siebtens literarischer Art. Damit wäre nicht nur der Satz aufgeschlüsselt, sondern eigentlich auch schon das ganze Buch entbehrlich, denn sehr viel mehr findet darin nicht statt.
Und doch würde das Entscheidende fehlen. Nur wenn eine Form gefunden wird, die das entsetzlich Beschämende dieses Lebens zugleich verbirgt und mitteilt, kann von ihm überhaupt die Rede sein. Es handelt sich in so gut wie völlig unverwandelter Form um das Leben des Albert Drach in den Jahren 1935 bis 1938, jenen Jahren, als der Anschluss Österreichs an Deutschland von Quartal zu Quartal absehbarer wurde und Drach dennoch, wie die meisten anderen Juden des Landes, untätig am Fleck verharrte wie das Kaninchen vor der Schlange – dies eben ist die titelgebende „Z.Z. – Zwischenzeit”.
Verzierende Sabotage
In einer solchen Zeit kann schlechterdings überhaupt nichts geschehen, als dass das Immerselbe sich als jeden Tag gesteigerte Qual darbietet, in der die politische und die private Misere sich zu einem einzigen unentflechtbaren Dauer-Erlebnis verschränken. Mit dreißig Jahren ist der Protagonist dieses Buchs, ohne Namen, immer noch „der Sohn”, über den Tod des Vaters hinaus und obwohl er der Liebe und Bedürftigkeit seiner Mutter nur mit mürrischem Wesen und zuletzt mit kaltem Verrat begegnet – er nimmt sie nicht mit in die Emigration, sondern überlässt sie ihrem Schicksal. Sein Beruf befriedigt ihn nicht; der verhohlene Groll gilt der Familie, selbst dem Vater, der sich noch teuer medizinisch behandeln ließ, als es offenbar schon keinen Zweck mehr hatte. Der Gedanke: „Er hätte sterben sollen, ohne Umstände zu machen, um mich zu entlasten” ist selbstverständlich nicht schrift- oder auch nur voll bewusstseinsfähig. „Der Sohn” hegt ein Ressentiment gegen die Unentrinnbarkeit seiner Abstammung, das auf gespenstische Weise dem der Nazis entgegenkommt.
Hier liegt die Wurzel seiner Schuld und seines Unglücks; und sagbar wird es nur durch die formale Anleihe beim wenig geliebten Anwaltsberuf, genauer beim Protokoll, dieser freien juristischen Prosa, in der die eigene Katastrophe wie eine fremde erscheinen kann und lindernde Kühle spendet. Das bedeutet nicht, dass derselbe Effekt sich notwendig beim Leser einstellt. Immer noch um einen Dreh verschrobener als das Juristendeutsch präsentiert sich das Juristenösterreichisch, in dem eine Wohnung als „Ubikation” und ein Rechtsbeistand als „Sollizitator” figuriert. Drachs Werk dürfte die längsten Passagen indirekter Rede enthalten, die seit Cäsars Gallischem Krieg geschrieben worden sind. Und insbesondere die ungezählten Sexszenen des Buchs haben in der insektenkundlichen Art ihrer Darstellung etwas Marterndes. Der Sohn verzehrt sich im Verlangen nach einer unzugänglichen Fünfzehnjährigen, er vergießt bei ihrem Abschied jene Tränen, die beim Tod des Vaters nicht geflossen sind – aber als er sie eines Tages bei der Heimkehr einfach so in seinem Bett liegen findet, und zwar, um den Vorgang zu vereinfachen, schon ausgekleidet, bedeutet es ihm nichts mehr, und er ist froh, das Betthupferl mit einer Geldzahlung wieder loszukriegen. Nie, sagt Groucho Marx, würde er einem Club beitreten, der Leute wie ihn aufnimmt. Das klingt nach einem alten jüdischen Witz. Jedenfalls bedeutet es ein hundertprozentig wirksames Rezept, um todunglücklich zu werden. Es setzt den Sohn instand, die paradiesische Bereitwilligkeit so vieler Frauen, die ihm begegnen, in die Erfahrung eigener erotischer Unzulänglichkeit umzuinterpretieren – eine ungewöhnliche kreative Leistung.
Nur zum Schluss beginnen den Leser leise Zweifel zu beschleichen. Inzwischen ist Hitler einmarschiert. Der Sohn, bislang passiv, wo es nicht gerade um erotische Eroberungen ging, entfaltet in dieser noch unkonsolidierten Anfangsphase des neuen Regimes auf einmal eine wendige Keckheit. Auch er soll, unter Aufsicht der SA, eine Wiener Geschäftsfassade eigenhändig mit einer Aufschrift versehen: „Nur Schweine kaufen bei Juden” und unterläuft den Befehl, indem er mit einem riesigen „N” anfängt, das schon fast die halbe Fläche einnimmt, dann, zurechtgewiesen, mit einem unlesbar winzigen „-ur” weitermacht und durch unendliche Verzierungen des „r” die Sache in die Länge zieht, bis der Eifer, der lynchen will, ermattet ist. Ob das so gewesen sein kann? Ausschließen lässt es sich nicht. Denn wenn man an diesem Buch Eines lernen kann, dann bestimmt dies: dass die Realität sich als verwickelter und dabei im Einzelnen von einer haarsträubenderen Unwahrscheinlichkeit erweist, als die abgefeimteste Fiktion es sich ausdenken könnte. Das Buch endet mit der Flucht des Sohns nach Dalmatien, die noch knapp vor der Reichskristallnacht gelingt; denn, wie es mit typischem Sarkasmus heißt, damals wurde die Parole „Juda verrecke!” von untergeordneten Dienststellen häufig noch als „Juda verreise!” missverstanden.
„Z.Z. – das ist die Zwischenzeit”, zuerst 1968 veröffentlicht (ein Zeitpunkt, der dem Buch nicht günstig sein konnte) und dann wieder 1990 aufgelegt, nachdem Drach den Büchner-Preis erhalten hatte, erscheint jetzt, als Teil der zehnbändigen Werkausgabe, zum dritten Mal. Ein „zugegeben – hässliches Buch”, wie das Nachwort von Wendelin Schmidt-Dengler einräumt. Doch wie sonst von so unschönen Dingen sprechen? Man muss sich der Hoffnung des Herausgebers anschließen, dass es dieses dritte Mal endlich dauerhaft die ihm zukommende Stellung behauptet.
BURKHARD MÜLLER
ALBERT DRACH: „Z. Z.” – das ist die Zwischenzeit. Ein Protokoll. Band 2 der Werkausgabe. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Wendelin Schmidt-Dengler, unter Mitarbeit von Eva Schobel. Zsolnay Verlag. Wien 2003. 445 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Juristenösterreichisch klingt noch schlimmer als Juristendeutsch, staunt Burkhard Müller. Formal nimmt nämlich der Autor, erklärt Müller, Anleihe bei seinem Juristenberuf und schreibt eine Juristenprosa, in der "die eigene Katastrophe wie eine fremde erscheinen kann und lindernde Kühle spendet". Und Schuldgefühle lassen sich auf diese Weise ebenso äußern wie verstecken zugleich. So kommt es, stöhnt Müller, dass Drachs Buch so ungefähr die längsten Passagen indirekter Rede enthält seit Cäsars "Gallischem Krieg". Und auch die vielen erotischen Szenen des Buches hätten in ihrer "insektenkundlichen Art" durchaus etwas Quälendes, gesteht Müller. Ein zugegeben hässliches Buch, das meine selbst der Herausgeber, ein Buch, das die politische mit der privaten Misere zusammenspannt und nur in dieser Form seinen Ausdruck finden konnte. Mit "Zwischenzeit" ist die Zeit in den Jahren 1935 bis 1938 gemeint, die Drach wie gelähmt wartend in Österreich zubrachte, wie das "berühmte Kaninchen vor der Schlange", schreibt Müller. Als das Buch 1968 erstmals erschien, fand es kaum Freunde, was angesichts des Zeitpunkts nicht verwunderlich war, meint Müller. Er hofft, dass das Buch nun als Teil der Werkausgabe seinen Platz behaupten kann, denn wie soll man anders als hässlich von so unschönen Dingen berichten, fragt Müller. Drach emigrierte und ließ seine Mutter zurück, damit endet das Buch.

© Perlentaucher Medien GmbH
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"An Raffinesse wie an Derbheit ist "Z.Z." nur "Die Blechtrommel" von Grass zur Seite zu stellen."
Jürgen Manthey, Die Zeit