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Die Geschichte eines kleinen schwarzen Jungen, der Ende des 19. Jahrhunderts von wohlmeinenden Weißen nach Schweden gebracht wurde und sich dort nach seiner warmen Heimat zu Tode sehnt. Ein menschliches Drama, ein politisches Gleichnis und ein ebenso spannender wie poetischer Roman.

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Produktbeschreibung
Die Geschichte eines kleinen schwarzen Jungen, der Ende des 19. Jahrhunderts von wohlmeinenden Weißen nach Schweden gebracht wurde und sich dort nach seiner warmen Heimat zu Tode sehnt. Ein menschliches Drama, ein politisches Gleichnis und ein ebenso spannender wie poetischer Roman.
Autorenporträt
Henning Mankell (1948 - 2015) lebte als Schriftsteller und Theaterregisseur in Schweden und Maputo (Mosambik). Seine Romane um Kommissar Wallander sind internationale Bestseller. Zuletzt erschienen bei Zsolnay Treibsand (Was es heißt, ein Mensch zu sein, 2015), die Neuausgabe von Die italienischen Schuhe (Roman, 2016), Die schwedischen Gummistiefel (Roman, 2016) und die frühen Romane Der Sandmaler (2017), Der Sprengmeister (2018) und Der Verrückte (2021).

Verena Reichel, 1945 geboren, wurde für ihre Arbeit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Johann-Heinrich-Voß-Preis. Sie übersetzte u.a. Ingmar Bergman, Katarina Frostensen, Lars Gustafsson, Henning Mankell, Anna-Karin Palm, Hjalmar Söderberg und Märta Tikkanen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.2002

Laßt die innere Antilope heraus!
Helle Freude für düstere Gemüter: Henning Mankell trifft Rousseau

Henning Mankell ist eine Meister der Dosierung. Die Gliederung seiner langen Romane in leicht überschaubare Erzählabschnitte und der wohlabgewogene Rhythmus ihrer unterschiedlichen Länge dürfte ein ebenso wichtiger Grund für den großen Erfolg dieses Schriftstellers sein wie die Angebote an Spannung, Psychologie und schlichter Lebenserfahrung. Fast möchte man Mankell den Erfinder des "doppelten Zeilenabstands als Romanelement" nennen: Innerhalb der Kapitel von zehn bis zwölf Seiten präparieren sich Miniaturkapitel heraus, die sich, anders als normale Absätze, durch einen doppelten Zeilenabstand voneinander abheben; sie sind manchmal nur eine halbe Seite, ja nur ein paar Zeilen lang. Jede dieser Miniaturen ist eine in sich geschossene Einheit: einmal führt der Autor darin die Erzählung einen wichtigen Schritt weiter, einmal umfaßt die Einheit eine Landschaftsschilderung oder das Ambiente, in dem die nächste Szene spielt, manchmal sogar bietet sich eine Reflexion über das Geschehen oder die Figuren an.

In seinen Kriminalromanen kann der Autor die von Dialogen durchwobene Erzählung über ein Dutzend Seiten hinweg spannen, um dazwischen immer wieder den aufgeregten Atem seines Lesers bei solch kleinen Unterkapiteln zur Ruhe kommen zu lassen. Mit dieser Partitur dirigiert Mankell den Leserhythmus geradezu körperlich; für den lesenden Körper beweist er eine ebenso große Einfühlungsgabe wie für das auf Spannung hoffende Gemüt.

In seinem jüngsten Roman "Die rote Antilope", der die Erziehung eines schwarzen Knaben im winterlichen Schweden erzählt, kommen längere Erzählphasen kaum mehr vor. Der ganze Text ist zerlegt in Tausende von Miniaturen, die mit einem entspannten - auch von den spannenden Romanen Mankells ermüdeten - Leser rechnen. Dieser Roman und sein Vorgänger, "Der Chronist der Winde", der das Straßenleben Afrikas schildert, sind Verschnaufpausen und Miniaturkapitel im Gesamtwerk dieses auf Gruseln, Ungeduld und Herzklopfen eingestellten Autors. Der erste Satz der Miniaturen enthält fast immer eine Zeitangabe: ein Datum, eine temporale Konjunktion, eine Adverbiale der Zeit. Die Kriminalromane werden dadurch zu Kalendern, in die der Detektiv die Tagesergebnisse seiner Nachforschungen mit Akribie eingetragen hat; die neuen, die "afrikanischen" Romane werden durch die Datierung zum Logbuch eines Forschers.

Die einfache lineare Zeitstruktur beherrscht auch den Roman "Die roten Antilope", wo es wenig Tote, kaum Verbrechen, wohl aber koloniale Arroganz, Brutalität und provinzielle Ignoranz im Heimatland gibt. Diesmal schildert Mankell den mühsamen Alltag eines Afrikareisenden, eines Käfersammlers, der, ein Anhänger Linnés, darauf aus ist, ein noch nie gesehenes Insekt zu finden, das er auf seinen eigenen Namen taufen kann. Das ist aber nur ein Vorwand des Autors, um seine Figur zu einer Steppenwanderung zu verurteilen, deren Strapazen dem Leser Eindruck machen sollen - und es doch nicht tun. Deshalb legt der Autor dem erschöpften Forscher und gelangweilten Leser zu dem seltenen Käfer auch noch ein Findelkind in den Weg, das der Wohltäter mit in seine Heimat nimmt, um ihm die Segnungen der europäischen Bildung zukommen zu lassen.

Gottlob erweist sich der Knabe als so bildungsunfähig wie ein Tier, so daß Mankell Gelegenheit erhält, im Innern des unzivilisierten Kopfes die Traumzeit zu entdecken. In den Träumen dieses wilden Kindes existiert noch nicht das Kollektivsubjekt "Vater" - so hat es seinen Retter und Beschützer zu nennen -, sondern nur Be und Kiko, die natürlichen Eltern, suchen seine Phantasie heim. Sie sind auf grausame Weise ermordet worden, gehören aber immer zu ihm. Sie erinnern ihn an seine eigentliche Berufung: die Antilope fertig zu malen, die sein natürlicher Vater gezeichnet hat, ehe der Tod ihn hinderte, dem Bild durch bunte Farben Leben zu geben: "Daniel war klargeworden, daß er sehr bald seine Rückkehr in die Wüste vorbereiten mußte. Die Antilope in ihm schrie nach ihrer Vollendung, und er mußte lernen, auf dem Wasser zu gehen, ehe er ganz von der Welt verschluckt würde, in der er sich jetzt befand."

Mankell verlegt seinen Roman in die Epoche vor der Popularisierung der Hermeneutik, ins Jahr 1878. Damit erreicht er, daß sich die europäischen Erzieher des schwarzen Buben als so wenig einfühlsam erweisen wie nur möglich und der heutige Leser aus der Verwunderung über so viel Unverstand nicht herauskommt. Von Diltheys erst zehn Jahre später erschienenen Überlegungen "Über die Möglichkeiten einer allgemeingültigen Pädagogik" hatten die Schweden des 19. Jahrhunderts nicht einmal eine Vorahnung. Ihre Borniertheit muß daher die Sehnsüchte des Kindes nach seiner heißen Heimat ins Unermeßliche steigern. Sein Ungehorsam, seine Ausbruchsversuche, die ihn immer wieder ans Meer führen, von wo aus Daniel - so des Afrikaners christlicher Name - in die Heimat zu entkommen hofft, werden dem heutigen postkolonialen Leser verständlich, nicht aber der Umwelt des Knaben. Mankell, der seinen Leser immer zufrieden sehen will, verschafft ihm jedenfalls die Befriedigung, klüger und vor allem besser zu sein als seine Vorfahren.

Die Zivilisationskritik, die das Sujet des guten Wilden, des Kaspar Hauser, fordert, wird zwar nicht aufgegeben, aber entschärft. Die Geheimnisse der dem Europäer so fremden Traumzeit, in der der Knabe wohnt, dienen gleichzeitig der Aufklärung über die eigene Kultur. Der Europäer ist trotz - oder gerade wegen - seiner kulturellen Fortschritte mißmutig geworden, und darüber beginnt sogar der sonst am europäischen Wesen wenig interessierte Afrikanerjunge sich seine Gedanken zu machen: "Daniel fielen die verbissenen und oft so düsteren Gesichter ein, denen er in diesem Land begegnet war."

Diesem morosen Publikum eine Wohltat zu erweisen, schreibt Mankell seine Bücher. Glück und Leid, die Selbstkritik des Europäers und das daraus entspringende seelische Äquilibrium verteilt der Autor in homöopathischen Dosen über den Text. "Die rote Antilope" ist im doppelten Sinne ein Kinderbuch: eines über ein Kind und eines für kindliche Gemüter. Seinen letzten Kriminalroman "Die Brandmauer" beendete Mankell mit einer Szene, die die Stimmung des neuen romantischen Reisebericht vorbereitet. Von der Hauptfigur hieß es dort: "Er hatte ein Glas Wein vor sich. Eine Puccini-Oper lief. Er hatte den Ton gedämpft." Vom Fernweh ist nun auch der Autor befallen. Mankell scheint aber nicht darüber nachgedacht zu haben, ob die Exotik eines Wilden ebenso faszinieren könne wie die Tat eines Verbrechers, ob die gedämpfte Musik eines Erziehungsromans seinem Leser die Spannung eines Kriminalromans ersetzen kann.

HANNELORE SCHLAFFER.

Henning Mankell: "Die rote Antilope". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Verena Reichel. Paul Zsolnay Verlag, Wien/München 2001. 381 S., geb., 21,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hannelore Schlaffer schätzt Mankells Kriminalromane mehr als seine sogenannt "afrikanischen" Romane: letztere seien weniger spannend und hätten in diesem besonderen Fall etwas von einem gutgemeinten Erziehungsroman. "Die rote Antilope" ist nämlich ein Roman über ein Kind und insofern vielleicht auch für Kinder geschrieben, aber vor allem, so Schlaffer etwas bissig, "für kindliche Gemüter". Mankell hat die Handlung ins 19. Jahrhundert verlegt: Ein Käfersammler geht auf Forschungsreise nach Afrika und bringt außer Käfern auch einen Jungen mit, dem er gute europäische Bildung angedeihen lassen will. Aber der junge edle Wilde lässt sich natürlich nicht verbilden, lautet die Kurzzusammenfassung durch die Rezensentin. Die Figur des Knaben wiederum diene Mankell zur gemäßigten europäischen Selbst- und Zivilisationskritik "in homöopathischen Dosen", wie Schlaffer moniert. Im übrigen findet sie, dass es Mankell der Empörung und Selbstschmeichelei des modernen postkolonialen Lesers einfach macht - zu einfach.

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"Es ist ein Buch, das einen mit abgrundtiefer Traurigkeit erfüllt und zugleich eines, das man nicht aus der Hand legen kann. ... Mankell erzählt diese Geschichte mit betörender Eindringlichkeit, in Bildern und Sequenzen von jener durchsichtigen Klarheit, wie Träume sie haben." Susanne Mayer, Die Zeit, 32/01

"Das Buch ist eine Geschichte über das Heimweh. Über die Sehnsucht, zu seinen Wurzeln zurückzukehren, dort zu sein, wo man zu Hause ist. (...) Das Buch hat für mich eine ganz besondere Bedeutung (...) Ich erkannte plötzlich, dass die Geschichte dieses einsamen Buben meine eigene war. Ich hatte über mich selbst geschrieben, ohne es zu merken." Henning Mankell