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Nanking, Dezember 1937: Die japanische Armee verübt ein unvorstellbares Massaker an der chinesischen Zivilbevölkerung. Die amerikanische Missionarin Wilhelmine "Minnie" Vautrin ist eine von wenigen Mitarbeitern ausländischer Einrichtungen, die sich entschließen, zu bleiben. Gemeinsam mit ihrem kleinen Team verwandelt sie das amerikanische College, das sie leitet, in ein Flüchtlingslager für Frauen und Kinder - und rettet Tausenden von Menschen das Leben. Der preisgekrönte Autor Ha Jin erzählt in seinem neuen Roman die tragische Geschichte dieser ungewöhnlichen Frau. Er hat ihre Tagebücher…mehr

Produktbeschreibung
Nanking, Dezember 1937: Die japanische Armee verübt ein unvorstellbares Massaker an der chinesischen Zivilbevölkerung. Die amerikanische Missionarin Wilhelmine "Minnie" Vautrin ist eine von wenigen Mitarbeitern ausländischer Einrichtungen, die sich entschließen, zu bleiben. Gemeinsam mit ihrem kleinen Team verwandelt sie das amerikanische College, das sie leitet, in ein Flüchtlingslager für Frauen und Kinder - und rettet Tausenden von Menschen das Leben. Der preisgekrönte Autor Ha Jin erzählt in seinem neuen Roman die tragische Geschichte dieser ungewöhnlichen Frau. Er hat ihre Tagebücher sowie zahlreiche Zeitdokumente ausgewertet und daraus ein feines Geflecht verschiedener Schicksale und Konflikte geknüpft. Entstanden ist ein ergreifender Antikriegsroman, der dem Leser von heute das Grauen von damals spürbar macht.
Autorenporträt
Ha Jin, geb. 1956 in der nordchinesischen Stadt Jinzhou, wo sein Vater, ein Offizier, stationiert war, trat mit 14 trat in die Volksbefreiungsarmee ein. 1977 wurden die im Zuge der Kulturrevolution geschlossenen Universitäten wieder eröffnet und Ha Jin begann an der Heilonjiang Universität Englisch zu studieren. Er wechselte einige Jahre später an die Shandong Universität, wo er seine Frau Lisha Bian kennen lernte, eine Mathematikdozentin. 1985 ging er in die USA, um an der Brandeis University in Waltham zu promovieren. 1987 begann er Gedichte in englischer Sprache zu verfassen, seit 1989 auch literarische Prosa. Er hat seit 1993 eine Professur für Englische Literatur an der Emory University inne und lebt mit seiner Frau und seinem Sohn Wen in der Nähe von Atlanta. Seit 1997 ist er amerikanischer Staatsbürger. Von den Eltern seiner Frau, die Ärzte bei der Armee waren, hörte er die Geschichte eines Militärarztes, der 18 Jahre auf seine Scheidung wartete. Anfang der Neunziger begann er 'Warten' zu schreiben.

Susanne Hornfeck, Dr. phil, ist Germanistin und Sinologin, Autorin und Übersetzerin. Fünf Jahre lebte und lehrte sie in Taipei. 2007 wurde sie mit dem renommierten C.H. Beck Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Es ist eine "beschämend einfache Geschichte", die Ha Jin in seinem historischen Roman "Nanking Requiem" erzählt, berichtet Ulrich Baron. Er meint damit nicht den Roman selbst, sondern die geschichtliche Realität, derer er sich bedient. Alle Welt kennt John Rabe, den Nationalsozialisten, der in China zahlreiche Menschen vor den japanischen Invasoren rettete; weniger bekannt ist die Geschichte von Wilhelmine 'Minnie' Vautrin, einer amerikanischen Missionarin, die als Leiterin des Jinling-Mädchencolleges mehr als zehntausend Menschen Zuflucht bot. Ha Jin erzählt ihre Geschichte aus der Perspektive einer jungen Chinesin, ihrer engsten Vertrauten, was ihm erlaubt, eine gewisse Distanz zu behalten, berichtet der Rezensent. Einfach ist die Geschichte nur, weil weder Grausamkeit noch Barmherzigkeit an sich komplizierte Angelegenheiten sind, erklärt Baron. Ha Jins Roman macht ihm das einmal mehr klar.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.01.2013

Zeit der Verzweiflung
In seinem neuen Roman „Nanking Requiem“ setzt der aus China stammende
amerikanische Autor Ha Jin der Missionarin Minnie Vautrin ein literarisches Denkmal
VON ULRICH BARON
Ende 1937 verübten japanische Soldaten in Chinas damaliger Hauptstadt Nanking ein Massaker, dem über 200 000 Menschen zum Opfer fielen. Mordend, plündernd und vergewaltigend zogen Offiziere und Mannschaften wochenlang durch die Stadt. Autos, die das Tor Y Chang Men in die Hafenvorstadt Hsiakwan passierten, fuhren damals über eine meterhohe Masse aus Sandsäcken und Leichen chinesischer Soldaten. Die Zahl der Toten und der vergewaltigten Frauen wäre noch weit höher ausgefallen, wenn nicht eine Handvoll couragierter Ausländer eine Schutzzone eingerichtet hätte, die rund einer Viertelmillion chinesischer Zivilisten relative Sicherheit bot.
  Wie deren Leiter jene Zeit erlebt hat, weiß man aus seinen Aufzeichnungen, die Erwin Wickert 1997 unter dem Titel „John Rabe. Der gute Deutsche von Nanking“ herausgab. Rabe, den die New York Times einen „Nazi“ genannt hat, „der sein Hakenkreuz benutzte, um Menschenleben zu retten“, ist in Ha Jins Roman „Nanking Requiem“ eine Hintergrundfigur. Im Vordergrund steht die amerikanische Missionarin Wilhelmine „Minnie“ Vautrin, die in den Zeiten des Mordens und Vergewaltigens das Jinling-Mädchencollege leitete und zur Zufluchtstätte für bedrohte Frauen und Kinder machte.
  Gerechnet hatte man mit gut zweitausend Zufluchtsuchenden. Es wurden über Zehntausend. Die meisten von ihnen konnte Minnie vor dem Schlimmsten bewahren, aber nicht alle. Ausgerechnet am 24. Dezember 1937 erklärt ihr im Roman ein schmunzelnder japanischer Oberst: „Nach der Eroberung Nankings sind unsere Männer kurzzeitig außer Kontrolle geraten.“ Um „ehrbare Frauen“ vor weiteren Belästigungen zu schützen, wolle man ein „Freizeitzentrum“ einrichten, und dafür brauche man Frauen. Man wisse, dass sich in Jinling auch „einige Straßenmädchen“ aufhielten: „Wir werden denen eine Lizenz geben, damit sie sich durch derartige Dienstleistungen ihren Lebensunterhalt verdienen können.“
  „They said they wanted one hundred“, heißt es dazu in Minnie Vautrins Tagebuch aus den Jahren 1937 bis 1940, das in der Bibliothek der Yale Divinity School erhalten ist. Einundzwanzig von diesen hundert hätten die Japaner zunächst bekommen, schrieb Minnie gleich darauf, doch sie werde alles tun, was in ihrer Macht stehe, um zu verhindern, dass ihnen auch die übrigen neunundsiebzig ausgeliefert würden. Dann ist vom Schmücken des Weihnachtsbaums die Rede. In Ha Jins Roman wird die von ihren Schützlingen als „Göttin der Barmherzigkeit“ verehrte Minnie an diesem und ähnlichen Erlebnissen zerbrechen – weil sie sich eine Schuld an der Verschleppung gibt, und weil die ursprüngliche Leiterin des College, Mrs Dennison, diesen Vorfall nutzt, um sie zu demütigen.
  Tatsächlich ist die reale Minnie Vautrin 1940 zusammengebrochen und hat sich ein Jahr später in den USA das Leben genommen, als ihr klar wurde, dass sie nie wieder nach China würde zurückkehren können. So spiegelt sich Chinas Zusammenbruch hier im Schicksal einer couragierten Amerikanerin, die ihre Arbeit dort im besten Sinne als Mission verstand.
  Was seinen historischen Stoff anbelangt, so folgt Ha Jin der authentischen Vorlage, doch wählt er eine Außenperspektive, indem er „Nanking Requiem“ von einer chinesischen Ich-Erzählerin vortragen lässt. Minnies engste Mitarbeiterin Anling ist offenbar eine fiktive Gestalt, die der Rektorin zwar voller Sympathie verbunden ist, doch ihr im Konflikt mit Mrs Dennison keine Hilfe leisten kann. Wie die meisten Chinesen im Roman hat auch Anling mehr als genug damit zu tun, ihre eigene Familie durch eine Katastrophe zu bringen, in der das Enthaupten von Menschen zum Sport geworden ist.
  „Einer Frau – sie trug noch Lederstiefel, die sich in Falten um ihre Knöchel legten, war eine Brust abgeschnitten worden“, heißt es da bei einem Spaziergang, den Anling und Minnie zu einem nahe gelegenen Teich machen: „in jedem Nasenloch steckte eine Patronenhülse“. Angesichts solcher Szenen erscheint Ha Jins eher schlichte, weitgehend monoperspektivische Erzählweise durchaus gerechtfertigt, denn sein „Nanking Requiem“ erzählt eine ebenso schrecklich wie beschämend einfache Geschichte – von Bestialität und Barmherzigkeit, von Mut und Feigheit.
  In einer Zeit, da viele Chinesen auf Mord und Vergewaltigung mit Verrat und Kollaboration reagieren und die militärische wie intellektuelle Elite sich ins Hinterland zurückzieht, hält eine Ausländerin die Stellung. Nicht aus konfuzianischer Pietät, sondern aus christlicher Nächstenliebe und bis zur Selbstaufgabe.
  Der 1956 in China geborene Ha Jin ging 1985 in die USA, wo er heute als Professor für englische Literatur an der Boston University lehrt. Sein „Nanking Requiem“ ist alles andere als ein Professorenroman, berührt aber die Welt der Akademiker. Während Jinlings ehemalige Direktorin Mrs Dennison und deren einheimische Nachfolgerin Dr. Wu dem Beispiel des elitären amerikanischen Wellesley College nacheifern, beschäftigte sich Minnie Vautrin schon vor dem Massaker mit der Volksbildung und hätte angesichts der Not danach gerne weiter daran festgehalten.
  Im Roman aber nutzt Mrs Dennison die ausländerfeindliche Propaganda gegen Minnie, um ihre Vorstellungen von einem chinesischen Wellesley durchzusetzen. Ja, es scheint hier, als sei Minnies nervlicher Zusammenbruch am Ende weniger durch die Wochen des Massakers verursacht als durch die Rückkehr der alten Dame. Jene Elite aber, die Mrs Dennison in Jinling ausbilden möchte, hat sich in der Krise in Jinling ebenso wenig blicken lassen wie die Wellesley-Absolventin Madam Chiang und deren Mann, Generalissimo Chiang Kai-shek. Rettung kommt in „Nanking Requiem“ nicht aus dem einfachen Volk und nicht von den Eliten, sondern von mittleren Gestalten wie Minnie Vautrin und dem Siemens-Vertreter John Rabe, die in der Krise über sich selbst hinauswachsen.
  Dass Minnie von ihren Schützlingen dafür als Göttin verehrt wird, ist ihr selbst unangenehm und wird von Mrs Dennison perfide gegen sie gewendet. Für die Chinesen jedoch, so heißt es im Roman, stelle eine menschliche Gottheit keinen Widerspruch dar: „Ihrer Überzeugung nach kann jeder durch gute Taten zu einem besseren Menschen und schließlich sogar zu einer Göttin werden.“
  Gegen Neid und Missgunst aber kämpfen auch Göttinnen vergeblich. Gegen aus Verzweiflung geborene Selbstüberforderung und gegen aus Selbstüberforderung geborene Verzweiflung auch. Zu Tode erschöpft sei sie, schrieb Minnie Vautrin in ihrer letzten chinesischen Tagebucheintragung am 30. Juni 1940: „Zu erschöpft zum Denken. Habe eine hundsmiserable Laune.“ Knapp ein Jahr später nutzte sie in den USA einen unbeobachteten Moment, um die Gashähne aufzudrehen.
Der Zusammenbruch Chinas
spiegelt sich hier im Schicksal
einer couragierten Amerikanerin
Es geht in diesem Roman auch
um die Rivalität zwischen
Elitedenken und Volksbildung
Besuch im Jinling-College in Nanking, 75 Jahre nach dem Beginn der Massaker im Dezember 1937, mit einer historischen Ansicht der Gebäude: Ha Jins Roman unternimmt eine solche Vergegenwärtigung mit literarischen Mitteln.
FOTO: REDUX/LAIF
  
  
  
  
  
Ha Jin: Nanking Requiem. Aus dem Amerikanischen von Susanne Hornfeck. Ullstein Verlag, Berlin 2012. 343 Seiten, 22,99 Euro.
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