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'Angeln ist Einssein mit der Natur. Dazu gehört nicht nur die Landschaft im Spiegel der Jahreszeiten, sondern auch das Eintauchen in ein anderes Zeitmaß. Andreas Möller nimmt den Leser mit an die Mecklenburgische Seenplatte und lässt ihn teilhaben an Momenten der Muße, des vollkommenen Glücks und des Wartens auf das große Abenteuer.
'Ein Sommermorgen des Jahres 1986, an einem Fluss in Mecklenburg. Das Wasser ist voller Geheimnisse, wenn man gerade zwölf geworden ist und mit der Angel am Ufer sitzt. Bis sich der Fang eines Fisches ankündigt, der einen aus dem Tagtraum reißt und auf den Vater
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Produktbeschreibung
'Angeln ist Einssein mit der Natur. Dazu gehört nicht nur die Landschaft im Spiegel der Jahreszeiten, sondern auch das Eintauchen in ein anderes Zeitmaß. Andreas Möller nimmt den Leser mit an die Mecklenburgische Seenplatte und lässt ihn teilhaben an Momenten der Muße, des vollkommenen Glücks und des Wartens auf das große Abenteuer.
'Ein Sommermorgen des Jahres 1986, an einem Fluss in Mecklenburg. Das Wasser ist voller Geheimnisse, wenn man gerade zwölf geworden ist und mit der Angel am Ufer sitzt. Bis sich der Fang eines Fisches ankündigt, der einen aus dem Tagtraum reißt und auf den Vater blicken lässt. Dann kann dieser Morgen zu einem besonderen Erlebnis werden, das man auch zwanzig Jahre später nicht vergessen hat. In seinem außergewöhnlichen Buch erzählt Andreas Möller vom Angeln auf Schleie und Hechte, von der Schönheit alter Korkposen, dem Zelten auf dem Darß und der ersten Zigarette im Schilf. Er zeichnet das Bild einer Kindheit und Jugend zwischen Großstadt und Land - und ergründet die Sehnsucht nach einem Leben in beiden Welten.
Autorenporträt
Andreas Möller, geb. 1974, promovierte 2005 an der Humboldt-Universität über die Wissenschafts- und Technikkritik der Weimarer Republik. Bis 2011 leitete er den Bereich Politik- und Gesellschaftsberatung der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) in Berlin. Heute ist er in der Wirtschaft tätig. Der Autor lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2009

Was den Angler plagt

Die Mecklenburger Seenplatte ist schon immer ein Sehnsuchtsort gewesen. Andreas Möller hat seinen Debütroman über das Ende einer Kindheit in dieser scheinbar unberührten Natur angesiedelt.

In Mecklenburg, soll Bismarck gesagt haben, passiere alles hundert Jahre später, sogar der Weltuntergang. Auch wer heute den dünnbesiedelten Landstrich zwischen Brandenburg und Ostsee besucht, wird dieser Prognose gern Glauben schenken. Hier stößt man nicht allenthalben auf die sonst unübersehbaren Monumente technischen Fortschritts, sondern sieht sich satt an Wäldern und Wiesen, an Seenplatten und Flusslandschaften. Mit ihrer scheinbar unberührten Natur war die Region bereits zu DDR-Zeiten ein Sehnsuchtsort für geplagte Großstädter, die freilich nicht nur dem Lärm der Baustellen und des Verkehrs entkommen wollten, sondern auch den Reglementierungsansprüchen eines allgegenwärtigen Staates. Im Rückzug in das paradiesische, gesellschaftsferne Dasein der FKK-Strände und Campingplätze erfüllten sich vielleicht am ehesten der Traum von Freiheit und die Sehnsucht nach Selbstverwirklichung, gespiegelt in der Weite des Wassers und der Ferne des Horizonts.

Auch die Eltern von A., dem sich erinnernden Erzähler in Andreas Möllers Debütroman ",Traumfang'. Eine Geschichte vom Angeln", zieht es stets ans Wasser, erst mit dem Zelt auf den Darß, dann an einen See im Hinterland, wo sie ein Häuschen als Urlaubsdomizil erwerben. Fast jedes Wochenende fahren der aus Rostock stammende Vater und die in der Hauptstadt geborene Mutter Anfang der achtziger Jahre von Berlin aus mit dem Sohn ins ländliche Idyll. Natur und Landschaft, so hat es der Junge aus den Erzählungen der Mutter gelernt, haben eine Geschichte und bergen ein Geheimnis: "Es war ein besonders dunkler See, der von einem Waldgürtel und viel Schilf umschlossen wurde. Wenn wir dort am Ufer standen und auf den schwarzgrünen Forst sahen, fühlten wir uns in eine andere Zeit versetzt, in die Welt der Sagen und Märchen meiner Mutter. Hier zu sein war ganz anders als am Strand, hinter dem dürre Kiefern wuchsen. Dieser Wald wirkte undurchdringbar."

Der schützende Wall aus Stämmen, Blättern und Ästen scheint alles auszuschließen, was draußen im Lande vor sich geht. Vor allem der Vater glaubt unbeirrbar daran, hier frei und unabhängig leben zu können. Für den Sohn werden Wald und See zu einem magischen Raum, den es zu erobern gilt. Auf seinen Streifzügen dringt er ein in die ihm fremde Umgebung, stellt einem sagenumwobenen Hecht nach und erkundet die unheimliche Slaweninsel. Die Angelkunst, wie Möller sie beschreibt, ist kein beschauliches Pensionärsvergnügen, sondern ein Beutegang, der die Sinne schärft und die Augen öffnet für das Zeitmaß der Natur.

Glaubt man dem Autor, handelt es sich um eine Art höheren Zustand, in dem sich Konzentration und Kontemplation verbinden: "Die Strömung trieb jetzt Gestrüpp vorbei. Es waren Äste von Schwarzerlen, ein Gewitter mochte sie heruntergerissen haben. Manchmal blieb ein Ast an den Schnüren unserer Grundangeln hängen, die das Wasser wie Bogensehnen durchschnitten, oder verfing sich an verwitterten Resten eines Holzstegs neben uns." Mit beeindruckender Sicherheit hält Möller über weite Strecken seines Buches einen Ton, der die Geschichte gleichsam trägt, die Poesie der Landschaft einfängt. Dass dies ohne Sentimentalität oder Schwärmerei gelingt, ist eine besondere Kunst - Natur ist hier nie bloße Kulisse, ist immer auch ein Schauplatz von Entscheidungen. Jeder Fang zwingt den Angler, über Tod oder Leben zu bestimmen, den Fisch zurückzuwerfen oder sterben zu lassen.

Der 1974 in Rostock geborene und heute in Berlin lebende Autor weiß offenbar, wovon er spricht - eine gern vernachlässigte schriftstellerische Qualifikation. Genau beobachtet und präzise beschrieben werden auch das Material und die Technik, die Blinker und Ruten, die Posen und Vorfächer. Die verblassenden Fotografien ostdeutscher Angelzeitschriften, weit entfernt von heute üblicher Hochglanzästhetik, erhalten hier den Rang soziologischer Artefakte, an denen sich der Wandel der Zeiten und der Lebensläufe studieren lässt. Es macht den Reiz dieses schmalen Buches aus, dass das allmählich erwachende Bewusstsein seines Helden, sein Erwachsenwerden und Weltbegreifen so mit den äußeren Umständen seines Lebens, mit den Beziehungen zur Familie und den Freunden verbunden sind, dass die verschiedenen Erzählschichten sich gegenseitig beleuchten und erhellen.

Die durch den leidenschaftlichen Eskapismus des Vaters zunächst ausgeblendete politische Wirklichkeit verschafft sich zunehmend Geltung und schlägt Bresche um Bresche in den Schutzwall des ländlichen Idylls. Vom Boykott der Olympischen Spiele in Los Angeles ist plötzlich die Rede, später von Ausreiseanträgen und Demonstrationen vor der Rostocker Stasi-Zentrale. Der 1989 noch als "Bester Jugendlicher im Friedfischangeln" ausgezeichnete Erzähler wirft wenige Jahre später gemeinsam mit dem Vater den Köder in den Landwehrkanal im Zentrum der neuen Hauptstadt, vor dem Neubau des Auswärtigen Amtes. Das Ferienhaus ist da schon halb verwaist, ein verwunschener Ort der Erinnerung.

Dass die familiäre Idylle keinen Bestand hat, erfährt der Leser gleich zu Beginn des Buches. 1986 holt der Vater seinen Sohn an dessen zwölftem Geburtstag bei der Mutter ab, um gemeinsam an eine besonders schöne Stelle der Warnow zu fahren. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Eltern längst getrennt. Noch bevor der Staat untergeht und wieder zusammenwächst, was zusammengehört, endet das Geborgensein einer Kindheit, die lange unter der Obhut von Simon Petrus, dem Schutzpatron der Fischer, gestanden hatte. Am einen Ende der Angel, so der Volksmund, hänge zumeist ein Wurm, am anderen ein Träumer oder Tagedieb. Dass es auch der Erzähler einer berührenden Vater-Sohn-Geschichte sein kann, ist eine Ausnahme und ein Glück.

MATTHIAS WEICHELT

Andreas Möller: "Traumfang". Eine Geschichte vom Angeln. Ullstein Verlag, Berlin 2009. 176 S., geb., 18,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Viktor Funk freut sich sichtlich über das kleine, ruhige Debüt des Germanisten Andreas Möller. Den Untertitel "Eine Geschichte vom Angeln" hält er denn auch für zu bescheiden. Schließlich geht es nicht nur um den - von der deutschen Literatur motivisch unterschätzten, wie Funk anmahnt - Wassersport, sondern nebenher auch um die Beschreibung einer mecklenburgischen Jugend in den letzten Jahren der DDR, in der Familie und Umgebung Schritt für Schritt auseinander fallen. Am Ende bleibe Protagonist A. nur das Angeln, diesmal am Kupfergraben neben dem neuen Außenministerium, erzählt Rezensent Funk, um noch einmal sichtlich begeistert auf die plastischen Angelbeschreibungen Möllers zu kommen und mit Möller an eine Zeit zu erinnern, in denen "nicht Fachbücher, sondern Berührungen und Gerüche die Lehrmeister" gewesen seien.

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