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Seine Freundin Esther scheint im siebenten Himmel. Der gesamte Bekanntenkreis gratuliert Tobias zur Vaterschaft in spe: "Glückwunsch. Respekt. Haste mal endlich was gemacht, was Hand und Fuß hat." Allein Tobias sieht die Welt auf sich zurasen. Bald schon ist die Stimmung getrübt. Denn seit seinem elften Lebensjahr ist sein rechter Arm nicht mehr gewachsen. Die Sache wird doch nicht erblich sein? Der Kaiser vom Knochenberg ist die Geschichte eines Unfalls, der nie passiert ist, und die Geschichte einer Kindheit, die trostlos war, aber nie ohne Komik. Mit leidenschaftlicher Fabulierkunst…mehr

Produktbeschreibung
Seine Freundin Esther scheint im siebenten Himmel. Der gesamte Bekanntenkreis gratuliert Tobias zur Vaterschaft in spe: "Glückwunsch. Respekt. Haste mal endlich was gemacht, was Hand und Fuß hat." Allein Tobias sieht die Welt auf sich zurasen. Bald schon ist die Stimmung getrübt. Denn seit seinem elften Lebensjahr ist sein rechter Arm nicht mehr gewachsen. Die Sache wird doch nicht erblich sein? Der Kaiser vom Knochenberg ist die Geschichte eines Unfalls, der nie passiert ist, und die Geschichte einer Kindheit, die trostlos war, aber nie ohne Komik. Mit leidenschaftlicher Fabulierkunst schreibt Krampitz mit dem Mut zur Selbstironie von Menschen, Zeiten und dunklen Geheimnissen - ein unangepasster, subtiler Roman von einem Erzähltalent, das für sich steht.
Autorenporträt
Karsten Krampitz geboren 1969, war mehrere Jahre Redakteur der "Straßenzeitung" und schreibt für die Berliner Seiten der "F.A.Z." und andere große Zeitungen. Immer wieder sorgte er mit Aktionen, über die u. a. auch stern-TV berichtete, für Aufsehen: etwa mit der Ausschreibung eines Betteldiploms mit Aufnahmeprüfung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.09.2002

Schwankend
Karsten Krampitz las
aus seinem neuen Roman
Den Roten Salon der Berliner Volksbühne denke man sich als Räucherhöhle, die am Mittwoch vor allem von Studenten aufgesucht wurde, um sich das dritte Buch von Karsten Krampitz vorstellen zu lassen, mit Lärm umgeben von der 1977 in Ostberlin gegründeten Band „Freygang”.
Im Klappentext wird mit der Bezeichnung „moderner Schelmenroman” vor einer langen Witzelei gewarnt: Der mit einer Erbkrankheit geschlagene junge Ich-Erzähler berichtet über verhindertes Vaterwerden, Liebeskonflikte sowie die Kindheit in der DDR.
Die Frau vom Ullstein Verlag nannte den dreiunddreißigjährigen Autor ein junges Talent, welches man „äußerst fördern” wolle, zumal sein Erzählungsband „Rattenherz” Lieblingsbuch von Harry Rowohlt sei. Mit Hintergründigem und Skurrilem müsse man rechnen.
„Hallo!”, sagte der Autor. Im Buchumschlag trägt er Wollmütze auf brünettem Haar, inzwischen ist er, vermutlich hintergründig, erblondet. Er setzte sich ans Mikrofon, rauchte und nuckelte an der Bierflasche. „Dann fangen wir mal an”, sagte er. „Vielleicht, dass ick noch mal zum Plot wat erzähle.” Denn: „Selbst die schönsten Kalauer ham einen Sinn.” Kalauer wie: „Berlin ist Bonntown geworden.”
Krampitz hatte bereits einiges Bier intus. Die Sätze seiner 192- seitigen Skurrilität sind kurz und einfach, aber er brachte keinen ohne Haspeln zu Ende. Brockenweise stieß er sie heraus, grinste, schob die Brille hoch, machte Äh und Ja und Ähem, bis sein Stammeln ans eigene Ohr drang. „Mann, wie les ick denn vor!”
Das ebenfalls flaschennuckelnde und rauchende Publikum lachte auch beifällig, als Krampitz von der hochdeutschen Grammatik seines Buches in den Hinterhalt gelockt wurde. „Mir und mich, wa. Also im Buch isset richtich jeschriem. Ick bin im ölften Semester Germanistik.” Großes Gelächter. Der Autor irrt. Im Buch isset nich allet richtich jeschriem. Der ehemalige Redakteur einer Straßenzeitung und Autor der Berliner Seiten der FAZ und jetzige Langzeitstudent der deutschen Sprache (im Nebenfach) hat Probleme mit der Deklination („samt der Stühle und Tische”). Er verfügt über für einen Roman zu geringen Wortschatz. Hilfsverbenkleister hält „Plot” und „Kalauer” zusammen: „Gern hätte ich gesehen, dass Vater und er einander gemocht hätten.” Oder falsche Anschlüsse: „Der Staat ließ sich seine Krüppel was kosten. Hat er das?”
Ein richtiger Schriftsteller würde Mundart auf künstlerisches Niveau heben, wie es vor 150 Jahren Adolf Glaßbrenner für das damals an französischen und jiddischen Vokabeln und eigenen Wendungen reiche Berlinische demonstrierte. Bis heute nutzt der ältere und von Bildung unverdorbene Urberliner den Plusquamperfekt im Übermaß. Keine schriftliche Grammatik hilft, das System eines Dialektes zu erfassen, vielleicht deshalb hält Krampitz Mundart für bloße Liederlichkeit.
„Wie spät ham watn jetze? Hab ick noch Zeit, ’n Schmankerl zum Besten zu jehm? Wat Komischet zum Schluss.” Krampitz begann erneut. Erst von einem Marko, dann aber, die Buchstaben verschwammen ihm vor Augen, wechselte er zu Mario, was ihn zu erneuter Unterbrechung veranlasste. Das komische Schmankerl bestand aus einer „Bremsspur” in Marko-Marios „Schlüpfer”, was das Publikum, inzwischen auch betrunken, brüllend goutierte.
Das „Erzähltalent, das für sich steht”, wie der Verlag meint, durchstammelte die Buchpremiere, vielleicht schwankte es. Ein Prosit uffde Talente bei die Ullsteins!
MARTIN Z. SCHRÖDER
KARSTEN KRAMPITZ: Der Kaiser vom Knochenberg. Roman. Ullstein Verlag, München 2002. 192 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2003

Der männliche Makel
Defektes Erbe: Karsten Krampitz' ostdeutsche Jugendgeschichte

Er wohnt, wie es seit einer Weile von jungen deutschen Autoren erwartet wird, in Berlin und tritt im "Kaffee Burger" auf. Er bevorzugt wie seine Generationskollegen eine schnoddrige Sprache und die Ich-Perspektive. Und er macht in seinem zweiten Roman "Der Kaiser vom Knochenberg" das, was der literarische Nachwuchs hierzulande nun einmal derzeit am allerliebsten tut: das eigene Leben zu Papier bringen, wie es nach der westdeutschen Popfraktion neuerdings auch - im Fahrwasser von Thomas Brussig - vermehrt Autoren aus dem Osten tun.

Karsten Krampitz, 1969 in Rüdersheim geboren und unweit von Berlin aufgewachsen, gehört zu jenen "Zonenkindern", die Jana Hensel in ihrem gleichnamigen Bestseller als "die ersten Wessis aus Ostdeutschland" charakterisiert. Auch er war beim Mauerfall noch zu jung, um sich politisch mit dem SED-Regime auseinandergesetzt zu haben, aber doch bereits alt genug, um sich seiner Herkunft verpflichtet zu fühlen. Sein Alter ego Tobias ist in der Nähe Berlins aufgewachsen, studiert ebenfalls Geschichte und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Und er leidet auch unter derselben seltenen Knochenkrankheit wie Krampitz, die einen verkürzten rechten Arm zur Folge hat. Krampitz erzählt also seine ganz persönliche Geschichte, die wegen des gesundheitlichen Handicaps eine Leidengeschichte ist.

Mag sich Tobias' Bericht auch flapsig anhören - ihn durchzieht doch ähnlich wie Benjamin Leberts Internatsbeichte "Crazy" ein Schmerzenston des selbsterlebten Elends, den eine auf Amüsement ausgerichtete junge Erinnerungsprosa oftmals ausspart. "Ich bin nicht behindert, nur erpreßbar", stellt Tobias gleich zu Anfang fest: "Dauernd meinen Frauen ein gutes Werk zu tun. Und alle wissen sie genau um die geringe Wahrscheinlichkeit, einer anderen wegen verlassen zu werden." Das klingt lapidar und betont unlarmoyant. Doch ist in solchen Sätzen die ganze Bitterkeit aufgespeichert, im real existierenden Sozialismus auf einen "glücklichen Krüppel" gedrillt worden zu sein. Tatsächlich scheint Krampitz nichts mehr zu fürchten als den Mitleidsbonus seiner Leser. Schon im Vorläufer "Affentöter" war er als Chronist der Berliner Obdachlosenszene um äußerste Nüchternheit bemüht.

In seinem neuen Buch leiht er nun abermals einem Außenseiter und verspotteten Einzelgänger die Stimme. Bevor Tobias mit elf Jahren in einem staatseigenen Behindertenheim landet, wird er von seinen Klassenkameraden bereits als "Bonzenbaby" verhöhnt. Schließlich arbeitet nicht nur seine Mutter als Sekretärin für den Bürgermeister. Auch sein Vater läßt sich als hochrangiger Parteigenosse regelmäßig mit Dienstwagen und Chauffeur durch das Dorf kutschieren und brüstet sich, "der Erich Honecker von Wolzow" zu sein. Das macht den Sohn nicht gerade beliebt. Abgeschottet wohnt das umhegte Einzelkind mit seinen Eltern am Ortsrand auf einem Hügel, dem sogenannten "Knochenberg", wo außer dem einzigen Kinderfreund Torsten nur noch gutbetuchte Rentner zu Hause sind.

Tobias geht es von daher nicht wie anderen Zonenkindern um die Suche nach der Herkunft. Ihn, den früh Ausgeschlossenen, treibt fern aller Staatsideologie die viel existentiellere Frage um, ob er überhaupt zum vollwertigen Mitglied einer Gemeinschaft taugt - um beispielsweise ein eigenes Kind aufzuziehen. Zum Auslöser für seinen Blick zurück wird die unverhoffte Schwangerschaft seiner Freundin Esther. Ihr hat Tobias einst wie allen Frauen, die ihm gefielen, die "Bettlüge" aufgetischt. Jenes "Märchen von einem Unfall", der ihn angeblich verstümmelt habe. In einer Welt, die "einen kräftigen Männerhändedruck und nicht den eines Kleinkindes" verlangt, verschweigt man besser die Wahrheit eines erblichen Gendefekts.

Als gelegentlicher Taxifahrer hat Tobias viel Zeit, über seine Beziehungsprobleme nachzudenken. Zwischen den Fahrten schwadroniert er da im inneren Monolog über den letzten gemeinsamen Urlaub, über sein ehemaliges Behindertenheim, über die Schulzeit, Fußballspiele und Thälmannpionierwahlen - bis hin zum Karriereknick des Vaters und zu den Depressionen der Mutter. Ebenso ausufernd, wie sich die Themen entwickeln, vermehrt sich auch das Personal. Kurz: Tobias' Bewußtseinsstrom rauscht wie ein Wasserfall.

Entsprechend gleicht Krampitz' Buch eher einem langen Kumpelgespräch als einem durchkonzipierten Roman: Es erzählt engagiert, manchmal überschießend und stellenweise redundant, ohne große literarische Ambition. An den schlechteren Stellen schreckt der zweiunddreißigjährige Autor auch nicht vor binsenweisen Ausdrücken wie "Arbeit hat noch keinem geschadet" oder: "Eine neue Klasse ist wie ein neues Leben" zurück.

An den besseren beweist er genaues Gespür und Talent zu schwarzem Humor. Etwa dort, wo Tobias' labile Mutter das Aufräumen der Wohnung immer wieder mit dem Hinweis verschiebt, sie müsse erst noch "ihre Papiere sortieren". Der "Kaiser vom Knochenberg" ist ein schnell geschriebenes Buch, an dessen Konstruktion Krampitz noch hätte feilen müssen. Dem anrührenden Charme einer offenherzigen Rotzlöffeligkeit, mit der er das eigene Schicksal preisgibt, tut das keinen Abbruch.

GISA FUNCK

Karsten Krampitz: "Der Kaiser vom Knochenberg". Ullstein Verlag, Berlin 2002. 192 S., geb., 18.50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Karsten Krampitzs "Der Kaiser vom Knochenberg" hat Rezensentin Gisa Funk trotz einiger Schwächen recht gut gefallen. Obgleich im Ton recht "flapsig", durchziehe die Geschichte um den behinderten Außenseiter und Einzelgänger Tobias ähnlich wie Benjamin Leberts Internatsbeichte "Crazy" ein "Schmerzenston des selbsterlebten Elends, den eine auf Amüsement ausgerichtete junge Erinnerungsprosa oftmals ausspart". Insgesamt gleicht Tobias' Lebensbericht nach Ansicht Funks eher einem "langen Kumpelgespräch" als einem durchkomponierten Roman. Krampitz erzähle engagiert, manchmal überschießend und stellenweise redundant, ohne große literarische Ambition. An den schlechteren Stellen schrecke der Autor auch vor Plattheiten nicht zurück, an den besseren beweise er "genaues Gespür und Talent zu schwarzem Humor", verteilt die Rezensentin Lob und Tadel. Der "Kaiser vom Knochenberg" sei ein schnell geschriebenes Buch, an dessen Konstruktion Krampitz noch hätte feilen müssen, moniert Funk . Nichtsdestoweniger: "Dem anrührenden Charme einer offenherzigen Rotzlöffeligkeit, mit der er das eigene Schicksal preisgibt", schließt die Rezensentin, "tut das keinen Abbruch."

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