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Francoise Sagan lässt ihr Leben anhand ihrer Romane an uns vorüberziehen. Denn sie stellt fest, dass ihre Bücher die "einzig überprüfbaren Eckdaten" ihres Lebens sind. Angefangen bei "Bonjour Tristesse" bis zu "Und mitten ins Herz" taucht die Schriftstellerin in ihre eigene Vergangenheit ein, lässt die damalige Zeit mit ihren Menschen und Ideen Revue passieren.

Produktbeschreibung
Francoise Sagan lässt ihr Leben anhand ihrer Romane an uns vorüberziehen. Denn sie stellt fest, dass ihre Bücher die "einzig überprüfbaren Eckdaten" ihres Lebens sind. Angefangen bei "Bonjour Tristesse" bis zu "Und mitten ins Herz" taucht die Schriftstellerin in ihre eigene Vergangenheit ein, lässt die damalige Zeit mit ihren Menschen und Ideen Revue passieren.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.03.2000

Auch die Ermordeten sind schuldig
Françoise Sagan schreibt ihre Erinnerungen – und wird zur populären Leidensgefährtin von Ingeborg Bachmann und Marguerite Duras
Es war die Zeit, als sich die letzten deutschen Spätheimkehrer von ihren Kindern „Mutti, was will der fremde dünne Mann hier?” anhören mussten, als Günter Eich „Ich beneide alle, die vergessen können” dichtete und Ernst Rowohlt einen komischen Wunsch hatte. Höflich bat er die Leser, nicht jede Neuerscheinung seines Verlages zu kaufen. Die rororo-Romane sollten „nur in die Hände eines Käufers gelangen, der wirklich daran interessiert ist”. Es gab zu wenig Papier und so viel unglückliche Menschen wie begeisterte Leser.
Hier war Wüste, in den Fünfzigern, bei unseren Nachbarn in Paris saßen die Intellektuellen wieder in den Cafés am Boulevard du Montparnasse. Chaplin aß mit Sartre, und Simone de Beauvoir kämpfte gegen die Ehe und für die freie Liebe. Zwischen Passy und La Muette trieben Fräuleins junge Mädchen in Zweierreihen vor sich her. Eins dieser jungen Mädchen hieß Françoise Quoirez. Sie war bei den Abschlussklausuren durchgefallen und musste während des Sommers den Unterrichtsstoff wiederholen. Ihr erstes Semester an der Sorbonne verbrachte sie damit, „irgendwelchen albernen Kram” in ein blaues Heft zu schreiben. Françoise Quoirez war neunzehn, als 1954 unter dem Pseudonym Françoise Sagan ihr erster Roman „Bonjour Tristesse” erschien und sie weltberühmt machte.
Im Figaro pries François Mauriac ihr funkelndes Talent, die Unbeschwertheit und Kühnheit der Jugend. Mademoiselle Sagan kaufte sich einen Jaguar XK 140 und war ein Star. Die Geschichte vom kleinen siebzehnjährigen Biest, das in den Sommerferien am Mittelmeer zwei Geliebte ihres Vaters austrickst und zwischendurch schuldbewusst schmollt, verstieß gegen alle Konventionen der französischen katholischen Gesellschaft und war zugleich eine Verheißung – der Schlusssatz „Traurigkeit – komm, Traurigkeit” rührte Millionen. Sagans Erinnerungen an ihre Bücher, Autos, Männer, Verleger, Kritiker, Schlaftabletten, Drogen, Halbtode, Leopardensofas in „Mein Blick zurück” (Deutsch von Claudia Feldmann, Ullstein, 36 Mark) sind Tarnungen zu Lebzeiten. Sie hat ihre Erinnerungen pingelig sortiert, mit viel mehr Hygiene, Selbsthass und Bescheidenheit, als es ihre Bücher verdient haben.
Nach eigenen Aussagen kleben ihre „albernen kleinen Romane” wie seltsame Schnecken am Literaturfelsen. Auch wenn sie aus Furcht vor Stolz und Überheblichkeit lieber von den Misserfolgen als von den Millionen Lesern spricht, denen ihre Bücher „Lieben sie Brahms?” oder „Und mitten ins Herz” Liebes- und Gottersatz waren, gelingt es ihr nicht ganz, ihre Verbitterung zu vertuschen – Verbitterung über die „Macht der Presse”, über Kritiker, die echten und falschen Freunde, über den Betrieb und die wechselnde Rolle, die der prominente Autor darin spielt. Ohne sich dessen bewusst zu sein, inszenierte die Frau mit dem „Mausgesicht” ihr eigenes noch unvollständiges Leben wie ein Hollywood-Drehbuch. Sie, der weibliche Dandy, die Frau mit Vorliebe für teure Autos, für Exzesse, Alkohol, Drogen, Umzüge, für Manifeste und für Mitterrand, mit Preisen und Ehrungen überhäuft, versäumt auch im Alter von 65 Jahren keine Gelegenheit, ihr Talent herunterzuspielen.
Ihre „berühmte kleine Stimme” klingt in naivem Ton, mit trainierter Schüchternheit. Der Mythos Sagan, der auf die vergangenheitsbefrachteten Deutschen abstrahlte, wurde die Signatur einer neuen Zeit. Das „charmante Monster” warf Leben und Literatur zusammen, machte Schlagzeilen, litt ausgiebig und schrieb über dieses Leiden einen neuen Bestseller. Man kann Sagan aus dem blauen Dunst der Gauloise, aus Paris und dem Prominentenscheiterhaufen Saint-Tropez herausholen und sie neben ihre Schriftstellerkolleginnen, die auch im Zwielicht dieser Welt zu Hause sind, stellen – sie erscheint da als populäre Taschenausgabe neben Ingeborg Bachmann oder Marguerite Duras. Was sie verbindet, ist die Leidenslust – aus dieser Neigung wird im Glücksfall Literatur. „Sagt man nicht”, lässt Bachmann den Guten Gott von Manhattan im gleichnamigen Hörspiel philosophieren, „es seien nicht immer die Mörder, sondern manchmal auch die Ermordeten schuldig?”
Todesahnungen bestimmen Ingeborg Bachmanns Werke, bei Marguerite Duras wird das Todeslied zur dominanten Melodie, und Françoise Sagan spielt das Lied vom Tod in „Bonjour Tristesse” zum ersten Mal und dann immer wieder. 1957 kommt sie beinah auf die gleiche Weise, bei einem Autounfall, ums Leben wie ihre Hauptfigur. Bücher, sagte Bachmann, werden geschrieben, damit uns die Augen aufgehen. „Adieu amour” schließt Sagan mit dem Versprechen ab, dass der Held jetzt „Zeit genug zu leiden” habe. Das Wort ennui gebraucht sie so ausdauernd wie Büchners Leonce.
Für eine Kapitulation zu Lebzeiten ist es noch zu früh, denn, schreibt sie, die neuen Romane „warteten bereits auf mich, sie brauchten mich zum Leben, so wie auch ich sie zum Leben brauchte. ” Aus Sorge, sich selbst zu entblößen, schlägt Sagan, wenn sie über sich selbst spricht, einen pastoralen Ton an und parliert über die Segnungen des Älterwerdens, den Irrtum „strahlender Siege” und das nutzbringende Streben nach „ehrenhaftem Frieden”. Ihr keuscher „Blick zurück” gönnt sich in den Lolita-Kulissen der Fünfziger und Sechziger nur ein paar Seufzer und hält es mit Simone de Beauvoir, die behauptete, dass das Gute und das Böse Teile der Konvention sind, die sie nicht einmal im Traum zu respektieren bereit sei.
Erfolg kann ähnlich negative Auswirkungen haben wie Schönheit, Klugheit, Hässlichkeit und Misserfolg – keiner hat das treffender beschrieben als Truman Capote in seiner Erzählung „Hollywood”, und kaum jemand könnte sich dazu profilierter äußern als Françoise Sagan. Aber was tut eine fünfundsechzigjährige Frau, die wie Beauvoir, Duras und Brigitte Bardot zu den Löwinnen im Kampf um die sexuelle Befreiung gehörte, in ihren Erinnerungen? Sie spricht dezent wie ein Hoffräulein von der nervösen Depression als Geißel der modernen Zeit und rettet sich in Pascals Zitatenalbum, um genau das auszudrücken, was sie nicht zu sagen wagt: „Wie schön ist doch ein Leben, das mit der Liebe beginnt und mit dem Ehrgeiz endet. ”
Zu schreiben, behauptet Françoise Sagan, bedeutet nicht, sich zu offenbaren, sondern ein Bild von sich zu projizieren, das im Gedächtnis bleibt. Sie weiß, dass sie schön über etwas redet, was so gar nicht stimmt. In „Bonjour Tristesse” kämpft die siebzehnjährige Cécile mit dem Verlangen, Ordnungen zu zerschlagen und der Liebe zu misstrauen. Diese Sehnsucht hat aus Françoise Sagans eigenem Leben einen Raubdruck ihrer Romane gemacht.
VERENA AUFFERMANN
Françoise Sagan
Foto: SZ-Archiv
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Zu einer Party geladen fühlte sich die Rezensentin Ursula März durch dieses Buch, aber schon bei der Begrüßung durch die Gastgeberin ist sie leicht verärgert. Nur an ihre Romane als eindeutige Richtpunkte ihrer Erinnerung will die Sagan sich halten, so schreibt sie am Anfang. Und bedauerlicherweise, so März, hat sie sich daran auch gehalten; die Party wird organisiert als "kleine literaturgeschichtliche Vorlesung in eigener Sache". Im Licht ihrer Romane gibt sie dann und wann etwas aus ihrem Leben preis. Immerhin ist das alles uneitel geschrieben, aber wenig ergiebig: die "Vorführung katzenhaft geschmeidiger Vermeidung", meint Ursula März, und verdrückt sich von dieser Party schnell wieder.

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