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Leila Guerriero ist die vielleicht angesehenste Journalistin Lateinamerikas. Ihre bestechenden Reportagen nehmen uns mit ans südliche Ende des Kontinents, und doch sind sie exemplarisch und von einer verblüffenden Allgemeingültigkeit in der heutigen globalisierten Welt. Sie erzählt von einer Gruppe junger Studenten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Toten in den Massengräbern der Diktatur zu identifi zieren - und mit ihren Methoden mittlerweile im Kongo wie im Kosovo gefragt ist. Von der absurden Welt der Direktvertriebs-Unternehmen, für deren zumeist weibliche Vertreterinnen ihr Label…mehr

Produktbeschreibung
Leila Guerriero ist die vielleicht angesehenste Journalistin Lateinamerikas. Ihre bestechenden Reportagen nehmen uns mit ans südliche Ende des Kontinents, und doch sind sie exemplarisch und von einer verblüffenden Allgemeingültigkeit in der heutigen globalisierten Welt. Sie erzählt von einer Gruppe junger Studenten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Toten in den Massengräbern der Diktatur zu identifi zieren - und mit ihren Methoden mittlerweile im Kongo wie im Kosovo gefragt ist. Von der absurden Welt der Direktvertriebs-Unternehmen, für deren zumeist weibliche Vertreterinnen ihr Label so etwas wie eine Ersatzfamilie ist und die den Verkauf mit missionarischem Eifer betreiben. Leila Guerriero erzählt wahre Geschichten mit dem Rhythmus und der Sinnlichkeit eines guten Romans. Ähnlich wie Joan Didion ist sie eher Schriftstellerin als Journalistin.
Autorenporträt
Leila Guerriero, geboren 1967 in Junín, Argentinien, lebt seit 1984 in Buenos Aires. In einer Rede gestand sie einmal, dass sie nie irgendeinen Studiengang oder auch nur Kurs für Journalisten besucht hat. Ihre Reportagen zeichnen sich durch gründliche Recherche und eine hohe literarische Qualität aus.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bis auf einige stilistische Schnitzer hat Tobias Kreutzer nichts auszusetzen an den Erzählungen der argentinischen Journalistin Leila Guerriero. Im Gegenteil scheinen ihm die zwischen 2001 und 2013 in spanischsprachigen Zeitungen publizierten Texte eine packende Dramatik zu entwickeln, wie er sie eigentlich nur aus der Literatur kennt. Cronica heißt das in Argentinien, wenn gleichnishaft eine Story erzählt wird, die viel Raum für Deutung lässt, belehrt uns Kreutzer und beneidet die Autorin um derart spannende, symbolhafte Figuren und Begebenheiten. Dass die Autorin ihre wahren Geschichten und Familienschicksale, wie die des Riesen Jorge González, häufig an die Militärdiktatur in ihrem Land anbindet, macht die Sache umso fesselnder, meint Kreutzer.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.2014

Der Riese möchte lieber etwas Größeres sein
Leila Guerrieros Geschichten künden vom Reichtum, den Südamerika seinen Erzählern bietet

Die argentinische Journalistin Leila Guerriero erzählt unglaubliche Geschichten von ihrem so großen wie vielseitigen Kontinent. Entweder es regnet tagelang in Strömen, so dass die Gassen ganzer Ortschaften sich in Sturzbäche verwandeln, oder ein unbarmherziger Wind weht. Auf dem größten illegalen Markt Südamerikas herrscht "kannibalische Kälte", und an einem "eisigen Mittag" im August wartet die Autorin in Buenos Aires auf ihre Gesprächspartnerin. Im Vorwort zu "Strange Fruit", einer Sammlung reportageartiger Texte, die Leila Guerriero von 2001 bis 2013 in unterschiedlichen spanischsprachigen Zeitungen veröffentlicht hat, erklärt sie, durch den amerikanischen Autor Jeffrey Eugenides zur Einbindung jener "bedrohlichen Elemente" in die eigenen Texte inspiriert worden zu sein.

Überhaupt ist Guerrieros Art, von wahren Begebenheiten zu berichten, eine sehr literarische. Statt einer journalistischen Ausbildung sei es das fast vierstündige Wüstenfilmepos "Lawrence von Arabien" gewesen, durch das sie am meisten über das Erzählen von Geschichten gelernt habe. Möglicherweise kommt daher auch der dramatische, fast epische Unterton in ihren zehn sogenannten crónicas, die jetzt auf Deutsch vorliegen.

Die Textgattung der crónica lässt sich als eine gegenüber Reportagen wesentlich literarischere Form beschreiben und hat im mitteleuropäischen Sprachraum kein Äquivalent. Fast schon gleichnishaft wird eine Geschichte erzählt, die viel Platz lässt für Meinung, Deutung, Selektion und bedeutungsschwere Symbolik. Nur eines darf die crónica laut Leila Guerriero nicht: etwas erzählen, das sich so nicht zugetragen hat. Es sei ihr Anspruch, die Grenze zwischen Journalismus und Literatur mit Texten zu überwinden, die es im Grunde gar nicht gebe.

Um die Begebenheiten und Protagonisten, die Guerriero auf knapp 260 Seiten versammelt hat, kann man sie nur beneiden. Da gibt es Jorge González, den "Riesen, der groß sein wollte". Durch eine seltene Krankheit mit überdurch- schnittlichem Wachstum gleichermaßen gesegnet und gestraft, blickt er am Ende seines kurzen Lebens und im Rollstuhl zurück auf eine Basketballkarriere, einige Zeit als Wrestler in Amerika, viele Frauen und einen ebenso schnellen Absturz, der auf den rasanten Aufstieg folgte. Dann ist da Yiya Murano, die "Giftmischerin von Montserrat", eine verurteilte dreifache Mörderin, von der Guerriero das beklemmende Porträt einer zutiefst narzisstischen und getriebenen Frau zeichnet, ohne dass am Ende klar würde, ob man es mit einer eiskalten Mörderin oder einem der größten Justizopfer der argentinischen Geschichte zu tun hat. Solche Geschichten schreiben Drehbuchautoren, sollte man meinen, keine Journalisten.

Vor allem die generationsübergreifenden Familienschicksale und die häufigen Verknüpfungen mit der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 liefern packenden Stoff. Hinzu kommt, dass die Texte von den großen Redeanteilen der durchweg spannenden Protagonisten profitieren. Die einzelnen crónicas zeichnen sich durch eine gewisse Atemlosigkeit aus, und auch wenn spätestens der dritte spanische Name wenige Zeilen später schon wieder vergessen ist, kann man die Lektüre doch bis zum Ende der Geschichte nicht unterbrechen. Man merkt diesen Texten an, dass sie für Zeitungen geschrieben wurden, in denen die Fesselung des Lesers wichtigstes Gut ist.

Mitunter driftet Guerriero bei aller Fixiertheit auf eine Spannungskurve leider ins Aufgesetzte, ja Überdramatisierte ab. Die Einleitungsfloskel "Vor zwei Stunden, als alles anfing" muss nicht wiederholt werden, bis der Leser endlich erfährt, was denn da Weltbewegendes anfing (ein Konzert). Auch ein ungeschickter erzählerischer Schwenk wie in der Geschichte "Simbabwe", der aufdringlich das fehlende Mitgefühl für aidskranke Kinder in einem Waisenhaus mit dem überbordenden Mitgefühl für Tiere in einem Tierwaisenhaus kontrastiert, wirkt fehl am Platz. Durchaus möglich, dass so etwas zum parabelähnlichen Charakter der klassischen crónica gehört, zumindest in der Übersetzung funktioniert es nicht immer.

TOBIAS KREUTZER

Leila Guerriero: "Strange Fruit". Aus dem Argentinischen von Kirsten Brandt. Ullstein Verlag, Berlin 2014. 272 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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