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Im Jahr 1966 kam es zu dem legendären SPIEGEL-Gespräch mit Martin Heidegger. Auf Wunsch des Philosophen wurde es erst 1976, nach seinem Tod, veröffentlicht. Vorbereitet hatte es SPIEGEL-Ressortleiter Georg Wolff, ein ehemaliger SS-Hauptsturmführer und Geheimagent, der zusammen mit Rudolf Augstein das Gespräch führte. Die Resonanz war überwältigend, äußerte sich Heidegger doch erstmals über sein umstrittenes Verhältnis zum Nationalsozialismus. Lutz Hachmeister beleuchtet die Hintergründe des Gesprächs und enthüllt das sonderbare Zusammenspiel von Heideggers Vertuschungsstrategie und Augsteins…mehr

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Produktbeschreibung
Im Jahr 1966 kam es zu dem legendären SPIEGEL-Gespräch mit Martin Heidegger. Auf Wunsch des Philosophen wurde es erst 1976, nach seinem Tod, veröffentlicht. Vorbereitet hatte es SPIEGEL-Ressortleiter Georg Wolff, ein ehemaliger SS-Hauptsturmführer und Geheimagent, der zusammen mit Rudolf Augstein das Gespräch führte. Die Resonanz war überwältigend, äußerte sich Heidegger doch erstmals über sein umstrittenes Verhältnis zum Nationalsozialismus. Lutz Hachmeister beleuchtet die Hintergründe des Gesprächs und enthüllt das sonderbare Zusammenspiel von Heideggers Vertuschungsstrategie und Augsteins Faszination für den nationalkonservativen Denker. Ein spannendes Kapitel deutscher Geistesgeschichte.

Der Medienforscher Lutz Hachmeister schildert erstmals Hintergründe, Vorgeschichte, Verlauf und Wirkung des legendären SPIEGEL-Gesprächs, das Rudolf Augstein und sein Ressortleiter Georg Wolff 1966 mit dem Philosophen Martin Heidegger führten. Er erhielt Zugang zum umfangreichen Briefwechsel Augsteins und Wolffs mit Heidegger und beschreibt minutiös die Vorbereitungen und die unterschiedlichen Interessen der Gesprächspartner.
Auch das Originaltonband des Interviews stand Hachmeister zur Verfügung. Er vergleicht es mit der endgültigen, stark redigierten und gekürzten Fassung, die nach langem Hin und Her zwischen Heidegger und dem SPIEGEL zustande kam und 1976, nach dem Tod des Philosophen, erschien.
Er zeigt, wie Heidegger letztlich den SPIEGEL-Herausgeber ausmanövrierte, dem es vor allem darum ging, den "Zauberer von Meßkirch" als Trophäe in seinem Blatt zu haben. Das Ergebnis ist ein höchst aufschlussreiches Kapitel deutscher Geistesgeschichte und ein erhellender Blick auf die Selbstinszenierung des wirkungsmächtigen Philosophen.
Autorenporträt
Lutz Hachmeister arbeitet als Medienforscher, Regisseur und Produzent in Köln. Er war Direktor des Adolf-Grimme-Instituts und Leiter des Kölner Fernseh- und Filmfests.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Uwe Justus Wenzel rühmt die Recherche des Autors und Filmemachers Lutz Hachmeister und seine Leistung, Vor- und Nachgeschichte des legendären Spiegel-Interviews sowie die Geschichte der Beteiligten möglichst abgeklärt mittels filmischer Dramaturgie zu erzählen. Dabei erschließt sich dem Rezensenten deutsche Vergangenheit, dunkle zumeist, denn es geht wesentlich um Heideggers Nähe zum Dritten Reich und die SS-Vergangeheit des Spiegel-Redakteurs Georg Wolff, der zusammen mit Rudolf Augstein das Interview führte. Zwar lässt der Autor den Leser laut Wenzel wissen, dass keine Text-Korrekturen von Seiten Heideggers vorgenommen wurden, deutlich wird jedoch auch, dass Heidegger vom Spiegel keine allzu kritischen Fragen gestellt bekam. Hachmeisters Charakterisierung von Heideggers Verhältnis zu Medien und Öffentlichkeit als "konsequent inkonsequent" erscheint dem Rezensenten treffend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2021

Stolz, einsam und erhaben

Das gab tolle Aufnahmen: Martin Heideggers Bildpolitik war vom Willen zur Regie der eigenen Rezeption bestimmt. Nach seinem Tod gab die junge Grafikerin Tanja Grunert den fotografischen Ikonen des herrischen Denkens einen subversiven Rahmen nach Art der Pop-Art.

Von Eckhardt Köhn

Als der Journalist Ulf Poschardt am 21. Juni 2018 bei Twitter eine Porträtfotografie von Martin Heidegger gepostet und statt näherer Erläuterungen lediglich die aufreizende Bemerkung "Nur mal so" hinzugefügt hatte, sahen viele Leser darin eine Provokation und reagierten entsprechend aggressiv. "Oh, das Photo eines Antisemiten und Nationalsozialisten, wie erfrischend", bemerkte ironisch einer der Kritiker, der die abgebildete Gestalt sofort identifiziert und den diffusen Tweet vermutlich als Beitrag zur Debatte über den kurz zuvor veröffentlichten fünften Band der "Schwarzen Hefte" verstand. Ein sarkastischer Witzbold ließ erkennen, dass er etwas genauer auf die Details des Bildes geschaut hatte und in der Kopfbedeckung ein Skandalon sah: "Adolf Hitler? Mit Kippa auf, ein besonders interessantes historisches Dokument." Es stammt von dem Berliner Fotografen Fritz Eschen, der 1957 eine Serie von Heidegger-Porträts aufgenommen hatte. Aber ist es wirklich eine Kippa, die der Denker trägt? Wohl kaum, selbst wenn man seine Vorliebe für die auf vielen Abbildungen markant hervortretenden Hüte, Schirmkappen, Zipfel- und Baskenmützen berücksichtigt. Allerdings bleibt das Bild auf merkwürdige Art zweideutig, widersprüchlich wie Heideggers Verhältnis zur Fotografie insgesamt.

Martin Heidegger, der mit dem Erfolg von "Sein und Zeit" im Jahre 1927 plötzlich im Licht der von ihm geschmähten Öffentlichkeit stand, erwies sich lebenslang als Virtuose medialer Selbstdarstellung. Kein deutscher Philosoph des zwanzigsten Jahrhunderts hat sich häufiger fotografieren lassen. Verachtung der Presse, Hass auf das Feuilleton und Klagen über allerorts knipsende Touristen hinderten ihn nicht daran, sich ihrer Kunst zu bedienen, wenn namhafte Fotografen wie Felix Man, Paul Swiridoff, Eric Schaal, Fritz Eschen oder Karl-Heinz Bast mit journalistischen Aufträgen an ihn herantraten. Allerdings zeigen die Porträts, dass dieses Einverständnis immer an die Voraussetzung gebunden war, selbst die Bildregie zu übernehmen. Heidegger war ein Stratege in eigener Sache, der sehr genau wusste, welche Rolle er jeweils spielen, welches Bild von sich er der Öffentlichkeit vermitteln wollte.

Zugrunde lag dem sicher eine in seiner Persönlichkeit angelegte Lust an Spiel, Verstellung und Komödiantentum, zudem dürfte ihm vertraut gewesen sein, dass Nietzsche Richard Wagner als genialen Schauspieler gerühmt hatte. Heideggers erste Proben fallen in eine Zeit, in der sich die Porträtfotografie im Hinblick auf Gesichtsausdruck, Körperhaltung und Kleidung zunehmend am Modell des zu Image- und Werbezwecken entwickelten Schauspielerbildnisses orientierte, das in Form von Postkarten und Sammelbildern massenhafte Verbreitung fand. Während seine Privataufnahmen, formal den Standards der konventionellen Amateurfotografie folgend, im Familienalbum landeten, zeigen die publizierten Bilder, wie geschickt Heidegger den jeweils vom Zeitgeist diktierten Habitus in seine Posen einfließen ließ.

Für den 1931 herausgegebenen Band "Der Weg voran! Eine Bildschau deutscher Höchstleistungen", der Deutschlands Wiederaufstieg nach dem Ersten Weltkrieg dokumentieren sollte und auch die Philosophie berücksichtigte, reichte Heidegger eine Aufnahme ein, die ihn auf Skiern an einem Berghang zeigt: mit Hut, Kniebundhosen und Rucksack ausgestattet, freundlich nach vorne blickend, offensichtlich auf der Schussfahrt ins Tal kurz innehaltend, um sich fotografieren zu lassen. Der Philosoph wirkt naturnah, sportlich und dynamisch, Aktivitätsformen und Symbolik jugendbewegter Unbürgerlichkeit verkörpernd, während im Foto daneben sein früherer Marburger Kollege Nicolai Hartmann den Gelehrten alter Schule vorstellt: am Schreibtisch, einen Füllfederhalter in der Hand, an einem Text arbeitend und in der Anmutung so entfernt vom Leben wie Faust in seiner Studierstube.

In einer ganz anderen Rolle präsentierte sich Heidegger in einem 1934 publizierten Porträt. Der Philosoph sitzt in einem Sessel standesgemäß vor einer Bücherwand, bekleidet mit einer trachtenähnlichen dunklen Jacke. Die Ausleuchtung wird ganz auf das Gesicht zentriert, dessen Züge wie erstarrt wirken und den Eindruck fanatischer Entschlossenheit vermitteln. Doch anders als bei Frontalansichten üblich wird der Betrachter nicht angeschaut. Heideggers Blick ist ostentativ zur Seite gerichtet, geistig ein in der Ferne und nur für ihn sichtbares Ziel fixierend. Genau auf der Höhe des Herzens trägt Heidegger ein Abzeichen, das, gestaltet in Form eines Adlers, auf hoheitliche Aufgaben verweist, in diesem Fall auf Heideggers Funktion als Politischer Leiter der NSDAP, der er am 1. Mai 1933 beigetreten war. Ikonographisch nahe an den Hitler-Porträts von Heinrich Hoffmann, zeigt das Bild den Philosophen als NS-Ideologen, der vielleicht noch, wie von Alexander Kluge fingiert, dem Gedanken nachhing, zum "Leiter der Führer-Lehrbegleitstaffel" berufen zu werden.

Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich hat als Erster auf Heideggers extrem entwickeltes Bildbewusstsein aufmerksam gemacht und dessen Fähigkeit herausgestellt, sich fotografisch in Szene zu setzen. Ein Erfolgsmodell, das seine Wirksamkeit nach 1945 vollends entfalten konnte, zumal Heidegger nun über vielfältige Erfahrungen mit der Aufnahmesituation verfügte. Eine Kontinuität performativer Wandlungsfähigkeit, die sich im Sinne der Anthropologie Helmuth Plessners deuten lässt: "Von der schauspielerischen Aktion her verstehen wir menschliches Leben schließlich als Verkörperung einer Rolle nach einem mehr oder weniger feststehenden Bildentwurf, der in repräsentativen Lagen bewusst durchgehalten werden muss." Nach dem Ende des Nationalsozialismus mit einer solchen Situation konfrontiert, präsentierte sich Heidegger nun als Seinsdenker mit "Präzeptorenattitüde" (Hans Blumenberg).

Ohne Zweifel hatte er seinen stärksten Auftritt während des legendären ",Spiegel'-Gesprächs" im September 1966, als es ihm gelang, allen kritischen Fragen auszuweichen und sich stattdessen in der Rolle des unpolitischen, weltweisen Eremiten zu präsentieren, wie Lutz Hachmeister in seinem aufschlussreichen Buch "Heideggers Testament" (F.A.Z. vom 8. März 2014) dargestellt hat. Als der bis zum Zeitpunkt seines Todes von Heidegger sekretierte Artikel im Mai 1976 erschien, erwiesen sich Heideggers Aussagen für alle an seinem Fall wie an seiner Philosophie Interessierten als riesige Enttäuschung. Von enormer Wirkung hingegen waren die dem Artikel beigefügten Fotografien der damals zweiunddreißigjährigen Digne Meller Marcovicz, die sowohl den Besuch der Redakteure des "Spiegel" in Heideggers Freiburger Haus als auch den Ausflug zu seiner Todtnauberger Hütte mit der Kamera begleitet hatte. Nach der Lektüre des Interviews notierte der missgünstige Carl Schmitt in sein Tagebuch: "Triumph der Fotografie", sah er doch nur allzu deutlich, wie Heideggers Wille zum Nachruhm die Bilder präfiguriert hatte.

In der Tat ist, wie Frank Schirrmacher in seiner Laudatio auf den Ludwig-Börne-Preisträger Rudolf Augstein hervorgehoben hat, "das berühmte Foto von Digne Meller Marcovicz, das Augstein mit Heidegger den Feldweg hinaufwandernd zeigt, vielen das Bildzitat deutscher intellektueller Verhältnisse nach '45 geworden". Als die bedeutende Bild-Chronistin des westdeutschen Kulturlebens 2014 starb, schrieb die "taz" in ihrem Nachruf: "Dass ihre vielleicht bekanntesten Aufnahmen ausgerechnet die fast schon ikonenhaften Fotografien Martin Heideggers in dessen Schwarzwaldhütte waren, ist eine bittere, tragikomische Pointe ihres Werks: Es fiel ihr damals schwer, diese Aufnahmen zu machen, hat sie einmal erzählt. Doch Digne war Profi, so sehr, dass sie sich eigens um gleich noch einen Besuch auf der Hütte bemühte. Hartnäckig bombardierte sie Heidegger ein Jahr lang mit Briefen und Postkarten und wurde schließlich eingeladen, dieses Mal war sie gleich mehrere Tage bei Heidegger und seiner Frau. ,Ich bin Pressefotografin. Da kommt es einem halt unter, dass man solche Leute fotografiert', hat sie später gesagt." Ergänzend heißt es in einem früheren Interview dazu: "Heideggers NS-Vergangenheit fand ich suspekt, aber seine Liebe zur Natur lag mir sehr." Die während des zweiten Besuchs entstandenen Fotografien durften ebenfalls erst nach Heideggers Ableben veröffentlicht werden. Mögliche Bedenken scheinen angesichts der Fülle und Qualität der Bilder in den Hintergrund gerückt zu sein. Heidegger bekam ein nur ihm gewidmetes Fotobuch.

In einer Auflage von 10 000 Exemplaren erschien 1978 im Stuttgarter Fey Verlag eine Auswahl von circa 140 Schwarzweißaufnahmen unter dem kargen Titel "Martin Heidegger. Photos 23. September 1966 / 17. + 18. Juni 1968". Da Meller Marcovicz ihrem Selbstverständnis als Fotoreporterin gemäß offensichtlich auf Anweisungen verzichtet hat, nutzte Heidegger die Todtnauberger Bühne für eine fulminante Selbstinszenierung. Stets auf eine sorgfältige Choreographie der ihn umgebenden Dinge bedacht und bei allen Handlungen seine Wirkung auf das Publikum berechnend, sieht man ihn Wasser vom Brunnen holend, bei Mahlzeiten, wandernd, ruhend, schauend und gelegentlich mit der Frau hinter der Kamera kokettierend. Alle profanen Verrichtungen führt Heidegger mit einem Gestus demonstrativer Überhöhung aus, der als Rückkehr zur "Anfänglichkeit" des Denkens verstanden werden soll, jener den Vorsokratiken zugeschriebenen Haltung, die sein Schüler Hans-Georg Gadamer als "ein Suchen ohne Wissen um das letztliche Geschick" interpretierte.

Heideggers Erscheinungsbild im gesamten Buch bestätigt jenen Eindruck, den Max Kommerell 1941 nach einem Besuch in der Hütte festgehalten hatte: "Leider scheint darin keine Selbstpersiflage in Richtung auf etwas Hans-Wurstiges zu liegen, sondern eher eine Stil-Prätention im Sinne gewollter Schlichtheit." Was den Anschein einer Dokumentation erwecken soll, ist in Wirklichkeit Theaterfotografie. Wolfgang Ullrich hat in seiner scharfsinnigen Interpretation exemplarisch herausgestellt, welche wechselnden Rollen Heidegger verkörpert: den Kopf aufgestützt als Melancholiker oder Heraklit imitierend, als am Ofen sich wärmender alter Mann, wobei "die Gegenwart seiner Frau einen wichtigen Gedanken aus dem Spätwerk des Philosophen in Szene setzt: Der heimatlichste Ort, Ursprung des Denkens und Bezugspunkt auf alles andere ist weiblich." Für den, der sein Denken als Ereignis des Seins verstand, gehörte es am Ende dem Anschein nach zu seiner Berufung, die Überlieferung nicht nur durch die Gestalt seiner Werke, sondern gleichermaßen durch die Sichtbarkeit der eigenen Person zu steuern.

Vorangegangen war dem Buch im gleichen Verlag die 1978 erschienene Publikation "Private Elvis" mit Aufnahmen von Rudolf Paulini, die den Rockstar im Kreis seiner Familie, mit Gefährten und Freundinnen zeigt. Als Herausgeber zeichnete der amerikanische Kurator Diego Cortez, der 1981 bekanntwurde, als er für das Museum of Modern Art die Ausstellung "New York / New Wave" organisierte, in der künstlerische Arbeiten der lokalen Underground- und Post-Punk-Szene präsentiert wurden. Das Layout gestaltete die erst zwanzigjährige Grafikerin Tanja Grunert, die heute eine Galerie in New York betreibt. Das farbige, rot umrandete Cover zeigt einen lachenden Elvis, der zwei ebenfalls gutgelaunte Damen in den Armen hält, jene Lebenslust und Energie ausstrahlend, die auch außerhalb der Konzerte die Aufbruchphase des Rock 'n' Roll prägten. Dem streng visualistischen, allein der Kraft der Bilder vertrauenden und wohl besten Fotobuch über Elvis Presley sollte ein Band über Idole der Subkultur folgen, eine Foto-Dokumentation der Rock- und Punkrocktypen westlicher Metropolen.

Dazu kam es nicht, stattdessen erschien mitten im Pop-Art-Programm des Verlags und ganz im Stil des mit dem Elvis-Band entworfenen Reihenprofils das Heidegger-Buch. Vermittelt hatte das Projekt der mit Meller Marcowicz befreundete Diego Cortez. Die Fotografin lieferte allerdings nur die Bilder, die Gestaltung übernahm wiederum Tanja Grunert, die das Layout gegenüber dem Elvis-Band an einem entscheidenden Punkt modifizierte. Sie versah das farbige Cover sowie alle Bilder mit einem tiefschwarzen Rahmen, da es ihre feste Absicht war, der von Heidegger geplanten postumen Image-Pflege etwas entgegenzusetzen: "Ich wollte ganz klar herausstellen, dass ein Genius wie Heidegger trotz seiner Genialität ein Nationalsozialist war, und es war sehr wichtig für mich, dieses klarzustellen, deswegen die volle Umrandung der Fotografien in Schwarz." So beeindruckend einzelne Fotos sein mögen, sobald der Blick sich auf die ganze Seite richtet, kann man weder von der Form ihrer Einfassung noch von deren Farbe abstrahieren.

Wie der Kunsthistoriker Max Raphael festgestellt hat, kommt Schwarz bei aller Unbestimmtheit ein dominanter Ausdruckswert zu, der in diesem Fall alle Motive in eine Sphäre von Dunkelheit taucht. Angesichts der durch die Rahmung organisierten Beobachtungsverhältnisse liegt auch der Gedanke an eine Todesanzeige nahe, deren Ränder grafisch von gleicher Bedeutung sind. Eine symbolische Beerdigung im Zeichen der Popkultur, eine subversive Aktion, klug eingefädelt von einer jungen Grafikerin, die sich nicht vom bauernschlauen Heidegger überlisten ließ. Sie durchkreuzte seine Pläne von der rührseligen Home Story eines altersweisen Philosophen, indem sie der Darstellung mit ihren Mitteln die Möglichkeit einer kritischen Lesart unterlegte.

Angesichts seiner hagiographischen Bedürfnisse blind für diesen Aspekt, nahm der Heidegger ergebene Freundeskreis, wie von Heinrich Wiegand Petzet überliefert, die in "einem schönen Bande" gesammelten Bilder mit Wohlwollen auf. Jacques Derrida erschien das "Spiel und das Schauspiel der Hände" so eindringlich, dass er daran dachte, ihnen ein ganzes Seminar zu widmen. Erbost über die vermeintliche Heidegger-Verklärung, hat sich ein Kritiker hingegen zu dem unsinnigen Urteil hinreißen lassen, "eine ,jüdische' Fotografin, die der Faszination durch Martin Heidegger erlegen" sei, habe "mit ihren Fotos maßgeblich zur Entnazifizierung des Philosophen beigetragen".

Thomas Bernhard sah das anders und genauer. Ohne der "zuhöchst talentierten Fotografin" seine Anerkennung zu versagen, bleibt für den Protagonisten seines Romans "Alte Meister" von Heidegger nichts übrig als "eine Anzahl lächerlicher Fotos". Sie entlarven einen "nationalsozialistischen Pumphosenspießer", welcher "der deutschen Philosophie seine kitschige Schlafhaube aufgesetzt hat".

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2014

Am niedrigsten Punkt des Denkens
„Heideggers Testament“ hat Lutz Hachmeister leider nicht als Biografie geschrieben – aber wertvolle Recherchearbeit geleistet
Im Herbst 1966, drei Tage vor seinem
77. Geburtstag, empfängt der Philosoph Martin Heidegger in seinem Haus in Freiburg zwei Spiegel-Redakteure zu einem lange vorbereiteten Gespräch. Ein Verehrer, der ehemalige Wehrmachtsschriftsteller Erhart Kästner, hatte Heidegger, der seinen Freunden so viel „Kummer“ bereite, weil er es bisher „trotzig verschmähte“, sich zu den Vorwürfen gegen ihn zu äußern, lange zugeredet, dem Spiegel doch ein Gespräch zu gewähren. Heideggers Feinde, das nämlich war der Grund für den Kummer, mochten ihm nicht nachsehen, dass er sich im Frühjahr 1933 als Rektor der Universität Freiburg dem nationalsozialistischen Regime angeschlossen hatte. Heidegger trat nicht bloß in die NSDAP ein, sondern organisierte Schulungen, verkündete das Ende der akademischen Freiheit und erklärte, dass Adolf Hitler „die heutige und künftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz“ sei. „Der Führer“, wusste Heidegger, „hat das sichere Wissen um das Einfache. Er hat aber zugleich den unbändigen Willen zu seiner Durchsetzung.“
  Im Gespräch mit Rudolf Augstein und Georg Wolff bestätigt Heidegger, dass er zu Beginn des Dritten Reichs von der „Größe und Herrlichkeit dieses Aufbruchs“ ergriffen war. Eine Beichte legt er aber nicht ab; die Interviewer erwarteten sie auch nicht. Dafür raunt er viel von der seinerzeit hochaktuellen Kybernetik, wiederholt seine Kritik am „Gestell“ und sieht sich Hölderlin und Hebel näher als der Gegenwart. Selbst wenn seine Besucher inquisitorischer gelaunt gewesen wären, sie hätten wenig aus Heidegger herausfragen können. 1966 war noch viel zu wenig darüber bekannt, wie sehr er die ihm nach der nationalsozialistischen Machtergreifung zugewachsene Macht genoss, wie wenig fern sein Denken und Trachten dem völkischen Teil der NS-Bewegung war.
  Das alles ist heute zwischen Freund und Feind vielfach hin- und hergewendet, Heideggers Nazitum fast schon talkshow-tauglich. Der Studentin Hannah Arendt war Heidegger wie ein König im Reich des Denkens erschienen. Auf viele andere wirkten seine mantrischen Sprachspiele wie eine Droge, eine Art Brauner Afghane, der unweigerlich süchtig macht. Noch Rüdiger Safranskis vielgelobtes Buch von 1994 setzt auf biedermeierliche Art das Raunen um den „Meister aus Deutschland“ fort.
  Lutz Hachmeister hat leider keine Heidegger-Biografie geschrieben, aber mehr Vorarbeiten für eine solche geleistet als alle bisherigen Lebensbildner. Die etwas läppische Fotomontage, die Augstein grüblerisch auf einem Feldweg neben Heidegger zeigt, und der pompöse Titel „Heideggers Testament“ kaschieren aber das schlichte Faktum, dass das Buch um ein leeres Zentrum organisiert ist, nämlich das Spiegel-Gespräch mit dem altersweisen Titel „Nur noch ein Gott kann uns retten“, das der Spiegel heute bescheiden eine „Weltsensation“ nennt. Das Gespräch im Herbst 1966 wurde aufgezeichnet, abgetippt, redigiert, von Heidegger zweifach abgesegnet, es durfte aber erst nach seinem Tod zehn Jahre später erscheinen. Hachmeister konnte als erster Außenstehender die Tonbandabschrift nutzen, doch auch nach Kenntnis der Urfassung wird die anderthalbstündige Unterredung inhaltlich nicht bedeutender.
  Für seinen Schüler, den neuerdings vom Spiegel wieder hofierten Weltbürger-kriegstheoretiker Ernst Nolte, markierte das Gespräch „den niedrigsten Punkt, bis zu dem dieses denkerische Leben gelangte“. Nolte konnte ja nicht ahnen, wie eifersüchtig Heidegger auf seinen Kollegen Karl Jaspers war, der von Augstein regelmäßig konsultiert wurde.
  Heidegger suchte das große Publikum und er fand geneigte Zuhörer. Vorsichtig, fast ehrfürchtig nahen sich die Journalisten dem Meister und lassen sich von ihm einiges aufbinden. Dass er die Bücherverbrennung in Freiburg habe verbieten lassen, dass er keineswegs den Kontakt mit den Kollegen Jaspers und Husserl abgebrochen habe, dass er, für Antisemiten de rigueur, selbstverständlich jüdische Schüler hatte, die übers Dritte Reich hinweg mit ihm Verbindung hielten.
  In seinem Buch will Hachmeister die „Biografie eines Interviews“ vorlegen und dabei die „Mittel einer konkreten Kommunikationsforschung“ anwenden. In der Tat trägt er vielerlei Interessantes zusammen. Dazu gehört vor allem die Lebensgeschichte des Redakteurs Georg Wolff, ehemals SS-Hauptsturmführer (daher der plakative Untertitel „Der Philosoph, der Spiegel und die SS“), beim Spiegel Ressortleiter, wegen seiner Vergangenheit aber nicht zum Chefredakteur aufgestiegen. Einer in der Redaktion kolportierten Legende zufolge soll sich Wolff vor Max Horkheimer als schuldig gewordener Mittäter offenbart und von dem im Alter wieder fromm gewordenen Horkheimer sogar eine Art Absolution erlangt haben.
  Hachmeister wendet, unterstützt von zahlreichen Hilfskräften, fast jeden Stein um, gräbt fast jede Wurzel aus, geht jedem Namen nach. Gelegentlich übertreibt er auch, wenn er unbelegt andeutet, Klaus Barbie, der „Schlächter von Lyon“, sei in seiner Zeit als Agent des amerikanischen Geheimdienstes Informant oder sogar Co-Autor einer allerdings auffällig gut informierten Spiegel-Geschichte von 1949 aus dem klandestinen Milieu der alten SS-Leute gewesen. Auch dass Heidegger und Aug- stein sich in der Ablehnung der katholischen Adenauer-Republik gefunden hätten, ist zu simpel, um auch noch wahr zu sein.
  Aus der Antiquität, dem weltberühmten Interview, wird trotz der großen Fleißarbeit nicht mehr. Wie gesagt, es ist schade, dass Hachmeister sich mit dem belanglosen Gespräch und mit Vorarbeiten begnügt. Auf den Fotos, die er damals von sich machen ließ, inszeniert sich Heidegger als Hackelsteckel-Waldläufer, aber er war doch ein Meisterdenker, und wenn es darauf ankam, in der Dialektik nicht zu schlagen. 1947 erhielt er, mit der Bitte um eine Erklärung, den Brief eines ehemaligen Studenten, der 1933 aus Deutschland fliehen musste. „Ein Philosoph kann sich im Politischen täuschen“, erläutert ihm Herbert Marcuse, der nun kein Schüler mehr ist, „dann wird er seinen Irrtum offen darlegen. Aber er kann sich nicht täuschen über ein Regime, das Millionen Juden umgebracht hat – bloß weil sie Juden waren, das den Terror zum Normalzustand gemacht hat und alles, was je wirklich mit dem Begriff Geist und Freiheit und Wahrheit verbunden war, in sein blutiges Gegenteil verkehrt hat.“
  Heidegger wartete fast vier Monate mit der Antwort, um dem Juden Marcuse dann vorzuhalten, „wie schwer ein Gespräch mit Menschen ist, die seit 1933 nicht mehr in Deutschland waren“. Im Übrigen brauche er nur „Juden“ durch „Ostdeutsche“ zu ersetzen, dann sei der Unterschied nur noch, dass die Verbrechen der Russen in ihrer Zone in aller Öffentlichkeit begangen würden. Wie sein gelehriger Schüler Nolte hat es Heidegger mit dem Vergleichen, wenn er an anderer Stelle mit unbändiger Durchsetzungslust schreibt: „Ackerbau ist jetzt motorisierte Ernährungsindustrie, im Wesen das Selbe wie die Fabrikation von Leichen in Gaskammern und Vernichtungslagern.“ In seinen Arbeiten – und nicht im Spiegel-Gespräch – entbirgt sich der deutscheste aller Denker, der Meister des raunenden Imperativs, in seiner schwarzwalddunklen Eigentlichkeit: als ganz gewöhnlicher Barbar.
WILLI WINKLER
Das Buch ist die Geschichte eines
Spiegel-Gesprächs – das aber
leider eher unbedeutend war
In seinen Arbeiten entbirgt sich
Heidegger in schwarzwalddunkler
Eigentlichkeit
Lutz Hachmeister: Heideggers Testament. Der Philosoph, der Spiegel und die SS. Propyläen, Berlin 2014. 368 Seiten, 22,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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