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Richard Wagner übte auf Wirklichkeit wie Theater gleichermaßen seine Macht aus. Was er im 19. Jahrhundert an künstlerischen Möglichkeiten vorfand, genügte seinen Visionen nicht. So schuf er sich eine neue Kunst und für sie ein neues Theater. Er verstand sich als Revolutionär, der auch die Gesellschaft auf eine neue Grundlage stellen wollte. Die Ideen dazu hatte er in der deutschen Philosophie entdeckt. Joachim Köhler zeichnet das weithin unbekannte Lebensbild eines ebenso schöpferischen wie dämonischen Menschen, der zugleich als Dichter, Musiker und Philosoph Geschichte schrieb. Auf seiner…mehr

Produktbeschreibung
Richard Wagner übte auf Wirklichkeit wie Theater gleichermaßen seine Macht aus. Was er im 19. Jahrhundert an künstlerischen Möglichkeiten vorfand, genügte seinen Visionen nicht. So schuf er sich eine neue Kunst und für sie ein neues Theater. Er verstand sich als Revolutionär, der auch die Gesellschaft auf eine neue Grundlage stellen wollte. Die Ideen dazu hatte er in der deutschen Philosophie entdeckt. Joachim Köhler zeichnet das weithin unbekannte Lebensbild eines ebenso schöpferischen wie dämonischen Menschen, der zugleich als Dichter, Musiker und Philosoph Geschichte schrieb. Auf seiner Lebensbahn von 1813 bis 1883 traf Wagner mit den großen Repräsentanten des Jahrhunderts zusammen, von Bakunin bis Baudelaire, von Lassalle bis Ludwig II., von Bismarck bis Bruckner, von Rossini bis Renoir. Keiner blieb unbeeindruckt von ihm, viele wurden lebenslang geprägt, manche, wie Nietzsche, gebrochen. Das zwanzigste Jahrhundert verdankt Wagner, im Guten wie im Bösen, mehr Anregungen als irgendeinem anderen Künstler. Erst durch Joachim Köhlers Biographie wird diese bis heute andauernde Wirkung verständlich. Brillant geschrieben und gründlich recherchiert, beschreitet Köhler mit seinem Buch Neuland. Keine Abrechnung, sondern ein spannender Rechenschaftsbericht über Wurzeln und Abgründe der Genialität. Richard Wagner: eine singuläre Größe, im Schöpferischen wie im Destruktiven. Als letzter der Titanen.
Autorenporträt
Joachim Köhler wurde 1952 in Würzburg geboren und lebt seit 20 Jahren in Hamburg. Der promovierte Philosoph und Journalist hat mehrere Sachbücher über das Ehepaar Wagner und die Bayreuther Weltanschauung geschrieben, die in viele Sprachen übersetzt wurden und auch international große Anerkennung fanden.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Die Verlagsankündigung, nach zwanzig Jahren sei nun die "erste Wagner-Biografie von Rang" erschienen, findet Christine Lemke-Matwey maßlos übertrieben. Es reiche, meint sie etwas abschätzig, die ersten und die letzten Sätze des 800 Seiten-Werkes zu lesen, um zu wissen, dass da keine neuen Töne angeschlagen und keine sonderlich neuen Erkenntnisse zu Tage gefördert worden sind. Köhler, so Lemke-Matwey, versucht sich an einer teilweisen Reinwaschung des großen Genies: Schuld ist wieder mal, wie originell, die Frau, Cosima Wagner, die ihn vom Utopisten und Visionär zum von den Nationalsozialisten gefeierten Herrscher auf dem Grünen Hügel hat werden lassen. So recht beweisen könne Köhler seine These aber auch nicht, schreibt die Rezensentin. Wenn die Quellenlage wirklich dermaßen manipuliert worden sei, wie könne man sich dann ein "objektives Urteil" anmaßen, fragt sie etwas empört. Der Autor jedenfalls hat sich ihrer Meinung nach kräftig abgemüht, seine These zu untermauern, ohne sich aus diesem Dilemma lösen zu können. Dabei seien recht viele "musikalischen Allgemeinplätze" abgefallen, schließt Lemke-Matwey. Die Lektüre bedeute viel Lese- und letztlich viel Lebenszeit, stöhnt sie.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Manch' Wort wird da im Mund verdreht
Alles neu, alles anders: Joachim Köhlers verausgabende Wagner-Monographie / Von Julia Spinola

Es ist wohl über keinen Komponisten so viel geschrieben worden wie über Richard Wagner: Hymnisches, Kritisches, Ideologisches, Apologetisches und Analytisches aller Niveaus, Genres und akademischer Disziplinen. Jeder weitere Beitrag steht vor der gesteigerten Herausforderung, Aspekte des Gegenstands entweder neu zu entdecken oder neu zu beleuchten. Joachim Köhler hat es mit dem ganzen Wagner aufgenommen. Seine Monographie über den "letzten der Titanen" widmet sich dem klassischen Doppel "Leben und Werk", das sich im Falle Wagners mindestens als Dreifaltigkeit - von Biographie, musikalischem OEuvre und Schrifttum - entpuppt. Neues, so der dezidierte Anspruch des Buchs, soll auf sämtlichen Ebenen, und zwar grundlegend, gebracht werden. Denn der Autor geht davon aus, daß die Sicht auf das Phänomen Wagner bis heute durch Cosima Wagners "Genie der Manipulation" verzerrt worden sei. Das Festspielunternehmen Bayreuth sei ebenso ihr Werk gewesen wie eine mit ihm verbundene, straff organisierte Publizistik, die Wagners Gedanken in jene schlagkräftige Ideologie umformuliert habe, welche dann nahtlos in die der Nationalsozialisten übergehen konnte.

Die von Cosima begründete Tradition protegierter Bayreuther Hausautoren, die sich "zum freien Denken durch Freikarten anregen" ließen, sieht Köhler, sicher mit einigem Recht, bis heute weiterwirken. Sein Entlarvungseifer geht indes dort zu weit, wo er den Wagner-Monographen Martin Gregor-Dellin sowie die Forscher Udo Bermbach und Dieter Borchmeyer in eine Linie stellt mit Carl Friedrich Glasenapp und dem antisemitischen Wagner-Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain. Die exemplarische Bedeutung, die dessen Schrift "Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts" für die Begründung faschistischer Rassenmystik zukam, ist Köhler keineswegs entgangen. Im Gegenteil legte er 1997 in seinem Buch "Wagners Hitler" sogar nahe, daß Hitlers Entschluß zum Mord an den europäischen Juden unmittelbar zurückgehe auf die Bayreuther Begegnung mit Chamberlain im September 1923, kurz vor dem gescheiterten Münchner Putsch. Alles, was der Autor an faschistischer Ideologie vor vier Jahren in Wagner derart vorgeprägt sah, daß Hitler in seinen Augen nur mehr als dessen "Vollstrecker" agierte, erscheint nun als Teufelswerk Cosimas: "Doch das Idol, an dem der österreichische Wagnerianer sich zu ,Wagners Hitler' heranbildete, war Cosimas Wagner gewesen."

Köhler hat sich mit seinen Veröffentlichungen über Nietzsche, über Nietzsche und Cosima sowie über Hitler und Wagner in den letzten Jahren allmählich an seinen Titanen herangetastet, um ihn nun unverstellt von seinen Trabanten in voller Größe erstehen zu lassen. Neugierig macht sein Versuch, jenseits der Bayreuther Hagiographie Leben, Schaffen und Wirken des Künstlers aus einer treibenden Grundkonstellation heraus zu erklären. Zugute kommt ihm auf seiner Suche nach dem, was den Wagner im Innersten zusammenhält, seine umfassende Materialkenntnis, die auch entlegene Quellen zu Rate zieht. Vor allem in das biographische Dunkel der Kindheit, wo Köhler nach Archetypischem für die spätere Entwicklung sucht, bringt er so Licht. Nicht nur über die Identität seines leiblichen Vaters blieb Wagner ein Leben lang im ungewissen, sondern auch über das "Vorleben" seiner Mutter Johanna Rosine, die als Sechzehnjährige von der Stiefmutter als Mätresse an Constantin von Sachsen-Weimar, einem Bruder des amtierenden Herzogs, verscherbelt worden war. Der sächsische Don Juan starb, Rosine heiratete den Justizbeamten Friedrich Wagner, fälschte ihr Alter und vermachte ihren Kindern den Mythos einer hohen Abkunft.

Akribisch geht Köhler der letztlich nicht klärbaren Vaterschaftsfrage nach und versucht plausibel zu machen, daß Hausfreund Ludwig Geyer mit Johanna Rosine, die er nach dem Tod Friedrichs heiratete, schon zu Lebzeiten des Ehemanns ein Verhältnis hatte. Um nahezulegen, daß Richard, der ein halbes Jahr vor Wagners Tod geboren wurde, Geyers Sohn sei, sammelt Köhler ehrgeizig Indizien, zieht sie zur Not auch an den Haaren herbei. Nicht die Fragen, die Köhler stellt - zur Korrektur etwa des bei Gregor-Dellin unerträglich beschönigten Bild Ludwig Geyers -, sind es, die skeptisch machen, sondern jene, die sich ihm trotz seiner Quellenkenntnis nicht zu stellen scheinen. Manches, wie der mehrfach angedeutete, aus Mangel an Beweisen aber nie bestätigte Verdacht, Geyer habe Wagners Schwestern sexuell mißbraucht, ist offen manipulativ. Wenn am Ende des Buchs klar wird, daß er konstruiert wurde, um eine - auch nur suggerierte - Parallele zu Cosima und ihrem Vater Franz Liszt herzustellen, hat man das Vertrauen in den Autor längst verloren.

Der ganze Aufwand wird betrieben, um Geyer als schrecklichen "Usurpator" darzustellen, der traumatisierend ins Kindheitsidyll des kleinen Richard eindrang. Dies liefert Köhler einen jener "Archetypen", die er dann in seinen idiosynkratisch-deutenden Nacherzählungen Wagnerscher Werke wieder auftreten läßt: nie ohne gewisse Plausibilität - wie in der Parallelisierung der Vater-Sohn-Beziehungen Mime/Siegfried und Geyer/Richard -, aber völlig folgenlos für ein tiefergehendes Verständnis der Werke. Dieses leidet nicht zuletzt auch darunter, daß Köhler die Bedeutung der Musik im Musikdrama nicht anders fassen kann denn als "Breitwandfilm, der im Selbstbewußtsein des Hörers abläuft", wiewohl er meint, ihr damit eine besondere Ehre zu erweisen. Denn vor Wagner, so Köhler, habe Musik in der Oper die Szene nur "illustriert, was zu peinlicher Verdopplung führte". Entsprechend indiskutabel fallen seine dünn gesäten Kommentare zum musikalischen Geschehen aus.

Wo er sich dem OEuvre nicht durch biographische Typologien annähert, unterfüttert Köhler seine Werkbetrachtungen mit Philosophischem. Auch hier geht es ihm vornehmlich darum, zu zeigen, daß alles anders ist, als alle anderen immer geglaubt haben: Nicht zu Schopenhauer, für den Verfasser der "Poltergeist der Weltverneinung", bestünde eine Affinität Wagners, sondern zu Hegel und Schelling. Da Wagner deren Einfluß selber geleugnet habe, sei dieser der Forschung bislang entgangen. Zur Stützung dieser offensiven Anti-Schopenhauer-These hat Köhler nur windige Argumente anzubieten: Zunächst verdreht er dem Philosophen das Wort im Mund, indem er dessen Beobachtung, die Musik erreiche ihre Zwecke "ganz aus eigenen Mitteln" und "bedürfe daher nicht der Worte", umdeutet zu: "sie drückt nichts aus". Schopenhauer sagte freilich ganz im Gegenteil, die Musik "spreche in einer ganz unmittelbar verständlichen Sprache das innerste Wesen alles Lebens und Daseyns aus". Entsprechend kann auch Wagners Äußerung, die Musik sei "nicht die Darstellung einer Idee, sondern die Idee selbst", die beinahe wörtlich der "Welt als Wille und Vorstellung" entsprungen scheint, kaum als Beleg für einen Hegelianismus Wagners herhalten: Die Rede von der "Idee" macht noch lange keinen "Idealisten". Schließlich möchte man auf Köhlers Hinweis, Schopenhauer habe mit Wagners Kunst ja auch gar nichts anfangen können, gerne mit der Frage erwidern, was Hegel wohl zum "Tristan" gesagt hätte.

Dem fehlenden Gespür für genuin ästhetische Fragen, von den immanenten kompositorischen Problemstellungen einmal ganz abgesehen, ist es wohl zuzuschreiben, daß Wagners bedeutendste, bis in die Moderne folgenreiche Schrift "Beethoven" von 1870 bei Köhler allenfalls als Witz vorkommt: Künstlerische Imagination erscheint dem Autor als "Geisterseherei", als theoretisches Ingrediens eines Albtraum- und Somnambulismus-Zirkus in Tribschen und Wahnfried. Und die Beziehung zwischen Wagner und Nietzsche schließlich reduziert sich für Köhler auf ein "Lustspiel" namens "Die Schule der Unterwerfung". So bleibt am Ende dieser gewaltigen monographischen Verausgabung kaum mehr als die Erinnerung an eine imposante Zettelkastenherrlichkeit.

Joachim Köhler: "Der letzte der Titanen". Richard Wagners Leben und Werk. Claassen Verlag, München 2001. 856 S., geb., 68,45 DM.

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"Wir dachten bisher, vieles über die Beziehungen zwischen Hitler und Wagner, zwischen Hitler und dem Bayreuther Kreis, zwischen Hitler und den geistigen wie leiblichen Erben Richard Wagners zu wissen. Dies sieht nun anders aus ... Joachim Köhler bringt ... ebenso viel Neues ans Licht wie im vergangenen Herbst die Historikerin Brigitte Hamann in Hitlers Wien." (DER SPIEGEL)
"Eine faktenreiche Arbeit, die sich wie ein beklemmender Psychokrimi liest." (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG)
"Nach der Lektüre von Köhlers brillanter Studie gibt es keinen unschuldigen Genuss der Musik Richard Wagners mehr." (KLAUS HAPPRECHT)
"Ein leidenschaftliches und abgründiges Buch ... einfach virtuos." (BERLINER MORGENPOST)
"Ein wunderbares Buch, das ich mit höchstem Interesse Gelesen habe." OLIVER SACKS)
"Dass Wagner Weltkunst zum deutschen Problem wurde, wird durch Köhlers Buch in aller Schärfe herausgearbeitet." (DIE ZEIT)
"Köhler selbst ist den Rätseln durchaus auf der Spur, wenn er etwa zu Beginn die Lebensbedingungen, Wagners düstere Herkunft und Kindheit, mit viel Scharfsinn bedenkt." (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG)