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Keiner Biografie über Helmut Kohl liegt wohl ein solch umfangreiches Datenmaterial zugrunde wie diesem Buch von Heribert Schwan und Rolf Steininger. Die beiden Autoren, die Kohls Karriere lange Zeit begleitet haben, waren die Letzten, die den Alt-Kanzler kurz vor seinem schweren Unfall 2008 über 16 Stunden lang interviewen konnten. Sie beschreiben kenntnisreich seine Lebensleistung, analysieren ausführlich den »Virtuosen der Macht«, seinen Regierungsstil und das »System Kohl«. Dabei werden sowohl die Licht- als auch die Schattenseiten beschrieben.

Produktbeschreibung
Keiner Biografie über Helmut Kohl liegt wohl ein solch umfangreiches Datenmaterial zugrunde wie diesem Buch von Heribert Schwan und Rolf Steininger. Die beiden Autoren, die Kohls Karriere lange Zeit begleitet haben, waren die Letzten, die den Alt-Kanzler kurz vor seinem schweren Unfall 2008 über 16 Stunden lang interviewen konnten. Sie beschreiben kenntnisreich seine Lebensleistung, analysieren ausführlich den »Virtuosen der Macht«, seinen Regierungsstil und das »System Kohl«. Dabei werden sowohl die Licht- als auch die Schattenseiten beschrieben.
Autorenporträt
Rolf Steininger, Dr. phil., em. ordentlicher Universitätsprofessor, 1984 - 2010 Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck; Studium der Anglistik und Geschichte in Marburg, Göttingen, München, Lancaster und Cardiff. Bis 1983 Professor an der Universität Hannover, Senior Fellow des Eisenhower Center for American Studies der University of New Orleans und Jean Monnet-Professor, Gastprofessor an den Universitäten Tel Aviv, Queensland (Australien), New Orleans, Aufenthalte als Gastwissenschaftler in Saigon, Hanoi und Kapstadt. Seit 2008 auch an der Freien Universität Bozen tätig. Zahlreiche Veröffentlichungen sowie international preisgekrönte Fernseh-, Film- und Hörfunkproduktionen.

Heribert Schwan, Dr. phil., war Redakteur beim Deutschlandfunk und beim WDR-Fernsehen u.a. für die Kulturfeatures im ARD-Programm verantwortlich. Für seine Dokumentationen erhielt er zahlreiche nationale und internationale Preise; für seinen Film "Die verdrängte Gefahr - Neonazismus" wurde er mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Er ist Autor zahlreicher Bücher, von denen einige zu Bestellern wurden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2010

Große Taschen und reine Weste
Helmut Kohl, der Kampf um die deutsche Einheit und die zählebige Mär von den "Bundeslöschtagen"

Jetzt widmen sich zwei Autoren der Biographie Helmut Kohls, die beste Voraussetzungen mitbringen. Der frühere WDR-Redakteur Heribert Schwan gab bereits vor 25 Jahren sein erstes Buch über Kohl heraus, drehte mehrere Filme über ihn. Auf dem 60. Geburtstag des Journalisten im Dezember 2004 war Kohl sogar zugegen, würdigte ihn in einer kurzen Ansprache als "deutschen Patrioten". Schwans Mitautor ist der Innsbrucker Zeithistoriker Rolf Steininger. Der publiziert seit fast 40 Jahren unermüdlich Bücher, Quellen und Aufsätze zur Geschichte der Bundesrepublik, fühlt sich in amerikanischen wie britischen Archiven zu Hause.

In 36 Kapiteln schildern die Autoren Kohls Lebensweg und Lebensleistung - leider ohne Fußnoten, ohne Sach- und ohne Personenregister. Immerhin wird aus dem Literaturverzeichnis deutlich, auf welche publizierten Werke sie sich stützen, neben ihren Zeitzeugenbefragungen. Außerdem waren Schwan und Steininger "die Letzten, die den Altkanzler kurz vor seinem schweren Unfall 2008 über 16 Stunden lang interviewen konnten". Wörtliche Zitate aus dem Riesengespräch bringen sie nicht. Es sei auch ungewiss, ob Kohl je wieder in der Lage sein werde, "mühelos eine öffentliche Rede zu halten, flüssig ein Fernseh- oder Radiointerview zu geben". Kohl-Freunde behaupteten, dass vieles von dem, was aus dem Hause Kohl an die Öffentlichkeit dringe, "von Maike Kohl-Richter stammt, von ihr geschrieben oder zumindest redigiert wurde". Zu ihr habe sich Kohl erstmals 2005 öffentlich bekannt und sie 2008 geheiratet. Sie habe nach Ansicht von Kohls alten Weggefährten "bestimmenden Einfluss darauf, was der geneigte Leser über ihn und von ihm erfahren darf". Sie bestimme maßgeblich seine Besuchstermine. Vorgelassene Oggersheim-Pilger träfen auf "einen heftig sprachbehinderten Helmut Kohl, der aber absolut Herr seiner Sinne sei, mit wachem Verstand auf der Höhe der Zeit, sich aber dem Kommando von Maike Kohl-Richter unterordnet". Immerhin geben die Autoren zu, dass es "eine optimale Betreuung und Versorgung im Ludwigshafener Bungalow" gebe.

Solche Bemerkungen werden Kohl stören, andere aber umso mehr erfreuen: "Schon heute neigen die schärfsten Kritiker von damals dazu, Milde walten zu lassen, nachdem sie die quellengesättigten Memoiren des Altkanzlers studiert haben." Mit den drei Bänden über den Zeitraum von 1930 bis 1994 habe Kohl seiner ersten Frau "ein kleines Denkmal" gesetzt, "das der tatsächlichen Bedeutung Hannelore Kohls für seine steile politische Karriere gerecht" werde. Jetzt bleibe ihm "die Vollendung seiner Memoiren" durch den ausstehenden vierten Band. Da wird es hilfreich sein, dass die zweite Frau Maike während des fünften Kabinetts Kohl Beamtin im Kanzleramt war.

Schwan und Steininger widmen die Hälfte ihres Buches den Ereignissen von 1989/90, die sie äußerst spannend und quellennah vermitteln. Hierfür ziehen sie auch Dokumente aus westlichen und östlichen Archiven heran. So können sie erzählen, wie Kohls Freundschaft zu Ronald Reagan "mit Bratkartoffeln und Spiegeleiern in Bonn begann"; wie der SED-Führung zur Flüchtlingsproblematik 1989 nichts anderes einfiel, als die Botschaft der Bundesrepublik "dort einmauern zu lassen, was selbst die tschechoslowakischen Kommunisten ablehnten und ihrerseits mit dem Vorschlag beantworteten, den Zaun um die Botschaft zu erhöhen". Prag habe Ost-Berlin aufgefordert, das Flüchtlingsproblem selbst zu lösen, was der "Ausgangspunkt für das DDR-Reisegesetz" gewesen sei. Zur Wirkung der Schabowski-Pressekonferenz vom 9. November 1989 merken sie an: "Sechs Tage zuvor hatte der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse im Politbüro in Moskau die bemerkenswerte Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, ,wenn wir selbst die Mauer einreißen'."

Von Kohls Zehn-Punkte-Programm habe Präsident Bush "zeitgleich" mit der Verkündung im Bundestag am 28. November erfahren: "Das war kein Übermittlungsfehler, wie man allerorten lesen kann, sondern Absicht. Was damit beabsichtigt war, war klar: Bush sollte keine Gelegenheit haben, etwas gegen den Zehn-Punkte-Plan zu sagen", schreiben die Autoren. Washington sei konsterniert gewesen. Schewardnadse urteilte über diesen Vorstoß: "Selbst Hitler hat sich so etwas nicht geleistet", während sich Kreml-Chef Gorbatschow ärgerte: "Kanzler Kohl behandelt die Bürger der DDR schon so wie seine Untertanen. Das ist ganz einfach offener Revanchismus." Geschildert wird dann, wie geschickt Kohl die Widerstände gegen die Wiedervereinigung in London und Paris beseitigte. Moskaus "Kurswechsel" habe sich Anfang Februar 1990 beim Besuch des amerikanischen Außenministers Baker in Moskau abgezeichnet. Danach konnte Kohl bei Gorbatschow den "Durchbruch" erzielen.

Als Kohl Ende Februar 1990 Bush aufsuchte, stand für den Präsidenten fest, dass die wirtschaftlich stark angeschlagene Sowjetunion nicht in der Lage sei, dem Westen zu diktieren, ob Deutschland in der Nato bleibe oder nicht: "Zum Teufel damit. Wir haben die Oberhand gewonnen und nicht sie. Wir können nicht zulassen, dass die Sowjets die Niederlage in einen Sieg ummünzen." Als Kohl erwiderte, dass die Sowjets den "Preis" für ihre Zustimmung eher den Amerikanern als den Deutschen nennen würden, warf Bush scherzhaft ein, der Kanzler habe doch "große Taschen". "Virtuos" habe Kohl später die Macht der Mark genutzt.

Kohls Arbeitsstil ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Von Ministern habe er Loyalität, Solidarität und Vertrauen verlangt. Das eigentliche Machtzentrum der Regierung aus Union und FDP sei nicht das Bundeskabinett, sondern die Koalitionsrunde gewesen. Kohls Stärke während seiner sechzehnjährigen Regierungszeit sei "ein ungebrochenes Verhältnis zu sich selbst, sein Vertrauen in die eigene Person" gewesen. Engste Mitarbeiter seien "abhängig von ihm, ihm ergeben" gewesen: "Er konnte ihnen Verletzungen zufügen, die sie einfach aushielten." Eine Schwäche Kohls bestand "in seiner Unfähigkeit, jemanden gleichberechtigt neben sich zu tolerieren". Als er 1998 wieder kandidierte und bei der Bundestagswahl eine "schwere Niederlage" einstecken musste, da habe sich der Machtmensch verschätzt, seine Popularität überschätzt: "Das Instrumentarium des Systems Kohl, das Handwerkszeug des Virtuosen der Macht und seine Spürnase für politische Entwicklungen hatten versagt."

Auf zehn Seiten werden diverse Vorwürfe abgehandelt, die seit Ende 1999 gegen Kohl erhoben wurden. Angela Merkel habe als Generalsekretärin der CDU zu Beginn der Spendenaffäre den "totalen Bruch mit Helmut Kohl und seiner Ära" herbeigeführt. Wegen nicht deklarierter zwei Millionen DM, deren Herkunft der Altkanzler bis heute verschweigt, musste die CDU eine Strafe von 6,3 Millionen DM zahlen; 700 000 DM steuerte Kohl aus privaten Mitteln bei, den "Rest" brachten Kohl-Fans auf. "Damit war der materielle Schaden für die Christlich-Demokratische Union beglichen."

Erheblich geschadet hätten Kohls Ansehen auch "angeblich verschwundene Akten und gelöschte Dateien im Bundeskanzleramt". In diesem Zusammenhang werden die von Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier im Jahr 2000 eingeleiteten Recherchen et cetera erwähnt. Der musste es im Oktober 2003 als "eine Ohrfeige empfinden, dass die Justiz die Version von den angeblichen ,Bundeslöschtagen' nicht bestätigt hatte. Doch die Verdächtigungen und Unterstellungen blieben trotz juristischer Siege im Raum. Helmut Kohls reine Weste war staatsanwaltlich bewiesen worden. Doch der Begriff ,Bundeslöschtage' wird auf immer mit ihm und seiner Kanzlerschaft in Verbindung gebracht." Hoffentlich irren sich hier die Biographen.

RAINER BLASIUS

Heribert Schwan/Rolf Steininger: Helmut Kohl. Virtuose der Macht. Artemis & Winkler Verlag, München 2010. 333 S., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als ein Geschenk für den Altkanzler taugt dieses Buch gut, lässt uns Gerd Langguth wissen. Wirklich Neues oder gar Kritisches in Sachen Helmut Kohl, etwa zum Spendenskandal oder zu Kohls Mitverantwortung für den Niedergang der CDU, erfährt der Rezensent hingegen nicht oder nur andeutungsweise. Für den Leser, der allzu oft das Gefühl haben wird, Kohl selbst sprechen zu hören, so erklärt uns Langguth, ergibt sich dennoch ein großer Vorteil: Nach der Lektüre der von Heribert Schwan und Rolf Steininger laut Rezensent übrigens unter weitgehender Vermeidung lästiger Quellenangaben verfassten Biografie braucht er Kohls eigene Memoiren jedenfalls nicht mehr zu lesen.

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