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Es möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch Euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen! Die berüchtigte Hunnenrede Kaiser Wilhelms II. anlässlich des Boxeraufstands 1900 stellte einen Tiefpunkt des Verhältnisses zwischen Europa und China dar. Dabei waren die Beziehungen in den ersten Jahrhunderten nach Beginn direkter Kontakte im Spätmittelalter durchaus von gegenseitigem Respekt getragen. Vor allem Missionare und Händler übermittelten das Wissen von der jeweils andern Kultur: Astronomisches Wissen oder Medizin…mehr

Produktbeschreibung
Es möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch Euch in einer Weise bestätigt werden, dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen! Die berüchtigte Hunnenrede Kaiser Wilhelms II. anlässlich des Boxeraufstands 1900 stellte einen Tiefpunkt des Verhältnisses zwischen Europa und China dar. Dabei waren die Beziehungen in den ersten Jahrhunderten nach Beginn direkter Kontakte im Spätmittelalter durchaus von gegenseitigem Respekt getragen. Vor allem Missionare und Händler übermittelten das Wissen von der jeweils andern Kultur: Astronomisches Wissen oder Medizin und technische Errungenschaften wie Papier und Porzellan, Schwarzpulver und Kanonen. Erst die Fixierung Europas auf Merkantilismus und Imperialismus seit 1800 führten zur Konfrontation und schließlich zur gewaltsamen Öffnung des chinesischen Marktes. Claudia von Collani beschreibt dieses wechselvolle Verhältnis zwischen dem Westen und dem fernen Osten vom späten Mittelalter bis zum Imperialismus als spannende Kulturgeschichte.
Autorenporträt
Claudia von Collani lehrt als Privatdozentin am Institut für Missionswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Thomas Speckmanns Kritik liest sich ein bisschen, als sei die Geschichte der europäisch-chinesischen Beziehungen nichts weiter als ein permanent im besten Willen geführter "Dialog der Kulturen" zwischen katholischer Kirche und der chinesischen Gegenseite, stets geführt zum besten gegenseitigen Frommen und konfliktuell erst ab 19. Jahrhundert, in dem sich ein europäischer Dünkel etabliert habe. Colani ist natürlich auch Dozentin am "Institut für Missionswissenschaft" in Münster, und so ist eine gewisse Prägung des Blicks, die vom Rezensenten sozusagen einfach übernommen wird, vorausgesetzt. Die Chinesen lernten demnach von den Europäern Astronomie, die Europäer von den Chinesen künstlerisch Handwerkliches (Porzellan, Seide), aber auch Moral- und Staatsphilosophie. 18 von 20 Jahrhunderten waren die Chinesen dabei die führende Wirtschaftskraft, betont Spreckmann, so dass mit dem jetzigen chinesischen Wiederaufstieg die Ordnung der Dinge wiederhergestellt wird.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.09.2012

Vom großen
Kulturaustausch
Claudia von Collani erzählt die Geschichte der
Beziehungen zwischen China und Europa
VON THOMAS SPECKMANN
Im vergangenen Jahr hat China erstmals mehr Raketen als die Vereinigten Staaten ins All geschickt, auch auf dem Gebiet der Raumfahrt scheinen sich nun die Verhältnisse zugunsten der Volksrepublik zu verschieben. Eine verkehrte Welt? Mitnichten. Der britische Historiker Niall Ferguson wies jüngst darauf hin, dass China in achtzehn der vergangenen zwanzig Jahrhunderte die mit Abstand größte Volkswirtschaft der Welt gewesen ist. Das 19. und 20. Jahrhundert stellen Ausnahmen dar. Neben dem wirtschaftlichen und politischen Wiederaufstieg sieht Ferguson die eindrucksvollste Leistung Chinas darin, dass es inzwischen auf den Gebieten der Innovation und der Bildung zu anderen Nationen aufschließt: Heute melde die Volksrepublik, die gerade von einer großen deutschen Regierungsdelegation um Kanzlerin Merkel besucht wurde, pro Jahr beinahe so viele Patente an wie Deutschland.
  Wen dies überrascht, der sollte zum neuen Werk von Claudia von Collani greifen. Die Privatdozentin am Institut für Missionswissenschaft der Universität Münster schildert überaus anschaulich, wie weit entwickelt China bereits vor Jahrhunderten war. Und dies keinesfalls zum Nachteil der Europäer. Die von etwa 1580 bis 1780 reichende Zeit friedlicher christlicher Mission in China war von dem Gedanken des Voneinander-Lernens geprägt. So schrieb der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz 1697 an Antoine Verjus, den Prokurator der Jesuitenmission in Paris, dass die China-Mission das „wichtigste Geschäft“ ihrer Zeit sei, „im Hinblick auf Gottes Ehre und die Ausbreitung des Christentums wie im Sinne des Gemeinwohls und der Zunahme von Wissenschaften und Künsten bei uns wie bei den Chinesen. Es geht ja um einen Handel mit Erkenntnis, der uns auf einen Schlag die Frucht ihrer Arbeit aus mehreren Jahrtausenden bringen kann und umgekehrt den Chinesen den Ertrag der unseren: so können wir beiderseits sozusagen unsere wahren Reichtümer verdoppeln, und das ist etwas Größeres als man glaubt“.
  In der frühen Neuzeit, so von Collani, habe eine „echte und ganz besondere“ Begegnung zwischen Europa und China begonnen. Zumindest ansatzweise hätten die Europäer versucht, die andere Seite nicht nur zu belehren oder zu bekehren, sondern auch zu verstehen und von ihr zu lernen. Die Orden der katholische Kirche waren dabei von besonderer Bedeutung: Weit über ihre ursprüngliche Aufgabe hinaus wurden sie zu Vermittlern in einem gelenkten Kulturaustausch, der allerdings vor allem dem Ziel der Errettung der „Heiden“ diente. Diese selbst formulierte und akzeptierte Aufgabe nahmen die Missionare nach von Collanis angenehm lesbarer und klug komponierter Studie auf verschiedene Weise wahr: durch Bücher in China und Europa, durch Übersetzungen von der einen in die andere Sprache, durch Korrespondenz, durch Unterricht in verschiedenen Bereichen der Wissenschaft, Technik und Kunst, durch Gespräche und Dialoge. Dass dies eine bereits in ihren Ursprüngen erfolgreiche Mission war, führt von Collani auf die Begegnung zweier gleichwertiger Partner zurück. Der Andere sei in seinem Anderssein akzeptiert worden und habe nichts von seiner Kultur aufgeben müssen. Zu einem wirklichen Austausch kam es in den Wissenschaften und Künsten wie im Kunsthandwerk, bei der Herstellung von Uhren, Glas, Porzellan, technischen Geräten, Kanonen, astronomischen Instrumenten, Musikinstrumenten. Im wissenschaftlichen und künstlerischen Austausch zwischen China und Europa während der frühen Neuzeit unterscheidet von Collani drei Phasen: Die frühe Jesuitenmission des Zeitraums 1580 bis 1680, in dem vor allem wissenschaftliche Bücher aus europäischen Sprachen, insbesondere aus dem Lateinischen, ins Chinesische und einige Bücher aus dem Chinesischen ins Lateinische übersetzt sowie Beschreibungen Chinas in Europa veröffentlicht wurden.
  Die zweite und bedeutendste Stufe des Kulturaustausches war die Regierungszeit des Kangxi-Kaisers 1662 bis 1722, in der französische Jesuiten eine wichtige Rolle spielten. Kangxi zeigte sich allen europäischen Belangen und Wissenschaften sowie dem Christentum und seinen Vertretern gegenüber sehr aufgeschlossen. Die Folge waren erneut Übersetzungen, aber auch praktische Anwendungen durch Unterricht und Experimente, wie sie in Briefen und Manuskripten der französischen Jesuiten dokumentiert werden.
  Schließlich die Zeit nach dem sogenannten chinesischen Ritenstreit und den Ritenverboten, in dem die chinesischen Religionen vollkommen und die chinesische Kultur teilweise abgelehnt wurden. Diese Phase war geprägt durch die Übermittlung genauerer Informationen über chinesische Wissenschaften, Geschichte, Technik und Medizin nach Europa, aus dem in dieser Zeit meist nur noch Astronomie, Kunst und technische Spielereien nach China kamen.
  Welche Folgen hatte der Austausch? Die Jesuiten beeinflussten mit ihren präzisen physikalischen und geometrischen Modellen zur Berechnung der Bahnen der Himmelskörper entscheidend den chinesischen Kalender. Auch vermaßen und kartographierten sie China. Ihr Beitrag zur chinesischen Wissenschaft beruhte auf der neuen wissenschaftlichen Denkweise der Europäer und auf der Entwicklung einer entsprechenden Terminologie, die sich bis heute in China gehalten hat und die auch Eingang ins Japanische und Koreanische fand.
  Zugleich sorgten weit zurückreichende astronomische und naturwissenschaftliche Beobachtungen und Aufzeichnungen aus China für neue Impulse in der europäischen Wissenschaft, die ebenfalls bis heute weiterwirken. Von Collani nennt ferner Papiertapeten, Seide, Porzellan und Lackarbeiten, die aus China importiert wurden und ihre Nachahmer fanden. Auch Malerei, Architektur und Gartenkunst zeigen sich nachhaltig chinesisch beeinflusst. Als noch bedeutender wertet von Collani den Einfluss Chinas auf die europäische Moral- und Staatsphilosophie und die sich im 18. Jahrhundert entwickelnde europäische Aufklärung, die ihre Rechtfertigung in wesentlichen Punkten in China fand.
  Doch ab Beginn des 19. Jahrhunderts wandelte sich das Bild. In Folge von Industrialisierung und Militarisierung entwickelten die Europäer ein starkes Überlegenheitsgefühl und sahen auch auf das chinesische Reich zunehmend herab. Das von den Jesuiten propagierte positive Chinabild, das die europäische Aufklärung und Kunst beeinflusst hatte, schlug in Sinophobie um, in Furcht vor der „gelben Gefahr“. Dabei erkennt von Collani in der Verdrehung der Tatsachen die Ursache dafür, dass China als erstarrtes, opiumsüchtiges, fremdenfeindliches Reich gebrandmarkt wurde, das zu Veränderungen unfähig sei. Dass die Europäer damit einer Selbsttäuschung aufgesessen sind, zeigen nicht zuletzt die Schlagzeilen über Chinas heutigen Vorstoß ins Weltall.
  
Claudia von Collani: Von Jesuiten, Kaisern und Kanonen. Europa und China – eine wechselvolle Geschichte. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2012. 195 Seiten, 39,90 Euro.
Der Handel mit Erkenntnis
war für beide Seiten
äußerst fruchtbar
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