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Seit der 1933 erschienenen 'Philosophie des Judentums' von Julius Guttmann unternimmt Maurice-Ruben Hayoun den ersten ernsthaften Versuch einer deutschsprachigen Gesamtdarstellung jüdischer Philosophie. Dabei wird erstmals auch die jüdische Mystik mitsamt ihren Verzweigungen berücksichtigt. Die mittelalterliche Philosophie von Moses Maimonides (1138-1204) und ihr Einfluss auf das Denken das berühmten Aufklärers Moses Mendelssohn (1729-1786) werden klar herausgearbeitet, sodass erstmals das Kontinuum der jüdischen Geistesgeschichte erkennbar wird. Jüdisches Denken und Fühlen von der…mehr

Produktbeschreibung
Seit der 1933 erschienenen 'Philosophie des Judentums' von Julius Guttmann unternimmt Maurice-Ruben Hayoun den ersten ernsthaften Versuch einer deutschsprachigen Gesamtdarstellung jüdischer Philosophie. Dabei wird erstmals auch die jüdische Mystik mitsamt ihren Verzweigungen berücksichtigt. Die mittelalterliche Philosophie von Moses Maimonides (1138-1204) und ihr Einfluss auf das Denken das berühmten Aufklärers Moses Mendelssohn (1729-1786) werden klar herausgearbeitet, sodass erstmals das Kontinuum der jüdischen Geistesgeschichte erkennbar wird. Jüdisches Denken und Fühlen von der talmudischen Ära bis zum Zeitalter von Leo Baeck und Gershom Scholem, von der mittelalterlichen Aufklärung bis zum Säkularisierungsprozess der Moderne und schließlich dem Zionismus werden in diesem Band anschaulich dargestellt und führen den Leser in eine ungewohnte, aber faszinierende Welt des Denkens ein.
Autorenporträt
Maurice-Ruben Hayoun, geb. 1951, ist Professor für Jüdische Philosophie und Geistesgeschichte in Heidelberg und lebt in Paris. Neben internationalen Auszeichnungen ist er Ritter der Ehrenlegion und Autor zahlreicher Publikationen über die jüdische Geistesgeschichte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2004

Unfreiwillige Karikatur
Maurice-Ruben Hayoun über jüdische Philosophie
„Es hat niemals eine jüdische Philosophie in dem Sinne gegeben, in dem es eine griechische oder römische, eine deutsche oder französische gibt. Die jüdische Philosophie ist seit der Antike ihrem Wesen nach Philosophie des Judentums.” Diese Sätze stammen aus Julius Guttmanns Standardwerk „Die Philosophie des Judentums”, das 1933 in München erschien; noch heute ringt man mit dieser Einschätzung. Die Hauptthese Guttmanns (1880-1950) war, dass im Judentum das „Ganze der philosophischen Arbeit unter den religiösen Gesichtspunkt gestellt und der von außen her übernommene Stoff von ihm aus gestaltet und geformt” wird. Die „Philosophie des Judentums” war für Guttmann also eine spezifische Religionsphilosophie.
71 Jahre nach Guttmann legt der in Heidelberg lehrende Philosoph Maurice-Ruben Hayoun den zweiten deutschsprachigen Versuch einer „Geschichte der jüdischen Philosophie” vor. Weit mehr als sein Vorgänger versucht Hayoun eine Einführung in das Thema zu schreiben. Doch anders als Guttmann kann er sich nicht entscheiden, „jüdische Philosophie” inhaltlich zu situieren.
Sorglos und unsortiert
Stattdessen tritt Hayoun die Flucht nach vorne an und liefert in der Einleitung einen ersten kompakten Gang durch philosophische Positionen von der Antike bis zu ihm selbst. So eingestimmt, und dabei schon kleinere Fehler in Kauf nehmend, tritt man dann die angebotene Zeitreise von der Bibel bis zur Gegenwart an. Doch der im Inhaltsverzeichnis angegebene Ablaufplan stellt sich schnell als Makulatur heraus, denn nahezu jedes Kapitel entpuppt sich als Mischung aus strenger Darstellung, freien Assoziationen und interpretierenden Passagen.
Zu welchen Problemen dies führt, sei an einem beliebig ausgewählten Beispiel vorgeführt. Im Abschnitt über „Philosophie und Mystik” schreibt Hayoun, nachdem er einen Hinweis auf Ernest Renan gegeben hat, Folgendes: „In dieser notwendig kurzen Nacherinnerung haben wir vor, eine Verbindung spürbar zu machen, die von dem hebräischen Averroes zu den Maskilim (Aufklärer) der ersten Generation um Mendelssohn hingeht und infolgedessen zum Zionismus als einer späteren Säkularisierung, die auf die Religionskritik der jüdischen Averroisten des Mittelalters zurückgreift.”
Man muss das nicht verstehen, denn man kann es gar nicht verstehen. Und selbst wenn man es versucht, dann stimmt nichts davon. Dass die Zionisten aufs Mittelalter zurückgriffen hätten, ist wohl eher ein frommer Wunsch: Ein Schriftsteller wie Chajim N. Bialik wollte den zentralen Begriff der „Thora” durch den der „Kultur” ersetzen, und der Philosoph Hugo Shmuel Bergmann wünschte sich nichts sehnlicher als durch den Zionismus das „jüdische Leben vom Himmel auf die Erde zu verpflanzen”. Mit dem Mittelalter hatten nicht nur die beiden wenig im Sinn.
Insgesamt ist Hayoun erschreckend sorglos in seinen Formulierungen. Ein streng chronologischer Aufbau hätte dem Verfasser sicherlich geholfen, das Material zu sortieren. So aber springt der Autor, trägt hier etwas bei, weiß da etwas zu ergänzen, ohne einen roten Faden erkennbar im Auge zu behalten. Wirklich ärgerlich aber sind in der Tat die vielen Fehler, die sich nicht nur in den bibliographischen Angaben oder bei Lebensdaten finden, denn oftmals entstellen sie wichtige Inhalte.
Verborgene Korrelation
Wenn man etwa den Begriff „ethischer Monotheismus” als „Floskel” bezeichnet, zeigt dies nicht nur eine gravierende Unkenntnis der jüdischen Geistesgeschichte ab dem späten 19. Jahrhundert, sondern offenbart, dass die Grundbegriffe bei Hayoun nicht geklärt sind. Auch die tiefere Dimension philosophischer Terminologie, etwa bei Hermann Cohens Idee der „Korrelation”, bleibt ihm verborgen. Die Konsultation von Aufsätzen seines Heidelberger Kollegen Reiner Wiehl hätte Hayoun hier durchaus weiterhelfen können.
Die Behauptung, der protestantische Philosoph Paul Ricœur verdanke Franz Rosenzweig „fast alles”, ist purer Unsinn. Karl Jaspers, Gabriel Marcel und Jean Nabert standen an der intellektuellen Wiege Ricœurs, lange bevor er Rosenzweig überhaupt zur Kenntnis nahm.
Nein, dieses Buch bedarf dringend einer vollständigen Bearbeitung. Hayoun, der vor seiner ebenfalls verunglückten Maimonides-Biographie in Frankreich gewichtige Monographien publizierte, sollte ein französisches Manuskript anfertigen, denn offenkundig reicht leider sein Deutsch für das gestellte Thema nicht aus. Vielleicht aber hätte der Verlag grundsätzlich besser daran getan, das im vergangenen Jahr publizierte Jahrhundertwerk „Témoins du futur” („Zeugen der Zukunft”, erschienen bei Gallimard in Paris) von Pierre Bouretz übersetzen zu lassen. Denn mit diesem Buch muss jetzt schon jeder arbeiten, der sich mit „jüdischer Philosophie”, was immer sie auch sein mag, auseinandersetzen möchte. Hayouns Buch wirkt dagegen fast wie eine unfreiwillige Karikatur. Und das hat der Lehrer und Gelehrte Hayoun wahrlich nicht verdient.
THOMAS MEYER
MAURICE-RUBEN HAYOUN: Geschichte der jüdischen Philosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004. 296 Seiten, 54 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2005

Was lasen sie eigentlich in der Schule?
Vor Maimonides keine Philosophen: Ein sehr schlechtes und ein sehr gutes Buch zum jüdischen Denken

Hier hat aber jemand geschlafen und wohl nicht gemerkt, daß Maurice-Ruben Hayoun 1999 in Deutschland gründlich verrissen und seine Maimonides-Biographie als unwissenschaftlich kritisiert worden ist. Nun wird seine "Geschichte der jüdischen Philosophie" vom Verlag als "erster ernsthafter Versuch einer Gesamtdarstellung jüdischer Philosophie im deutschen Sprachraum" seit Julius Guttmanns "Die Philosophie des Judentums" (1933) gefeiert. Das Buch ist nicht der erste Versuch, denn Heinrich und Marie Simons "Geschichte der jüdischen Philosophie" erschien 1984 in Berlin (Ost) und gleichzeitig in München. Das Buch ist auch nicht ernsthaft, sondern schlicht dumm und lächerlich, oft unsinnig. Und von einer Gesamtdarstellung kann auch nicht gesprochen werden, denn es enthält nur Hinweise auf rhapsodisch ausgewählte Philosophen, die in der Darstellung Hayouns oft völlig unverständlich sind.

Daß der Autor nicht in der Lage ist, ein korrektes Deutsch zu schreiben, fällt dem Leser sofort auf; bibliographieren kann er auch nicht. Hayouns Konstruktion der Geschichte der jüdischen Philosophie sieht so aus: "Im Judentum wie im Christentum und Islam, die selbstverständlich auch Offenbarungsreligionen sind, wurde der Versuch unternommen, den tieferen Sinn der heiligen Schriften an den Tag zu legen. Historisch gesehen lassen sich die ersten Spuren der Schulphilosophie im Judentum spüren, nachdem die arabischen Intellektuellen mit diesem Gedanken vertraut waren. In der Folge ging das Philosophieren zu den Juden über." Von jüdischer "Schul"-Philosophie vor Maimonides (gest. 1204) zu reden ist unmöglich. Zu behaupten, die Philosophie der muslimischen Intellektuellen habe darin bestanden, einen tieferen Sinn im Koran zu finden, ist falsch; die Schriften des Aristoteles waren weit wichtiger für sie. Und die Philosophie ging auch nicht zu den Juden über, denn die Muslime haben ganz schön weiter philosophiert.

Die neue "Geschichte der jüdischen Philosophie" wird hier nur erwähnt, um vor ihr zu warnen und um deutlich zu fragen, wieso und warum die "Wissenschaftliche Buchgesellschaft" einen Text, der makuliert werden müßte, zur Veröffentlichung annimmt und mit falschen Behauptungen anpreist. Die Leser sollten sich gegen diese sie als dumm und unmündig hinstellenden Machenschaften wehren.

In diesem Zusammenhang ist jedoch auf ein Buch zu verweisen, das bis jetzt in Deutschland viel zuwenig beachtet worden ist, obwohl es als das beste Buch bezeichnet werden kann, das seit 1933 zur jüdischen Philosophie geschrieben worden ist: "Metzlers Lexikon Jüdischer Philosophen". Dieses Lexikon erhebt nicht den Anspruch, eine "Gesamtdarstellung" der jüdischen Philosophie zu sein, doch ist es de facto eine Gesamtdarstellung, auch wenn zu Recht vergessene Denker im Irak, Iran oder im Jemen nicht abgehandelt worden sind. Vor allem ist das Lexikon ernsthaft, denn es ist von 86 hervorragenden Fachgelehrten verfaßt worden. Sie stellen Leben, Werk und Wirkung von 187 jüdischen Philosophen vor, wobei die Darstellung des Werkes der wichtigste Teil der Artikel ist; sie sind chronologisch geordnet zwischen Philo von Alexandrien (geb. 20 v.Chr.) und Sarah Kofman (geb. 1934). Diesen Artikeln geht eine Einleitung von Andreas B. Kilcher "Zum Begriff der jüdischen Philosophie" voraus. Yossef Schwartz schreibt einen einführenden Abriß "Zur Geschichte der jüdischen Philosophie". Beide Artikel sind grundgelehrt und reflektieren jüdisches Philosophieren auf einem hohen Niveau. Jeder Artikel enthält eine Bibliographie zu Werk und Interpretation des jeweiligen Philosophen. Eine "weiterführende Bibliographie" zur jüdischen Philosophie findet man am Schluß des Lexikons.

Dieses informative Werk zur jüdischen Philosophie ist von jedem Studenten und Forscher, der sich mit jüdischer Philosophie beschäftigt, zu befragen; selbst im Hebräischen gibt es eine solche umfassende und gründliche Darstellung der jüdischen Philosophie nicht: zwischen Maimonides und Spinoza werden allein 48 Philosophen vorgestellt, 69 Denker sind im neunzehnten Jahrhundert geboren. Das Lexikon ist ein Meilenstein auf dem Gebiet der Geschichte der Philosophie.

FRIEDRICH NIEWÖHNER

Maurice-Ruben Hayoun: "Geschichte der jüdischen Philosophie". Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004. 296 S., geb., 54,- [Euro].

Andreas B. Kilcher, Otfried Fraisse unter Mitarbeit von Yossef Schwartz (Hrsg.): "Metzlers Lexikon jüdischer Philosophen". Philosophisches Denken des Judentums von der Antike bis zur Gegenwart. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart, Weimar 2003. 476 S., geb., 64,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Verärgert äußert sich Rezensent Thomas Meyer über Maurice Ruben-Hayouns Anlauf, eine "Geschichte der jüdischen Philosophie" zu schreiben - eigentlich das erste Mal seit Julius Guttman im Jahr 1933, skizziert Meyer kurz das Umfeld. Anders als damals Guttmann, für den jüdische Philosophie gleichbedeutend mit der Philosophie des Judentums gewesen sei, könne sich Ruben-Hayoun nicht zu einer inhaltlichen Positionierung entschließen, bemängelt Meyer. Entsprechend inkonsequent und inkohärent sei der Aufbau des Buches: statt einer chronologischen Vorgehensweise, die geholfen hätte, das gewaltige Material zu sortieren, springe der Autor vor und zurück, kritisiert Meyer, assoziiere und interpretiere nach Lust und Laune, ohne einen roten Faden erkennen zu lassen. Schlampig seien auch die bibliografischen Angaben, eklatant außerdem die Unkenntnis des Autors der späten jüdischen Geistesgeschichte. Meyers Fazit: das Manuskript bedürfe dringend einer Überarbeitung.

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