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Die religiöse Vorstellung von Gott als dem Schöpfer allen Lebens kann nach Eugen Drewermann neben den Erkenntnissen der modernen Biologie über Lebensentstehung und Lebensentwicklung nicht aufrecht erhalten werden. Der Theologe formuliert in seinem Buch die Frage nach Gott neu: Er begreift Gott nicht mehr als Schöpfer des Lebens, sondern als Schöpfer der Menschlichkeit in einer naturgesetzlich bestimmten, von Grausamkeit und Zufälligkeit beherrschten Welt.

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Produktbeschreibung
Die religiöse Vorstellung von Gott als dem Schöpfer allen Lebens kann nach Eugen Drewermann neben den Erkenntnissen der modernen Biologie über Lebensentstehung und Lebensentwicklung nicht aufrecht erhalten werden. Der Theologe formuliert in seinem Buch die Frage nach Gott neu: Er begreift Gott nicht mehr als Schöpfer des Lebens, sondern als Schöpfer der Menschlichkeit in einer naturgesetzlich bestimmten, von Grausamkeit und Zufälligkeit beherrschten Welt.
Autorenporträt
Dr. theol. Eugen Drewermann, geboren 1940, ist wohl der bekannteste Theologe der Gegenwart. Nach Entzug seiner Lehrerlaubnis und Suspension vom Priesteramt arbeitet er als Therapeut und Schriftsteller. Zahlreiche Buchpublikationen, darunter zahlreiche Märcheninterpretationen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999

Das Leben in der Natur ist grausam
Und zu glauben findet man nichts: Eugen Drewermann sucht den Schöpfer jenseits der Schöpfung / Von Diemut Klärner

Was wär' ein Gott, der nur von außen stieße, / Im Kreis das All am Finger laufen ließe! / Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen, / Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen, / So dass, was in Ihm lebt und webt und ist, / Nie seine Kraft, nie Seinen Geist vermisst." Bei Goethe finden sich stets ein paar passende Zeilen. Seit der Dichter die Verse schrieb, die Eugen Drewermann seinem Buch voranstellt, haben die Naturwissenschaften unser Weltbild allerdings gründlich verändert.

Goethes Zeitgenossen hatten noch wenig Ursache, an Gottes schöpferischem Tatendrang zu zweifeln. Die Flügel eines Vogels, die Krallen einer Katze und die Honigwaben im Bienenstock ließen sich als Werk eines zielstrebig planenden Geistes verstehen. Als Charles Darwin die sinnreiche Vielfalt der belebten Natur ganz anders interpretierte, war die Aufregung groß. Zwar hatte er mit seinem 1859 erschienenen Buch "Über den Ursprung der Arten" nicht als Erster und nicht als Einziger die kirchliche Schöpfungslehre in Zweifel gezogen. Doch seine Argumente waren besser begründet als die seiner Vorläufer. Dass Darwin auch den Menschen nicht aussparte, ihn schlichtweg zu einem Sprössling des Affengeschlechts degradierte, schien besonders empörend.

Heutzutage stören sich nur mehr einige bibeltreue Christen an der Evolutionslehre. Hierzulande machen sie zwar kaum noch von sich reden, doch in den Vereinigten Staaten beeinflussen sie mancherorts bis heute die Bildungspolitik. Solch religiöser Fundamentalismus ist Eugen Drewermann ein Dorn im Auge. Er plädiert dafür, die Erkenntnisse der Biologie ohne Vorbehalte zu akzeptieren. Dass damit "das endgültige Ende einer Theologie der ständigen Eingriffe und Offenbarungsbeweise Gottes in der Natur" gekommen ist, scheint ihm unausweichlich. "Wenn es eine Tatsache gibt, die der theologischen Vorstellung eines weisen, gütigen und mitleidigen, ja, (in Christo) mitleidenden Gottes eindeutig und endgültig widerspricht, so liegt sie in der Bedenkenlosigkeit, mit welcher die Natur die Ausrottung ganzer Gattungen, Familien und Klassen von Tieren nach ihren unerbittlichen Gesetzen nicht nur in Kauf nimmt, sondern als unvermeidlich selbst produziert."

So macht sich der Autor denn auf die Suche nach einer zeitgemäßen Schöpfungstheologie. "Der Glaube an Gott als den Schöpfer ergibt sich niemals, solange wir nach der Art und der Herkunft der Welt in naturphilosophischem Sinne fragen; der Glaube an Gott als den Schöpfer wird indessen buchstäblich notwendig, sobald wir die Legitimationslücke zu schließen versuchen, die sich zwischen der Nicht-Begründbarkeit, ja, der Grundlosigkeit unserer Existenz als einer menschlichen und der Selbstverständlichkeit der Natureinrichtungen in ihrer Unmenschlichkeit auftut." Angesichts der unbarmherzigen Naturgewalten kommt Drewermann zu dem Ergebnis, Gott müsse "eine Person jenseits der Natur sein". Bei diesen Gedankengängen mit einem "wir" vereinnahmt zu werden, behagt vielleicht nicht jedem Leser. Oder handelt es sich bloß um den Pluralis majestatis?

Wie dem auch sei - der Autor setzt sich mit Schopenhauer, Kant und anderen Größen der Philosophie auseinander, beruft sich auf christliche Überlieferungen und greift auf griechische Mythologie zurück. Am ausgiebigsten widmet er sich jedoch den Naturwissenschaften. Schließlich will er religiös interessierte Zeitgenossen dazu ermuntern, sich mit den biologischen Prämissen theologischer Fragen auseinanderzusetzen. Dabei darf neben Generik und Mikrobiologie, Ökologie und Paläontologie auch ein bisschen Geologie und Meteorologie nicht fehlen. Denn die unbelebte Natur hat Flora und Fauna stets geprägt - nicht zuletzt durch Klimaveränderungen und andere Umbrüche, die dominierende Lebensformen hinwegfegten und bisherigen Randgruppen eine Chance gaben.

Mit bewundernswertem Elan studiert Drewermann chemische Strukturformeln und Redoxpotentiale, arbeitet sich durch den Calvin-Zyklus der Fotosynthese und vertieft sich in die Rechenexempel der Soziobiologen. Er macht es sich gewiss nicht einfach - seinen Lesern allerdings auch nicht. Zwar versichert er ausdrücklich, "dass es nichts gibt in diesem Buche, was nicht auch für Nicht-Naturwissenschaftler an sich gut begreifbar und wichtig genug zum Begreifen wäre". Doch häufig stößt man auf schwer verdauliche Brocken. Mancher wird sich zum Beispiel fragen, ob tatsächlich ganze Absätze aus einem Lehrbuch der Botanik zitiert werden müssen, um die Entwicklungsgeschichte der Blütenpflanzen zu schildern. Und nicht jeder wird den besonderen Charme einer differenzierten Fachterminologie zu würdigen wissen. Mitunter drängt sich der Verdacht auf, der Autor beherrsche das fremde Fachgebiet nicht souverän genug, um seinen Lesern Details ersparen zu können.

Obgleich seine Schilderungen oft sehr ausführlich geraten, hat Drewermann manchmal wohl Mühe, der Komplexität und Dynamik lebendiger Organismen gerecht zu werden. So erläutert er zum Beispiel die Funktionsweise des Auges mit Abbildungen, die in ihrer Dürftigkeit alles andere als erhellend sind. Schade, denn anhand des Gesichtssinns könnte man veranschaulichen, wie stark das Nervensystem durch die Umwelt geprägt wird. Erfahrung ist auch dann gefragt, wenn es nicht unmittelbar um Denken und Gedächtnis geht. Wenn junge Katzen beispielsweise in einer Umgebung aufwachsen, in der es nur senkrechte Streifen zu sehen gibt, erweisen sie sich als blind für waagerechte Strukturen. Nach Nervenzellen, die bevorzugt auf horizontale Linien ansprechen, sucht man in ihrem Hirn vergeblich. Offenbar benötigt das Nervensystem Informationen von außen, um sich normal entwickeln zu können. Da die Umwelt derart einbezogen wird, ist das Gehirn zum einen ungemein anpassungsfähig. Zum anderen braucht es, obwohl Millionen von Nervenzellen miteinander verschaltet werden, keine allzu ausführliche Bauanleitung. Anscheinend genügen einige zehntausend Gene - auf diese Größenordnung schätzen Fachleute das Erbgut von Katze und Mensch.

Wie Lebewesen mit einem begrenzten Repertoire von Genen auskommen, ließe sich auch anhand des Immunsystems demonstrieren. Doch leider werden dessen molekulargenetische Tricks mit keinem Wort erwähnt. Vielleicht hätten einige Leser gern erfahren, dass bestimmte Mechanismen der Evolution - Rekombination von Erbsubstanz, Mutation und Selektion - auch auf der Ebene der Immunzellen am Werk sind. Auf diese Weise ersteht ein Sortiment von unzähligen Varianten, das für nahezu jeden Fremdstoff passende Antikörper bereithält.

Wie flexibel verschiedenartige Organismen auf die Herausforderungen des Lebens reagieren, bleibt weitgehend ausgespart. Um so ausführlicher widmet sich Drewermann der einleuchtenden Tatsache, dass die Evolution stets auf Vorhandenem aufbaut. Ein Säugetier konnte deshalb nie wieder zum Fisch werden, wohl aber zur Robbe, zur Seekuh oder zum Wal. Bei etlichen Genen, die bei der Embryonalentwicklung ins Spiel kommen, finden sich erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen ganz unterschiedlichen Tiergruppen. Offenbar wird bei grundlegenden Weichenstellungen an altbewährten Steuerungsmechanismen festgehalten. Ob solche Erkenntnisse eines aufwendigen theoretischen Überbaus bedürfen, scheint jedoch fraglich. Auf der Suche nach evolutionsbiologischen Gesetzmäßigkeiten mit "Fixierungsgrad" und "Bürdegrad", "Metaphänen" und "Interphänen" zu hantieren, mag dem Ordnungssinn eines Theologen entgegenkommen. In der Fachliteratur haben sich diese Begriffe aber wohl aus gutem Grund nicht durchgesetzt.

Manchmal zieht Drewermann aus den biologischen Fakten auch recht ungewöhnliche Schlüsse. So zum Beispiel, wenn es um die chemische Codierung genetischer Informationen geht, um den Aufbau der Desoxyribonukleinsäure: "Es ist dies bereits die Stelle, an welcher der alte philosophische Gegensatz von Materie und Geist sich rein biochemisch wie von selbst auflöst: die Struktur der Materie ist in sich selbst ihre lebendige Bedeutung!"

Wo die Philosophie aus dem Spiel bleibt, wirkt der Text oft wie aus einem Lehrbuch entnommen. Dazwischen finden sich aber auch unkonventionelle Thesen aus populärwissenschaftlichen Quellen, und mitunter stolpert der Leser über offensichtlich Ungereimtes. So heißt es etwa über die Ichthyosaurier, jene Reptilien des Erdmittelalters, die in ihrer Lebensweise den heutigen Delfinen glichen: "da sie nicht mehr einfach ans Festland zur Eiablage zurückkehren konnten, entwickelten sie zudem eine Fähigkeit, die sonst nur noch von den Säugetieren erworben wurde: sie brachten lebende Jungen zur Welt!" Derart bemerkenswert ist diese Fähigkeit nun wirklich nicht. Auch drei unserer heimischen Reptilien - Kreuzotter, Bergeidechse und Blindschleiche - schlängeln sich voll entwickelt aus dem Mutterleib. Zugegeben, die Embryos müssen trotzdem mit der Verpflegung auskommen, die ihnen in der Eihülle zugeteilt wurde. Doch es gibt unter den Echsen auch einige, die eine regelrechte Plazenta ausbilden und ihren Nachwuchs so mit zusätzlichen Nährstoffen versorgen. Etliche Lurche und Fische bringen ebenfalls voll entwickelte Junge zur Welt - bei den Haien ist das sogar die gängigste Art der Fortpflanzung.

An anderer Stelle wird über die Schaben und Termiten berichtet: "Sie sind bis heute außerstande, sich der Pflanzen als Nahrung zu bedienen, denn dazu müssten sie deren Zellulose aufspalten können. Eine solche Fähigkeit aber besitzen einzig gewisse Bakterien, die sich dabei eines Enzyms, der Zellulase, bedienen. Mit einem Wort: Die Insekten hätten niemals auf dem Lande heimisch werden können, ohne dass ihnen von den Bakterien in wörtlichem Sinne der Boden bereitet worden wäre. Entscheidend ist, dass die Bakterien bei der Zersetzung der Pflanzenstoffe Eiweiß produzieren, und das eigentlich ist der Nährstoff, der ein gefundenes Fressen für Organismen darstellt, die zum Abweiden der Bakterienrasen geeignete Mundwerkzeuge entwickelt hatten." Anscheinend ist hier einiges durcheinander geraten: So sind Bakterien nicht unbedingt die Lieblingsspeise von Schaben und Termiten. Außerdem können zumindest manche dieser Insekten selbst Zellulose erzeugen und Zellulose problemlos verdauen. Andere verlassen sich auf fremde Hilfe: Einige Termiten beherbergen in ihrem Darm Einzeller - es sind keine Bakterien -, die Zellulosefasern in Zuckermoleküle zerlegen. Und schließlich ist ein Mangel an Zellulase noch lange kein Grund, pflanzliche Kost zu verschmähen. Wer es auf den nahrhaften Inhalt der Pflanzenzellen abgesehen hat, kann die Zellwand auch ohne Enzyme mürbe machen: Gut gekaut ist halb verdaut.

Vielleicht hat der Autor ein wenig unterschätzt, welch sorgsame Navigation vonnöten ist, um sich auf fremdem Terrain zurecht zu finden. In der Beschränkung zeigt sich der Meister, möchte man ihm bisweilen zurufen. Gegen eine kompaktere Lektüre hätte sicher so mancher Leser nichts einzuwenden. Und wer es ganz genau wissen will, wird um einschlägige Fachliteratur ohnehin nicht herumkommen. Mit seinem Streifzug durch die Biologie ist Drewermann freilich noch nicht am Ende seiner Betrachtungen über Gott und die Welt. In seinem nächsten Buch, so kündigt er an, werden Mensch und Kosmos im Mittelpunkt stehen.

Eugen Drewermann: ". . . und es geschah so". Die moderne Biologie und die Frage nach Gott. Glauben in Freiheit. Band 3. Religion und Naturwissenschaft. 2. Teil: Biologie und Theologie. Walter Verlag, Zürich 1999. 996 S., Abb., geb., 98,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ganz klug wird man aus Diemut Klärners Rezension nicht: Einerseits wirft sie Drewermann vor, dass er das fremde Fachgebiet der Naturwissenschaften, auf dem er sich hier herumtreibt, womöglich nicht souverän genug beherrsche. Andererseits vermisst Klärner zum Beispiel Erörterungen über die Genetik. Was der liebe Gott nun mit all dem zu tun hat, wird aus der Rezension nicht deutlich. Nur soviel, dass Drewermann einer fundamentalistischen, also antidarwinistischen Ablehnung der Naturwissenschaft nicht folgen mag, und dass er mit Hilfe ausgedehnter naturwissenschaftlicher Passagen eine "zeitgemäße Schöpfungstheologie" entwickeln wolle.

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