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Dieses Buch präsentiert einen neuen Zugang zum Epochenausgang Weimars. Die Forschung zur späten Weimarer Republik wird trotz des Speichers an geordnetem historischen Wissen, den sie zur Verfügung stellt, auch weiterhin von der Frage angetrieben, welche Brückenfunktion die Jahre zwischen 1930 und 1933 für die Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur hatten. Was verstärkte den Sog einer Wirtschafts- und Staatskrise, den Hitler und seine Partei auszunutzen verstanden? Dirk Blasius, zuletzt mit einer viel beachteten Studie über Carl Schmitt hervorgetreten, stellt den Bürgerkrieg ins…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch präsentiert einen neuen Zugang zum Epochenausgang Weimars. Die Forschung zur späten Weimarer Republik wird trotz des Speichers an geordnetem historischen Wissen, den sie zur Verfügung stellt, auch weiterhin von der Frage angetrieben, welche Brückenfunktion die Jahre zwischen 1930 und 1933 für die Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur hatten. Was verstärkte den Sog einer Wirtschafts- und Staatskrise, den Hitler und seine Partei auszunutzen verstanden? Dirk Blasius, zuletzt mit einer viel beachteten Studie über Carl Schmitt hervorgetreten, stellt den Bürgerkrieg ins Zentrum seiner Darstellung. Der Zerfall der Weimarer Republik hängt eng mit den Auflösungstendenzen der bürgerlichen Ordnung in Deutschland zu Beginn der dreißiger Jahre zusammen. Was Blasius interessiert, ist das Machtspiel der politischen Lager im Bürgerkrieg, ist die enge Beziehung zwischen der Richtungstendenz der Politik und dem Ausmaß politischer Gewalt, die er eng an den Quellen herausarbeitet. Auf diese Weise wird deutlich, dass der Begriff des Bürgerkrieges als Erfahrungs- und Deutungskategorie der Mitlebenden eine Konfiguration erschließt, welche die Weimarer Staatsordnung von innen her zerstört hat.
Autorenporträt
Dr. Dirk Blasius ist Professor für Sozial-, Wirtschafts- und Rechtsgeschichte an der Universität Duisburg-Essen.
Rezensionen
'Selten wurde die schwelende Staats- und Demokratiekrise seit Einsetzung des ersten Präsidialkabinetts unter Zentrumskanzler Heinrich Brüning 1930 so quellennah und stringent geschildert wie es Dirk Blasius tut.' (Alexander Gallus, Frankfurter Rundschau)

'Was das vorzüglich geschriebene Buch von Blasius lesenswert macht, sind nicht nur die Einblicke in das Denken und Handeln der Akteure, die es gewährt. Eine der wichtigsten Quellen, auf denen die Darstellung beruht, sind Tageszeitungen. Ihre Analysen werfen ein Schlaglicht auf das Krisenbewusstsein gut informierter Zeitgenossen ... Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Blasius sich eines zentralen Themas der ausgehenden Weimarer Republik angenommen hat: Die Zitate aus der ehemaligen Presse und namentlich die aus der liberalen Vossischen Zeitung liefern ihn.' (Heinrich August Winkler, Die Zeit)

'Dirk Blasius hat ausdrucksvoll bewiesen, wie sich Wissenschaftlichkeit einerseits und gute Lesbarkeit auf der anderen Seite verbinden lassen.' (Benjamin Obermüller, www.rezensionen.ch)

'... solide recherchiert und und mit souveränem Überblick geschrieben ...
... ist es Dirk Blasius gelungen, auf einem vermeintlich längst 'ausgeforschten' Feld neue Perspektiven zu öffnen. Nicht zuletzt von der sprachlichen wie argumentativen Klarheit und Gradlinigkeit können Kolleginnen und Kollegen viel lernen.' (Patrick Wagner, H-Net)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.11.2005

Fleisch vom Fleische
Verkannte Nazis: Dirk Blasius untersucht das Ende der Weimarer Republik
Dirk Blasius, einer der profiliertesten deutschen Sozialhistoriker, hat vor wenigen Jahren mit einer Analyse der Aktivitäten von Carl Schmitt in der Endzeit der Weimarer Republik Aufmerksamkeit erregt. Nun hat er als systematische Erweiterung eine Studie über das Ende der Weimarer Republik vorgelegt. Der Bürgerkrieg, so die These, war bestimmendes Moment der Politik in der Schlussphase der Republik, wobei der Unterschied zu den ebenfalls von Gewalt geprägten Jahren nach 1918 darin gelegen habe, dass ab 1930 neben der traditionellen Bürgerkriegs-Partei, den Kommunisten, nun mit den Nazis eine zweite im politischen Spektrum erschienen sei. Das aber hätten die Behörden, ganz auf den Kampf gegen „Rot” eingestellt, erst spät - 1932 - erkannt. Deshalb sei der Kampf gegen den Nazi-Extremismus so merkwürdig inkohärent und unbeholfen gewesen.
Erklärt sich so die „Blindheit” der „nationalen” und konservativen Politiker (wie Franz von Papen) gegenüber dem Nationalsozialismus? Blasius zeigt in konzentrierter und quellennaher Darstellung die Exzesse von rechter und linker Straßengewalt in den Jahren 1930 bis 1932. Wie hat die politische Führung hierauf reagiert? Ausführlich geht der Autor auf die Auseinandersetzung zwischen der Reichsregierung und der preußischen Regierung ein. Letztere wurde ja - das ist eine bislang noch gar nicht hinreichend analysierte cause célèbre - vom Reich 1932 schlicht abgesetzt, weil sie angeblich oder tatsächlich nicht vermochte, der Gewaltexzesse - der Roten! - Herr zu werden. Preußen zog gegen diese Maßnahme vor den Reichsstaatsgerichtshof.
Blasius analysiert die Argumente beider Seiten, die Erstaunliches offenbaren: etwa, wie die Reichsregierung diesen „Preußenschlag” damit legitimierte, man habe ein Ventil schaffen müssen für die Erregung, welche durch das einseitige Einschreiten Preußens gegen die SA - und nicht gegen die Kommunisten! - angestaut worden sei; nur so habe Bürgerkrieg verhindert werden können.
Insgesamt zeigt Blasius’ Darstellung mit wünschenswerter Entschiedenheit, dass der braune Terror der „staatstragenden” national-konservativen Elite des Reiches als keineswegs so destruktiv erschien wie die Kommunisten. Carl Schmitt hat mit einem - damals stark beachteten - Kommentar dieses Verhalten quasi „staatsrechtlich” abgesegnet: Es sei in erster Linie darum gegangen, „gerecht und objektiv zu sein und die für eine Bewegung, mit der Millionen Deutscher nicht nur sympathisieren, der sie ihre Stimme gegeben haben, beleidigende Gleichstellung mit der Kommunistischen Partei aufzuheben”.
Kein Erschöpfungstod
Diese unverblümte Zuneigung zur „nationalen” NS-Partei ist genauso typisch wie etwa Papens Meinung - noch 1945 in Nürnberg vertreten - , dass man den Nazis als einer echt nationalen Massenbewegung doch eine Chance habe geben müssen, sich in der Regierungsverantwortung zu bewähren. Viele national-konservative Politiker waren der Auffassung, dass die braunen Horden ein „wunderbares Menschenmaterial”, straff gedrillt und sauber uniformiert - wenngleich vielleicht ein wenig zu randalierend - seien. Blasius schließt aus all dem, dass die Weimarer Demokratie „keinen Erschöpfungstod” gestorben sei. Die Institutionen der Republik hatten „die tödliche Gefahr, die von politischen Gewalthandlungen der Rechten ausging, verkannt”.
So weit, so richtig. Blasius’ Arbeit regt nicht nur zum Weiterdenken, sondern auch zum Widerspruch an, was ja auch eine eine Stärke sein kann. So stellt sich die Frage, ob die damals kurrente - vom Autor reproduzierte - Rede vom „Bürgerkrieg” die Situation wirklich trifft. Ist schon Bürgerkrieg, wenn politische Extremisten Straßengewalt ausüben? Wie viele Bürger müssen einbezogen sei, dass wirklich „Krieg” im Lande herrscht? Und was kann geschehen, um solches Übergreifen der Gewalt auf alle Bürger zu verhindern? Es erstaunt ein wenig, dass nicht der zentralen Frage nachgegangen wird, was der ungeheure Wahlerfolg der Nazis im Juli 1932 - sie hatten 13,2 Millionen Wähler, erhielten 230 Sitze im Parlament und waren damit stärkste Fraktion - für Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen hatte.
War denn zu erwarten, dass mit der stärksten Partei - einer echten Protest-Volkspartei - umgegangen werden konnte wie mit einer terroristischen Bande? Ist es nicht merkwürdig, dass die SA sich so einfach verbieten ließ und gegenüber der Obrigkeit kuschte, anstatt die Polizei anzugreifen - in einem Bürgerkrieg würde ja genau dies passieren! Irgendwie waren die Nazis auch Teil des Lagers aller „Vaterländischen”, die behaupteten, „für Deutschland” zu kämpfen - und deshalb erschien Hitler mit seiner Partei den Konservativen schlicht als vertrauenswürdiger als die systemfremden Kommunisten. Die Nazis waren bei aller Gewalt-Rhetorik Fleisch vom Fleische der bürgerlich-nationalen Gesellschaft.
Leider stützt sich Blasius nicht sonderlich auf die neueren Arbeiten zur Gewalt und Gewalterfahrung in der Weimarer Zeit - und der uralten, nicht sehr inspirierten Darstellung von E. R. Huber wird wahrlich zu viel Zitat-Ehre zuteil. Und wenn der Autor eingangs völlig zutreffend betont, dass auch ein Bogen zu ziehen wäre zwischen der politischen Gewalt in den Anfangsjahren der Republik und deren Endzeit, hätten die zahlreichen neuen Veröffentlichungen hierzu wenigstens erwähnt werden können.
Trotz solcher Einwände: Man kann dem Autor dankbar sein für eine Studie, die in knapper Form das immense Problem der Gewalt am Ende der Weimarer Republik in den Zusammenhang der politischen Verantwortung und Entscheidung stellt.
GERD KRUMEICH
DIRK BLASIUS: Weimars Ende. Bürgerkrieg und Politik 1930-1933. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005. 188 Seiten, 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Heinrich August Winkler, Historiker und Rezensent in einer Person, staunt, dass man dem Thema noch etwas Neues abringen kann. So viel sei doch schon zum Ende der Weimarer Republik veröffentlicht worden, wundert er sich, und doch setze Dirk Blasius neue Akzente, indem er sich auf die Rolle des Bürgerkriegs in der deutschen Politik in den Jahren 1930 bis 1933 konzentriert. Diesen Aspekt untersucht der Essener Historiker Blasius so intensiv und systematisch wie keiner vor ihm, meint Winkler, der das Buch ausdrücklich als gut geschrieben und gut recherchiert lobt. Zum einen gewähre es Einblick in das Denken und Handeln der damaligen Akteure, so Winkler, des Kabinetts von Reichskanzler Franz von Papen sowie der Regierung Schleicher; Schleichers Politik war sehr viel realistischer als die Papens, resümiert Winkler. Zum anderen aber, fährt er in seiner Lobeshymne fort, seien die wichtigsten Quellen für Blasius' Untersuchung und Darstellung die Tageszeitungen von damals, was ein besonderes Licht auf die Wahrnehmung der Krise und ihrer Gefahren durch die Zeitgenossen damals würfe. Nur warum Schleicher sich von einem politisch geschickten Akteur zu einem Tolpatsch entwickelt haben sollte, findet er in Blasius' Darstellung nicht zu seiner Zufriedenheit erörtert und gedeutet.

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