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Der Freiherr vom Stein (1757-1831) zählt zu den wenigen Persönlichkeiten des frühen 19. Jahrhunderts, die schon zu ihren Lebzeiten zur Legende und nach ihrem Tod zu einem Mythos wurden. Von nahezu allen politischen Lagern wurde er für sich reklamiert. Lange Zeit war Stein ein wichtiger Referenzpunkt des kollektiven Gedächtnisses der Deutschen. Das verdeutlichen die zahlreichen Biografien, die schon im 19. Jahrhundert publiziert wurden, ebenso wie die zu seinen Ehren errichteten Denkmäler.Heinz Duchhardt untersucht den Mythos des preußischen Reformers und Napoleon-Gegners von der Entstehung in…mehr

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Produktbeschreibung
Der Freiherr vom Stein (1757-1831) zählt zu den wenigen Persönlichkeiten des frühen 19. Jahrhunderts, die schon zu ihren Lebzeiten zur Legende und nach ihrem Tod zu einem Mythos wurden. Von nahezu allen politischen Lagern wurde er für sich reklamiert. Lange Zeit war Stein ein wichtiger Referenzpunkt des kollektiven Gedächtnisses der Deutschen. Das verdeutlichen die zahlreichen Biografien, die schon im 19. Jahrhundert publiziert wurden, ebenso wie die zu seinen Ehren errichteten Denkmäler.Heinz Duchhardt untersucht den Mythos des preußischen Reformers und Napoleon-Gegners von der Entstehung in der Stein-Historiographie nach dessen Tod über das Verhältnis des NS-Staates zum Reichsfreiherrn bis zur Stein-Verehrung in beiden deutschen Nachkriegsstaaten.
Autorenporträt
Heinz Duchhardt war Prof. für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Bayreuth und für Neuere Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sowie Direktor der Abteilung Universalgeschichte des Instituts für Europäische Geschichte in Mainz. Zuletzt leitete er bis Februar 2015 als Präsident die Max Weber Stiftung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.07.2009

Unser Reformminister
Heinz Duchhardt untersucht den Mythos um den Reichsfreiherrn vom und zum Stein
Manchmal lassen sich Probleme durch Vervielfachung lösen oder doch wenigstens entschärfen – wie im Falle des Berliner Denkmals für den preußischen Reformminister und anti-napoleonischen Befreiungskämpfer Stein. Dessen Verhältnis zu den Hohenzollern war nie ungetrübt gewesen, seine politischen Vorstellungen mit ihrem Zug ins Idealische passten nicht zum restaurativen Geist, der nach dem Wiener Kongress in Preußen herrschte, und so verwundert es nicht, dass an der Spree kein Denkmal an ihn erinnerte. Spät erst, über ein Vierteljahrhundert nach dem Tod des gesinnungstreuen Beamten formierte sich im März 1858 ein „Central-Ausschuss” für ein Stein-Monument. Den Vorsitz übernahm der greise Alexander von Humboldt. Nicht nur Universitäten und Realschulen, selbst die Konsuln in Sydney und Valparaiso wurden gebeten, für die Sache des Vereins zu werben: ein Standbild in Marmor oder Erz sollte her.
Zwar war der König der napoleonischen Jahre, Friedrich Wilhelm III., der gute Gründe hatte, Stein nicht zu mögen, schon lange tot, aber den Namen des Reichsfreiherrn führten gerade Liberale und ungeduldige Anhänger deutscher Einigung häufig und begeistert im Munde. Und wer von Stein sprach, redete bald auch von einer Verfassung. Da war es doch verständlich, dass die Staatsregierung eine „politische Ausbeutung” des Denkmalvorhabens fürchtete, den Triumph von Parteistandpunkten.
Rettung aus heikler Lage brachte die „Paketlösung”. Man beschloss, gleich drei neue Denkmäler in Auftrag zu geben: eines für Friedrich Wilhelm III., eines für den Reichsfreiherrn vom und zum Stein und eines für Karl August Hardenberg, den Grandseigneur der Reformzeit. Nun, da es um drei Denkmäler ging, stand das Stein-Monument nicht mehr allein im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit, auch konnte man den Eindruck gewinnen, die Regierung, die doch zuvor unter Druck schien, verfolge ein umfassenderes Konzept.
Es dauerte noch arg lange, bis das Standbild, geschaffen von Hermann Schievelbein, endlich enthüllt wurde. Auch stand es, als es 1875 schließlich so weit war, an wenig prominenter Stelle: im Süden des Dönhoffplatzes, einer Bierhalle gegenüber. Wenigstens lag das Abgeordnetenhaus nicht weit entfernt. Vier allegorische Figuren an den Ecken des Postaments zeigten, was den Mann ausgezeichnet hatte: Vaterlandsliebe, Energie, Wahrheitsliebe, Frömmigkeit.
Die verwickelte Geschichte des Denkmals und dessen Stellung im Deutungskampf erzählt der Historiker Heinz Duchhardt in einem schmalen Band über das Nachleben des preußischen Reformers, einem Buch über Stein-Historiographie, Stein-Denkmäler, das Gedenkjahr 1931, NS-Propaganda und den späteren deutsch-deutschen Kampf um das beste am Erbe. „Mythos Stein” ist die Studie überschrieben, und man ist im ersten Moment geneigt, ungläubig zurückzufragen: Mythos? Überlebt Stein inzwischen nicht vor allem als Gerücht? 2007 war ja auch ein Stein-Jahr und ist als ein solches begangen worden, aber für das Selbstbild der Deutschen und die Debatten darum spielt der Mann doch bloß eine untergeordnete Rolle.
Duchhardt, der vor zwei Jahren eine große Stein-Biographie vorgelegt hat, weiß selbstverständlich um die eingeschränkte Popularität seines Helden. Und dennoch passt der Titel vom Mythos Stein. Denn mit diesem hat es jeder zu tun, der sich mit der historischen Person befassen will. Es gehört zu den Eigenarten der Wirkungsgeschichte, dass sie in ihren Sternstunden Heldenbilder prägen kann, die jede wissenschaftliche Ernüchterung, jede publizistische Attacke überleben. Man kann die historische Figur aus diesen Bildern herauspräparieren, sie aber kaum unabhängig von diesen denken. So bleibt Friedrich Schiller für uns eben immer auch ein Bürger des Jahres 1859, so werden wir in Heinrich von Kleist stets einen Jungdichter auch des Jahres 1911 erblicken. Und Stein wird, wenn man sich denn seiner erinnert, immer auch eine Retterfigur aus dem Jahr 1931 sein. Im damaligen Augenblick der vollendeten Ratlosigkeit, der „tiefsten Erniedrigung” glaubten viele, von rechts bis links, dass sich bei Stein etwas lernen oder doch Kraft finden ließe.
1931 erschien Gerhard Ritters gewaltige „politische Biographie”, es erschien das republikanische Stein-Buch des katholischen Historikers Franz Schnabel, der Selbstverwaltung und darauf zielende staatsbürgerliche Nationalerziehung ins Zentrum rückte. Er hat die Argumente später in seiner großen „Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert” weiter entfaltet. 1931 wurde er von Ritter heftig angegriffen. Dabei ging es auch um Konkurrenz und Futterneid – unter Historikern eine Triebkraft ersten Ranges. Vor allem aber musste Ritter glauben, dass Schnabel einem „deutschen Erbfehler” verfalle: Er überschätze das „rein Gesinnungsmäßige” und veranschlage politischen Intellekt wie Machtinstinkt zu gering.
Duchhardts Darstellung der Kontroverse liefert auf wenigen Seiten reichlich Stoff, über eigene Vorstellungen von historischer Größe, von Männern und Helden nachzudenken. Stein war nur 14 Monate in der entscheidenden Position des Reformministers gewesen, nach seinem Sturz aufgrund eines abgefangenen Briefes – ein komödientaugliches Motiv – musste er sich meist mit Denkschriften, Briefen, Entwürfen und kleineren Intrigen begnügen. Frankophobie, ein pathetisches Deutschtum und die Städteordnung sicherten ihm Popularität und eine nach seinem Tode 1831 nur wachsende Faszinationskraft. Diese, vermutet Duchhardt, habe auch darin ihren Grund, dass Stein eine Figur des Übergangs war: aus dem Deutschland des Alten Reichs in die Zeit der Nationalstaaten. Bei Stein konnte jeder etwas entdecken. Weil dies so war, erfährt man aus dieser Studie viel über die Deutschen.
Als Hetze und Terror der NS–Studenten unerträglich wurden, nahm sich am 7. Main 1934 der Direktor der Universitätsklinik Münster, Paul Krause, das Leben. Er tat es demonstrativ in Frücht, am Grabmal Steins. JENS BISKY
HEINZ DUCHHARDT: Mythos Stein. Vom Nachleben, von der Stilisierung und von der Instrumentalisierung des preußischen Reformers. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008. 180 Seiten, 24,90 Euro.
Wer von ihm sprach, redete bald auch von einer Verfassung
Selbstverwaltung, Nationalstaat, jeder fand bei Stein, was er wollte
Stein (1757-1831), acht Meter hoch, heute vor dem Berliner Abgeordnetenhaus stehend. Foto: ddp
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Mythos" Stein? fragt der Rezensent Jens Bisky erst einmal. Ist das nicht etwas hoch gegriffen? Nein, jedenfalls dann nicht, versichert er, wenn man den Begriff des "Mythos" so nimmt, wie der Historiker Heinz Duchhardt es hier tut. Wenn man nämlich damit auf die Tatsache hinweist, dass das Bild, das die Nachwelt sich von historischen Figuren macht, nicht ohne weiteres von den historischen Fakten zu trennen ist - weil es eben unter diese selbst zählt. Darum ist es ein sinnvolles Projekt, das Nachleben des nur 14 Monate sein Amt innehabenden preußischen Reformers in den Fokus zu rücken. Genau das unternimmt dieses Buch, und zwar auf den Rezensenten überzeugende Weise. So wird etwa der Streit zwischen dem katholischen Historiker Franz Schnabel und dem republikanischen Gerhard Ritter von Anfang der 1930er Jahre dargestellt. Hier wie grundsätzlich gelte: "Bei Stein konnte jeder etwas entdecken." Genau das macht seine Rezeption und darum dies Buch, so Bisky, sehr lehrreich.

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