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Junge Senioren in psychoanalytischer Behandlung Traumatisierende Erfahrungen, beschädigte Lebensbedingungen und abwesende Väter charakterisieren die Situation und Entwicklung vieler Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs und in den folgenden Jahren ihre Kindheit verbracht haben. Die einführende umfassende Zusammenschau der Erkenntnisse verschiedener Disziplinen belegt den bis heute unzureichenden Kenntnisstand zum Schicksal dieser Altersgruppe. Auf der Basis der Auswertung von zehn Psychoanalysen 45- bis 60-jähriger Patienten verdeutlicht Hartmut Radebold das Ausmaß der Beschädigungen…mehr

Produktbeschreibung
Junge Senioren in psychoanalytischer Behandlung
Traumatisierende Erfahrungen, beschädigte Lebensbedingungen und abwesende Väter charakterisieren die Situation und Entwicklung vieler Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs und in den folgenden Jahren ihre Kindheit verbracht haben. Die einführende umfassende Zusammenschau der Erkenntnisse verschiedener Disziplinen belegt den bis heute unzureichenden Kenntnisstand zum Schicksal dieser Altersgruppe.
Auf der Basis der Auswertung von zehn Psychoanalysen 45- bis 60-jähriger Patienten verdeutlicht Hartmut Radebold das Ausmaß der Beschädigungen bis ins mittlere Erwachsenenalter - gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass auch in diesem Lebensabschnitt psychotherapeutische Hilfe sinnvoll und fruchtbar sein kann. Diskutiert werden darüber hinaus Fragen wie: Kann ein Kriegskind hinter der Couch Kriegskinder auf der Couch behandeln? Welche Entwicklungsmöglichkeite n bieten sich für so betroffene Patienten im Alter? Ist die Abwesenheit der Väter nicht auch als Chance zu verstehen?
Autorenporträt
Prof. emer. Dr. med. Hartmut Radebold ist Arzt für Psychiatrie / Neurologie und Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker und Altersforscher und gilt als "Nestor der deutschsprachigen Psychotherapie Älterer" (PSYCHE). Beschäftigung mit dem Thema "Abwesende Väter und Kriegskindheit - langanhaltende Folgen in Psychoanalysen". Der Autor ist Mitherausgeber der Fachzeitschrift "Psychotherapie im Alter".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.11.2000

Väter, die man fassen will
Die verlorene Generation – Hartmut Radebolds Untersuchung zur Psychoanalyse der Kriegskindheit
Was sind lebendig tote Väter? Es sind diejenigen Väter, die zwar in ihre Familien zurückkehrten, aber so krank, gebrochen oder emotional abgeschottet waren, dass sie die Kinder kaum noch erreichten. So wurden oder blieben sie ausgegrenzt, rätselhaft, gefürchtet oder gar verachtet. Was diese Väter für ein Kind bedeuteten, das untersuchte der Kasseler Psychoanalytiker Hartmut Radebold an einer Gruppe von Langzeit-Patienten. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die ganze Generation der Kriegskinder kaum wissenschaftliche Beachtung gefunden hat, ja, er spricht sogar von „Strafe” durch die Schulprojektion der Jüngeren auf diese Kriegskinder, die doch in oft erschütterndem Maß Opfer waren.
Radebold selbst ist durch eine intensive Wandlung gegangen, hat seine eigene Kriegskindgeschichte noch einmal durchlebt, bevor er sich wirklich seinen Patienten seelisch aufschließen konnte – so dass er sich quasi als Mitpatient einbezieht in das Elend seiner Generation, die in „pathologischer Normalität” oft gar nicht bemerkt hat, wie beschädigt sie war. Zu ihm kamen Menschen, die an innerer Leere, Resignation, Überarbeitung, Beziehungsstörungen und „Roboterisierung” litten – dem freudlos mechanischen Vollzug des Lebens. So gestaltete sich auch die erste Phase der Therapie „auffallend zäh, mühselig und oft langweilig”. Indem er sich der Schrecken seiner eigenen Kriegskindheit emotional bewusst wird, kann er sich dem Leid der Patienten öffnen. Er geht ihnen im Erleben voraus, weint hinter der Couch, schämt sich zuerst, nutzt dann die Tränen, um den Patienten ihre Gefühle zu spiegeln, die sie in ihm ausgelöst haben.
Ein Beispiel: Die Patienten haben entweder keinen oder erstarrte und unzugängliche Väter erlebt und sitzen auf ihren verdrängten Wunschbildern. Nach langer Arbeit dürfen diese Bilder bewusst werden, aber der Adressat sitzt unsichtbar und ungreifbar hinter der Couch. Dabei geht es um „endlich zugestandene (wohl am meisten verdrängte) Sehnsüchte nach Vätern zum Anfassen, Umarmen, zum Spielen und Toben . . .” Nicht zuletzt deshalb ist von den überlangen und schmerzvollen Phasen der Trauer die Rede, weil auf Unwiederbringliches verzichtet werden muss. Aber die Analyse ist in dieser Form gerade ein Symbol der Unwiederbringlichkeit auf Grund der körperlichen Abstinenz.
Viele Jahre musste Radebold allein auf weiter Flur arbeiten – dabei gegen das Vorurteil angehen, dass Psychoanalyse jenseits der Sechzig (früher Vierzig!) nichts mehr auszurichten vermag. Ihm ist es mit zu verdanken, dass heute von vielen Gutachtern der Krankenkassen auch Analysen mit Menschen von 70 und mehr Jahren genehmigt werden. Wichtig ist, und Radebold wird nicht müde, es zu betonen: bei historischen Katastrophen im Hintergrund der Störung darf und muss der Analytiker aktiv nachfragen. Damit entfernt er sich weit von der abwartenden Neutralität, die lange das Ideal der Analyse war:
TILMANN MOSER
HARTMUT RADEBOLD: Abwesende Väter. Folgen der Kriegskindheit in Psychoanalysen. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000. 249 S. , 48 Mark.
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