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Galen ist 22 und hungrig nach Erlösung. Er lebt mit seiner Mutter auf einer Walnussplantage in Kalifornien von den Resten eines alten Familienvermögens, und er hasst es alles: die Hitze und den Dreck, die emotionale Bedürftigkeit seiner Mutter, ihre Macht über ihn. Die ganze verlogene Idylle. Doch Galen ist ein Phantast, und statt sein Leben in die Hand zu nehmen, sucht er Erleuchtung, liest Castaneda, "Der Prophet, Die Möwe Jonathan". Er möchte auf dem Wasser gehen, endlich körperlos sein, doch seine Bedürfnisse halten ihn gefangen, und so ist er Jennifer, seiner 17-jährigen Cousine, die ihre…mehr

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Produktbeschreibung
Galen ist 22 und hungrig nach Erlösung. Er lebt mit seiner Mutter auf einer Walnussplantage in Kalifornien von den Resten eines alten Familienvermögens, und er hasst es alles: die Hitze und den Dreck, die emotionale Bedürftigkeit seiner Mutter, ihre Macht über ihn. Die ganze verlogene Idylle. Doch Galen ist ein Phantast, und statt sein Leben in die Hand zu nehmen, sucht er Erleuchtung, liest Castaneda, "Der Prophet, Die Möwe Jonathan". Er möchte auf dem Wasser gehen, endlich körperlos sein, doch seine Bedürfnisse halten ihn gefangen, und so ist er Jennifer, seiner 17-jährigen Cousine, die ihre erotische Macht über ihn erkennt, hilflos ausgeliefert. Bei einem Familienausflug in die Wälder eskalieren die Spannungen, die Mutter wendet sich gegen ihren eigenen Sohn, will ihn vernichten. Und Galen merkt, wie weit er zu gehen bereit ist, um die Transzendenz zu erreichen, nach der er strebt.
Menschen, die einander für die eigenen Schwächen bestrafen, um ihr Seelenheil zu retten: Derneue Roman von David Vann ist unerschrocken, rauschartig und voll schonungsloser Komik. Ihn zu lesen schmerzt. Ihn nicht zu lesen hieße, ein Meisterwerk zu ignorieren.
Autorenporträt
Vann, David
David Vann wurde 1966 auf Adak Island/Alaska geboren. Seine Romane sind vielfach preisgekrönt und erscheinen in 22 Ländern. David Vann lebt in Neuseeland und ist derzeit Professor an der University of Warwick in England.

Mandelkow, Miriam
Miriam Mandelkow, 1963 in Amsterdam geboren, war nach ihrem Studium der Anglistik, Amerikanistik und Jewish Studies zunächst mehrere Jahre als Lektorin tätig, ehe sie sich dem literarischen Übersetzen zuwandte. Zuletzt erschienen in ihrer Übersetzung Werke von David Vann, NoViolet Bulawayo, Pat Barker und Anne Landsman. Miriam Mandelkow lebt in Hamburg.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Tilman Urbach hat David Vanns Roman "Dreck" wohlwollend aufgenommen. Auch wenn der Autor einiges an drastischen Beschreibungen zumutet, hat er nie Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit. Die bedrückende Geschichte um einen heftigen Mutter-Sohn-Konflikt wirkt auf ihn wie ein Kammerspiel mit Horrorelementen. Er attestiert dem Buch hohe Spannung und große Kraft. Am Ende liest es sich für ihn fast wie ein packender Thriller. Ein wenig fühlt er sich an Cormac McCarthy oder an Hemingway erinnert. Allerdings findet er bei Vann weniger Zwischentöne, aber dafür eine "Zugkraft" ins "Katastrophische".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2013

Allein unter Frauen

David Vanns neuer Roman "Dreck" erzählt von einem Muttersöhnchen, das endlich ein Mann sein will. Zur Hälfte ist er furchterregend gut.

Genau in der Mitte kippt dieses Buch. Und es wird zu einem fürchterlich-fulminanten Kammer- oder besser: Schuppenspiel. Zu viel über das zu erzählen, was sich dann während zwei Tagen auf einer Walnussplantage im sommerlich heißen Umland von Los Angeles abspielt, würde den Schrecken bei der Lektüre mindern und damit die Faszination dieses Buchs, das seinen Protagonisten einem moralischen und körperlichen Verfallsprozess unterwirft, der beispiellos ist, und das man nicht anders als einen Horrorroman nennen kann - von der Mitte an. Aber was ist es vorher?

Die ersten 150 Seiten von David Vanns "Dreck" sind die Hinführung zum Horror, und sie sind gleichermaßen fürchterlich: fürchterlich banal. Wir befinden uns im Kopf von Galen Schumacher, einem zweiundzwanzigjährigen Mann, der noch bei seiner Mutter Suzie-Q lebt. Diese wiederum betreibt die Walnussplantage, die ihr aus Deutschland eingewanderter Vater angelegt hat. Verheiratet war der mit einer Isländerin, und für Galen steht schon deshalb fest, dass im Leben seiner Familie niemals etwas zusammenpassen wird. Nun ist der Großvater tot, die Großmutter musste wegen beginnender Demenz ins Altersheim umziehen, und von seinem eigenen Vater kennt er nicht einmal den Namen. Mutter und Sohn sind allein zu Haus.

Die Plantage ist das letzte unbebaute Areal in diesem Vorstadtgebiet, doch Suzie-Q denkt gar nicht daran, das wertvolle Grundstück zu Geld zu machen. An ihm hängen all ihre glücklichen Kindheitserinnerungen, an dem Dreck, aus dem die Bäume wachsen und dem der Roman seinen Titel verdankt (im Original "Dirt", also etwas weniger pejorativ). Es gibt aber noch viel mehr Schmutz, der im Laufe des Geschehens unter dem Teppich hervorgekehrt und reichlich über die Beteiligten verteilt wird.

So hat der Großvater von Galen seine Frau und ältere Tochter Helen geprügelt, aber niemals das Nesthäkchen, und ans Leid von Mutter und großer Schwester will Suzie-Q sich nicht erinnern. Um ihr eigenes Kinderglück zu verlängern, hat sie erst ihren Sohn in die Welt gesetzt und ihn dann nicht mehr losgelassen. Auf der Bank liegt ein Familienvermögen in unbekannter Höhe, über das nur sie unbeschränkt verfügen kann, doch ihrem Sohn sagt sie, dass nicht genügend Mittel vorhanden seien, um ihn studieren zu lassen. So ist Galen ein Gefangener in der Welt seiner Mutter und rettet sich in Vorstellungen von Reinkarnation. Wie sollte er sein Leben sonst ertragen?

Das Ganze spielt in den achtziger Jahren (die amerikanische Originalausgabe legt sich im Klappentext auf 1985 fest), aber der einzige Grund, warum Vann seinen Roman in jener Zeit angesiedelt hat, dürfte darin liegen, dass es damals noch keine Mobiltelefone gab; die hätten einige Wendungen des Geschehens empfindlich gestört. Unter den Twens dieser Zeit dürfte Galen kaum als solch ein Sonderling erschienen sein, wie Vann ihn beschrieben sehen will: Castaneda- und Hesse-Lektüre waren immer noch verbreitet, und Kitaros weichgespülte Musik fand durchaus auch junge Liebhaber.

Aber dieser träumende Softie ist hochgefährdet und -gefährlich, und so wird er zum jüngeren Bruder im Geiste von Gary, dem Protagonisten von "Die Unermesslichkeit", dem Romanvorgänger von "Dreck", in dem Vann eine Ehe zum Schlachtfeld machte. Und noch mehr erzählerische Verwandtschaft besteht zu Roy, dem Halbwüchsigen aus "Im Schatten des Vaters", dem Buch, mit dem der 1966 geborene Amerikaner bei uns bekannt wurde und in dem er nur notdürftig fiktionalisiert die tragische Geschichte seiner eigenen Familie erzählt. Die Verletzungen, die dieser Autor erlitten hat, sind tief, und die literarischen Heilmittel, die er wählt, sind nichts für schwache Nerven.

Galen ist nach dem berühmten Arzt der Antike benannt; er sollte ja Suzie-Qs Wohlbefinden garantieren. Doch von Beginn des Geschehens an stehen die Störungen des jungen Mannes selbst im Zentrum: Sexuell läuft es nur mit sich selbst, und die Nahrungsaufnahme wird zum Ausgangspunkt aller familiären Konflikte. Erst als Galen selbst die Initiative ergreift, sich ernährt wie ein schiffbrüchiger Leichtmatrose, kann er die Nahrung bei sich halten, weil er ein Äquivalent zu seiner Stimmung im Essen gefunden hat: "Er setzte sich und gabelte die grünen Bohnen aus der Dose, kalt und salzig und ohne anderen Geschmack. Er kaute und schluckte, und es fühlte sich an, als wäre sein Magen eingefallen, als müsste das Essen die Falten von innen wieder ausbeulen. Er gabelte Sauerkraut und genoss den Essig. Essig war das Richtige." Aber mit diesem Zitat sind wir schon im zweiten Teil.

Der bietet das, was Vanns besondere Fähigkeit ausmacht: den tetanisierenden Blick auf Zweierbeziehungen, Vater-Sohn, Mann-Frau oder jetzt Mutter-Sohn. Man steht starr vor den Konsequenzen dieses Schreibens, an vergleichbarer Intensität gibt es nichts. Genau deshalb aber ist die Lektüre der ersten Hälfte von "Dreck" so desillusionierend. Das Schreckenspanoptikum des Daniel Vann umfasst hier noch fünf Personen: Mutter-Sohn-Großmutter-Tante-Cousine. Oder anders gesagt: Galen allein unter Frauen.

Leider ist das des Schlimmen vierfach zu viel. Wie Galen in den erotischen Bann seiner Cousine Jennifer gerät, ist nicht psychologisch ausgefeilt, sondern pornographisch aufgegeilt. Und die Hennenkämpfe zwischen Suzie-Q und Helen unter den umnebelten Blicken ihrer verwirrten Mutter laufen nach den Dialogschemata von Fernsehserien ab. Da hilft es nicht, dass Vann einen eigenen Stil zu etablieren sucht, der gern in einzelnen Sätzen auf Verben verzichtet, um Gefühlsintensität zu simulieren. Das klingt in der vorlagengetreuen Übersetzung von Miriam Mandelkow dann so: "Also machte er die Augen zu, sah Grellpink mit weißen Glimmerspuren und Sonneneruptionen, eine endlos variable, explosive Welt. Sein Körper kreiselnd im Licht. Gesicht und Schenkel glühend heiß, Stecknadeln. Aber er würde hier bleiben, bis zum Ende."

Doch in Wirklichkeit will Galen nur weg. Als Suzie-Q ihm diese Illusion endgültig nimmt, ist die zweite Hälfte des Romans erreicht, und damit beginnt sein meisterhafter Teil. Alle außer Mutter und Sohn haben die Handlung verlassen, wir sind wieder im Vannschen Naturzustand der vergifteten Zweisamkeit. Von Poes "Tell-Tale Heart" hat das Finale einiges gelernt. Doch was abschließend passiert, macht diesem Autor so schnell keiner nach. (Man möchte auch keinem Schriftsteller wünschen, dass er es so überzeugend könnte.)

ANDREAS PLATTHAUS.

David Vann: "Dreck". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Miriam Mandelkow. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013. 298 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.07.2013

Aus Söhnen werden Messer
David Vanns Roman „Dreck“ zeigt, was passiert, wenn ein Vater fehlt. Von Volker Harry Altwasser
Wenn ein abwesender Vater seine Exfrau aufsucht und den dreijährigen Sohn zu einem Ausflug in die Pampa mitnimmt, wenn dieser Vater sich dann in der Wildnis unerwartet seinem Versagen stellen muss, genau das aber nicht schafft, woraufhin das Kind sich mit der Pistole des Vaters in einem Moment der seelischen Überforderung selbst erschießt – dann befinden wir uns in dem in 18 Sprachen übersetzten Erstlingsroman „Im Schatten des Vaters“ des Amerikaners David Vann. Mit dem Nachfolgeroman „Dreck“ ( Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013. 296 Seiten, 19,95 Euro ) hat Vann nun die andere Seite beleuchtet: Hier kommt kein Vater, um den Sohn von der Mutter wegzuholen. Ein Glück für diesen Sohn, der mittlerweile, als wäre er gar nicht gestorben, 22 Jahre zählt, ist aber auch das nicht, denn Glück, Liebe und andere positiven Erfahrungen gibt es im literarischen Kosmos von David Vann nicht. Vielleicht ist gerade das unser Glück.
  Der junge „Dreck“-Protagonist versteht sich als alte Seele, die wieder- und wiedergeboren worden und die vielleicht schon dreitausend oder fünftausend Jahre alt ist. So genau weiß Galen das nicht, den die Mutter nach einem Arzt der Antike benannt hat. Am Namen und momentanen Dasein liegt diesem Fänger nicht viel, der nicht im Roggen verschwindet, sondern auf einer vererbten, riesigen Walnussbaumplantage, die sich mitten in der Gluthitze einer kalifornischen Wüstenstadt befindet und mangels Pflege zu Dreck wird. Es ist die Welt der Guru-Sprüche und der diffusen Schatten, durch welche die Sonne das Leben gnadenlos zerstrahlt.
  Auf dieser Plantage befinden sich lediglich Mutter und Sohn, zelebrieren täglich den Fünf-Uhr-Tee. Mit der Zeit sind sich diese beiden Außenstehenden viel zu nahegekommen, um sich noch lieben zu können. Es fehlt der Dritte im Bunde, der Ausgleich sein könnte. So ist es ein Verlauf stündlicher Demütigungen, die die Mutter mit eiserner Eigenliebe geschehen lässt, eine Bastion, die vom Sohn endlich doch eingerissen wird, woraufhin aus Eigenliebe Selbsthass wird, der niedergeht, so heftig, als würde eine ganze Wüste unter einem Regenmeer verschwinden. Die Mutter, die ihren Sohn zum Ersatzehemann machen wollte, sieht zu, wie er mit seiner minderjährigen Cousine schläft. Und nirgends ein Mann oder Vater in Sicht.
  Leise stürzt die Welt der Eifersüchtigen mitsamt der Plantage ein, die der Großvater von Galen aufgebaut hat. Dieser deutsche Einwanderer brachte die Gewalt mit in die Familie, die seitdem fester Bestandteil ist. Er starb früh, hinterließ viel Geld, das Galens Mutter nun verwaltet. Das Perfide daran ist, dass sie das Geld aller Welt vorenthält und lieber in Armut lebt, um dem Sohn das Weggehen zu versperren. Galen geht nicht auf die erweiterte Schule, er studiert nicht, er erlernt keinen Beruf, er unternimmt keine Reisen, beständig baut die Mutter das Gefängnis der Armut und Gefühlskälte aus. Der Sohn ist viel zu passiv und ungebildet, um sich aufzulehnen, und begnügt sich damit, seine Gefängniswärterin täglich bis aufs Blut zu reizen. Worte sind für ihn das, was für seinen Großvater die Fäuste waren. Das zeigt sich auch in der Sprache des personalen Erzählers, denn oftmals fehlen den kurzen Sätzen die Verben. Das funktioniert auf langen Strecken recht gut. Wozu noch die Worte des Handelns benutzen, wenn es das Handeln nicht mehr gibt?
  In kurzen Kapiteln ist dieses Buch wie sein Vorgänger aufgebaut, und ungefähr in der Mitte eskaliert der Konflikt. Vann vertraut erneut auf seine Dramaturgie, die er schon im Debüt meisterhaft ausgearbeitet hatte. Es ist dieser grandiose kleine Schwenk kurz vor dem Ausbruch, der dem Leser den Atem stocken lässt. Lange Zeit dachte man im Roman „Im Schatten des Vaters“, dass sich dieser Vater mit seiner Waffe umbringen würde, ehe es dann der kindliche Sohn ist, der zur Tat schreitet; und genau dieses Prinzip nutzt David Vann erneut.
  Man versteht, dass diese Mutter eifersüchtig ist, dass sie sich verraten fühlt, weil der Sohn und Ersatzehemann einvernehmlichen Sex mit seiner Cousine hat, die ihn aus Langeweile verführt, man begreift, dass die Mutter ihn nun wohl bestrafen wird, als sie sich seltsam entschlossen an den Teetisch im Kräutergarten setzt, aber man glaubt, sich verlesen zu haben, als sie ihm mitteilt, sie werde ihn bei der Polizei anzeigen. Er habe eine Minderjährige vergewaltigt, sie habe Beweismittel sichergestellt und gut versteckt. Er gehöre weggesperrt, weil die Welt ohne ihn besser dran sei, ihre Welt.
  Galen reagiert zunächst mit der Weisheit seiner alten Seele, dann mit Sarkasmus, dann mit Wut und schließlich mit Panik, während die Mutter vor ihm flüchtet. Und plötzlich ist sie die Gefangene und zwingt dem Sohn die Rolle des Gefängniswärters auf: Sie versteckt sich in einem Schuppen, der unter der heißen Sonne steht. Galen verschließt ihn kurzerhand von außen und wird sienicht mehr freilassen.Während die Mutter um Wasser bettelt, legt er sich in die Bewässerungsfurchen der Plantage und bedeckt seinen nackten Körper mit einer Schlammschicht. Als von der Gefangenen nichts mehr zu hören ist, vergräbt er die Leiche im Dreck. 
  Zu lang geworden ist das letzte Drittel des Romans, in dem Mutter und Sohn erbittert ihren Kampf austragen, denn es ist jämmerlich, wenn zwei passive und verantwortungslose Leute das Handeln und Verhandeln versuchen. Gerade aber in dieser so realistischen Jämmerlichkeit sind die beiden Hauptfiguren groß und großartig. David Vann hat in einem Interview gesagt, es habe in seiner eigenen Familie einige Morde und einen Selbstmord gegeben, es ist also davon auszugehen, dass diese Aufarbeitung weitergeht.
  Die Männer fehlen in diesem Roman – wie auch in so vielen Familien. Ohne männliches Vorbild, ohne Mentor, Trainer, Onkel, Großvater oder Vater hat es ein Muttersohn verdammt schwer, sich gegen weibliche Erziehungsmuster durchzusetzen. Galen hat mit diesem Versuch schon früh abgeschlossen. Sein Leid ist das Überangebot „Mutter“, das sich aus dem Mangel „Vater“ ergibt. Galens Mord an der Mutter ist im eigentlichen Sinne kein Mord, denn aus Notwehr wird unterlassene Hilfeleistung, die tragisch endet – und genau hier gelingt Vann die Psychologie eines weggesperrten Muttersohns und Kaspar Hausers treffend.
  Es ist nicht zu befürchten, dass aus diesem Freak ein Amokläufer wird, dazu ist er nicht aktiv genug. Die Mutter hatte dafür gesorgt, dass er allein und verwahrlost aufwächst. Sie wollte ihn nicht teilen, doch als dann doch die männliche Lust in ihm erwacht, da bricht für die Mutter, die nichts weiter als ihren Sohn hat, die Welt entzwei. Und, wie es Gerhard Falkner in einem Gedicht sinngemäß beschreibt: „. . ./ Vorsicht / aus Söhnen werden Messer.“
  Die männliche Natur sollte sich von der weiblichen Erziehung emanzipieren dürfen – schön, wenn dieser Machtkampf kanalisiert werden kann, durch Vorbilder zivilisiert, schlimm, wenn eben nicht. Im Roman „Dreck“ ist der Abwesende die wahre Hauptfigur, wie in so vielen Familien. David Vanns junger Protagonist wächst mit den Lebenslügen einer Frau auf, die Mutter wurde, als sie noch ein halbes Kind war. Wofür dieser Roman mahnend eintritt, das ist die Notwendigkeit des männlichen Gegenübers. Vanns Beitrag zum Thema Alleinerziehung lautet: Vaterschaft tut not.
           
Der Schriftsteller Volker Harry Altwasser beschäftigt sich literarisch seit zehn Jahren mit der Rolle der Söhne von alleinerziehenden Müttern. Zuerst im Debütroman „Wie ich vom Ausschneiden loskam“ (2003), zuletzt im Geschichtspanorama „Letzte Haut“ (2009), im Abwrackroman „Letztes Schweigen“ (2010) und im Hochseeepos „Letzte Fischer“ (2011). Altwasser erhielt 2012 den Italo Svevo Preis für ästhetischen Eigensinn. Mit David Vann verbindet ihn die Erfahrung der Seefahrt als männliche Welt und das Scheitern als literarisches Prinzip.
Wie in so vielen Familien
ist das abwesende männliche
Vorbild die Hauptfigur
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"Wenn Sie an der nackten, schrecklichen Wahrheit interessiert sind, tauchen Sie ein in dieses Buch."
The Independent on Sunday