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80. Geburtstag am 11. November 2009
"Keiner von uns ist der Richtige."
Als ein riesiges Rebus, das es zu entziffern gilt, versteht der Dichter seine Umgebung. Wovon aber handelt dieses Rebus? Nicht gerade einfach zu sagen: "De rebus quae geruntur" umschrieben es die alten Lateiner in ihrer präzisen Sprache, auf gut deutsch: "Es handelt von dem, was eben geschieht." Aber ein solches Rebus wäre nicht es selbst, wäre es eindeutig. "Dire en rébus" definiert ein französisches Wörterbuch des 19. Jahrhunderts die Anwendung von Wortspiel und Wortwitz. Und so nähern sich denn auch diese Gedichte…mehr

Produktbeschreibung
80. Geburtstag am 11. November 2009

"Keiner von uns ist der Richtige."

Als ein riesiges Rebus, das es zu entziffern gilt, versteht der Dichter seine Umgebung. Wovon aber handelt dieses Rebus? Nicht gerade einfach zu sagen: "De rebus quae geruntur" umschrieben es die alten Lateiner in ihrer präzisen Sprache, auf gut deutsch: "Es handelt von dem, was eben geschieht." Aber ein solches Rebus wäre nicht es selbst, wäre es eindeutig. "Dire en rébus" definiert ein französisches Wörterbuch des 19. Jahrhunderts die Anwendung von Wortspiel und Wortwitz. Und so nähern sich denn auch diese Gedichte mit den Mitteln der uneigentlichen und mehrbödigen Rede dem monströsen Bilderrätsel der 'Realität'.

Mit den freundlichen, traurigen und bösen Gedichten von verteidigung der wölfe setzte Hans Magnus Enzensberger vor fünfzig Jahren eine entschiedene Zäsur in der bundesdeutschen Literatur. Wie damals schneiden seine Gedichte, so reflektiert wie unbedenklich, in den kalten Spiegel der Zeit, schonen weder Ich noch Du, sei es nun "Feind" oder "Bruder". Ein Bilderbogen aus Wörtern und Worten mit einer gesalzenen Coda, einem ebenso grimmigen wie gutgelaunten Gruß an "sie" und "euch" alle: an die falschen Freunde und die richtigen Feinde.

"Ja, wir bemühen uns, wären gerne

wir selber, und ziehen uns doch

die Schuhe der andern an,

und strampeln uns darin ab.

Auch dieses Gedicht steht natürlich

nur an der Stelle des richtigen,das noch auf sich warten läßt."
Autorenporträt
Hans Magnus Enzensberger wurde am 11. November 1929 in Kaufbeuren geboren und starb am 24. November 2022 in München. Als Lyriker, Essayist, Biograph, Herausgeber und Übersetzer war er einer der einflussreichsten und weltweit bekanntesten deutschen Intellektuellen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.07.2009

Gepanzerte Gelassenheit
Gar nicht rätselhaft: Hans Magnus Enzensbergers neuer Gedichtband „Rebus”
„Eiserne Gutmütigkeit!” Oder auch, an einer anderen Stelle in Hans Magnus Enzensbergers neuem Gedichtband „Rebus”: „gußeiserne Gutmütigkeit”. Die schöne Wortfügung taucht in den letzten Jahren bei Enzensberger immer wieder einmal auf; als hätte sich da im lyrischen oder biographischen Ich eine bestimmte Haltung gefestigt, von der man die Welt nicht ungern in Kenntnis setzt. Wenn Gutmütigkeit „eisern” ist oder geworden ist, dann erscheint sie weniger als eine Frage des Naturells als der Disziplin.
Und als disziplinierte kann natürlich die Gutmütigkeit so gut gar nicht sein, wie sie es als eine Eigenschaft des Charakters wäre. Die eiserne Gutmütigkeit, die uns Enzensberger in letzter Zeit gern suggeriert, ist, wie könnte es anders sein, weder eisern noch gutmütig. Eher könnte man sagen, dass hier jemand spricht, der sich von nichts und niemandem mehr aus der Gelassenheits-Reserve bringen lässt, nicht einmal von sich selbst. Solche Gedichte, in denen der aufgeregten Welt der Meinungen und Kämpfe noch einmal ostentativ der Rücken gekehrt wird, muss man sich leisten können.
Sie müssen, um nicht bloß als Null- oder Leermeldungen dazustehen, sich abheben von den Aufgeregtheiten der anderen respektive von den eigenen Aufgeregtheiten zu einer anderen Zeit. Was Enzensberger angeht, so war er zwar Jahrzehnte lang meinungsbildend (ein „early adopter” dessen, was andere ge- und erfunden hatten), aber dabei niemals aufgeregt. Insofern heben sich seine neuen Gedichte in ihrem Unaufgeregtheitston weniger vom früheren, auch schon aufreizend entspannten Enzensberger als von denen ab, die sich noch immer aufregen können und wollen, zum Beispiel über „1968”.
„Envoi” heißt ein repräsentatives Gedicht dieses Bandes, eine typische Abregungs-Etüde. „Ja, damals in der guten alten Zeit / sind einige von uns unangenehm aufgefallen. / Nicht immer haben wir uns beherrschen können. / Da wo wir waren, gefiel es uns selten.” Und am Ende von vier mal vier Zeilen dann die folgende Konklusio zum Thema „Nachwelt”: „Dann waren wir auf einmal verschwunden: / Kein Anschluß unter dieser Nummer. / Jeder von uns hinterließ der Nachwelt / ein paar alte Rechnungen und eine Zahnbürste.”
Abbau der Bringschulden
Die Leidenschaften und Anstrengungen sind zur Ruhe gekommen, auch die, so scheint es (auch wenn sich die Platitüde aufdrängt, diese Gedichte seien von „virtuoser Einfachheit”), die der Kunst: nein, diese Gedichte sind nicht virtuos einfach, sie sind nur einfach. Sie sind nicht scheinbar banal, sondern hin und wieder nur banal. Ein Gedicht wie „Bringschulden”, in dem ein bisschen die Verbvalenz und Idiomatik von „bringen” durchgespielt wird, kann man sich wirklich nur leisten, wenn man Enzensberger heißt.
Es muss schon etwas anderes und Schwereres in der Waagschale liegen, damit die koketten Nichtig- und Luftigkeiten dieser Lyrik einigermaßen bekömmlich bleiben. „Wie flüchtig sind unsere Meinungen / und unsere Werke, verglichen mit dem / was wir miteinander teilen: / Kochen, Waschen, Treppensteigen.” Wie wahr, aber wieso dann doch immer neue Werke? Wir seien alle „Stellvertreter”, gibt ein anderes Gedicht zu bedenken: „Auch dieses Gedicht steht natürlich / nur an der Stelle des richtigen / das noch auf sich warten lässt.”
Wie wahr, aber müsste man nicht vielleicht auf der möglicherweise erfolglosen Suche nach dem richtigen Gedicht noch einmal richtig arbeiten? Man könnte zum Beispiel auch einmal mit einem Konzept wie dem titelgebenden „Rebus” richtig Ernst machen. Ein Rebus ist bekanntlich ein Bilderrätsel, aber in diesen Gedichten gibt es, was man nicht nur beklagen muss, gar keine Rätsel.
Als man schon fast die Hoffnung aufgegeben hat, in diesem Band etwas zu finden, das über das Lob des Treppensteigens hinausgeht, langt man bei einer fast zehnseitigen „Coda” an, die einen dann doch wieder etwas versöhnlicher stimmt. Hier darf man doch noch einem Ich begegnen, das etwas in sich herumträgt, das überhaupt an etwas trägt und also mit seinem Gepäck doch geringfügig schwerer ist als Luft.
Die „Coda” ist eine Art Selbstgespräch über ein Motiv namens „Alles Mögliche”. Man müsste, sagt sich der Sprecher, jenseits von Gelassenheit und Ironie schon noch einmal etwas tun. Sogar die „alte Wut” ist nicht ganz vorbei. „Manchmal, nachts” holt sie „mich ein/ hinterrücks. Wie früher hat sie / gewöhnlich recht. Aber merkt sie nicht / daß es keinen Zweck hat, daß sie stört, / daß ich sie nicht haben will? Sie weiß doch, / daß alles, was menschenmöglich ist, womöglich nicht reichen wird, um uns zu retten?” Gibt es womöglich doch einen lyrischen und Lebens-Zustand nach der „eisernen Gutmütigkeit”? „Ich bleibe dabei / vorläufig wenigstens”, vermelden die letzten Zeilen. Das „vorläufig” lässt hoffen.CHRISTOPH BARTMANN
HANS MAGNUS ENZENSBERGER: Rebus. Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 120 S., 19, 80 Euro.
Ein Vorbild für „Rebus”-Poeten: Englisches Bilderrätsel aus dem frühen 19. Jahrhundert Foto: Mary Evans Picture Library
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Unfroh registriert Christoph Bartmann die eherne "Gelassenheit", die sich durch den neuen Gedichtband von Hans Magnus Enzensberger zieht, und er vermisst ganz entschieden Leidenschaft und Grundspannung. Er kann auch nicht umhin, das ein oder andere Gedicht ein bisschen "banal" zu finden und meint, etwas mehr Anstrengung hätte gut und not getan. Er hätte unter dem Titel "Rebus"  auch ein bisschen mehr Rätselhaftigkeit erwartet, als die Texte dann zu bieten haben. Nur bei der zehn Seiten langen "Coda" kommt beim Rezensenten noch mal etwas Zuversicht auf, und er findet hier zumindest eine Erinnerung an die "alte Wut", die Enzensberger früher angetrieben hat.

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»Der Dichter spielt hier noch einmal die Rollen seines Lebens durch.« Volker Weidermann Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung