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"Vielleicht ist, was ich sagen wollte,Wir sind am Anfang, und du glaubst es nicht.Vielleicht sind alle diese Briefenur eine Wand, durch die du mich nicht siehst.Vielleicht sind wir nur wintermüdeund wünschen nichts so sehr als helles Licht.Vielleicht verlieren wir einander,nur weil die Göttin, die uns gut will, niest."Goethes römische Verse, die im Titel des neuen Gedichtbuches von Uwe Kolbe berufen werden, sind nicht Portal und Programm, aber doch mehr als eine geheimnisvolle Tapetentür in ein Buch, das sich an wohlgewählten "Orten" ereignet, an denen der Mythos noch aufscheint. Zunächst auf…mehr

Produktbeschreibung
"Vielleicht ist, was ich sagen wollte,Wir sind am Anfang, und du glaubst es nicht.Vielleicht sind alle diese Briefenur eine Wand, durch die du mich nicht siehst.Vielleicht sind wir nur wintermüdeund wünschen nichts so sehr als helles Licht.Vielleicht verlieren wir einander,nur weil die Göttin, die uns gut will, niest."Goethes römische Verse, die im Titel des neuen Gedichtbuches von Uwe Kolbe berufen werden, sind nicht Portal und Programm, aber doch mehr als eine geheimnisvolle Tapetentür in ein Buch, das sich an wohlgewählten "Orten" ereignet, an denen der Mythos noch aufscheint. Zunächst auf den Wassern von Rhein und Neckar, doch ein Hölderlinschwung trägt den Dichter weiter, nach Thrakien. Auf dem Fuße folgen scheinbar ungebundene Verse, und doch sind gerade sie Gedichte der Liebe, an Orten, die der Romantik zuwinken. Aber erst auf der letzten Station findet sich wahre, wirkliche Heimat: "In Büchern, in Preußen". Hier liegt der Ursprung: Preußens, ja, der Welt.Wie in den früheren Lyrik-Bänden verbindet Uwe Kolbe seine neuen Gedichte leichthändig und kunstvoll zu einem fest gefügten Zyklus von Versen. Ein melancholischer Grundton des Verlusts, der zum Pathos hinüberschwingt, nimmt den Leser mit auf eine Rundreise.
Autorenporträt
Kolbe, Uwe1957 geboren in Berlin; erste Veröffentlichung von Gedichten in der Zeitschrift "Sinn und Form" 1976; erster Gedichtband 1980 im Aufbau-Verlag; seitdem Arbeit als freier Autor; 1987 Ausreise in die Bundesrepublik; 1989 Visiting Writers an der Universität von Texas in Austin; 1992 Stipendiat Villa Massimo, Rom; einige Literaturpreise, zuletzt Friedrich-Hölderlin-Preis Tübingen 1993 und Preis der Literaturhäuser 2006; 1997-2004 Leiter des Studios Literatur und Theater der Universität Tübingen; lebt als freier Schriftsteller in Berlin-Charlottenburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2008

Der Beat muss stimmen

Wie kommt man in den Dichter-Olymp? Uwe Kolbe macht's vor: Der Weg führt über Thomas Kling zurück zu Stefan George, Raoul Schrott lässt er dabei links liegen.

Wer von Raoul Schrott und seinen enthusiasmierten Bemühungen um die wahren Ursprünge der Dichtung genug hat, lese Uwe Kolbe. Dem Kollegen im Dichteramt wirft Kolbes lyrisches Ich "Geschmacklosigkeit", Fehlerhaftigkeit und Selbstgenügsamkeit vor und sucht selbst den heiligen Quell der Poesie. Kolbe reiht sich mit seiner Polemik gegen Schrott in eine Tradition ein: Schon Stefan George distanzierte sich von der antikisierenden Dichtung Rudolf Borchardts, und Thomas Kling stänkerte in Georges Nachfolge gegen Durs Grünbeins historizistische "Sandalenfilme".

Kolbe nimmt in seinem neuen Lyrikband "Heimliche Feste" nicht nur Impulse von George und Kling auf, sondern zitiert obendrein Goethe. Der Titel entstammt dem vierten Vers der Römischen Elegie: "Schalkhaft, munter und ernst begehen wir heimliche Feste." Mit diesem klassizistischen und zugleich antiklassizistischen Motto liegt die Latte für Kolbe hoch. Es geht um nichts Geringeres als um eine Harmonie der Gegenpole, um das "Heilignüchterne", die Balance von Pathos und Ironie. In diesem Band überwiegt das Pathos, gebrochen durch die Refrains, Dialogstrukturen und gelegentlichen Sarkasmen der Beat-Lyrik.

Sie ist nach dem Kriterium des Ortes sortiert. Von den "Pfalzen" über Thrakien bis nach Preußen geht die Reise. Das ist im Prinzip nicht neu - und mit dieser Feststellung wird es kompliziert: Räume und Raumwahrnehmungen leiteten Kolbes Schreiben schon häufig an, in "Bornholm II" (1986), "Vineta" (1991), dem Kriminalroman "Thrakische Spiele" (2005) und dem entlegen veröffentlichten Band "Ortvoll" (2005). Die beiden Letzteren stehen in engem Zusammenhang mit "Heimliche Feste". "Thrakische Spiele" handelt von der brutalen Ermordung eines jungen Mannes namens Olaf D. (alias Uwe Kolbe), der, wie Orpheus, zerstückelt wurde. Olaf D. hinterließ Gedichte, und diese Gedichte sind in "Ortvoll" abgedruckt. Gut die Hälfte der Gedichte aus "Heimliche Feste" wiederum entstammt "Ortvoll". Heimlich feiert hier ein Dichter die eigenen Figuren und Texte. Er treibt ihr Werden zum Werk voran, kanonisiert sich selbst.

Die neuen Texte aber sprengen die kartographische Raumsemantik von "Ortvoll", sie konzentrieren sich auf mentale Orte. Neben balladesken Gedichten ("Sailor's Home") handelt es sich um Variationen zu einzelnen Texten aus "Ortvoll" (aus "Istok" etwa wird "Istok 2"), vor allem aber um poetologische Gedichte, um analytische und polemische Reflexionen über den Geltungsanspruch, Sinn und Zweck von Poesie. Kolbe wagt hier einen kraftvollen Ton und streitet um den dichterischen Olymp, riskiert neue Verbindungen, aber auch Brüche. Zu den auffälligsten und erstaunlichsten Allianzen zählt der George-Kreis. "Wie einer noch hoffen kann" lautet ein Widmungsgedicht für Wolfgang Graf Vitzthum, den rechtsgelehrten Tübinger Georgianer.

Diese Widmung ist alles andere als zufällig, etwa durch den Umstand bedingt, dass Kolbe im Jahr 1993 den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Tübingen erhielt und von 1997 bis 2003 das Studio Literatur und Theater der Universität Tübingen leitete. Vielmehr entspricht das Gedicht der Widmung. Bewundernd beobachtet es den George-Anhänger, ist im George-Ton gehalten und nimmt distanzlos Wahrnehmungs- und Darstellungsweisen des Kreises auf: den erhabenen Ernst der ethischen und künstlerischen Hoffnung auf "Entsühnung", die Rede von "Maß und Schöne und Gestalt" sowie die Thematik der Vergebung von Schuld. Kolbe präsentiert sich als neuer Jünger Georges.

Mit dem künstlerischen Ernst des Kreises, der urteilt und richtet, zieht Kolbe auch gegen den polnischen Dichter Zbigniew Herbert (1924 bis 1998) zu Felde. Wie im Fall Schrotts ist es die Aneignung der Antike, die Kolbes lyrisches Ich erzürnt: "Das Gedicht ,Apollo und Marsyas' von Zbigniew Herbert ist zu einfach." Der Mythologie zufolge provozierte der Sartyr Marsyas den Gott Apoll, indem er ihn zu einem musikalischen Wettstreit aufforderte. Apoll siegte und bestrafte den waghalsigen Satyr, indem er ihm die Haut abzog. Ideenreich und in der Tradition der Satire Lukians kehrt Herbert die Mythologie um: An seinem Marsyas beweisen die Götter bloß exemplarisch ihre Allmacht. Sterbend klagt Herberts Marsyas deshalb über das Göttliche im Irdischen. Kolbes Sprecher wirft Herbert vor, die Größe des Mythos zu verkennen. Marsyas litt zu Recht. Anders als Herbert entscheidet sich Kolbe für das erhabene, unzugängliche Heilige, an das nur geglaubt werden kann, weil es dem Menschen hoffnungslos überlegen ist.

Erst in den letzten Versen des Anti-Herbert-Gedichtes gelingt es, das von George inspirierte Pathos auf den Boden beat-lyrischer Sarkasmen zurückzuholen. Der Weg dorthin führt über den Dialog: den versöhnlichen Dialog mit Herbert post mortem, in den sich der Autor-Sprecher selbst kritisch und spielerisch einbezieht. "Der Weg um den See" treibt diesen Dialog weiter - als Selbstgespräch mit imaginären anderen. Was das "Ich" auch erlebt, "jemand" empfiehlt, "etwas", ein Gedicht daraus zu machen. Das Ich rubriziert diese Empfehlungen. Künstlerisch streng distanziert es sich von der Erlebnislyrik - was wiederum verdächtig an Georges Skepsis erinnert, sich und das vermeintlich reale Erlebnis emphatisch in Lyrik auszusprechen.

"Preußens Quelle" stimmt mit dieser Tendenz überein. Der Text widmet sich dem heiligen Quell selbst: dem Quell, der nicht in der Antike, sondern in Norddeutschland entsprang: "eiskalt" und immer schon "versehrt". Diese Quelle löst sich nur mehr in ihre Assoziationsketten auf; ihr Ursprung ist unergründbar: Von der Quelle der Barbaren über die "Quelle der Zukunft / unser sogenanntes Potential", die "Quelle mit röhrendem Hirsch" geht es bis hin zur "Genitivkette von Quellen". Im Ausgang steht ein pathetisches Szenario: "Wir schauen einander in Scherben an."

Die erhabene Härte der "Heimlichen Feste" erstaunt; ihr Bekenntnis zur versöhnlichen Geste, zur kaputten Zivilisation und zum Dialog gefällt. Ein Zurück zu George gibt es eben nur über den Umweg Thomas Kling, der das Beatnikhafte und Urwüchsige des "Meisters" hervorhob. Mehr Beat, mehr von der Polemik des Anti-Schrott, mehr Verständnis für die lukianischen Seiten Herberts - und Kolbe steigt in den Olymp der Dichter deutscher Zunge auf.

SANDRA RICHTER.

Uwe Kolbe: "Heimliche Feste". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 103 S., geb., 16,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fast sieht sie ihn im Olymp deutscher Dichter. Sandra Richter fehlt zur Glorifizierung Uwe Kolbes bloß noch ein Quäntchen mehr Beat, mehr Polemik in dessen Texten. Wenn Kolbe hier antritt, den Ursprung der Dichtung zu suchen, folgt ihm die Rezensentin gespannt, sieht Impulse von Stefan George und Thomas Kling verarbeitet (in einer Polemik gegen Raoul Schrott) und schaut respektvoll zu, wie der Autor die Balance probiert zwischen Pathos und Ironie. Dabei entgeht Richter nicht, dass Kolbes Schreiben hier einmal mehr über Räume eingeleitet wird und dass ein gut Teil der Gedichte Kolbes Band "Ortvoll" entstammt und der Dichter sich also ein wenig selbst kanonisiert. Anders als bei "Ortvoll" empfindet Richter die Texte als auf mentale Orte bezogene, poetologische Reflexionen in kraftvollem Ton, die auch vor Brüchen und neuen Verbindungen, wie etwa zum George-Kreis und dessen Skepsis gegenüber aller Erlebnislyrik, nicht zurückschrecken. Dass Kolbe George'sches Pathos beatlyrisch-sarkastisch erdet, macht den Band der Rezensentin sympathisch.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Kolbe wagt hier einen kraftvollen Ton und streitet um den dichterischen Olymp, riskiert neue Verbindungen, aber auch Brüche.« Frankfurter Allgemeine Zeitung