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Ein Mann steht in einer Bar, irgendwo in Amerika, hat einen Drink in der Hand - da stellt sich jemand zu ihm und beginnt, ungefragt und ungebeten, eine Geschichte zu erzählen, seine Geschichte, wie rasch klar wird: North’ Story vom »Schiffbruch«. North also heißt dieser andere, ein Schriftsteller aus New York. Über mangelnden Erfolg kann er sich nicht beklagen, überall in der Welt kursieren seine Bücher, und gerade arbeitet er an einem Drehbuch nach George Eliots Daniel Deronda. Doch scheint ihn etwas zu bedrücken, was er nun - gegenüber dem Fremden, dem er sich in jener Bar, Stück für Stück,…mehr

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Produktbeschreibung
Ein Mann steht in einer Bar, irgendwo in Amerika, hat einen Drink in der Hand - da stellt sich jemand zu ihm und beginnt, ungefragt und ungebeten, eine Geschichte zu erzählen, seine Geschichte, wie rasch klar wird: North’ Story vom »Schiffbruch«.
North also heißt dieser andere, ein Schriftsteller aus New York. Über mangelnden Erfolg kann er sich nicht beklagen, überall in der Welt kursieren seine Bücher, und gerade arbeitet er an einem Drehbuch nach George Eliots Daniel Deronda. Doch scheint ihn etwas zu bedrücken, was er nun - gegenüber dem Fremden, dem er sich in jener Bar, Stück für Stück, öffnet - loswerden will. Mitten im alten Europa, in Paris, wo ein Film nach einem seiner Bücher gedreht wird, hat North eine Frau kennengelernt, Léa, ein überirdisch sinnliches Wesen, das er, weit älter als sie, vom ersten Augenblick an begehrt.
Doch was zauberhaft beginnt, wird bald zu einer gespenstisch schönen »amour fou«, in der einer ohne den anderen nicht mehr kann und die beide aus ihren Bahnen zu werfen droht. North und seine junge Geliebte steuern auf eine Katastrophe zu, auf einen Schiffbruch, der entweder ihn oder sie vernichten wird.
Louis Begley hat mit seinem neuen Roman ein Buch geschrieben, in dem es um die beglückende wie zerstörende Kraft der Leidenschaft geht. Und er hat einen neuen Helden kreiert, John North, der gegen alle Konventionen aufbegehrt, einen verrückten Liebenden, der sich und seinen Gefühlen folgt, bis zum Ende.
Autorenporträt
Begley, Louis
Louis Begley, 1933 in Polen geboren, arbeitete bis 2004 als Anwalt in New York. Als Schriftsteller wurde er mit seinem Roman Lügen in Zeiten des Krieges weltweit bekannt. Seine Bücher wurden in 18 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Auf Deutsch erschienen zuletzt Schmidts Einsicht (2013), Erinnerungen an eine Ehe (2013) und Zeig dich, Mörder (2015).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2003

Ameisenbesuch in der Venusfalle
Zuwachs in der Familie der unnötigen Bücher: Louis Begleys Roman „Schiffbruch”
An Louis Begleys Romanen haben Kritiker oft bewundernd hervorgehoben, wie der Autor sich darauf verstehe, seine Helden mit unsympathischen Zügen auszustatten und ihnen dennoch, oder gerade deshalb, die Empathie des Lesers zu sichern. Womit die Bereitschaft gemeint ist, die mäßig aufregenden Lebensgeschichten, Sinnkrisen und Sexabenteuer älterer amerikanischer Herren mit Spannung und Anteilnahme bis zum Ende zu verfolgen. Albert Schmidt, der New Yorker Anwalt im Ruhestand, glänzte durch Geiz und Geilheit, Arroganz und Larmoyanz, kleine antisemitische Pikanterien inbegriffen. Mit Thomas Mistler, dem an Leberkrebs erkrankten Werbefachmann, der den Tod in Venedig suchte, würde man ungern eine Gondel teilen.
Dass Begley, mittlerweile siebzig, in seinen Werken das Material seines eigenen Lebens variiert, dass er im Genre des Gesellschaftsromans die Erzählung weiterschreibt, die er vor einem guten Jahrzehnt mit seinen Holocaust-Erinnerungen „Lügen in Zeiten des Krieges” einleitete, lässt sich kaum übersehen: Wir haben es bei jedem Opus mit Begleys Beichte zu tun, mit dem Eingeständnis seiner Schwächen und Gelüste, seiner individuellen oder gesellschaftlich eingeübten Lebenslügen. Er verabreicht sie dem Publikum in leicht verdaulichen Portionen und hält Voyeure und Lauscher bei Laune, indem er seine Protagonisten durch ein gerüttelt Maß an niveauvoller Unleidlichkeit zu idealen Identifikationsfiguren für reifere Leser der akademischen Mittelschicht macht.
Am Ende des zweiten Schmidt-Romans stand Schmidtie, „mein widerlicher Held”, wie sein Erfinder ihn kokett genannt hat, in Cliffhanger-Pose vor der Haustür einer eventuellen neuen Liebschaft. Statt in einem dritten Band die Frage zu klären, ob der alte Schwerenöter es noch einmal bringt, zaubert Begley nun einen neuen Senior aus dem Hut, und zwar einen, der mit ihm nicht die Juristerei, sondern den Schriftstellerberuf gemeinsam hat. John North, so heißt dieser trinkfeste New Yorker Romancier, möchte dringend eine private Geschichte loswerden, die bislang niemand kennt. In einer Bar mit dem symbolträchtigen Namen „Entre Deux Mondes” – wir assoziieren: Zwischenreich, Fegefeuer, Styx, aber auch „Entre Deux Mers” – nötigt er einem Fremden neben einer beängstigenden Menge Alkohol seine Beichte auf, die sich über drei Tage hinzieht.
Damit hat Begley ein Setting geschaffen, das seinem eigenen Bekenntnisdrang ein ebenso schlichtes wie zweckmäßiges Ventil bietet. Dass das zuhörende „Ich”, das den Bericht kolportiert, sich als Doppelgänger von John North zu erkennen gibt, lädt die Konstellation mit zusätzlicher Bedeutung auf. Was aber will der erfolgreiche Autor sich von der Seele reden? Seine Lügen in Zeiten des Friedens, des Überflusses und des Überdrusses.
Die Lebenskrise, die den Motor der Erzählung liefert, liegt so lange zurück, dass wir John North zum Zeitpunkt der dramatischen Ereignisse auf der Höhe seiner Manneskraft erleben. Das Alter hat noch nicht seine pigmentfleckige Hand nach ihm ausgestreckt, die Gesundheit lässt nichts zu wünschen übrig, die Ehe mit Lydia, einer Medizinerin aus einer der betuchtesten jüdischen Familien Neuenglands, ist kinderlos, aber glücklich, und keine Nacht geht ohne Beischlaf ins Land. Und North ist auf dem Weg zum Weltruhm: Sein Roman „Der Ameisenhaufen” hat den höchsten amerikanischen Literaturpreis errungen, Frankreichs Preis für das beste ausländische Buch steht ins Haus. Und doch sitzt ein Wurm im Gebälk.
John North hat beim Durchlesen seiner gesammelten Werke eine niederschmetternde Entdeckung gemacht: „Kein einziges meiner Bücher, weder der neue Roman noch die früheren, war besonders gut. Mit Sicherheit hatten sie alle nicht die literarische Qualität, die ihnen Literaturkritiker zuschrieben.” Es bedarf keiner wagemutigen Spekulation, um hinter dieser Selbsteinschätzung die Innenschau Louis Begleys zu erkennen. Und es folgt ein Satz, für dessen souveräne Offenherzigkeit man den Verfasser küssen möchte, müsste man nicht befürchten, er könne das missverstehen: „Nein, sie gehörten alle zur Familie der unnötigen Bücher.”
Von den Zweifeln am eigenen Künstlertum ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Kompensation durch Sinnenlust. In Paris, wo er auf Einladung seines französischen Verlegers einige Tage komfortabel residiert, verfällt North der jungen „Vogue”-Journalistin Léa, die ihn zuerst mit intelligenten Interviewfragen, dann mit erotischen Reizen und schließlich mit exquisiten Sexualtechniken in die Venusfalle lockt. Die geplante Verfilmung des „Ameisenhaufens” in Paris schafft Gelegenheit, das Verhältnis fortzusetzen, und Léa, die trotz ihres regen Verkehrs mit anderen Männern einen Narren an North gefressen hat, taucht alsbald auch in New York auf.
Dass sein Alter ego diesmal noch in den besten Jahren ist, gibt Begley die Freiheit, Altmännerfantasien noch üppiger als sonst zu bedienen. Zugleich tut er alles, um John North als besonders abstoßendes Exemplar seiner Antihelden-Galerie aufzubauen: Der triebgeplagte Seitenspringer macht kein Hehl daraus, dass Léa ihm außerhalb des Bettes arg auf die Nerven geht, während er andererseits seine Schuldgefühle gegenüber der engelhaften Lydia durch allerlei Zynismen rationalisiert.
Schlimmer noch: Seine Suada, die offenbar einen betrunkenen Zuhörer erfordert, beginnt den nüchternen Leser irgendwann zu langweilen, obgleich von Beginn an klar ist, dass dieser Geständnis-Monolog auf Schlimmeres als Ehebruch hinausläuft. Die Geliebte wird lästig, sie muss beseitigt werden, und wo frühere Begley-Figuren mit dem Freitod durch Ertrinken liebäugelten oder ihn suchten, hat North keine Skrupel, das Objekt seiner nachlassenden Begierde dem Tod im feuchten Element auszuliefern. Bis dahin ist dann auch das Repertoire von Wohlstand und Weltläufigkeit, intellektueller Kompetenz und kulinarischer Opulenz abgespult, mit dem Begley die existentiellen Nöte seines Ostküsten-Personals so elegant zu dekorieren pflegt.
Die Familie der unnötigen Bücher hat wieder Zuwachs bekommen. Aber solange so unentbehrliche Bücher darin Erwähnung finden wie Flauberts „Éducation sentimentale”, geht das vollkommen in Ordnung.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
LOUIS BEGLEY: Schiffbruch. Roman. Aus dem Englischen von Christa Krüger. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 280 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2003

Die Ameise in meinem Bett
Louis Begley auf Abwegen / Von Felicitas von Lovenberg

Dies ist ein Roman für Ehemänner: warum Affären reizvoll, aber schlecht für das mentale Wohlbefinden sind. Dies ist ein Roman für Ehefrauen: warum Männer ihre Frauen betrügen und dennoch aufrichtig lieben können. Dies ist ein Roman für Mätressen: warum sich auch glücklich verheiratete Männer zwar in fremden Betten tummeln, aber dort nie bleiben wollen. Dies ist ein Roman für Barbesucher: warum man sich am Tresen besser nicht von Unbekannten ansprechen lassen sollte. Und schließlich ist dies auch ein Roman für Schriftsteller, der erzählt, warum sich künstlerische Selbstzweifel auf Dauer nicht mit Sex betäuben lassen.

In Louis Begleys neuem Roman "Schiffbruch" haben all diese Beteiligten ihren Auftritt: ein Ehemann, der zugleich Schriftsteller ist, seine Ehefrau, seine Mätresse und eine geduldige Barbekanntschaft, der North seine Geschichte unaufgefordert über drei Tage und viele Flaschen hinweg erzählt. John North, ein bekannter Romancier, lebt in Manhattan mit seiner klugen, erfolgreichen, verständnisvollen Frau, der Medizinerin Lydia, die er innig liebt. Das kinderlose Paar führt eine Bilderbuchehe mitsamt dem dazugehörigen Lebensstil, Häusern in East Hampton und auf Martha's Vineyard. Lydia kommt aus einer alteingesessenen amerikanisch-jüdischen Ostküstenfamilie; er selbst stammt ebenfalls aus respektablem Haus - wenngleich weder seine Herkunft noch sein Beruf den Schwiegereltern wirklich gut genug für ihre Tochter ist - und verdient mit seinen Büchern genug, um finanziell sorgenfrei leben zu können, zumal sein Roman "Der Ameisenhaufen" gerade verfilmt wird.

Die Geliebte hat ihren Auftritt in Paris, wo North einen Preis für das beste ausländische Buch in Empfang nehmen soll. Léa Morini ist Redakteurin der französischen "Vogue", sie ist ehrgeizig, attraktiv und intelligent, und zwar genau in dieser Reihenfolge. Und, wie sich herausstellt, ist sie außerdem ziemlich penetrant. Erstere Attribute nehmen North für sie ein, letzteres nimmt er in Kauf, denn ihre lästigen Eigenschaften macht sie im Bett wett. Léa ist eine Nymphomanin, wie sie im Buche steht - aber wohl auch nur dort. Ihre Liebhaber, mit denen sie North beeindrucken will, sind Legion; er jedoch habe die Chance, zu einer ihrer "großen Lieben" zu werden, wie sie bereits in der ersten Nacht beschließt.

Nicht nur in Klappentexten wird gern behauptet, daß Menschen einander verfallen, daß eine Liebe zur Obsession wird, daß der eine nicht mehr ohne den anderen sein kann - amour fou sagen längst nicht mehr nur die Franzosen dazu. Nun, das ist es nicht, was sich zwischen North und Léa entwickelt. Es ist auch keine Hörigkeit. Ihre Schnittmenge ist Sex. Daß es guter Sex sei, malt North seinem stillen Zuhörer so oft aus, daß Zweifel bald angebracht scheinen; viel Sex ist es auf jeden Fall. Nicht nur an der zunehmend genervten Aggressivität der Begegnungen wird deutlich, daß hier ein gegenseitiger Vampirismus am Werk ist: Sie will ihn, weil er ein berühmter, auch ein reicher Schriftsteller, ein "Gesprächsthema" ist; er will einfach mit ihr schlafen. Gerade weil sie ihm nichts bedeutet, kennt er keine Hemmungen. Die Affäre zieht sich länger hin als von North geplant - er verbringt längere Zeit in Paris, wo Dreharbeiten zum "Ameisenhaufen" stattfinden; sie reist nach New York, begleitet ihn zum Ausspannen auf eine griechische Insel. Halbherzig denkt er über Trennung nach, um dann doch wieder der Versuchung nachzugeben: Welcher Mann verprellt schon eine Frau, die ihm alles erlaubt?

Mit der Charakterzeichnung des John North bedient Begley ebenso viele Klischees wie mit der Schilderung der engelsgleichen Lydia und der Schlampe Léa. Vor allem die makellose Ehefrau bleibt schemenhaft; sie begegnet ihrem Mann mit immer gleichbleibender Hingabe. Was ihn angeht, so wird man den Eindruck nicht los, es handle sich um einen Mann an der Schwelle zum Alter - dabei soll er erst zwischen vierzig und fünfzig sein. Daß er sehr viel älter wirkt, liegt zum einen an seiner ständig hervorgekehrten Potenz und sonstigen Fitneß: "Ich wußte, daß meine Kraft unvermindert war, daß ich meine Reserven noch nicht mobilisiert hatte." Vor allem aber verrät er sich durch die distanzierte, leise erstaunte Art, mit der er Léas Modebewußtsein kommentiert: "Ich hatte den Verdacht, daß Léas Stil ein Attribut junger Frauen in genau ihrem Alter und aus genau ihrem Milieu war."

Doch das nachsichtige Wohlwollen der altväterlichen Haltung, das die betonte jugendliche Virilität North' Lügen straft, ist nicht das einzige, was den Roman seltsam ungelenk erscheinen läßt. Irritierenderweise hat "Schiffbruch" zwei Ich-Erzähler: zum einen North, dessen endloser Redeschwall keine Zwischenrufe seines Gegenübers duldet; zum anderen den Zuhörer, jenen profil- und namenlosen Mann, der diese Beichte drei Tage lang über sich ergehen läßt. Lange nährt Begley im Leser die Illusion, der Zuhörer könne am Ende noch wichtig werden für die Geschichte, doch das einzige, was wir seiner Anwesenheit verdanken, ist das jeweilige Erscheinungsbild North', von tadellos gekleidet bis hin zu unrasiert und mit Frühstücksei auf dem Latz. Immer weniger läßt sich diese Konstruktion, bekannt etwa aus Nabokovs "Lolita", hier für einen Kunstgriff halten, und am Ende scheint es, als habe sich Begley den Mann am Tresen aus Selbsttäuschung erfinden müssen, damit wenigstens einer seinem Protagonisten gern lauscht.

Léa wird North lästig. Sie ruft ihn dauernd an, droht, nach New York zu kommen, will Lydia vorgestellt werden. Ein guter Teil von North' Erzählung besteht in der Schilderung von Vorsichtsmaßnahmen, Risikoabwägungen, Überlegungen, wie er Léa treffen kann, ohne daß Lydia davon Wind bekommt. Er fürchtet nicht nur die Reaktion seiner Frau, sondern den Einsturz seiner ganzen Existenz, die Mißbilligung von Bekannten, die Ächtung von Freunden. Diese Passagen gehören zu den glaubwürdigeren des Romans. Was North wahren will, ist aber nicht nur der Schein. Er liebt seine Frau abgöttisch und beteuert, daß es ihm in seiner Ehe an nichts mangele. Einmal droht er Léa, er werde sie wahrscheinlich umbringen, falls Lydia durch ihre Schuld je etwas erführe - eine Bemerkung, die einem erst zum Schluß, bei dem an Patricia Highsmith' "Mr. Ripley" erinnernden Romanende, wieder einfällt. Falls Begley mit dem Gedanken spielt, eine Fortsetzung zu "Schiffbruch" zu schreiben, ähnlich wie bei seinem grandios miesepetrigen Albert Schmidt, würde das offene Ende dieses Vorhaben jedenfalls erleichtern.

Louis Begley hat sich als kühler, profunder Beobachter des amerikanischen Establishments oft bewährt. Inzwischen jedoch scheint ihm sein Thema selbst schal geworden zu sein. Die in gewohnter Eloquenz geschilderte Leere entpuppt sich als Seelenlosigkeit, über die jedes Entsetzen zu spät kommt. Neben Philip Roths Roman "Das sterbende Tier", der mit der erotischen Beziehung zwischen einer jungen Frau und einem älteren Mann den ganzen Kosmos von Liebe, Leid und Tod schildert, wirkt Begleys Version wie eine Turnübung zwischen den Laken. Unwillkürlich tritt dadurch das zweite Thema des Romans, die Umstände und Finessen der Schriftstellerei, ebenfalls in den Hintergrund. Anders, als man erwarten könnte, schlachtet North seine Erlebnisse mit Léa nicht für seinen neuen Roman aus. Aber auch seine vielfältig bemühten Verweise auf Werke der Weltliteratur - von Rousseaus "Konfessionen" über Flauberts "Éducation sentimentale" hin zu George Eliots "Daniel Deronda" - heben sein eigenes Buch nicht in den Rang eines Klassikers. John North beginnt seinen Monolog mit dem Hinweis, er sei auf der Suche nach den Wurzeln seiner "plötzlichen Verstörung". Am Ende weiß sein Zuhörer, wissen wir, so viel von ihm "wie kein anderer Mensch auf der Welt". Und das ist leider mehr als genug.

Louis Begley: "Schiffbruch". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christa Krüger. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 279 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Enttäuscht ist Sebastian Domsch von Louis Begleys neuesten Roman. War das nötig, fragt er, nach fünf herausragenden Büchern ein so schlechtes nachzulegen? Begley hatte erst, erinnert Domsch, kurz vor seiner Pensionierung als Rechtsanwalt zu schreiben begonnen und mit seinen Kindheitserinnerungen im besetzten Polen ("Lügen in Zeiten des Krieges ") einen Welterfolg gelandet, an den er mit seinen nachfolgenden Romanen anschließen konnte. Der neue Roman hat Domsch zufolge zwei große Schwächen: er erzählt die sehr banale Geschichte eines Ehebruchs, die sich als Obsession ausgibt und doch nicht mehr ist als Willenschwäche und Inkonsequenz, behauptet der Rezensent; und er mache den Ich-Erzähler zu einem Schriftsteller, der einem imaginären Gegenüber in der Bar seine Lebensbeichte ablegt, das den geradlinigen und erwartbaren Fortgang der Handlung bloß abzunicken hat. Sei er anfangs noch geneigt gewesen, einen doppelten Boden beziehungsweise eine unerwartete Wendung der Geschichte zu vermuten, habe er sich enttäuschen lassen müssen, schreibt Domsch: die Wendung zum Guten blieb aus.

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