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Kant ist zwar für seine Kritik der theoretischen Vernunft bekannt, auch für seine universalistische Ethik und vielleicht noch für seine Theorie der Ästhetik. Dass er auch ein überragender Rechtsund Staatsphilosoph ist, wird aber meist vergessen. Tatsächlich gehen auf ihn vier bis heute aktuelle Innovationen zurück:
l. Er hebt als erster und bis heute einziger Denker Frieden in den Rang eines philosophischen Grundbegriffs. 2. Er verbindet ihn mit der politischen Innova-tion seiner Zeit, der Republik. 3. Er erweitert ihn um eine kosmopolitische Perspektive: um Völkerrecht und Weltbürgerrecht.
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Produktbeschreibung
Kant ist zwar für seine Kritik der theoretischen Vernunft bekannt, auch für seine universalistische Ethik und vielleicht noch für seine Theorie der Ästhetik. Dass er auch ein überragender Rechtsund Staatsphilosoph ist, wird aber meist vergessen. Tatsächlich gehen auf ihn vier bis heute aktuelle Innovationen zurück:

l. Er hebt als erster und bis heute einziger Denker Frieden in den Rang eines philosophischen Grundbegriffs.
2. Er verbindet ihn mit der politischen Innova-tion seiner Zeit, der Republik.
3. Er erweitert ihn um eine kosmopolitische Perspektive: um Völkerrecht und Weltbürgerrecht.
4. Und er gibt Platons aristokratischem Gedanken des Philosophenkönigs die republikanische Wende zu »königlichen Völkern«.

Autorenporträt
Höffe, OtfriedOtfried Höffe ist emeritierter Professor für Philosophie an der Universität Tübingen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2001

Königsberg bei Athen
Meisterdeutung: Otfried Höffe schafft Kant nach seinem Bilde neu

Ist Kants Rechts- und Staatsphilosophie den Gebildeten unbekannt? Gilt sie den Fachleuten nur als eine Leistung von geringem Wert, so daß dem Königsberger Philosophen die Aufnahme in die Galerie der großen politischen Denker bislang verwehrt wurde? Ist trotz des kürzlich mit zahlreichen Würdigungen und Werkinterpretationen ausgiebig gefeierten Bizentenariums der Kantischen Friedensschrift der Forschung entgangen, daß in dieser ingeniösen Abhandlung Kant als erster und einziger politischer Philosoph der frühen Neuzeit das Staatsrecht um ein Völkerrecht und Weltbürgerrecht erweitert und den platonischen Philosophenkönig durch die "königlichen Völker" ersetzt hat?

Wohl kaum. Aber all dies behauptet Otfried Höffe und erweckt dadurch den Eindruck, daß es immer noch notwendig sei, gegen die Geringschätzung Kants anzuschreiben. Doch lassen wir uns nichts vormachen. Kants Rechts- und Staatsphilosophie ist nicht mehr zu entdecken. Seine politikphilosophische Rehabilitierung ist längst abgeschlossen. Die Friedensschrift ist samt den metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre aus dem Kanon der großen abendländischen Werke der politischen Philosophie nicht mehr wegzudenken. Die Forschung hat beide Schriften um und um gepflügt. Und die Früchte ihrer Anstrengungen sind in zahllosen Veranstaltungen der Akademien und Bildungsstätten der Politik, der Gewerkschaften und der Kirchen unter die Gebildeten und Interessierten verteilt worden. Viele der Denker, die nach Höffe im abendländischen politikphilosophischen Ranking vor Kant plaziert worden sind, sind der Allgemeinheit viel unbekannter: Augustinus etwa, auch Rousseau oder Hegel.

Der Witz des Unterschieds

Es ist nicht wenig verwunderlich, daß gerade Höffe Kant zu einer unbekannten Größe machen will, hat der Tübinger Philosoph uns doch selbst Kants Rechts- und Staatsphilosophie in vielen Büchern, Editionen und Abhandlungen nahegebracht. Insbesondere Kants Konzeption des globalen Rechtsfriedens hat Höffe mehrfach dargestellt und ausgiebig diskutiert. Noch mehr erstaunt Höffes Klage über die Verkennung der Bedeutung Kants, wenn man den Charakter seiner Studien betrachtet. Sie vergraben sich ja nicht in den Schächten der Forschung, liefern keine philologische Filigranarbeit, die nur der Eingeweihte goutieren könnte, sondern bevorzugen Bestandsaufnahmen, die nüchtern die systematischen Aktiva und Passiva auflisten und durch steten Vergleich mit den anderen Meisterphilosophen das Innovationsmaß und Leistungsprofil der Kantischen Philosophie überblickend beschreiben, ohne ihre Grenzen zu verschweigen und das Zeitbedingte, das insbesondere Kants Wertungen prägt, zu beschönigen. Daher sind sie vorzüglich geeignet, den ja nicht nur innovativen, sondern auch sehr schwierigen Königsberger Philosophen einem gebildeten Publikum nahezubringen.

Der vorliegende Aufsatzband ist ein Kondensat der Höffeschen Kant-Studien. Er enthält zumeist leicht überarbeitete Einleitungen, Beiträge und Ausblicke, die Höffe für von ihm herausgegebene Einzelbände innerhalb seiner rühmenswerten "Klassiker-Auslegen"-Reihe geschrieben hat. Er zerfällt in drei Teile. Nur der dritte Teil beschäftigt sich mit der im Titel genannten "kosmopolitischen Rechts- und Friedenstheorie" Kants. Die ersten beiden Teile versammeln Abhandlungen zum allgemeinen Kantischen Moral- und Rechtsverständnis. Eröffnet wird der Moralteil mit einem Aristoteles-Kant-Vergleich, der Höffe als Moderator zeigt. Die eingeführte Trennung zwischen klassischer Ethik und neuzeitlicher Moralphilosophie wird von Höffe unterlaufen. Unter seinem konziliatorischen Zugriff wird der schroffe Gegensatz zwischen dem eudämonistischen Strebensethiker aus Athen und dem Pflichtuniversalisten aus Königsberg aufgeweicht.

Ein Wandel durch Annäherung findet statt: Kant sei, zumindest im Sinne der programmatischen Absichten seiner Moralphilosophie, durchaus ein Aristoteliker; Aristoteles sei, und diese Zurückweisung der kommunitaristischen Vereinnahmung Aristoteles' ist durchaus zu begrüßen, ein Universalist; Kant sei keinesfalls der hölzerne Imperativ-Anwender, sondern habe auch eine Theorie der Urteilskraft in seiner Moralphilosophie; Aristoteles' Handlungstheorie sei komplexer als allgemein angenommen, in ihr finde sich bereits ein Vorschein des neuzeitlichen Willens. Bei der Eudämonismus-Frage beharrt Höffe aber glücklicherweise auf einem grundlegenden Unterschied: Der Aristoteles nachgesagte eudämonistische Objektivismus ist wirklich einer; und bei Kant gibt es keinen eudämonismusaffirmativen Subtext, der seine bekannte Kritik an der moralphilosophischen Grundlagenfähigkeit des Glücksbegriffs dementierte.

Aber vermag dieses Versöhnungsprogramm im letzten zu überzeugen? Zu oberflächlich erscheinen doch die Gemeinsamkeiten, um die systematisch gut begründete Differenz zwischen den Konzeptionen Kants und Aristoteles' auszuhebeln. Liegt der philosophische Witz nicht gerade in dem Unterschied zwischen einem anthropologisch begründeten strebensethischen Universalismus à la Aristoteles und einem apriorischen, dem neuzeitlichen Naturgesetzbegriff geltungslogisch verpflichteten, selbst ins Suprahuman-Göttliche ausgreifenden Universalismus à la Kant?

Der zweite Teil ist dem Vernunftrecht Kants und seinem Zentralkonzept, dem moralischen Rechtsbegriff, gewidmet. Er bietet eine solide und sehr textnahe Einführung und behandelt auch Kants wenig beachtete Äußerungen zur honestas iuridica. Das Recht lehrt Schuldigkeitspflichten, daher scheint das Gebot rechtlicher Ehrbarkeit ein Widerspruch zu sein, denn die Aufforderung "Honeste vive" ist eine innere, selbstadressierte Pflicht, Pflichten gegen sich selbst aber gehören nicht zum Recht, sondern zur Tugendlehre. Doch läßt sich für die Einführung dieser Ehrbarkeitsverpflichtung in die Rechtslehre ein guter Grund finden. Kant hat darauf aufmerksam gemacht, daß das Gelingen rechtlich geordneter Außenverhältnisse auch an innere Bedingungen geknüpft ist. Die Rechtspersönlichkeit ist nicht nur von außen bedroht, sie ist auch gegen innere Gefährdungen zu schützen. Durch unmäßige ethische Selbstindulgenz, durch ein Wegschenken von Freiheit und Würde kann man seine Rechtspersönlichkeit so aushöhlen, daß sie zusammenbricht. Deswegen ist die Vernunftforderung nach Recht und Staat von der Forderung nach personaler Selbsterhaltung und Würde untrennbar. Mehr noch, sie geht allen anderen Forderungen des Rechts sogar voraus, denn nur der, der selbst eine Person sein will, kann andere als Personen anerkennen. Hegel hat für diesen Gedanken Kants im Paragraph 36 seiner Rechtsphilosophie den knappsten Ausdruck gefunden: "Das Rechtsgebot ist daher: Sey eine Person und respektire die anderen als Personen."

Die besten Studien des Bandes befinden sich im dritten Teil. Sie breiten den Grundriß des Kantischen Völker- und Weltbürgerrechts aus, gehen der Verklammerung von Geschichtsphilosophie und Frieden bei Kant nach und untersuchen den Zusammenhang zwischen Geltung und Durchsetzung des zwischenstaatlichen Rechts. Weil diese Darstellungen häufig entwicklungsgeschichtlich eingebettet werden und die einzelnen Stadien der Gedankenentwicklung Kants nachzeichnen, geht die Informationsleistung dieser Aufsätze über die Bekräftigung des allgemein Bekannten hinaus.

Kants Theorie des vollständigen Rechtsfriedens ist das Ergebnis einer konsequenten Freilegung der notwendigen Bedingungen gesicherter Rechtsverhältnisse. Sie beginnt mit dem Naturzustand, der den Charakter eines Rechtsprovisoriums besitzt. Um ihn zu überwinden, ist die Etablierung staatlicher Verhältnisse unerläßlich. Aber auch mit der Gründung eines Systems der öffentlichen Gerechtigkeit ist das Rechtsprovisorium noch nicht abgeschafft. Der Einzelstaat bietet selbst nur provisorisches Recht, da er sich mit anderen seinesgleichen in einem gesetzlosen Zustand befindet. Folglich muß der Verrechtlichungsprozeß auf den zwischenstaatlichen Zustand ausgedehnt werden.

Wie aber muß der globale Rechtsfrieden organisiert werden? Kant hat den Weltstaat zwar als systematisch vorzugswürdige institutionelle Präferenz bezeichnet, aber wegen seiner negativen politischen, rechtlichen und moralischen Nebenwirkungen verworfen. Höffe widmet dieser Frage der angemessenen institutionellen Verfassung der pax Kantiana seine besten Gedanken. Sein Ergebnis, das meines Erachtens Kant zu sehr seinen eigenen Vorstellungen angleicht, lautet: Kant hätte einen subsidiären Kosmopolitismus vertreten. Wenn damit gemeint ist, daß Kant einer selbst rechtlich ungefestigten föderalen Staatenvereinigung das Wort geredet hätte, dann ist nichts dagegen einzuwenden. Wenn es jedoch heißen soll, daß Kant einen institutionell gefestigten, somit auch mit wirksamen Staatlichkeitsstrukturen ausgestatteten Kosmopolitismus vertreten hätte, der als Organisator des globalen Friedens die Leistungen erbringt, die untergeordnete Organisationsebenen nicht erbringen können, dann ist das zwar eine vernünftige Position, jedoch nicht die Kants.

Die sehr lesenswerte abschließende Studie des Bandes liefert eine "kosmopolitische Lektüre" der Kritik der reinen Vernunft. Kants Hauptschrift aus friedensphilosophischer Perspektive zu betrachten ist angesichts der auffälligen juridischen Metaphorik, deren sich die Transzendentalphilosophie bedient, um ihre Friedenstiftung auf dem metaphysischen Kampfplatz zu veranschaulichen, keineswegs abwegig.

Kein Grund zur Panikmache

Zwar erspart die Wiedererkennung der Geschichte von der Entstehung des Staates aus dem Naturzustand und von der Erzeugung des Friedens durch allgemeine Gesetzgebung in der Bildsprache der Kritik der reinen Vernunft keinem sorgfältigen Leser das Eindringen in die berüchtigten Argumentationslabyrinthe ihrer Deduktionen, aber selbst die Bedeutung dieses genuin Kantischen Rechtfertigungstyps erschließt sich ja besser, wenn man weiß, daß Kant den Ausdruck "Deduktion" der Terminologie der Juristen entnommen hat. Dieter Henrich hat vor Jahren darauf hingewiesen und die Vermutung geäußert, daß unser Verständnis der Kantischen Philosophie sich erheblich verbessern wird, wenn wir lernen, die juridische und politische Metaphorik der ersten Kritik bei der Entschlüsselung ihrer systematischen Bedeutung angemessen zu berücksichtigen. Und wie einsichtsmehrend ein Textzugang sein kann, der die literarische Form philosophischer Argumente bei ihrer Analyse nicht ignoriert, sondern als gleichberechtigten Bestandteil der philosophischen Gedankenäußerung betrachtet, hat Manfred Sommers von Blumenbergs Metaphorologie inspirierte Studie über Kants Philosophie gezeigt.

Fassen wir zusammen: Sollte sich die Kenntnis der Gebildeten von Kants Rechts- und Staatsphilosophie wirklich auf dem besorgniserregenden Niveau befinden, von dem Höffe eingangs spricht, dann hat er mit dieser Aufsatzsammlung sicherlich alles Nötige getan, um das zu ändern. Den Band beschließt ein gründliches Personenregister.

WOLFGANG KERSTING

Otfried Höffe: "Königliche Völker". Zu Kants kosmopolitischer Rechts- und Friedenstheorie. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 281 S., br., 22,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bevor er auf den philosophischen Gehalt von Otfried Höffes Buch zu sprechen kommt, widerspricht Wolfgang Kersting erst einmal Höffes Diagnose, dass die rechtsphilosophische Seite Kants noch immer weitgehend unbekannt sei. Eine solche unglückliche Aufwertung der eigenen Anstrengungen hat Höffe nach Ansicht des Rezensenten gar nicht nötig, denn mit dem Buch selbst zeigt er sich weit gehend einverstanden. Am wenigsten gefällt ihm noch der erste Teil, der Kant mit Aristoteles zu versöhnen versucht. Höffe forciert hier, findet Kersting, die Annäherung trotz der prinzipiellen Berechtigung des Anliegens zu sehr. Der zweite Teil, der sich mit dem moralischen Rechtsbegriff Kants beschäftigt, taugt, so der Rezensent, als "solide und sehr textnahe Einführung". Am besten gefallen haben Kersting aber die Studien des dritten Teils, die Kants Texte zum Völker- und Weltbürgerrecht untersuchen. Nur am Ende geht Höffe nach Meinung des Rezensenten dabei einen Schritt zu weit und tendiert dazu, seine eigene Position zur Notwendigkeit zwischenstaatlicher Institutionen für die Kants auszugeben.

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