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Mit seiner Technik formt der Mensch schon längst nicht mehr nur die äußere Natur, sondern auch sich selbst. Neben der biotechnologischen Manipulation des Genoms sind es zunehmend Neurotechnologien, mit denen der Mensch sein eigenes Selbst verändert und gestaltet. Mit dem therapeutischen Erfolg dieser Technologien stehen neurotechnologische Umbaumaßnahmen von Körper und Geist am Horizont, die auf die »Optimierung« des Menschen angelegt sind. Am Beispiel neuester technischer Zugriffsmöglichkeiten auf das menschliche Gehirn, geht Oliver Müller in seinem Essay der Frage nach, welche Auswirkungen…mehr

Produktbeschreibung
Mit seiner Technik formt der Mensch schon längst nicht mehr nur die äußere Natur, sondern auch sich selbst. Neben der biotechnologischen Manipulation des Genoms sind es zunehmend Neurotechnologien, mit denen der Mensch sein eigenes Selbst verändert und gestaltet. Mit dem therapeutischen Erfolg dieser Technologien stehen neurotechnologische Umbaumaßnahmen von Körper und Geist am Horizont, die auf die »Optimierung« des Menschen angelegt sind. Am Beispiel neuester technischer Zugriffsmöglichkeiten auf das menschliche Gehirn, geht Oliver Müller in seinem Essay der Frage nach, welche Auswirkungen Technisierungsprozesse auf unser Selbstsein und auf unser Selbstverständnis haben und haben könnten. Im Zentrum der Überlegungen stehen Formen der Selbstinstrumentalisierung, der Selbstverdinglichung und der Selbstcyborgisierung, die in der technisch veränderten Wahrnehmung der eigenen Person und in der Selbstanpassung an die Perfektion technischer Prozesse liegen. Die Chiffre des Homo faber erfaßt das Unglück, das im Fortschrittsglück des Immer-Besser-Werdens liegt.
Autorenporträt
Müller, OliverOliver Müller, geboren 1972, Philosoph, Autor und Dramaturg, leitet am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg eine Nachwuchsforschergruppe zu den philosophisch-anthropologischen Grundlagen der biomedizinischen Ethik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.12.2010

Pillen, Chips
und Implantate
Oliver Müller über die heutige
Selbsttechnisierung des Menschen
Technik ist längst nicht mehr nur das, womit wir die Natur zu beherrschen versuchen. Sie ist auch nicht mehr nur das, womit wir uns täglich vielfältig umgeben. Technik ist in uns. Ein Extremfall sind Gehirnimplantate, die durch elektronische Impulse bei Parkinsonpatienten den Tremor und die Depressionen unterbinden können. Als eine leichtere Form kann man pharmazeutische Eingriffe sehen, etwa mit Ritalin oder Amphetaminen, die die psychische Leistungsfähigkeit von Menschen steigern.
Solche Praktiken jedenfalls nennt Oliver Müller „Selbsttechnisierungen“, und ihnen widmet er sich in seinem Buch „Zwischen Mensch und Maschine. Vom Glück und Unglück des Homo faber“. Die angewandte Ethik, die sich derzeit mit diesen Themen beschäftigt, ist nach Müller zu wenig an großen Zusammenhängen interessiert und werde im „Checklisten-Stil“ betrieben. Dem möchte der Freiburger Philosoph etwas entgegensetzen. Bevor man darüber diskutiere, was rechtlich erlaubt sein sollte oder nicht, und bevor man zu einfach annehme, bei „Enhancement“ handele es sich immer um Verbesserung, müsse man zunächst fragen, welche Bedeutung solche Technisierungsprozesse für unser Selbstverständnis und unser Handeln haben. Und um dazu etwas sagen zu können, müsse man erst einmal wissen, worüber man rede. Deshalb will Müller ein „Instrumentarium zur Beschreibung“ solcher Technisierung liefern.
Das ist der Plan, und er klingt vernünftig. Doch jenes Instrumentarium wird erst ganz zum Schluss angedeutet. Hier beschreibt der Autor, anhand welcher Kriterien „gute“ von „schlechter“ Selbsttechnisierung zu unterscheiden wäre: Ausgehend von Rahel Jaeggis Studie zu „Entfremdung“ erläutert er dazu die Konzepte Selbstinstrumentalisierung, Selbstverdinglichung und Selbstcyborgisierung. Zu weit geht man, so heißt es da, wenn man über die Perfektionierung bestimmter Mittel (also der Pillen oder Chips) vergisst, was eigentlich der Zweck des Ganzen ist: ein gutes Leben wohl letztlich. Oder wenn man übersieht, mit welchen anderen Möglichkeiten des Umgangs mit sich selbst der gleiche Zweck erreicht werden könnte; oder wenn man individuelle Lebensläufe völlig an technische Abläufe anpasst und sich etwa der damit zusammenhängenden Beschleunigung ausliefert; oder, schließlich, wenn der Anteil der Technik am Menschen überhand nimmt.
Das sind wichtige Aspekte, doch für ein 200-Seiten-Buch, gespickt mit Fußnoten und aufwendigen Begriffskonstruktionen, dürfte man eine präzisere Ausführung erwarten. Dazu wäre es wichtig, so grundsätzliche Fragen zu klären wie: Worin genau besteht der Unterschied zwischen eindeutig technologischen Eingriffen, wie einem elektronischen Implantat, und weniger eindeutigen, wie pharmazeutischen Mitteln? Daran ließe sich beispielsweise der Technikbegriff schärfen, daran ließe sich die Hypothese verfestigen, dass der Natur-Technik-Gegensatz nicht mehr greife. Doch solch ein Erörterung bleibt aus.
Stattdessen holt Müller für die Vorgeschichte weit aus. Ihn interessieren die Perspektive der philosophischen Anthropologie und die Frühzeit technikphilosophischer Gedanken. So zieht er Schriften von Autoren der fünfziger Jahre plus deren Vorgänger in den dreißiger Jahren als Material heran: Ernst Cassirer, Alfred Anders und Hannah Arendt, aber auch Martin Heidegger, Hans Blumenberg und andere. Die verschiedenen Herangehensweisen ordnet er so an, dass sich daraus das ergibt, was er die „anti-thetische Grundstruktur von Technisierungsprozessen“ nennt: Manches spricht für, anderes gegen die Technik als etwas dem Menschen Angemessenes. In der „Reflexionsfigur“ des Homo faber, wie er es nennt, sind die Gegensätze zusammengefasst, wie Müller an verschiedenen Auftritten dieser Figur in Philosophie und Literatur (Max Frisch natürlich) nachzeichnet.
Diese Geschichte ist informativ. Doch im gegebenen Zusammenhang frustriert ihre Lektüre, da die gesammelten Aspekte nicht recht erhellend verknüpft sind mit den angeblich verfolgten systematischen Fragen. Dass so eine Verknüpfung nicht einfach ist, erstaunt freilich nicht. Denn tatsächlich war „Technik“ damals noch etwas anderes: Sie war Mittel zur Herstellung von etwas, in der Regel Herstellung von Objekten oder Organisation von Abläufen. Der Schritt zur Selbsttechnisierung, den Müller ja auch selbst betont, ist ein großer, und den müsste man in Anschluss an die früheren Autoren erst richtig entwickeln.
Es ist begrüßenswert, dass Oliver Müller den häufig tatsächlich etwas mageren Diskurs der angewandten Ethik durch diesen anderen Ansatz zu bereichern versucht. Und das Panorama von geistesgeschichtlichen Topoi zu Mensch und Technik, das ausgebreitet wird, ist beachtlich. Doch das Ergebnis ist ein wenig wie ein Raum voller interessanter Dinge, der zu unaufgeräumt ist, als dass man das, was man sucht, finden könnte. EVA WEBER-GUSKAR
OLIVER MÜLLER: Zwischen Mensch und Maschine. Vom Glück und Unglück des Homo faber. Suhrkamp Verlag (Edition Unseld), Berlin 2010. 215 Seiten, 12 Euro.
Der Gegensatz von Technik
und Natur greift nicht mehr
– die Technik ist in uns
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eva Weber-Guskar hat sich von Oliver Müllers Erkundungen der Selbsttechnisierung des Menschen mehr erhofft. Das Ansinnen des Autors, nach der Bedeutung technischer oder pharmazeutischer Eingriffe wie der Gehirnimplantation oder der Ritalingabe für das Selbstverständnis des Menschen zu fragen und ein Begriffsinstrumentarium dafür zu finden, erscheint ihr zunächst einmal wichtig und begrüßenswert. Dass der Freiburger Philosoph dies aber erst am Schluss seines Buches tut und Fragen und Begriffskriterien nicht gerade genau zu klären vermag, enttäuscht die Rezensentin dann aber. Auch sein Rückgriff auf philosophische Vorgänger aus den 1930er und 50er Jahren findet sie zwar interessant, hier aber nicht unbedingt zweckmäßig, weil die Erkenntnisse ihrer Ansicht nach nicht in einer Weise verknüpft werden, dass sie Erhellendes zur aktuellen Lage böten. Und so wird für sie die Lektüre zum "frustrierenden" Rundgang durch unübersichtliche Denkräume, in denen zwar viel Interessantes angesprochen wird, sich der Leser jedoch nicht zurecht findet, wie sie bedauert.

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