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"Eine Autobiographie setzt zumindest eines voraus: daß das Ich weiß, wer es ist. Doch wer ist denn schon mal einem Ich begegnet? Ich jedenfalls nicht." Safaa Fathys Portrait gibt den Lesern Jacques Derridas die Möglichkeit, dem Philosophen anderswo zu begegnen, nicht in der Schrift, sondern in Ton und Bild. Fathy begleitet ihn in seine algerische Heimat, nach Spanien und in sein Pariser Domizil. Der Vater der Dekonstruktion spricht über zentrale Gedanken seiner Philosophie, über Gastfreundschaft und die Unmöglichkeit einer Signatur: "Wie etwas anderes äußern als ein genauso leidenschaftliches…mehr

Produktbeschreibung
"Eine Autobiographie setzt zumindest eines voraus: daß das Ich weiß, wer es ist. Doch wer ist denn schon mal einem Ich begegnet? Ich jedenfalls nicht." Safaa Fathys Portrait gibt den Lesern Jacques Derridas die Möglichkeit, dem Philosophen anderswo zu begegnen, nicht in der Schrift, sondern in Ton und Bild. Fathy begleitet ihn in seine algerische Heimat, nach Spanien und in sein Pariser Domizil. Der Vater der Dekonstruktion spricht über zentrale Gedanken seiner Philosophie, über Gastfreundschaft und die Unmöglichkeit einer Signatur: "Wie etwas anderes äußern als ein genauso leidenschaftliches wie desillusioniertes Interesse für diese Dinge - Sprache, Literatur, Philosophie. Etwas anderes als die Unmöglichkeit, noch einmal zu sagen, wie ich es jetzt tue: Ich - ich zeichne." Das Booklet enthält ein ausführliches Interview mit Derrida aus den "Cahiers du cinéma".

Bonusmaterial

Beil.: Booklet
Autorenporträt
Derrida, JacquesJacques Derrida wurde am 15. Juli 1930 in El-Biar in der Nähe von Algier als Sohn jüdischer Eltern geboren und starb am 8.Oktober 2004 in Paris. Während seiner Schulzeit war er antisemitischen Repressionen ausgesetzt. Ab 1949 lebte er in Frankreich und besuchte das Lycée Louis-le-Grand in Paris. Von 1952 bis 1954 studierte er an der École Normale Supérieure, wo er Vorlesungen bei Louis Althusser und Michel Foucault besuchte und sich mit Pierre Bourdieu anfreundete. 1956 gewann er ein Stipendium für einen Studienaufenthalt an der Harvard University. Während seines Militärdienstes von 1957 bis 1959 lehrte er Englisch und Französisch in Algerien. Von 1960 bis 1964 war er wissenschaftlicher Assistent an der Sorbonne. Ab 1965 bis 1984 bekleidete er eine Professur für Geschichte der Philosophie an der École Normale Supérieure. Den Durchbruch erlangte Derrida im Jahr 1967, als er nahezu zeitgleich in drei bekannten Verlagen drei wichtige Schriften veröffentlichte: De la g

rammatologie, La Voix et le phénomène sowie L'écriture et la différence. Auf Vortragsreisen in den USA lernte er Paul de Man und Jacques Lacan kennen. 1981 gründete er die Gesellschaft Jan Hus (eine Hilfsorganisation für verfolgte tschechische Intellektuelle). Im selben Jahr wurde er in Prag verhaftet und erst nach einer energischen Intervention François Mitterrands und der französischen Regierung von der Tschechoslowakei freigelassen. 1983 gründete er das Collège international de philosophie, zu dessen erstem Direktor er gewählt wurde. Im selben Jahr wurde er zum Forschungsdirektor an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) in Paris ernannt. Er starb am 8. Oktober 2004 in Paris.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Interessant scheint Klaus Englert dieses 1999 produzierte Filmporträt über den französischen Philosophen Jacques Derridas. Er berichtet über Faszination Derridas für die Gespensterhaftigkeit des Kinos, vom Eigenleben der Stimmen und Figuren in den Filmen. Angesichts dessen scheint es Englert etwas "befremdlich" den 2004 verstorbenen jetzt in Safaa Fathys Porträt zu sehen. Der Film der ägyptischen Regisseurin lebt für ihn von Reisen in die Vergangenheit, verschiedenen Schauplätzen unter anderem in Kalifornien, Paris, Algerien und den Reflexionen Derridas. Er hebt hervor, wie Fathy zwischen diesen Ebenen nach und nach Bezüge stellt und mit Brüchen und Schnitten arbeitet. Eine Szene, in der der Philosoph die Spuren in einem Bauwerk, das erst Moschee, dann Synagoge, dann wieder Moschee war, wie einen Text liest, vermittelt für Englert anschaulich, warum für Derrida die Reflexion der Spuren wichtiger ist als die der scheinbar leibhaftigen Gegenwart.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.2015

Mutters Rockzipfel
Israel und Deutschland, in Liebe entzweit: "Anderswo" im Kino

Das wehrhafte Israel ist ein Land der eigentümlichen Rituale. So kann es vorkommen, dass plötzlich die Sirenen zu heulen beginnen, auf den Straßen bleiben die Autos stehen, die Leute steigen aus und nehmen bei geöffneten Türen Haltung an. Und nun? Nichts weiter, bloß ein Moment des Gedenkens für die Soldaten beiderlei Geschlechts, denen das Land seine Sicherheit verdankt. Für den deutschen Posaunisten Jörg ist es ein schwieriger Moment, denn er steht seiner Freundin Noa gegenüber, die er eine Weile nicht gesehen hatte. Das Wiedersehen, eigentlich ein Anlass für Küssen, Herzen, Lachen, gehört den beiden nicht allein. Das ist die Botschaft dieser Szene, die in Ester Amramis Film "Anderswo" programmatische Bedeutung bekommt: Noa und Jörg haben nicht einfach die Probleme, die andere Menschen in ihren Beziehungen auch haben. Sie haben auch noch die Last ihrer historischen Position, wobei die von Jörg weniger deutlich definiert wird als die von Noa, oder auch Noale, wie sie von ihrer Familie genannt wird.

Die weibliche Position wird in "Anderswo" genauer und differenzierter (und auch mit größerer Lust am Klischee) gezeigt als die des deutschen Freunds. Noa gehört zur dritten Generation einer Familie, von der ein wichtiger Bezugspunkt durch ein Foto erkennbar wird, das sie in den Beständen ihrer Großmutter findet: "Czernowitz 1938" steht da drauf, das jüdische Osteuropa vor dem Angriff des nationalsozialistischen Deutschland ist gemeint.

Noa hat sich von dieser Geschichte bis zu einem gewissen Grad emanzipiert. Sie lebt in Berlin, hat einen deutschen Freund, und sie kommt mit einem akademischen Projekt nicht weiter, von dem deutlich erkennbar ist, dass es eher existentiellen als wissenschaftlichen Charakter hat. Noa arbeitet an einem Wörterbuch unübersetzbarer Begriffe.

Dazu dreht sie Video-Testimonials, von denen einige in "Anderswo" auch zu sehen sind. So erklärt Wladimir Kaminer, was "ostranienje" bedeutet - mit einer Paraphrase seiner Ausführungen kommt man nicht weit, also muss man sich entweder den Film anschauen, oder man muss Russe werden. Das eine geht leicht, das andere ist wahrscheinlich unmöglich, wenn man es nicht schon ist. Zwischen diesen beiden Polen der spielerischen erzählerischen Identifikation und der schier unüberwindlichen identitären Essenz lässt Ester Amrami ihren Film changieren. Noa ist eine moderne junge Frau, die aber in einer wichtigen Szene heulend am sprichwörtlichen Rockzipfel der Mutter hängt.

Jörg hingegen, dem in Israel die jungen Frauen schöne Augen machen, weil er aussieht "wie ein Mitglied der Hitlerjugend", ist im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn eine etwas blasse Erscheinung. Es ist kaum zu übersehen, dass der Drehbuchautor Momme Peters hier nur das Nötigste getan hat, dazu kommt, dass Neta Riskin in der Rolle der Noa auch deutlich stärkeres Profil gewinnt als Golo Euler, der Mühe hat, dieser Pappnasenfigur des Jörg etwas Individualität zu verleihen. Dahinter steckt ein tieferes Problem: "Anderswo" spekuliert ein bisschen auf die Erfolgsrezepte der Kulturkonfliktskomödien, traut sich aber zugleich nicht wirklich heraus aus den Beschränkungen der kleinen Beobachtungsform, die im deutschen Nachwuchskino den mittleren Standard ausmacht.

So versteht sich hier im Grunde alles von Beginn an von selbst: Israel ist Israel, und Deutschland ist Deutschland, beide Welten bestehen aus deutlichen Zeichen, beider Vertreter sind nicht so sehr ausgeprägte Individuen wie eben Figuren in einem Schema. Noa entkommt ihrer Familie nicht. Das ist die zwiespältige Botschaft von "Anderswo", dessen latente Politik darin besteht, dieses Anderswo unter kaum zu überwindenden Vorbehalt zu stellen. Das ist nicht nur arg resignativ, es fällt auch deutlich hinter "ostranienje" zurück, und "saudade" ist auch keine Lösung.

BERT REBHANDL

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