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Die Wahrnehmung Irans wird derzeit von den Tiraden Ahmadinejads und dem Nuklearprogramm dominiert. Das Klischee von verblendeten Mullahs verstellt dabei den Blick auf ein Land, dem zentrale Bedeutung für den Nahen und Mittleren Osten zukommt. Dagegen skizziert Volker Perthes die differenzierten strategischen Positionen, die Radikale und Realisten innerhalb der iranischen Eliten einnehmen. Europäischen Politikern empfiehlt er eine Politik, die das wechselseitige Vertrauen fördert und die Sicherheitsinteressen Irans wie seiner Nachbarn ernstnimmt. Damit liefert er einen fundierten Beitrag zu…mehr

Produktbeschreibung
Die Wahrnehmung Irans wird derzeit von den Tiraden Ahmadinejads und dem Nuklearprogramm dominiert. Das Klischee von verblendeten Mullahs verstellt dabei den Blick auf ein Land, dem zentrale Bedeutung für den Nahen und Mittleren Osten zukommt. Dagegen skizziert Volker Perthes die differenzierten strategischen Positionen, die Radikale und Realisten innerhalb der iranischen Eliten einnehmen. Europäischen Politikern empfiehlt er eine Politik, die das wechselseitige Vertrauen fördert und die Sicherheitsinteressen Irans wie seiner Nachbarn ernstnimmt. Damit liefert er einen fundierten Beitrag zu einer der wichtigsten politischen Herausforderungen der Gegenwart.
Autorenporträt
Perthes, VolkerVolker Perthes, geboren 1958, leitet die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und gilt als einer der international renommiertesten Nahostexperten. In der edition suhrkamp erschien zuletzt seine Studie Iran - Eine politische Herausforderung (es 2572).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2008

Logisch handelnder Akteur
Volker Perthes analysiert nüchtern die iranische Politik / Von Wolfgang Günter Lerch

Folgt man den verbalen Kundgaben der jeweiligen Führer der Vereinigten Staaten von Amerika und der Islamischen Republik Iran, so kann es keine zwei erbitterteren Feinde geben als diese beiden Länder. Nach George W. Bush, dem scheidenden Präsidenten, führt das Iran der Mullahs noch immer die "Achse des Bösen" an und ist die "größte Bedrohung für Amerika" überhaupt. Und nach Präsident Mahmud Ahmadineschad gehört Iran längst zum Kreis der "Großmächte": Schon sein Nuklearprogramm, an dem man festhalten werde, mache dies ja deutlich. Trotz der zwei Amtsperioden des milder gestimmten Präsidenten Chatami in Teheran hat sich in der iranischen Führungsschicht nichts daran geändert, dass man Amerika im Grundsatz als den Großen Satan und die Führungsmacht der "Weltarroganz" ansieht. Damit ist häufig auch der Westen als Ganzes gemeint.

Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin führt den Leser auf den Boden der Tatsachen zurück, auf die Verhältnisse, wie sie sich jenseits der Propaganda beider Seiten darstellen. Weder ist Iran (obzwar am Golf neben Saudi-Arabien gewiss der wichtigste Protagonist) eine wirkliche Großmacht oder gar die größte Bedrohung Amerikas, noch ist es angesichts der Ausgangslagen und Kalküle unmöglich, dass sich Teheran und Washington vernünftig über ihre Schwierigkeiten miteinander unterhalten - das Nuklearprogramm als der größte Brocken eingeschlossen. Die Hilfe anderer, etwa der Europäer, hat man ohnehin schon in Anspruch genommen, wenn auch mit bisher eher unbefriedigenden Ergebnissen.

In der ihm eigenen nüchternen Art mahnt Perthes zur Besonnenheit. Das ist umso nötiger, als er die Drohung eines Militärschlages seitens der Amerikaner (oder Israelis), an dem die Iraner zweifeln mögen, durchaus nicht ausschließen kann. Natürlich kennt er die Stellungnahmen des nach außen so bizarr wirkenden iranischen Präsidenten, doch nimmt er dessen verbale Ausfälle nicht zum Nennwert. Ahmadineschad mag ein Mann sein, der von religiös unterfütterten eschatologischen Visionen gefangen ist, die seinen verbalen Radikalismus fördern. Doch repräsentativ ist er nach Auffassung von Perthes nicht für das System der Islamischen Republik. Er sei vielmehr eingebunden in ein Geflecht von Institutionen und Personen, auf deren Rationalität man trotz allem letztlich vertrauen könne. Den Führern Irans sei sehr wohl bewusst, was etwa ein atomarer Gegenschlag bedeute. Politische Krisen und/oder unbewältigte Konflikte kleideten sich - speziell bei Ahmadineschad - in eine religiöse Sprache. Noch immer, so Perthes, sei es durchaus sinnvoll, zwischen Reformern, Pragmatikern und Hardlinern zu unterscheiden.

"Vertrauen" und "Sicherheit" sind denn auch die Schlüsselbegriffe, in deren Raster sich die Analyse bewegt. Der Mangel an Vertrauen gegenüber dem Westen, insbesondere den Amerikanern, geht auf iranischer Seite vor allem auf die amerikanische Iran-Politik seit dem Sturz Mossadeghs 1953 durch die CIA zurück, ein traumatisches Erlebnis für fast alle Iraner. Und das Misstrauen der Amerikaner gegenüber Iran beruht auf der von niemandem vorhergesehenen Islamischen Revolution und deren spektakulärer "Wiederbelebung", der brutalen und demütigenden Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran 1979, die 444 Tage andauerte. Dieses Grundmisstrauen prägt das wechselseitige Unverhältnis und erschwert nicht nur eine Lösung der Nuklearkrise, sondern eine Annäherung überhaupt.

Einen Königsweg hat auch Perthes nicht zu bieten. Entgegen dem äußeren Augenschein, der in dem Mullah-Regime eine irrationale Macht sieht, glaubt er daran, dass die Elite Irans nach streng rationalen Kalkülen handelt. "Iran ist ein logisch handelnder Akteur" und "will sich nicht isolieren". Der Sturz Saddam Husseins hat zwar das Schiitentum und Iran gestärkt, gleichzeitig aber die Lage instabiler gemacht. Irans Sicherheitsbedürfnis muss von Washington ernst genommen werden angesichts der Atommächte, die es umgeben. Die iranischen Nuklearpläne hingegen verunsichern auch die Nachbarstaaten. Der Gedanke einer Uranaufbereitung durch ein internationales Konsortium, zu dessen Miteigentümern Iran gehört, sollte weiterverfolgt werden. Die internationale Diplomatie, Amerika und Europa, die IAEA in Wien müssen erreichen, dass Irans Zutrauen zur Weltgemeinschaft ebenso wächst, wie das Sicherheitsbedürfnis der Nachbarstaaten und des Westens befriedigt wird. Washington muss Iran als Mitspieler ohne Wenn und Aber akzeptieren. Ein schnelles Ende des Konflikts ist nach Perthes nicht in Sicht.

Volker Perthes: Iran - eine politische Herausforderung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 159 S., 9,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.01.2009

Kuba des Mittleren Ostens
Die schwierige Umgang mit den nuklearen Ambitionen Irans
Wie kompliziert der Fall ist, bringt Volker Perthes am Ende seiner Studie auf den Punkt: Es geht um Sicherheit für Iran und um internationales Vertrauen in die Absichten des Landes. Aber es geht gleichzeitig auch um Sicherheit für die Nachbarn und um iranisches Vertrauen in die internationale Gemeinschaft. Das eigentliche Problem liegt also in der prekären Balance von Sicherheit und Vertrauen.
Wie lässt sich dieses Problem lösen? In naher Zukunft kaum, lautet die ernüchternde Antwort des Leiters der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: Barack Obama ist noch damit beschäftigt, die Minister und hohen Beamten seiner Regierung vom Kongress bestätigen zu lassen. Dann wird noch eine umfangreiche Positionsbestimmung folgen, bevor die neue US-Regierung größere außenpolitische Schritte unternimmt. Außerdem sind die iranischen Präsidentenwahlen im Sommer 2009 abzuwarten. Auch wenn die innenpolitische Position von Mahmud Ahmadinedschad gegenwärtig geschwächt erscheint, warnt Perthes davor, eine weitere Wahl des im Westen so unbeliebten Iraners auszuschließen. Erst danach könne ein neuer oder der wiedergewählte Präsident sich darum bemühen, einen Neuanfang mit den Vereinigten Staaten zu suchen.
Eine Schlüsselfunktion bei diesem Neuanfang misst Perthes einem Staat zu, der bislang nicht als Verhandlungspartner im Fall Iran aufgetreten ist – Südafrika. Diese Idee hat in der Tat einen gewissen Charme: Als einer der wichtigsten blockfreien Staaten und als Führungsmacht auf seinem eigenen Kontinent genießt Südafrika in Teheran großen Respekt. Vor allem aber wäre Pretoria, das sein eigenes militärisches Nuklearprogramm freiwillig aufgegeben hat, ein besonders glaubwürdiger Gesprächspartner bei weiteren Atomverhandlungen. Denn südafrikanische Diplomaten verstehen nach Perthes Einschätzung häufig besser als amerikanische und europäische, wie wichtig es bei Vorschlägen an Iran ist, zum Ausdruck zu bringen, dass seine Souveränität respektiert wird.
Leider verzichtet Perthes in diesem Zusammenhang darauf, die Ironie der Geschichte, die seiner Idee innewohnt, zu benennen: Mit Südafrika erhielte ausgerechnet das Land eine Schlüsselrolle im Nahen Osten, dem Irans offizieller Gegner Israel die Entwicklung seiner eigenen Nuklearstreitmacht nicht ganz unmaßgeblich verdankt. Teheran hat das sicherlich nicht vergessen. Die Verhandlungsgruppe soll mit Teheran eine Übereinkunft herbeiführen, in welcher die internationale Gemeinschaft die technologischen Errungenschaften Irans anerkennt und dieser auf eine eigenständige Urananreicherung oder Plutoniumproduktion verzichtet. Der Reiz eines solchen Abkommens liegt auf der Hand: Der UN-Sicherheitsrat könnte es zu einem internationalen Modellabkommen erklären und die dauerhafte Versorgung von Staaten mit Nuklearbrennstoffen garantieren. Damit erhielte der in den letzten Jahren oftmals verletzte Atomwaffensperrvertrag eine neue Relevanz.
Perthes ist jedoch kein Träumer. Daher hält er dieses Szenario gegenwärtig für wenig realistisch. Auch schließt er einen regionalen Krieg nicht aus. Als wahrscheinlicher sieht er ohnehin, dass der Nuklearkonflikt auf einige Zeit ungelöst bleibt und sich Iran und die internationale Gemeinschaft in einem Zustand der Stagnation wiederfinden werden – einem Zustand der gegenseitigen Blockade und Nichtkooperation, an dem sich auch durch wiederholte Versuche, die Verhandlungen in Gang zu bringen, wie durch Drohungen und gegenseitige Vorwürfe wegen der Situation im Irak und auf anderen Konfliktfeldern nichts Grundlegendes ändern wird.
Iran könnte nach Perthes’ Analyse so etwas wie ein Kuba im Mittleren Osten werden – ein Kuba mit nuklearem Brennstoffkreislauf, mit Mittelstreckenraketen und einigem Einfluss im Irak und in anderen Staaten der Region. Gleich, ob Teheran sich dann offen Nuklearwaffen zulegen würde – was, wie Perthes glaubt, eher unwahrscheinlich ist –, sich mit einer militärischen Nuklearfähigkeit begnügte oder dem israelischen Beispiel nuklearer Zweideutigkeit folgte: Die USA und ihre Alliierten würden nach Perthes’ Prognose alle im Kalten Krieg erprobten Instrumente des Containment und der Abschreckung einsetzen. Wie richtig Perthes mit dieser Vorhersage liegen könnte, zeigen Medienberichte aus den USA: Obama soll Israel einen Pakt anbieten wollen, um Iran vor einem atomaren Angriff abzuschrecken. Das Versprechen eines amerikanischen Gegenschlages könnte in der Tat die entscheidende Garantie für einen nuklearen Frieden in Nahost sein. THOMAS SPECKMANN
VOLKER PERTHES: Iran – Eine politische Herausforderung. Die prekäre Balance von Vertrauen und Sicherheit. Edition Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008. 160 Seiten, 9,00 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Von diesem Buch von Volker Perthes über die nuklearen Ambitionen des Iran hat Rezensent Thomas Speckmann vor allem gelernt, wie schwer die Balance zwischen Sicherheit und Vertrauen herzustellen ist. Perthes, Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, geht der Frage nach, wie die internationale Gemeinschaft mit Irans atomarer Aufrüstung umgehen soll. Nach der Lektüre steht für den Rezensenten immerhin fest, dass sich das Problem sobald nicht beheben lassen wird. Interessant findet Speckmann hier vor allem die Rolle, die Perthes Südafrika als möglichem Vermittler zukommen lässt. Doch bis auf weiteres droht, fasst Speckmann Perthes' Prognose zusammen, der Iran ein Kuba des Mittleren Ostens mit nuklearem Brennstoffkreislauf" zu werden, gegen das die USA auf die im Kalten Krieg erprobten Abschreckungsmittel zurückgreifen werden.

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