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Die USA sind die älteste (Medien-)Demokratie der Welt. Franklin D. Roosevelt unterhielt sich in den dreißiger Jahren bei den »Fireside Chats« per Radio mit den Wählern, John F. Kennedy war der erste Präsident des TV-Zeitalters, 2008 kommt die nächste Medienrevolution: Barack Obama und John McCain kämpfen vor allem im Internet um Stimmen, werben auf MySpace und sammeln so Millionen an Spendengeldern und rekrutieren eine Armee von Graswurzelaktivisten. Tobias Moorstedt erkundet in seiner Reportage, wie die politische Software den demokratischen Prozeß verändert. Er trifft junge Texaner, die…mehr

Produktbeschreibung
Die USA sind die älteste (Medien-)Demokratie der Welt. Franklin D. Roosevelt unterhielt sich in den dreißiger Jahren bei den »Fireside Chats« per Radio mit den Wählern, John F. Kennedy war der erste Präsident des TV-Zeitalters, 2008 kommt die nächste Medienrevolution: Barack Obama und John McCain kämpfen vor allem im Internet um Stimmen, werben auf MySpace und sammeln so Millionen an Spendengeldern und rekrutieren eine Armee von Graswurzelaktivisten. Tobias Moorstedt erkundet in seiner Reportage, wie die politische Software den demokratischen Prozeß verändert. Er trifft junge Texaner, die durch das Netz mit liberalen Gedanken in Kontakt kommen, begleitet Bürgerjournalisten und spricht mit Internetstrategen und Bloggern - den Meinungsführern des 21. Jahrhunderts.
Autorenporträt
Moorstedt, TobiasTobias Moorstedt, geboren 1977, arbeitet als freier Journalist, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, GQ und ARTE.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.09.2008

Internet-Wahlkampf
Von SZ-Autoren: Tobias Moorstedt über „Jeffersons Erben”
Seit ihrer Nominierung zur republikanischen Vizepräsidentschaftskandidatin musste Sarah Palin, die Gouverneurin von Alaska, erleben, mit welch harten Bandagen im Internet gekämpft wird: Blogger verbreiteten Gerüchte über sie, ihre Wikipedia-Seite wurde manipuliert, und echte alaskische „Hockey mums” lästern auf YouTube, Palin habe nie den Fahrdienst übernommen und auch keine Brote geschmiert.
Das Internet ist ideal für graue Propaganda, es dient im US-Wahlkampf jedoch auch als Spendensammelmaschine und als Mobilisierungswerkzeug. Vor allem Barack Obama verfolgt neben dem Angriff aufs Weiße Haus ein zweites Projekt: den Aufbau einer neuen Partizipationsarchitektur, die die Menschen zurück in den politischen Prozess holt. Für sein Buch „Jeffersons Erben” hat SZ-Autor Tobias Moorstedt die Protagonisten dieser neuen politischen Kultur getroffen: Blogger, E-Campaign-Manager und Graswurzeljournalisten, die versuchen, die Vision Thomas Jeffersons wieder aufleben zu lassen, der Information verstand als die „Währung der Demokratie”. SZ
TOBIAS MOORSTEDT: Jeffersons Erben. Wie die digitalen Medien die Politik verändern. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 165 Seiten, 9 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2008

Grau ist die Politik, doch bunt die Blogosphäre
Vom amerikanischen Wahlkampf im Internet lernen: Tobias Moorstedt beschwört auch hierzulande den wilden Meinungsjournalismus

Es hat sich nichts geändert. Wer auf der Suche nach der Demokratie die Vereinigten Staaten bereist, sieht in Amerika noch immer viel mehr als bloß Amerika. Da ging es dem deutschen Journalisten Tobias Moorstedt in diesem Frühjahr nicht anders als 1832 dem französischen Staatstheoretiker Alexis de Tocqueville. Und auch diesmal war es eine Revolution, die den europäischen Beobachter zum Kofferpacken veranlasste: der digitale Strukturwandel der Öffentlichkeit im Kampf um den Einzug ins Weiße Haus.

"Im Jahr 2008 sind die Websites der Kandidaten zu Portalen geworden, zu digitalen Gemeindezentren, Orten, an denen sich die Anhänger eines Kandidaten treffen können, um über ihre Werte und ihren Glauben zu sprechen und seine Mission in der Welt zu verbreiten. Im Wahlkampf 2008 hat die Politik den Boom der sozialen Netzwerke wie My Space, Facebook oder LinkedIn aufgegriffen." Für Moorstedt ist die Medienrevolution eine gewaltige Renaissance des Politischen - ein großes Projekt technologischen und sozialen Wandels jenseits kleinteiliger Sachfragen, das Barack Obama weitaus geschickter zu nutzen versteht als John McCain.

Moorstedt ist in diesem Frühjahr drei Monate durch die Vereinigten Staaten gereist, um den Menschen hinter der virtuellen Realität auf die Spur zu kommen, hat Webmaster und Spindoctors besucht, mit Kampagnenchefs, Bloggern und NGO-Aktivisten gesprochen. Außerdem hat er politische Theorie gelesen, ein bisschen Habermas, Sunstein und Putnam, vor allem aber die Politologin Chantal Mouffe. Ihr Plädoyer für eine Aufwertung der Leidenschaften in der Politik und einen agonalen Wettstreit der Interessen, vielgelesenes Manifest eines trendigen kosmopolitischen Linksschmittismus, hat es Moorstedt offensichtlich angetan. Wo selbst gestandene Linksliberale plötzlich mit existentialistischem Elan die Unverwechselbarkeit von rechts und links fordern, erweisen sich Moorstedts transatlantische Reiseimpressionen als zeitgeistige Selbstbetrachtung aus der Ferne.

Die Diagnose lautet: Nichts als öde Diskursdemokratie im grauen alten Europa. Den Amerikanern dagegen ist der Wettkampf der Meinungen etwas wert. Mehr als eine Milliarde Dollar werde der Wahlkampf 2008 am Ende gekostet haben. "Der ungehemmte Einsatz von Geld, Manpower und Technologie macht den Kampf zwischen Demokraten und Republikanern zu einem Labor, in dem an der Zukunft demokratischer Prozesse gebastelt wird - wir sollten deshalb auf dieser Seite des Atlantiks nicht nur das bunte und lärmende Medien- und Entertainment-Spektakel bewundern, sondern uns der Tatsache bewusst sein, dass dort Methoden und Strategien erprobt werden, die im Bundestagswahlkampf 2009 wohl ebenfalls Anwendung finden könnten."

Ob daraus auch bei uns ein großer demokratischer Aufbruch werden könnte? Moorstedt hat da so seine Zweifel. Denn richtig angekommen sind Weblogs und Bürger-Journalismus hierzulande noch lange nicht, liegen selbst für den gewogenen Betrachter "unterhalb der Wahrnehmungsschwelle". Dem heutigen Amerika-Reisenden Moorstedt scheint es dagegen, "als würde das Internet, diese neue frontier mit ihren neuen Freiräumen, mit all den Spielplätzen, Foren und Netzwerken Aspekte der amerikanischen Kultur freilegen und zum Schwingen bringen, die lange Zeit verschüttet waren. Denn wie soll man sonst erklären, dass die (politische) Aktivität im Netz in den USA so viel höher ist als in allen anderen Demokratien, die eine vergleichbar dichte Versorgung mit DSL-Anschlüssen aufweisen?"

Vielleicht versuchen wir's mal, nur so erklärungshalber, mit der Erinnerung an die Grenzerfahrungen, die die Europäer in ihrer jüngeren Geschichte mit den Leidenschaften in und für die Politik - und "das Politische" - gemacht haben? Natürlich ist auch dem genauen Netzbeobachter Moorstedt nicht entgangen, dass die virtuellen Debatten der Blogger oft "mehr an Pariser Plätze in den Tagen des Sturms auf die Bastille" als an die überschaubare athenische Agora oder entspannte Town-hall-meetings im Mittleren Westen erinnern - und deswegen mit Thomas Jeffersons Demokratieideal vielleicht doch nicht ganz so viel zu tun haben, wie es der Titel des Bändchens insinuiert.

Doch Moorstedt ist eine entfesselte "fünfte Gewalt" im Staate offenkundig lieber als eine verknöcherte "Konsensdemokratie" mit blasser "vierter Gewalt". Der eigenen Profession stellt Moorstedt nicht nur ein Armutszeugnis aus, sondern gleich den Totenschein. Die Zeitung kommt in seiner Streitschrift nur noch als museales Artefakt vor, bestaunt im multimedial aufgemotzten Washingtoner "Newseum". Doch Rettung naht in seinen Augen aus der Blogosphäre, von "Bürger-Journalisten" wie den Mitarbeitern des "Off the Bus"-Projekts der Internet-Unternehmerin Arianna Huffington.

Jenseits aller professionellen Standards verkörpern die "Bürger-Journalisten" für den Autor nämlich das "utopische Potential der Web-Kultur", das bei genauem Hinsehen freilich doch nichts anderes ist als die vergangene Zukunft der deliberativen Demokratie. "Sie reanimieren die europäische Tradition des Meinungsjournalismus - von Émile Zola über Karl Kraus bis Kurt Tucholsky . . . Eine Zeit, in der die Demokratie zwar noch gefährdet war, dafür aber auch wild und aufregend."

Moorstedts Buch erinnert selbst an die vom Autor hemmungslos verklärten Zeiten, als das demokratische Leben in Europa noch wild und gefährdet war. Es ist exzellenter alteuropäischer Meinungsjournalismus, also auch: herrlich unausgewogen. Vergessen wir einen Mausklick lang Amerika und die Medienrevolution. So einen Text bekommt man bei uns nur gedruckt zu lesen.

ALEXANDRA KEMMERER

Tobias Moorstedt: "Jeffersons Erben". Wie die digitalen Medien die Politik verändern. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 165 S., br., 9,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

So lohnend wie aufschlussreich fand Rezensent Oliver Pohlisch die Lektüre dieser Untersuchung über die digitale Medienrevoltion, deren erster großer Nutzer und Nutznießer der demokratische Präsidentschaftskandidat Barak Obama ist. Denn sie zeigt ihm, wie dessen Wahlkampf den "surfenden Citoyen" für die demokratische Kampagne gewann und sogar für sich einspannte. Und damit gleichzeitig verkrustete Institutionen und Strukturen aufbrach. Gern ist der Rezensent dem Autor Tobias Moorstedt auch an die physischen Schauplätze der digitalen Medienrevolution gefolgt, zu einigen ihrer Protagonisten. Er freut sich an Moorstedts These, dass im Internet die Utopie der Brechtschen Radiotheorie umgesetzt sei. Und es gefällt dem Rezensenten, dass Moorstedt das von ihm beschriebene Phänomen nicht vorbehaltlos lobt, sondern auch Nachteile und Schattenseiten benennt. Als Schwachpunkt empfindet es Pohlisch jedoch, dass dabei die rechtsradikale, undemokratische Seite der Politisierung des Internets nur am Rande gestreift wird.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Es ist exzellenter alteuropäischer Meinungsjournalismus, also auch: herrlich unausgewogen. Vergessen wir einen Mausklick lang die Medienrevolution. « Alexandra Kemmerer Frankfurter Allgemeine Zeitung